The essays gathered in this volume investigate the role of science and art in issues of war and peace through various disciplines and theoretical traditions. How does philosophical anthropology explain why humans can be so violent? How do psychoanalysis and neuroscience regard the fact that, rather than pursuing happiness and freedom, humans seem to prefer the destruction of others and themselves? How is violence incorporated into language? How do the social sciences construct a depreciative view of the enemy and the myth of a national, superior identity? How have the natural sciences been involved in domination or cooperation between countries? How does art defame or value the other? How can one shield science and art from the logic of war, making them a common good for humanity and a foundation for peace? Many reflections are discussed here with regard to Kant, Hegel, Alexander von Humboldt, Novalis, Schlegel, Schopenhauer, Tolstoy, Freud, Einstein, Ortega y Gasset, Clausewitz, Canetti, Bourdieu, Rawls etc. This volume stands alone in clarifying the role of science and art in war and peace analytically and historically while also linking it to a number of contemporary implications.
In: Komplexe Dynamiken globaler und lokaler Entwicklungen: Verhandlungen des 39. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Göttingen 2018, S. 1-8
In dem Beitrag wird die Frage diskutiert, inwieweit Esoterik als Ideologie im Sinne von notwendig falschem Bewusstsein begriffen werden kann. Im ersten Teil wird die esoterische Subjektivität gesellschaftstheoretisch und psychoanalytisch bestimmt und die Bedürfnisse analysiert, die durch Esoterik befriedigt werden, sowie die Funktion untersucht, die diese Ideologie erfüllt. Im zweiten Teil werden dann diese Resultate mit Theodor W. Adornos Bestimmungen des Ideologiebegriffs in seinem Beitrag zur Ideologienlehre von 1954 konfrontiert. Adorno behauptet dort, dass die Ideologie nach dem Ende des liberalen Unternehmerkapitalismus nicht mehr als notwendig falsches Bewusstsein begriffen werden könne. Im Gegensatz dazu wird die These aufgestellt, dass Ideologien der Massenkultur wie die Esoterik trotz ihres Mangels an Kohärenz notwendig falsches Bewusstsein darstellen, insofern sie sich blind und anonym aus dem gesellschaftlichen Prozess kristallisieren und in ihnen der gesellschaftliche Geist zum Ausdruck kommt.
Die Autorin beschäftigt sich mit dem Bereich der Arbeitswelt und stützt sich sowohl auf die Theorie der Interaktionsformen als auch auf die Verfahrensweise tiefenhermeneutischer Interpretation als Kulturanalyse. Interaktionsprozesse der Arbeitswelt werden als Widerspruch zwischen Interaktionsformen und Verkehrsformen begriffen. Kampf und Flucht sind nicht nur charakteristisch für das zwischen den betrieblichen Gruppen inszenierte Drama in der betrieblichen Lebenswelt; sie bestimmen ebenso den Umgang mit den innerpsychischen Gegnern, den in der familialen Sozialisation aufgebauten individuellen Interaktionsformen als Niederschlag einer anderen, bedürfnisorientierten Rationalität. Die in der subjektiven Aneignung der Rolle akut werdende Widersprüchlichkeit zwischen der Rationalität der Warenproduktion und der Rationalität menschlicher Selbstverwirklichung wird durch Regression, d.h. durch Indienstnahme psychischer Abwehrmechanismen gelöst. Sozialisatorisch entwickelte emanzipative Kräfte kommen nicht zum Tragen. Aus ihrer Unterdrückung wird vielmehr projektive Kraft gewonnen, die aus dem Konflikt von Verkehrsformen und Interaktionsformen resultierenden Schuldgefühle in den harten AV-Standpunkt umzusetzen. (TR)
