In: Kultur und Gesellschaft: gemeinsamer Kongreß der Deutschen, der Österreichischen und der Schweizerischen Gesellschaft für Soziologie, Zürich 1988 ; Beiträge der Forschungskomitees, Sektionen und Ad-hoc-Gruppen, S. 584-585
"Der Autor stellt in seinem Beitrag die Frage nach Kontinuität und Diskontinuität im Auftreten sozialer Bewegungen. In einem das 19. und 20. Jahrhundert umfassenden Drei-Länder-Vergleich (Deutschland, Großbritannien, USA) thematisiert er das zyklische Aufkommen massenwirksamer Mobilisierungsphasen anhand der Frauen-, Friedens-, Umweltschutz- und Alternativbewegung. Brand argumentiert, daß die Mobilisierungswellen der neuen sozialen Bewegungen und ihrer historischen Vorläufer in kulturellen Krisenzeiten mit kultur- und modernisierungskritischen Stimmungslagen auftreten. Die spezifische Ausprägung dieser Stimmungslagen wird durch langfristige wirtschaftliche Entwicklungstendenzen sowie durch lange ökonomische Wellen beeinflußt. So treten optimistische Varianten der Kultur- und Modernisierungskritik (ca. 1900 bis ca. 1914, 1960er Jahre) eher in wirtschaftlichen Prosperitätsphasen auf und begünstigen emanzipative, egalitäre und kulturrevolutionäre Bewegungen. Demgegenüber fördern pessimistische Varianten der Modernisierungskritik (1880er und 1890er Jahre, 1920er Jahre in Deutschland, 1970er Jahre), die sich eher in wirtschaftlichen Krisenzeiten verbreiten, ein weites Spektrum eskapistischer und nachromantischer Bewegungen sowie Selbthilfe- und Umweltschutzbewegungen." (Autorenreferat)
Seit Jahren ist eine Europäisierung und Internationalisierung der Inneren Sicherheit zu beobachten, die seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA durch weitere sicherheitspolitische Herausforderungen geprägt ist. Vor diesem Hintergrund befasst sich der Beitrag aus politikwissenschaftlicher Sicht auf der Grundlage des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland mit drei Fragestellungen: (1) Welche Formen der Zusammenarbeit haben sich bisher entwickelt? (2) Was folgt hieraus für die Trennung von äußerer und innerer Sicherheit? (3) Welche Probleme ergeben sich für das Verhältnis von öffentlicher Sicherheit und Demokratie? So wird in einem ersten Schritt anhand von Beispielen internationaler und supranationaler Sicherheitskooperation die Sicherheitsstruktur auf europäischer Ebene beschrieben. Dazu gehören die Einrichtungen (1) Interpol, (2) Berner Club, (3) Wiener Club, (4) Pompidou-Gruppe, (5) Comité Europeén de Lutte Antidrogue (CELAD), (5) Terrorisme, Radicalisme, Extremisme, Violence International (TREVI)/K-4-Kooperation, (6) Schengener Informationssystem (SI), (7) Europol, (8) Europäisches Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF), (9) EUROJUST, (10) Euro-Justice sowie (11) das Europäische Justitielle Netz. Der zweite Schritt veranschaulicht sodann die Erosion der Trennung von innerer und äußerer Sicherheit anhand (1) der Westeuropäischen Union (WEU) und (2) dem Aspekt von Terrorismus und öffentlicher Sicherheit hinsichtlich der Unterscheidung von Krieg und Frieden als Kriterium zur Unterscheidung von äußerer und innerer Sicherheit bzw. der Frage nach dem Kampf gegen den Terrorismus durch Militär und Polizei. Der dritte Schritt betrachtet schließlich das Verhältnis von Sicherheit und Demokratie. Hier wird einerseits die Verflechtung der inneren Sicherheit in das europäische Mehrebenensystem bis hin zu supranationalen Formen 'europäischer Sicherheit' dargestellt. Ferner wird auf die Verwischung von äußerer und innerer Sicherheit verwiesen mit der Folge, dass sowohl das Militär für Polizeiaufgaben als auch umgekehrt Polizei für militärische Aufgaben eingesetzt werden kann. (ICG2)
