Vorgestellt wird ein noch relativ neuer soziologischer Theorieansatz, der die Häufigkeit und Relevanz von Protestbewegungen in der modernen Gesellschaft zu erklären versucht. Dieser wird mit herkömmlichen wirtschaftstheoretischen Vorstellungen in Zusammenhang gebracht und seine Tragweite am Beispiel ökologischer Protestbewegungen exemplifiziert. ; The paper summarizes an innovative sociological theory of protest movements which is still rather new and little known outside German-language academic sociology proper. It seeks to explain the high frequency and considerable political impact of protest movements in the modern society. This theory is related to elements of traditional economic theory and applied to ecological protest movements.
Menschenrechtsgruppen bezeichnen Laos neben Nordkorea als eines der repressivsten Länder der Region. Freie Meinungsäußerung wird sanktioniert, offener Protest ist lebensbedrohlich. Davon zeugen zahlreiche Verhaftungen von Andersdenkenden, die ihre Meinung offen geäußert haben. Im Land fehlt eine Öffentlichkeit, in der sich Menschen mit kontroversen Themen auseinandersetzen können. Medien sind in Staatsbesitz und können – genau wie NGOs – nur unter strikter staatlicher Kontrolle arbeiten.
Plötzlich war sie mit ihren Zelten da: Die Occupy-Bewegung formierte sich 2011 scheinbar über Nacht, besetzte weltweit öffentliche Plätze und protestierte gegen Bankenmacht. Auch in Deutschland entstanden Occupy-Gruppen, die teils mehrmonatige Camps in den Stadtzentren errichteten. Von hier aus sollte sich ihr Protest entfalten - offen, basisdemokratisch, vielstimmig. Was bewegte die Aktivisten und wie blickten sie auf Politik, Staat und Gesellschaft? Wie organisierten sie sich? Und was könnte von Occupy bleiben? Anhand von Beobachtungen, Interviews und Diskussionsrunden mit Occupyern eröffnet Lars Geiges einen materialreichen Blick auf das junge und kaum erforschte Protestphänomen.
Als Armee-Einheiten am 4. Juni 1989 die Massenproteste in Beijing blutig niederschlugen, wurde in der westlichen Öffentlichkeit häufig die Auffassung vertreten, daß die kommunistische Herrschaft in China nicht mehr lange Bestand haben könne: Auch in China würden die unaufhaltsamen Kräfte der Demokratie die marode Parteidiktatur schon bald in die Knie zwingen.
Im Wettbewerb um ausländische und inländische Direktinvestitionen sind seit der Liberalisierung des indischen Wirtschaftssystems in den 1990er Jahren die natürlichen Ressourcen verstärkt unter Druck geraten. Diese Ressourcen sind gleichzeitig Lebensgrundlage für große Teile der ruralen Bevölkerung, die sich, organisiert in Form vielfältiger zivilgesellschaftlicher Widerstandsbewegungen, gegen eine Ressourcenumverteilung zunehmend stärker zur Wehr setzt. Anhand von zwei Protestbewegungen in Maharashtra und Odisha, die ihre Verwertungsinteressen in Bezug auf die Ressource Wasser regional höchst unterschiedlich durchsetzen konnten, untersucht diese Dissertation drei Leitfragen: 1. Wie haben sich die Kontroversen in beiden regionalspezifischen Fallstudien entwickelt? 2. Wie sind beide Protestbewegungen unter diesen spezifischen Rahmenbedingungen entstanden? 3. Wie kann der unterschiedliche Erfolg in der Durchsetzung ihrer Agenda mit Ansätzen der Politischen Geographie analysiert werden?