"Talking is like walking" sagt Halliday (1985: XXV) über das Sprechen und deutet damit auf den hohen Grad der Automatizität und den niedrigen Grad der Beteiligung des Bewußtseins beim Sprechen hin. Daraus kann man folgern, daß die Form des Ausdrucks in narrativen Texten mehr oder weniger unbewußt entsteht, und daß sie daher den mentalen Zustand und die Absichten des Sprechers widerspiegelt. Diesen Sachverhalt erkennt Chafe (1990:79): "I try to justify ... how and why narratives can be an important vehicle for mental research." Diese Tatsachen werden auch in der Psychoanalyse erkannt, allerdings auf einer anderen Ebene (vgl. Arrive 1992). Dort symbolisieren einzelne Wörter bestimmte Sachverhalte, während hier sprachliche Strukturen als Indikatoren für das Mentale betrachtet werden, indem Bedeutungen sprachlicher Strukturen entschlüsselt werden. Die Aussagefähigkeit der einzelnen Strukturen wird in bezug zu ihrer Regelmäßigkeit sowie ihren Abweichungen von der geläufigen "Regel" gesetzt. Die Aufdeckung dieser Strukturen ist daher das Ziel des vorliegenden Beitrags, deren primäre Zielgruppe Sozialwissenschaftler sind, die an vertieften Interpretationen der Texte arbeiten. Die hier angestellten Überlegungen sind jedoch nicht nur für Sozialwissenschaftler von Interesse, sondern für alle, die Texte verstehen und interpretieren wollen. Gerade in detaillierten Interpretationen gehen Psychologen intuitiv vor, obwohl die Linguistik genauere Differenzierungen sprachlicher Strukturen anbieten kann. Es sollen also argumentative Begründungen aufgrund der Eigengesetzlichkeit des sprachlichen Materials ermöglicht werden.
Psychoanalyse wird gemeinhin als ein Therapieverfahren zur Heilung von psychischen Neurosen verstanden und der klinischen, medizinischen Psychologie oder als Nebengebiet der Psychiatrie zugerechnet. Weniger bekannt sind die psychoanalytischen Beiträge zur Gesellschafts-, Kultur- und Literaturanalyse, für die außerhalb des klinischen Settings spezifische Methoden entwickelt wurden. Für die psychoanalytische Kulturanalyse kommt hier Sigmund Freuds "Unbehagen in der Kultur" ein besonderer Rang zu. Psychoanalyse entzieht sich ein Stück weit dem Spartendenken in den Wissenschaften, der "Departmentalisierung des Geistes". Dies zeigt sich deutlich, wenn man die Psychoanalyse mit der Nomenklatur der Akademischen Psychologie vergleicht. Während letztere Sozial-, Persönlichkeits-, Entwicklungs- und Klinische Psychologie in einem arbeitsteiligen Nebeneinander begreift und lehrt, stehen sie in der Psychoanalyse in einer kritischen Verbindung. Die psychoanalytische Metapsychologie ist ihr zusammenhängender Unterbau, auf den die anwachsende psychoanalytische, empirische Erfahrung kritisch bezogen wird. Der vorliegende Beitrag geht zunächst auf die Methoden der Ethno-Psychoanalyse ein. Im Anschluss daran werden die Methoden psychoanalytischer Sozialpsychologie vorgestellt. (ICD2)
Von Politischer Psychologie gibt es gegenwärtig ein enges und ein weites Fachverständnis. Das erste behandelt Politische Psychologie als eine der Unterabteilungen der Sozialpsychologie, also als eine weitere "Bindestrichpsychologie". In diesem engen Fachverständnis von Politischer Psychologie geht es um die Anwendung des traditionellen Methodenrepertoires der Sozialpsychologie auf Untersuchungsfelder, denen gemeinhin der Charakter des Politischen zugesprochen wird. Das weitere Verständnis von einer politischen Psychologie zielt auf eine die Arbeitsteilung in den Sozialwissenschaften (Gesellschaftswissenschaften) übergreifende Untersuchungsperspektive. Man geht hier davon aus, dass der Gegenstand des Politischen nur dann angemessen begriffen, theoretisch gefasst und empirisch untersucht werden kann, wenn sich in dieser Untersuchungsperspektive Gesellschaftstheorien mit psychologischen Ansätzen und Ansätzen aus der Psychoanalyse vermitteln und integrieren lassen. An die Stelle eines Rückgriffs auf das Methodenrepertoire der Sozialpsychologie rückt hier eine ausführliche erkenntnistheoretische und methodologische Diskussion, aus der vielfältige Beiträge zur qualitativen und interpretativen Forschung entstanden sind. Der vorliegende beginnt mit der Bewusstseinsanalyse als Gegenstand Politischer Psychologie. Im Anschluss daran wird der Beitrag der psychoanalytischen Sozialpsychologie betrachtet. Abschließend geht der Autor auf das Alltagsbewusstsein als kritische Kategorie ein. (ICD2)