In: Kultur und Gesellschaft: gemeinsamer Kongreß der Deutschen, der Österreichischen und der Schweizerischen Gesellschaft für Soziologie, Zürich 1988 ; Beiträge der Forschungskomitees, Sektionen und Ad-hoc-Gruppen, S. 31-33
Der Erfolg rechter Parteien wird häufig mit ökonomischen Krisen in Verbindung gebracht, wie auch mit der Inszenierung der sozialen Frage durch diese. Der Artikel widerspricht der Annahme, dass rechte Parteien tatsächlich eine soziale Agenda hätten, und argumentiert dafür, das rechte Angebot als spezifische Strategie in der Krise der Demokratie zu verstehen. Rechte Parteien und Bewegungen arbeiten an einer weitergehenden autoritären Transformation mit einem spezifischen Partizipationsversprechen: der unmittelbaren Teilhabe an gesellschaftlicher Gewalt. Die Strategie besteht im Umdeuten des Demokratiebegriffs und der Behauptung eines mythischen Verhältnisses des "Volkswillens" zur Macht. Rechte Parteien inszenieren sich als soziale Parteien, als einzig wahre Antwort auf ökonomische Krisen. Ihr Erfolg ist aber nicht allein auf ökonomische Krisenprozesse zurückzuführen. Sie machen stattdessen ein spezielles Partizipationsangebot: Sie versprechen die Teilhabe an gesellschaftlicher Gewaltausübung gegen die erklärten Feinde.
Nach dem rechtsextremistischen Anschlag von Hanau richtete die Bundesregierung im März 2020 einen Kabinettsausschuss zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus ein. Im Mai 2021 verabschiedete die Bundesregierung den Abschlussbericht des Kabinettsausschusses, der ein Maßnahmenpaket mit 89 Maßnahmen umfasst. Zahlreiche der Maßnahmen sehen die Schaffung bzw. Erneuerung rechtlicher Instrumente vor. Das Recht ist damit ein zentrales Instrument, auf das der Kabinettsausschuss für die Prävention und die Bekämpfung des Rechtsextremismus setzt. In diesem Beitrag werden die Bezugnahmen auf Recht im Maßnahmenpaket als Ausdruck der politischen Erwartungen an das Recht analysiert. Der Beitrag diskutiert am Beispiel der Debatte über ein "Gesetz zur Stärkung und Förderung der Wehrhaften Demokratie" Erwartungen an rechtliche Instrumente und ordnet diese ein. Es wird gezeigt, dass das Recht in der Rassismusprävention mit Erwartungen konfrontiert wird, die es potenziell überfordern kann. Diese Überforderung kann zu Enttäuschungen bei den von Rassismus Betroffenen und der Gesellschaft insgesamt führen.
In: Die Natur der Gesellschaft: Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006. Teilbd. 1 u. 2, S. 2028-2036
"In der wissenschaftlichen Debatte in Deutschland wird Rassismus in der Regel als Teilideologie des Rechtsextremismus begriffen. Der Einbürgerung des Begriffes Rassismus in einer allgemeineren Bedeutung, wie ihn RassismusforscherInnen international diskutieren, wird die spezifische Verwendung der biologisch begründeten Rassenideologie zur Selektion und Vernichtung von Millionen Menschen im Nationalsozialismus entgegengestellt. Demgegenüber lässt sich argumentieren, dass die begriffliche Konzentration der deutschen Forschung auf den Nationalsozialismus darin mündet, die sozialen Wandlungen rassistischer Diskriminierung gar nicht mehr als solche identifizieren zu können. Zudem wird ein solcher Rassismusbegriff weder den historischen Dimensionen noch der globalen Bedeutung des Phänomens gerecht. