Das Verhältnis von Psychoanalyse und Politik wird aus historischer Perspektive erörtert. Zunächst wird S. Freuds Einstellung zur Gesellschaft beschrieben. Dann folgt eine Darstellung des Verhaltens einiger Schüler Freuds, die sozialistisch oder kommunistisch orientiert waren. 1925 versuchten Paul Federn und Heinrich Meng eine Darstellung der Psychoanalyse für das Volk durch "Das Psychoanalytische Volksbuch", das sehr erfolgreich war. Die Zeitschriften "Psychoanalytische Pädagogik" und "Psychoanalytische Bewegung" folgten schnell und waren ein erster Versuch, auf gesellschaftliche Verhältnisse einzuwirken. Alle diese Bemühungen endeten 1938. In den Vereinigten Staaten von Amerika versuchten einige Analytiker einen ähnlichen Weg zu gehen, der für etwa 25 Jahre auch beträchtlichen Erfolg zeigte, aber heute kaum Beachtung findet. In Europa setzte sich der Gedanke Freuds, dass Eros über Thanatos siegen müsse, langsam durch. Abschließend wird die Frage der Laienanalyse behandelt, da sie darauf aufbaut, dass die Psychoanalyse eine Psychologie des Unbewussten ist und nicht eine Psychotherapie, die nur eine - und keineswegs die wichtigste - Anwendung ist. ; peerReviewed ; publishedVersion
Psychoanalyse und Gesundheitswesen erscheinen auf den ersten Blick als zwei Felder, die nicht oder zumindest kaum miteinander zu vereinen sind. Auf der einen Seite ein hoch komplexes, interaktives Geschehen zwischen AnalysandIn und PsychoanalytikerIn, welches in einem vorgegebenen Setting, aber in weiten Zeithorizonten der Rahmen darstellt, um individuelles Erleben der Analysanden zu verstehen und mit dem Ziel des Autonomiegewinns zu verändern. Auf der anderen Seite ein hoch reglementiertes gesellschafts- und machtpolitisch bestimmtes Feld, welches klare Rahmenvorgaben gibt und kleinschrittig vorschreibt, wie Heilprozesse unterstützt und realisiert werden sollen. Der Frage, inwiefern diese beiden Felder trotzdem aufeinander bezogen werden können, geht der Autor in seiner Arbeit nach. Anhand und in Abhängigkeit der aktuellen Entwicklungen werden Chancen und Risiken der Psychoanalyse im schweizerischen Gesundheitswesen dargestellt und in einem weiteren Schritt ein möglicher Platz der Psychoanalyse in der Gesundheitsversorgung definiert.
Psychoanalyse und Gesundheitswesen erscheinen auf den ersten Blick als zwei Felder, die nicht oder zumindest kaum miteinander zu vereinen sind. Auf der einen Seite ein hoch komplexes, interaktives Geschehen zwischen AnalysandIn und PsychoanalytikerIn, welches in einem vorgegebenen Setting, aber in weiten Zeithorizonten der Rahmen darstellt, um individuelles Erleben der Analysanden zu verstehen und mit dem Ziel des Autonomiegewinns zu verändern. Auf der anderen Seite ein hoch reglementiertes gesellschafts- und machtpolitisch bestimmtes Feld, welches klare Rahmenvorgaben gibt und kleinschrittig vorschreibt, wie Heilprozesse unterstützt und realisiert werden sollen. Der Frage, inwiefern diese beiden Felder trotzdem aufeinander bezogen werden können, geht der Autor in seiner Arbeit nach. Anhand und in Abhängigkeit der aktuellen Entwicklungen werden Chancen und Risiken der Psychoanalyse im schweizerischen Gesundheitswesen dargestellt und in einem weiteren Schritt ein möglicher Platz der Psychoanalyse in der Gesundheitsversorgung definiert.
