Stimmungskanonen für die Kämpfe der Zeit: die Unterhaltungskunst der DDR 1984 zwischen Resignation und Reorganisation
In: Aus Politik und Zeitgeschichte: APuZ, Heft B. 21, S. 3-16
ISSN: 0479-611X
"Die ideologisch-ästhetische Wirksamkeit der populären Kultur wird als kultursoziologisches Phänomen im Westen kaum diskutiert. Die sozialistischen Länder aber haben den Bereich der 'Unterhaltungskunst' längst zum 'Hauptkampfplatz der Ideologie' bestimmt. Die DDR im besonderen muß das Überangebot kapitalistischen Entertainments kontern, das durch die Medien die Landesgrenzen überflutet und sich als Vermittler westlichen Lebensgefühls anbietet. Die Maßstäbe jedoch, mit denen diese als 'Trojanisches Pferd' ins Land kommende Fremdkultur wie zum Beispiel die Rockmusik nach eigenen sozialistischen Maximen umzuformen seien, erweisen sich als widersprüchlich. Informationsdefizite hindern häufig daran, westliche Kulturerscheinungen richtig einzuschätzen und ihnen entsprechend zu begegnen. Andererseits bleibt sozialistische Unterhaltungskunst Indikator des real existierenden Lebensgefühls in der DDR, wenngleich verborgen unter Metaphern und Parablen. Nachdem es bislang nicht gelungen ist, eine spezifisch sozialistische Unterhaltung den Produkten 'imperialistischer' Vergnügungsindustrien entgegenzusetzen, man vielmehr deren ästhetischen Vorgaben kopierend folgt, wird derzeit ersatzweise die Administration neu geordnet, zumal die Populärkultur durch Abwanderungen prominenter Künstler geschwächt ist, wobei sich erwiesen hatte, daß öffentliche Treuebekenntnisse zur Partei keine Garantie für adäquate Gesinnung darstellen. Durch Umorganisierung speziell des Komitees für Unterhaltungskunst sollen politische Agitation und Willensbildung der Interpreten intensiver dem Reglement des 'sozialistischen Realismus' angepaßt werden. Besonders intensiv wird dabei die Rockmusik der DDR gefördert, gelenkt und tagespolitischen Zielen dienstbar gemacht (Aktion 'Rock für den Frieden'). Dieser Bereich der Populärkultur erreicht etwa 35 Prozent der Gesamtbevölkerung und avisiert eine Zielgruppe, die besonders ideologisch indifferent und formbar ist, die Jugend." (Autorenreferat)