"Juristische Prozesse und politische Entschuldigungen stellen unterschiedliche Wege der Aufarbeitung von Kriegsverbrechen dar. Während Kriegsverbrechertribunale individuelle Täter bestrafen und so stereotype Schuldzuweisungen zwischen den Konfliktparteien durchbrechen, wirken politische Entschuldigungen gerade durch die symbolische Annahme kollektiver Verantwortung für Verbrechen. Doch wie sehen diese theoretischen Annahmen in der Realität aus? Der Artikel analysiert die politische Versöhnungsleistung beider Ansätze anhand der öffentlichen Rezeption der Aufarbeitung zu den serbischen Kriegsverbrechen in Vukovar und Srebrenica. Dabei wird aufgezeigt, dass (1) mithilfe beider Instrumente die kollektive Verantwortung für Verbrechen auf einzelne Personen abgeschoben wird. Zudem (2) werden Unterschiede in der Versöhnungsleistung deutlich: Während die juristische Aufarbeitung die faktische Aufklärung der rechtlich verhandelten Verbrechen fördert, sind serbische Entschuldigungen trotz ihres scheinbar strategischen Einsatzes und ihrer relativierenden sprachlichen Muster dann erfolgreich, wenn die Adressaten der Entschuldigung ein pragmatisches Interesse an einer Annäherung besitzen. Somit zeigt der Artikel sowohl die komplementären als auch die unterschiedlichen Versöhnungseffekte beider Ansätze in ihrer praktischen Umsetzung auf." (Autorenreferat)
"Am 11. Februar wurden auf Präsident José Ramos-Horta und Ministerpräsident Xanana Gusmao Anschläge verübt. Beide überlebten, Ramos-Horta wurde jedoch schwer verletzt. Sechs Jahre nach seiner Unabhängigkeit hat Timor-Leste (bis 2002: Osttimor) auf dem Weg zu einer stabilen Demokratie erneut einen Rückschlag erlitten: Die Angriffe auf Ramos-Horta und Gusmao machen deutlich, dass trotz eines Regierungswechsels 2007 drängende Probleme der Postkonfliktgesellschaft nicht gelöst wurden. Die blutige Vergangenheit Timor-Lestes wirkt bis heute nach: Die Gesellschaft ist von der Gewalt der letzten Jahrzehnte traumatisiert, ihre politische Führung zerstritten. Politik und Gesellschaft müssen lernen, Konflikte gewaltfrei zu lösen. Dringend geboten ist eine grundlegende Reform des Sicherheitssektors: Armee und Polizei müssen professionalisiert und der Instrumentalisierung durch einzelne Politiker entzogen werden. Erste Schritte in diese Richtung wurden bereits unternommen und sollten konsequent weiterverfolgt werden. Der Schlüssel für eine stabile und demokratische Entwicklung liegt in der Stärkung der staatlichen Institutionen und insbesondere des Justizwesens: Aufgrund mangelnder personeller und finanzieller Ausstattung der Gerichte ist die Strafverfolgung unzureichend. Timor-Leste ist das ärmste Land Asiens: Aus der Armut speisen sich Frustration und Unzufriedenheit einer Bevölkerung, die rasant wächst. Nur wenn es gelingt, die Lebensbedingungen in kurzer Zeit zu verbessern, hat die Demokratie eine Chance. Die gescheiterten Anschläge sind ein Weckruf für alle Verantwortlichen. Das Ende des 'Rebellenführers' Reinado bietet die Chance, die Sicherheitsprobleme des Landes zu lösen und die Staatskrise von 2006 zu überwinden." (Autorenreferat)
In den meisten Postkonfliktländern verorten sich für einen gewissen Zeitraum diverse internationale Nichtregierungsorganisationen (NGOs), ausgestattet mit Geld und den besten Absichten. Sie nehmen sich kaum lösbarer gesellschaftlicher Konflikte an, sind nicht nur für die akute Nothilfe zuständig, sondern häufig auch für den Aufbau der Demokratie, für die ethnische Aussöhnung und für die Vergangenheitsbewältigung. Nach einiger Zeit ziehen die NGOs weiter und hinterlassen eine "losgelöste Zivilgesellschaft". Das NGO-Spiel handelt von den unbeabsichtigten und nicht selten negativen Ergebnissen der Friedenskonsolidierung. McMahons empirische Untersuchungen in verschiedenen Postkonfliktländern, ihre zahlreichen Interviews mit Menschen im Kosovo, Bosnien, aber auch z.B. in Vietnam, stützen die provokante These der Autorin, dass NGOs nicht so sehr eine Hilfe bei der Schaffung dauerhaften Friedens sind, sondern vielmehr Teil der anhaltenden Probleme in postkonfliktuellen Gesellschaften.
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Menschliche Motive und Taten können beides sein, "gut" und "böse". Doch anhand welcher Kriterien geschieht die Bewertung? Und: Wie ist dem "Bösen" zu begegnen, und wie ist mit seinen Folgen umzugehen - mit Krieg, Ungerechtigkeit und Schuld? Im Römerbrief fordert der Apostel Paulus, das Böse mit Gutem zu überwinden. Unter dieser Überschrift vereint der Sammelband interdisziplinäre Beiträge aus theologischer, sozialpsychologischer und militärischer Perspektive und beleuchtet dabei u. a. die Rollen von Ethik und Religion, Ideologie und kollektiver Erinnerung für Konflikte und deren Überwindung. Vor welche Dilemmata können Soldaten in Einsätzen gestellt sein? Wie ist zugefügtes Unrecht, das Familien, Institutionen und ganze Gesellschaften belastet, nachhaltig zu versöhnen? Theologen, Friedenswissenschaftler und Offiziere aus einem Lehrgang der Führungsakademie der Bundeswehr stellen sich diesen Fragen in theoretischer Reflexion anhand ausgewählter Fallbeispiele.
Im Kontext gewaltsamer Konflikte wird Bildung oft eher als nachrangiges Gut verstanden. Menschen auf der Flucht sind zunächst gezwungen ihr Überleben zu sichern. Es geht um körperliche Unversehrtheit und Sicherheit, um Obdach, Trinkwasserzugang und Nahrungssicherung. Für Flüchtlinge selbst wird Bildung jedoch schnell als grundlegend wichtig wahrgenommen. Denn Bildung kann die Sicherung einer besseren Zukunft für die eigene Familie ermöglichen, unabhängig davon, ob eine Rückkehr in die Herkunftsregion möglich ist oder nicht. Zudem ist Bildung ein Menschenrecht, das gerade für Postkonfliktgesellschaften, die Überwindung von Konfliktfolgen und die Entstehung von Frieden eine wichtige Voraussetzung ist. Bildung ermöglicht Hoffnung und Würde, in ihr liegen die Möglichkeiten für eine hoffnungsvolle Zukunft. Der Zugang zu Bildung ist eng verbunden mit der Möglichkeit, Armut zu überwinden, Stabilität und Wirtschaftswachstum zu erzielen und bedeutet die Chance auf ein besseres Leben. Im folgenden Artikel wird das Recht auf Bildung im Kontext Flucht näher vorgestellt und seine Umsetzung anhand des Beispiels tamilischer Flüchtlinge in Südindien deutlich. (DIPF/Orig.) ; In the context of violent conflict education is often understood rather as a subordinated asset. Humans forced to flee initially seek to secure their survival. Main concerns are physical integrity and safety, shelter, access to water and food security. But for refugees education is quickly perceived as fundamentally important. Education may be a key to a better future for one's family, regardless of whether a return to the region of origin is possible or not. In addition, education is a human right, which is an important requirement, especially for post-conflict societies, in order to overcome the aftermath of conflict and the emergence of peace. Education allows hope and dignity. Access to education is closely linked to the ability to overcome poverty, to achieve economic stability and growth and it offers the chance for a better life. In the following article the right to education is presented in the context of flight. The author looks on its implementation by introducing the example of Tamil refugees in southern India. (DIPF/Orig.)