Ich führe die in psychoanalytischen Vereinigungen häufig zu beobachtende Tatsache der Infantilisierung ihrer Mitglieder auf die strukturellen Bedingungen der psychoanalytischen Ausbildung zurück. In den persönlichen Analysen, den Supervisionen und der theoretischen Ausbildung entwickeln sich regelmässig Identifikationen und Idealisierungen, die in einer hierarchisch gegliederten Institution, die von einer Gruppe von LehranalytikerInnen beherrscht wird, in der Regel nicht bewusst werden können und nicht aufzulösen sind. Am PSZ wurden nach der 1977 erfolgten Trennung von der SGP diese Mechanismen erfolgreich durch einen basisdemokratischen Prozess der Selbstverwaltung, der Selbstautorisierung und der Des-Institutionalisierung der Machtstrukturen (wie der Institution der «Lehranalyse») aufgehoben. Der Preis, der für den Zuwachs an Autonomie zu bezahlen war, war allerdings eine Einbusse an Sicherheit und das Erfordernis der kontinuierlichen Teilnahme am demokratischen Prozess in den Teilnehmerversammlungen.
Ich führe die in psychoanalytischen Vereinigungen häufig zu beobachtende Tatsache der Infantilisierung ihrer Mitglieder auf die strukturellen Bedingungen der psychoanalytischen Ausbildung zurück. In den persönlichen Analysen, den Supervisionen und der theoretischen Ausbildung entwickeln sich regelmässig Identifikationen und Idealisierungen, die in einer hierarchisch gegliederten Institution, die von einer Gruppe von LehranalytikerInnen beherrscht wird, in der Regel nicht bewusst werden können und nicht aufzulösen sind. Am PSZ wurden nach der 1977 erfolgten Trennung von der SGP diese Mechanismen erfolgreich durch einen basisdemokratischen Prozess der Selbstverwaltung, der Selbstautorisierung und der Des-Institutionalisierung der Machtstrukturen (wie der Institution der «Lehranalyse») aufgehoben. Der Preis, der für den Zuwachs an Autonomie zu bezahlen war, war allerdings eine Einbusse an Sicherheit und das Erfordernis der kontinuierlichen Teilnahme am demokratischen Prozess in den Teilnehmerversammlungen.
Anfang der 1990er Jahre haben die anglophonen Geographien damit begonnen, sich mit dem Verhältnis von Psychoanalyse und Stadt auseinanderzusetzen. Ausgehend hiervon kam es Anfang der 2000er Jahre zum Ausruf eines psychoanalytic turn und zur Etablierung von Subdisziplinen, wie den psychoanalytic geographies und der psychoanalytic planning theory, die in den letzten Jahren zu etablierten Bestandteilen der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Städten im anglophonen Raum geworden sind. Da ein solcher turn hierzulande ausgeblieben ist, stellt sich dieser Beitrag die Frage nach dem Potential einer psychoanalytischen Stadtforschung im deutschsprachigen Raum. Hierzu verfolgt der Autor die These, dass die Stadt bereits in ihrer Entstehung durch das Unbewusste heimgesucht wird. Das urbane Unbewusste kennzeichnet eine Art konstitutiven Störfaktor, der sich in die Topologie der Stadt einschreibt und die Stadt als Objekt (der Stadtforschung) in letzter Instanz unmöglich macht. Ausgehend von dieser Unmöglichkeit, geht der Beitrag den Fantasien rund um die sozialen, politischen und materiellen Verhältnisse einer Stadt nach. Fantasien spielen aus Sicht der psychoanalytischen Stadtforschung eine zentrale Rolle, um der Stadt eine illusorische Konsistenz zu verleihen und das urbane Unbewusste auf Distanz zu halten. Sie ermöglichen es, sich die Stadt vorzustellen, sie zu fühlen und über sie zu sprechen. Der Beitrag endet schließlich mit ein paar Worten zu den Herausforderungen einer künftigen Erschließung der Psychoanalyse für kritische Stadtforschung. ; At the beginning of the 1990s, anglophone geographies started to investigate the relationship between psychoanalysis and the city. In the beginning of the 2000s, geographers announced a "psychoanalytic turn". Sub-disciplines such as "psychoanalytic geographies" and "psychoanalytic planning theory" were founded and have started to become established components within the scholarly debates on cities in the anglophone world. There has been no such "turn" in the German-speaking hemisphere. Therefore, this paper retraces the potential of psychoanalytic urban studies. The author follows the idea of an urban unconscious. The urban unconscious characterizes a constitutive disruption that is inscribed into the topology of the city and ultimately makes it impossible to speak of the city as a coherent object (of urban studies). Starting from this impossibility, the paper examines the fantasies surrounding the social, political and material environments of the city. From a psychoanalytic standpoint, fantasies play a central role in providing the city with an illusion of consistency and maintaining a distance towards the urban unconscious. They allow us to imagine the city, to feel, and speak about it. The paper concludes with a few words about the general challenges for critical urban scholars to engage with psychoanalysis.