Die Protestkampagne von Fridays for Future (FFF) hat es innerhalb kürzester Zeit geschafft, in Deutschland und darüber hinaus hunderttausende Schüler*innen und Jugendliche für eine Wende in der Klimapolitik auf die Straße zu bringen. Um mehr über Profil, Mobilisierungswege und Motive der Demonstrierenden zu erfahren, haben wir als Teil eines europaweiten Forschungsprojekts Demonstrationsbefragungen während der Klimaproteste am 15. März 2019 in Berlin und Bremen durchgeführt. Das Working Paper präsentiert zentrale Befunde für FFF in Deutschland und ordnet diese ein. Die FFF-Proteste werden von jungen, gut gebildeten Menschen und überraschend stark von jungen Frauen getragen. Viele der demonstrierenden Schüler*innen, von denen sich die Mehrheit im linken Spektrum verortet, sind zum ersten Mal auf der Straße. Persönliche Kontakte sind der zentrale Weg der Mobilisierung. Die Demonstrierenden wollen die Politik unter Druck setzen, klimapolitische Versprechen einzulösen. Einen wichtigen Weg der Veränderung sehen insbesondere die Schüler*innen aber auch in der Veränderung der eigenen Lebens- und Konsumpraxis. Die Demonstrierenden sind keineswegs hoffnungslos, sondern vielmehr handlungsbereit, politisiert und zuversichtlich, dass ihr Protest gesellschaftliche und politische Veränderungen hervorrufen kann. Im europäischen Vergleich ist die Kampagne hinsichtlich Altersstruktur, Verteilung der Geschlechter und insbesondere hinsichtlich der Einschätzung von Lösungswegen heterogener als der gemeinsame Rahmen vermuten lässt. Abschließend blicken wir auf die öffentliche Resonanz und im Fazit auf Faktoren des (medialen) Erfolgs.
Seit der blutigen Niederschlagung der Protestbewegung im Juni 1989 sind z.T. umfangreiche personelle Veränderungen innerhalb der Führungsstäbe der Chinesischen Volksbefreiungsarmee (VBA) vorgenommen worden. Der Schwerpunkt der personellen Neu- und Umbesetzungen lag eindeutig auf den sieben Militärregionen (MR) und den 30 Militärbezirken (MB) auf Provinzebene: Seit dem brutalen Militäreinsatz gegen die Demonstranten in Beijing wurden die Kommandeure in sechs der sieben Militärregionen und in 21 der 30 Militärbezirke ausgewechselt, und in vier Militärregionen und 15 Militärbezirken wurden neue Politkommissare ernannt. Auf der zentralen Ebene hingegen fielen lediglich die völlige Auswechslung der militärischen und politischen Führung der Bewaffneten Volkspolizei (BVP) und eine größere Anzahl von Personalwechseln innerhalb der Führung der VBA-Marine aus dem Rahmen des üblichen Umfangs personeller Veränderungen.
Afroamerikanische Männer erwiesen sich im Zweiten Weltkrieg dem "SS-Mann" als Manifestation weißer, deutscher Männlichkeit als ebenbürtig. Sie betraten Deutschland als Eroberer und Besatzer. Als weiße GIs die soziale Hierarchie aus den USA zu importieren suchten, verteidigten die schwarzen GIs ihre Position im ersten Nachkriegsjahrzehnt. Bereits 1948 wurde die Segregation in den US-Streitkräften offiziell abgeschafft. Allerdings zeigte die Integration sich weder in der US-Gesellschaft noch im Armeealltag. In Deutschlang gerieten die GIs vielmehr in eine hybride Position zwischen Amerikanern und Deutschen, in der sie allseits diskriminiert werden konnten, aber gleichzeitig die Rolle des anderen Amerikaners als Repräsentant von Demokratie und Freiheit ausfüllten. Afroamerikanische GIs wurden zu Mittlern eines transatlantischen Kulturtransfers von Wissen, Kultur und sozialen Praktiken. In den1960er Jahren wurden die US-Streitkräfte in Europa wieder zu einem Ort, an dem der Kampf um Bürgerrechte und die Freiheit der afroamerikanischen Bevölkerung ausgetragen wurde. In der Bundesrepublik trugen die GIs dazu bei, soziale und kulturelle Wahrnehmungsmuster der deutschen Bevölkerung zu modifizieren. ; African American men proved equal in World War II to the "SS stormtrooper" as the manifestation of white German men. Black GIs entered Germany as conquerors and ranked above the defeated. When white GIs tried to implement the social hierarchy of black and white known in the US, African American GIs asserted their position during the first decade after the war. Formally, the GIs reached their aim of integration as soon as 1948. Their position was neither reflected in US society, nor in the reality of army life. In Germany, black GIs achieved a hybrid position somewhere between Americans and Germans, in which they were both discriminated against and respected as the other American representing freedom and democracy. Black GIs acted as mediators of knowledge, culture and social practices. In the 1960s, civil rights and the black freedom struggle were also negotiated in the US Army in Germany. There, GIs contributed to the change of social and cultural values of the German population.