Der Umgang, den die Menschen mit ihren Verdrängungen und dem Verdrängten pflegen oder nicht pflegen können, sagt nicht nur jeweils etwas über einen einzelnen Menschen aus, sondern gleichermaßen etwas über die psychologische Kultur der Gesellschaft, in der sie leben. Die Verdrängungsschranke, die Art ihrer Wahrnehmung: ob überhaupt und wie die aus dem Unbekannten drängenden Impulse gespürt, die Existenz des "inneren Auslandes" anerkannt wird, ist Resultat der frühen Sozialisation. Der Autor stellt die Psychologie von Alfred Lorenzer dar. Der Gewinn dieser interaktionstheoretischen Explikation der Psychoanalyse liegt darin, die Vermittlungen zwischen Individuum und Gesellschaft genauer untersuchen und analysieren zu können. In der Psychoanalyse waren von Anfang an die strengen Unterscheidungen von krank und gesund, pathologisch und normal problematisch. Es stellt sich vielmehr die Frage nach der Krankheit einer ganzen Gesellschaft, wie sie z.B. Alexander Mitscherlich gestellt hat. Vielleicht hat eine Gesellschaft in großem Umfang Mittel zur Verfügung, die es ihren Mitgliedern ermöglicht, mit ihren psychischen Beschädigungen gut zurechtzukommen, sich mit solchen Beschädigungen sogar wohl und geehrt zu fühlen, weil sie offensichtlich belobigt und belohnt werden? Der Autor untersucht, welche pathologischen Mittel es sind, die eine Gesellschaft bereitstellt und damit eine große Zahl ihrer Mitglieder in einen psychischen Zustand versetzt, in dem sie ihre Bedürfnisse befriedigt wähnen? Am Beispiel der Massenpsychologie des Faschismus werden diese Fragen erläutert. Der Autor beschäftigt danach mit der Frage, ob eine Massenpsychologie denkbar wäre, die die Menschen nicht entmächtigt, sie nicht ihrer Autonomie beraubt und nicht ihr Ich einschränkt. Sind Organisationsformen von Menschenmassen und Kollektiven überhaupt vorstellbar, die die Menschen nicht unter die Knute des Gehorsams zwingen und ihre Lebensentwürfe zerstören? Es gibt empirische Hinweise auf die Ambivalenz des psychischen Impulses zu einem besseren und befriedigenderen Leben und seiner gleichzeitigen Verbannung ins Unbewusste. In einer empirischen Studie ist der Autor auf Formen einer Lebenspraxis gestoßen, die auf Bedürfnisbefriedigung, Liebe, Lebenslust, Vertrauen, Hilfsbereitschaft und Solidarität zielt. Als Beispiele wird die Friedensbewegung von 1983 gesehen. Hier hat sich plötzlich der politische Eros nach langen Jahren des Zerfalls der Studentenbewegung freie Bahn geschaffen: Gewaltlosigkeit, Spontaneität, Einfallsreichtum gepaart mit Umsicht, Witz und Trotz. (LO)
Dieser einleitende Aufsatz zu Paul Parins, Fritz Morgenthalers und Goldy Parin-Matthèys Studie Fürchte deinen Nächsten wie dich selbst (1971) ist ein Beitrag zur Methodendiskussion der psychoanalytischen Sozialforschung. Die drei Psychoanalytiker haben vom Dezember 1965 bis Mai 1966 bei den westafrikanischen Agni an der Elfenbeinküste Feldforschung betrieben. Gemäß ihres Anspruches, die Psychoanalyse als Forschungsinstrument zu verwenden, lösten sie den psychoanalytischen Dialog aus der therapeutischen Situation und wandten ihn für ihre Feldgespräche an. Damit leisteten sie einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung der Ethnopsychoanalyse. In dem Aufsatz wird die bei zwei Besuchen des methodistischen Predigers und Heilers Edjro Josué angewandte Gesprächsführung untersucht, wie sie im Kapitel Der Prophet und der Psychiater beschreiben wird. Die Gesprächsführung wird vor dem Hintergrund der Methodendiskussion der psychoanalytischen Sozialforschung und der Ethnopsychoanalyse reflektiert und diskutiert, ob es sich um ein psychoanalytisches Forschungsgespräch im engeren Sinn handelt. Die Veröffentlichung des Beitrags im Open Access erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Mandelbaum-Verlags.