FAEL (Free Associations/ East London) besteht in Grossbritannien seit Ende der 70er-Jahre als loser Zusammenschluss von politisch interessierten Personen, in erster Linie aus dem sozialen Bereich, der Politik, den Medien und anderen. In verschiedenen Zusammenhängen beschäftigen sie sich mit einem gemeinsamen Anliegen, nämlich mit der Verbindung von Psychoanalyse und einem von ihnen als kulturell definierten Marxismus mit dem Ziel, dem sozialistisch begründeten politischen Prozess neue Impulse und Vitalität zu geben. Dabei spielen die britischen Objektbeziehungstheorien eine grosse Rolle. Begriffe wie Entfremdung und projektive Identifizierung werden miteinander in Beziehung gesetzt und untersucht. Neben der Zeitschrift Free Associations bildeten über Jahre hinweg stattfindende Konferenzen, unter anderem organisiert von MitarbeiterInnen der Tavistock Clinic in London, Foren für rege Auseinandersetzungen, an denen auch Mitglieder des PSZ mitbeteiligt waren oder sind Einige neuere Entwicklungen psychoanalytischer Sozialpsychologie in Grossbritannien1Übersetzung von Caroline Schlatter1Es handelt sich um das zehnte Kapitel des Buches "Organisations, Anxieties & Defences – Towards a Psychoanalytic Social Psychology", herausgegeben von R.D. Hinshelwood und Marco Chiesa im Whurr Publishers Verlag (London und Philadelphia) 2002. Die Übersetzung und Publikation erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Herausgeber und des Verlages. Wir sind auch ganz besonders Bob Hinshelwood für die Vermittlung zu Dank verpflichtet.
Der Ausgangspunkt ist eine aktuelle Erfahrung mit einem psychoanalytischen Institut in Rio de Janeiro, das mich mit einem schwierigen Kapitel europäischer Geschichte konfrontierte. Danach gehe ich den Entstehungsbedingungen der Psychoanalyse in Brasilien nach und zeige auf, wie die heutige Praxis dadurch beeinflusst ist. So war der Motor für die Entwicklung der Psychoanalyse in den zwei Zentren São Paulo und Rio de Janeiro recht unterschiedlich, was spannende Fragen aufwirft. In der weiteren Entwicklung der psychoanalytischen Bewegung im Kontext der Diktaturen der 60er- und 70er-Jahre haben sich daraus Konflikte ergeben, in denen es um die Situierung der Psychoanalyse bezüglich berufspolitischer, sozialer und politischer Fragen ging. Daraus entwickelte sich eine facettenreiche psychoanalytische Landschaft.
Der Ausgangspunkt ist eine aktuelle Erfahrung mit einem psychoanalytischen Institut in Rio de Janeiro, das mich mit einem schwierigen Kapitel europäischer Geschichte konfrontierte. Danach gehe ich den Entstehungsbedingungen der Psychoanalyse in Brasilien nach und zeige auf, wie die heutige Praxis dadurch beeinflusst ist. So war der Motor für die Entwicklung der Psychoanalyse in den zwei Zentren São Paulo und Rio de Janeiro recht unterschiedlich, was spannende Fragen aufwirft. In der weiteren Entwicklung der psychoanalytischen Bewegung im Kontext der Diktaturen der 60er- und 70er-Jahre haben sich daraus Konflikte ergeben, in denen es um die Situierung der Psychoanalyse bezüglich berufspolitischer, sozialer und politischer Fragen ging. Daraus entwickelte sich eine facettenreiche psychoanalytische Landschaft.