Außerdem wurden in die dritte Auflage weitere Informationen über den Organisationsprozeß der Beijinger Studenten, über das "Dialog"-Verhalten der politischen Führung und die Reaktionen der Studenten darauf in die Chronologie eingearbeitet. Auch sind eine Reihe von Gliederungspunkten bei den Übersichten zu den Ereignissen eines jeden Tages (fett gedruckt) hinzugekommen, um die Übersichtlichkeit weiter zu verbessern. Der weiter unten abgedruckte chronologische Überblick über die Entwicklung und Niederschlagung der Protestbewegung von 1989 ist eine nur geringfügig ergänzte Zusammenstellung dieser Übersichten zu den Ereignissen von Mitte April bis Ende Juni 1989.
Mit Fridays for Future haben die Klimaproteste eine zuvor nie erreichte gesellschaftliche Breite und politische Aufmerksamkeit erlangt. Doch wer beteiligt sich eigentlich an dieser sozialen Bewegung, was motiviert die Menschen zu protestieren und welche Einstellungen haben die Beteiligten? Mehrere Umfragen unter Protestierenden aus dem Jahr 2019 bilden den Ausgangspunkt der Analyse von Sebastian Haunss, Moritz Sommer und 26 weiteren Autor*innen dieses Buchs. In zwölf Kapiteln geben sie Einblicke in Entscheidungs- und Mobilisierungsstrukturen lokaler Fridays for Future-Gruppen, analysieren die Reaktionen auf die Proteste in Medien, Politik und Gesellschaft und untersuchen die Einstellungen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu Themen des Klimawandels. Die einzelnen Kapitel sind so geschrieben, dass sie einem breiteren Publikum einen Zugang zu den ersten Forschungsergebnissen zu Fridays for Future bieten.
Die meisten Umwelthistoriker sind der Auffassung, dass die Gefahren der Kernenergie erst in den 1970er Jahren ins öffentliche Bewusstsein drangen. In den 1950er und 1960er Jahren habe demgegenüber eine 'Apokalypse-Blindheit' (Günter Anders) vorgeherrscht. Der Verfasser untersucht die Wahrnehmungen von Nutzen und Gefahren der Kernenergie im Rahmen der Proteste gegen Kernwaffen in Großbritannien und Deutschland in den späten 1950er und frühen 1960er Jahren mit dem Ziel, zu einer differenzierteren Einschätzung zu gelangen. Vor allem in Deutschland waren die Diskussionen über eine militärische Nutzung der Kernenergie ein Vorläufer der Umweltdebatte der 1970er und 1980er Jahre. Die zivile Nutzung der Kernenergie wurde demgegenüber zunehmend als Vorbote des Friedens gesehen. ; Most environmental historians argue that an awareness of the dangers of nuclear energy emerged only during the 1970s. Conversely, they have noted a 'blindness towards the apocalypse' (Günter Anders) during the 1950s and early 1960s. This article examines the perceptions of the dangers and possible benefits connected with nuclear energy within the protests against nuclear weapons in Britain and West Germany during the late 1950s and early 1960s in order to differentiate this assessment. Especially in the Federal Republic, discussions about the military use of nuclear energy prefigured the tropes which were to resurface in the environmental movements of the 1970s and 1980s. The civilian use of nuclear energy was, by contrast, increasingly seen as the harbinger of peace.