In: Soziologie in der Gesellschaft: Referate aus den Veranstaltungen der Sektionen der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, der Ad-hoc-Gruppen und des Berufsverbandes Deutscher Soziologen beim 20. Deutschen Soziologentag in Bremen 1980, S. 635-639
In: Soziale Ungleichheit, kulturelle Unterschiede: Verhandlungen des 32. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in München. Teilbd. 1 und 2, S. 3532-3544
Die Autoren reflektieren bestimmte qualitative Differenzierungen und Verschiebungen, welche sich dann zeigen, wenn Schlüsselkontexte der Selbstthematisierung miteinander verglichen werden, z.B. die religiöse Beichte, die Psychotherapien von der klassischen Psychoanalyse bis zu den neueren Gruppentherapien sowie die Massenmedien und das Internet. Diese sozialen und kulturellen Gebilde folgen einer Entwicklungslogik von Institutionen in postmodernen Gesellschaften, die sich mit dem Begriff der Theatralisierung umschreiben lässt. Mit dieser Entwicklungslogik korrespondiert ein Subjektivismus, der sich - so die These der Autoren - in Abhängigkeit von der Evolution medialer Kommunikationsformen als ein "dramatischer Subjektivismus" äußert. Die Autoren verdeutlichen dies am Beispiel des Internet bzw. des Internet-Chats als neuestem Kontext der Selbstthematisierung und Selbsttheatralisierung. Als Ausgangspunkt ihrer theoretischen Überlegungen wählen sie den modernen "Urkontext" der Selbstthematisierung: die Psychoanalyse. Sie möchten vor allem zeigen, dass die Selbstthematisierung und Selbstauslegung im kontextarmen Medium synchroner Textkommunikation medienspezifischen Strukturbedingungen unterworfen sind, denen gattungsspezifische Probleme und Problemlösungen in der Postmoderne entsprechen, die aber gleichzeitig auch Spielräume entstehen lassen, welche inszenatorisch genutzt werden können. (ICI2)
Obwohl heutzutage die biographietheoretischen Konzeptionen und deren Methodologie weit über die noch positivistisch angehauchte dualistische Konzeption von "Erfahrungen und Fakten" dieser beiden Klassiker hinausgehen, sind wir soziologischen BiographieforscherInnen immer noch diesen Einwänden ausgesetzt und sehen uns immer wieder genötigt, sowohl die theoretische Verallgemeinerbarkeit unserer am Einzelfall gewonnenen Erkenntnisse als auch das Soziologische an der Biographie zu legitimieren. Seit den 70er Jahren stellten in der Bundesrepublik soziologische BiograpieforscherInnen zunehmend ausgefeilte theoretische Überlegungen zum sozialen Konstrukt 'Biographie' vor, das sowohl soziale Wirklichkeit als auch die Erfahrungs- und Erlebniswelten der Subjekte konstituiert.
In: Soziologie in der Gesellschaft: Referate aus den Veranstaltungen der Sektionen der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, der Ad-hoc-Gruppen und des Berufsverbandes Deutscher Soziologen beim 20. Deutschen Soziologentag in Bremen 1980, S. 589-593
In den Familienstudien geht es darum, den vorbewußten Bereich biographischer Organisation psychiatrischer Fälle aus unterschiedlichen Perspektiven zu analysieren. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht das Problem der Alltagsroutine, das zunächst erläutert wird. Es werden die in den Familienstudien angewandten Methoden beschrieben und am Beispiel der klinischen Geschichte von Alfred A. und der Geschichte seiner Familie erläutert. Der Gang der Familienstudie wird nachgezeichnet, wobei auf die Handlungsorganisation im Familienmilieu, auf die leiblich-räumliche Organisation und auf die sprachliche Organisation eingegangen wird. Auf dieser Grundlage werden die Dimensionen der Verstrickung der Person in das Familienmilieu aufgezeigt. (KW)