Der Artikel behandelt Zusammenhänge zwischen individuellen und institutionellen Aspekten der Übertragungsdynamik und spezifischen strukturellen und situationsbedingten Charakteristiken der psychoanalytischen Behandlung von politisch verfolgten und gefolterten Menschen, die in einem Pariser Zentrum (Centre Primo Levi) von einem multidisziplinären Team ambulant betreut werden. Der Begriff des klinischen «Grenz-Falles» wird hier, im Kontext spezifischer, situationsgebundener und das Symptom betreffender Eigenschaften erörtert, die die Analyse wie auch die Institution unter gewissen Umständen an ihre Grenzen bringen können. Darüber hinaus wird das der analytischen Behandlungsstruktur eigene Machtgefälle, welches unter Umständen das Risiko einer erneuten Traumatisierung des Patienten beinhaltet, hinsichtlich seiner Verknüpfung mit der strukturellen Dynamik der Foltersituation erörtert.Wegen der aus ethischen Gründen nicht möglichen Veröffentlichung des in der ursprünglichen Vortragssituation präsentierten klinischen Fallmaterials bleiben die theoretischen Überlegungen hier leider ohne kasuistische Illustration. Dieser Artikel ist die Transkription des ersten Teils unseres Vortrags. Der zweite Teil, der eine Falldarstellung beinhaltete, kann hier aus Gründen der Vertraulichkeit und wegen der auffälligen Symptomcharakteristik leider nicht berücksichtigt werden.
Der Artikel behandelt Zusammenhänge zwischen individuellen und institutionellen Aspekten der Übertragungsdynamik und spezifischen strukturellen und situationsbedingten Charakteristiken der psychoanalytischen Behandlung von politisch verfolgten und gefolterten Menschen, die in einem Pariser Zentrum (Centre Primo Levi) von einem multidisziplinären Team ambulant betreut werden. Der Begriff des klinischen «Grenz-Falles» wird hier, im Kontext spezifischer, situationsgebundener und das Symptom betreffender Eigenschaften erörtert, die die Analyse wie auch die Institution unter gewissen Umständen an ihre Grenzen bringen können. Darüber hinaus wird das der analytischen Behandlungsstruktur eigene Machtgefälle, welches unter Umständen das Risiko einer erneuten Traumatisierung des Patienten beinhaltet, hinsichtlich seiner Verknüpfung mit der strukturellen Dynamik der Foltersituation erörtert.Wegen der aus ethischen Gründen nicht möglichen Veröffentlichung des in der ursprünglichen Vortragssituation präsentierten klinischen Fallmaterials bleiben die theoretischen Überlegungen hier leider ohne kasuistische Illustration. Dieser Artikel ist die Transkription des ersten Teils unseres Vortrags. Der zweite Teil, der eine Falldarstellung beinhaltete, kann hier aus Gründen der Vertraulichkeit und wegen der auffälligen Symptomcharakteristik leider nicht berücksichtigt werden.
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Wer als Kind den Zweiten Weltkrieg miterlebt hat, kann diese intensiven und lebensbedrohlichen Erlebnisse oft auch als Erwachsener nicht ausblenden – sie überschatten sein Leben weiter, auch ohne dass es dem Betroffenen selbst bewusst sein muss. In einer Studie der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung unter der Leitung der Direktorin des Frankfurter Sigmund-Freud-Instituts, Prof. Dr. Marianne Leuzinger-Bohleber, wurden 401 Patientinnen und Patienten nachuntersucht, die zwischen 1990 und 1993 ihre psychoanalytische Langzeitbehandlung beendet hatten. Das Forscherteam ist unerwartet häufig und dramatisch den Schatten des Zweiten Weltkriegs begegnet: Bei mehr als der Hälfte der untersuchten Personen, bei 54 Prozent, hat die zivilisatorische Katastrophe in Deutschland die gesamte Lebensgeschichte bestimmt und Jahrzehnte nach dem Zusammenbruch des Nationalsozialistischen Regimes mit dazu beigetragen, dass sie psychotherapeutische Hilfe suchten.
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Je mehr der Angstbegriff in den letzten Jahren in den öffentlichen Debatten gebraucht wurde, desto unbestimmter wurde er. Gegenwärtig, so scheint es, kann der Mensch Angst vor allem haben: Arbeitslosigkeit, fallende Aktienkurse, Atomkrieg, der Zuwanderung Asylsuchender oder Angst davor etwas in den sozialen Netzwerken zu verpassen – "Fomo" genannt (vgl....