An das Auftreten der Protestbewegung knüpften sich unterschiedliche Erwartungen hinsichtlich der Zukunft der westlichen Demokratie. Kritiker der Neuen Sozialen Bewegungen sahen in der wachsenden Disposition zum politischen Protest ein Anzeichen von Anomie, Entfremdung und eines Zerfalls des politischen Konsenses. Dem stand die Vorstellung von den Neuen Sozialen Bewegungen als Vorboten einer neuen partizipativen Demokratie gegenüber, in der die Herrschaft der verkrusteten bürokratischen Apparate durch eine direkte Selbstregierung des Volkes abgelöst würde. Beide Positionen halten einer empirischen Prüfung nicht stand. Die Befürchtungen der Kritiker sind überzogen, weil sich die Protestbewegung keineswegs als Kristallisationskem einer entfremdeten, antidemokratischen Subkultur darstellt. Auch die Hoffnungen auf eine grundlegende Systemtransformation durch die Protestbewegung beruhen auf einer Überschätzung ihrer Mobilisierungskapazität und gehen von empirisch unhaltbaren Vorstellungen über die Einstellungskorrelate des politischen Protestes aus.
In unserer ersten Blickwechsel-Ausgabe zu Taiwan beschrieben wir die historische Abfolge von Protestbewegungen und die Entstehung von NGOs in Taiwan: Angefangen mit der »Wild Lily«-Bewegung 1990, gefolgt von der Rothemden-Protestbewegung 2006, die sich gegen Korruption richtete, der spontanen »Wild Strawberries«-Bewegung 2008, einer Demonstration gegen Polizeigewalt bis hin zur »Sunlower«-Bewegung 2014, der Besetzung des Parlamentsgebäudes in Taipeh als Protest gegen die Verabschiedung des »Cross-Strait Service Trade Agreement« (CSSTA) zwischen Taiwan und China. Dieser Blickwechsel vertieft nun den Einblick in ausgewählte soziale Bewegungen.
Als Bob Dylan 1965 seine erste Konzert-Tournee in England gab, galt er nicht nur als ein musikalischer Grenzgänger zwischen Folk und Rock'n'Roll, sondern wurde von der Musikpresse und dem Fanpublikum auch als Protestsänger gegen das Establishment, gegen Krieg und Unterdrückung gewertet. Als Bob Dylan im Frühjahr 1965 in London aus dem Flugzeug stieg, tat er dies nicht nur als Musiker, sondern – unfreiwillig – auch als eine Ikone der Protestbewegung. Da in der Arena der Massenmedien ökonomisch verwertbare Nachrichten von der Personalisierung von Ereignissen abhängig waren, wurde Dylan bereits lange vor seiner Ankunft in Europa zur umstrittenen Leitfigur einer jugendkulturellen Gegenkultur stilisiert. Doch bereits vor seiner Ankunft in Europa distanzierte sich Dylan in zahlreichen Interviews und Statements von der Erwartungshaltung der Medienöffentlichkeit, die ihn als populär-intellektuellen Fürsprecher der Protestbewegung zu etikettieren versuchte.
Staudämme galten im postkolonialen Indien als wichtiges Symbol für technischen Fortschritt und die Modernisierung des Landes. Trotz aller unbestrittenen Erfolge blieb der Staudammbau immer aber auch ein kontrovers diskutiertes Thema. Die Auseinandersetzung zwischen Befürwortern und -gegnern nahm an Schärfe zu, als die Weltbank einen Kredit über 450 Mio. US-Dollar für den Bau eines Megastaudammprojekts am Narmada-Fluss zusagte. Die Protestbewegung fand bald die Unterstützung einer Reihe bekannter Persönlichkeiten, was das Narmada-Projekt auch international bekannt machte. "Narmada" wurde zu einem Schlagwort in der Debatte um den zukünftigen Entwicklungsweg Indiens und zu einem Symbol des transnationalen Widerstands gegen das seit den 1960er Jahren geplante Modernisierungsprojekt. Christoph Dittrich zieht Bilanz nach 20 Jahren Protestbewegung.