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Die Antriebskräfte des Rüstungswettlaufes in Europa gehen (anders als früher) heute nicht mehr auf latente Rivalität und Feindlichkeiten zwischen europäischen Staaten zurück, sondern sind primär auf das wechselseitig stimulierende Anwachsen des Zerstörungspotentials der Hauptantagonisten des Kalten Kriges (USA und UdSSR) zurückzuführen. Seit der Erfindung von Massenvernichtungsmitteln kann ein Offensivkrieg nicht mehr durch traditionelle Kriegsziele (im Sinne zu erwartender Kriegserfolge) gerechtfertigt werden; die einzig mögliche Begründung für das andauernde Wettrüsten ist die 'Abschreckung' bzw. die Erhaltung des sogenannten 'Machtgleichgewichtes'. So ist der Rüstungswettlauf heute nicht mehr auf externe Ziele bezogen; er wird selbstperpetuierend. Es wird in diesem Beitrag argumentiert, daß zu den zentralen Antriebskräften des Rüstungswettlaufes die Bemühungen des weltweiten militärischen Berufsstandes und seiner industriellen und wissenschaftlichen Infrastruktur sowie jener 'technologische Imperativ' gehören, der den gesamten technologischen 'Fortschritt' (einschließlich des Fortschrittes des Zerstörungspotentials mit seiner eigenen internen Dynamik) umfaßt. (JLÜbers)

Summary in English.

"Gegenstand dieser Abhandlung sind die Bestimmungsfaktoren des Rüstungswettlaufs zwischen Ost und West. Um den Kern der Rüstungsdynamik herauszuschälen, wird die Analyse vorrangig auf die Nuklearrüstungspolitik in den USA und der UdSSR bezogen. In der bisherigen fachwissenschaftlichen und politischen Diskussion wird der Rüstungswettlauf in der Regel entweder durch eine "Außenleitungs-These" oder durch eine "Innenleitungs-These" erklärt. Beide Erklärungsansätze werden kurz vorgestellt und auf ihre Vorzüge und Schwächen hingewiesen. In einer Analyse von quantitativen und qualitativen Daten über die amerikanische und die sowjetische Nuklearrüstung wird gezeigt, daß der Rüstungsprozeß sowohl durch innergesellschaftliche wie durch außenpolitische Bedingungen vorangetrieben wird: Die historischen außenpolitischen Erfahrungen, die gegenwärtigen außenpolitischen Konzeptionen, Bedrohungsvorstellungen, die bisherigen Rüstungskontrollverhandlungen sowie Aktions- und Reaktionsprozesse gehören ebenso zu den Antriebskräften des Rüstungswettlaufs wie eine Reihe von jeweils systemspezifischen, innergesellschaftlich bedingten rüstungs- und militärpolitischen Wachstums-Imperativen." (Autorenreferat)

Während in den USA die Reagan-Regierung seit Beginn der 80er Jahre mit der Ausdehnung des Rüstungswettlaufs alte Hegemonievorstellungen zu einem neuen Konzept strategischer Überlegenheit (Czempiel 1986 a, 1986 b ), zu verknüpfen versucht, läßt sich in der Sowjetunion seit der Machtübernahme Gorbatschows eine Erneuerung in eine andere Richtung beobachten. In seinem politischen Bericht an den 27. Parteitag der KPdSU übte er schonungslose Kritik an der bisherigen Politik und forderte die gesamte Sowjetunion zu einem radikalen Umdenken auf. Dies gelte, so Gorbatschow, insbesondere für die inneren Angelegenheiten des Landes, die zwingend rasche Veränderungen verlangten, aber auch für die äußeren Angelegenheiten sei ein Neuanfang unumgänglich.

Gekürzte deutsche Ausgabe