"Die vorliegende Studie gibt Antworten auf die Frage, welche politischen Faktoren zu einer Verzögerung der Aufarbeitungsprozesse in Form von Wahrheitskommissionen in Uruguay, Panama und Ghana führten. Dazu werden aus der Literatur zu Transitional Justice Hypothesen zur Machtverteilung und dem Ausmaß der Menschenrechtsverletzungen gebildet, welche zur Erklärung der Phänomene beitragen. Im empirisch-analytischen Teil wird im Vergleich zu transitionsnahen Wahrheitskommissionen deutlich, dass die alten Machthaber die Aufarbeitung der Menschenrechtsverletzungen unmittelbar nach der Transition blockieren, bis es zu einem 'shift of balance' zugunsten der Oppositionsparteien kommt. Zudem wird argumentiert, dass ein niedrigeres Niveau an Menschenrechtsverletzungen vor dem Regimewechsel einen Einfluss auf das geringere Interesse an der Wahrheitsfindung in den Bevölkerungen der post-autoritären Regime hat." (Autorenreferat)
Inhaltsverzeichnis: I. In der Grauzone? Politische Regime im postsowjetischen Raum - Carolin Holzmeier: Instrumentalisierter Postkommunismus? Die Persistenz von Herrschaftsstrukturen in Turkmenistan als akteursabhängiger Entwicklungspfad (11-14); Matthew Frear: Authoritarian consolidation and adaptation. The case of Belarus (15-18); Anja Franke: Der treu sorgende Autokrat? Das herrschaftsstrategische Zusammenspiel von Ressourcen und Sozialpolitik in ressourcenreichen postsowjetischen Staaten (19-23); Dorothea Keudel: Minderheitsregierungen in Mittel- und Osteuropa (24-27); Claudia Stubler: Transformationsprozesse in der Ukraine (28-34). II. Neuordnung des postsozialistischen Raums? Die Rolle der EUisierung - Doris Wydra: ...denn die neuen Grenzen sind im Kopf... Europakonzepte als Trennlinien. Die Ukraine als Beispiel (35-39); Melanie Müller: Die Bedeutung des Beitritts der Ukraine zur WTO (40-42); Tina Freyburg, Solveig Richter: Antizipierte EU-Mitgliedschaft: zur Wirkung politischer Konditionalität auf Demokratisierungsprozesse in der Europäischen Nachbarschaft (43-46); Vera Axyonova: Europeanization beyond Europe: is a comparison of EU political engagement in Eastern Europe and Central Asia possible? (47-51); Christoph Schnellbach: EUisierung des postsozialistischen Raums? Die Grenzen des "Politiktransfers" am Beispiel des Minderheitenschutzes (52-58). III. Neuordnung des postsozialistischen Raums? Regionalisierungsprozesse - Sahra Damus: Polnisch als Qualifikation auf dem grenznahen Arbeitsmarkt - Sprachlernmotivationen von Schülern in Frankfurt (Oder) und Görlitz (59-63); Michael Bär: Die Ostseehäfen postsozialistischer Staaten - von staatlich gelenkten Umschlagsanlagen zu Schnittstellen globaler Logistikketten (64-68); Hristofor Hrisoskulov: Die Schwarzmeerregion - eine aufstrebende Region an der neuen Grenze der EU. Neue Nachbarn und neue Energiesicherheitsinteressen (69-74). IV. Zivilgesellschaft im postsozialistischen Raum: Gemeinsamkeiten und Entwicklungsperspektiven - Stipánka Busuleanu: Zivilgesellschaft in Russland - mit Unterstützung von Freunden? (75-79); Franziska Blomberg: Der Mangel an generalisiertem Vertrauen als das eigentliche "socialist legacy" im post-sozialistischen Europa (80-84); Michael Männel: Zivilgesellschaftliche Strukturen Russlands zwischen westlichen Theorien und russischem politischem Denken (85-89); Kathrin Müller: Der Einfluss nichtstaatlicher Akteure auf die regionalen Governancestrukturen in der Russischen Föderation. Dargestellt am Beispiel des Nizegorodskaâ Oblast' (90-96). V. Identitätskonstruktionen im Spannungsfeld sich ändernder Grenzen - Matej Kralj: Abtreibung des Sozialismus: die Identitätsfindung im slowenischen Verfassungsdiskurs (97-101); Veronika Siska: Das ironische Spiel mit dem nationalen Mythos in der tschechischen zeitgenössischen Kunst (102-105); Katharina Stadler: Zwischen staatlicher Integrität und ethnischer Autonomie - Identitätsfindung in zeitgenössischer georgischer Musik (106-108); Marc Zivojinovic: "Jugonostalgija" - ein postsozialistisches Identitätskonstrukt? (109-111); Ivo Mijnssen: Na i: zwischen Zukunft und Vergangenheit (112-116); Ada-Charlotte Regelmann: Politische Gemeinschaft, politische Institutionen und Minderheitspolitiken in der Slowakei 1998-2006 (117-122). VI. Postkonfliktgesellschaften: der Einfluss externer Akteure - Dominik Tolksdorf: Der Einfluss von EU-Akteuren auf Reformprozesse in Bosnien-Herzegowina (123-126); Hannah Kalhorn: Schülervertretung in Bosnien und Herzegowina. Demokratie an der Schule? (127-131); Sören Keil: Die Crux mit der Intervention. Zur Rolle internationaler Akteure in den Staaten des ehemaligen Jugoslawiens (132-136); Christian Strasser-Gackenheimer: Föderalismus und Autonomie im Kaukasus - die Rechte ethnischer Gruppen in den Verfassungen der Sowjetunion, der Russländischen Föderation und Georgiens (136-140); Sabine Höger: Mediation im georgisch-abchasischen Konflikt: wie eine Konfliktlösungsstrategie an ihre Grenzen stößt (141-145); Victoria Hudson: Russian soft power in the post-Soviet space and beyond (146-149).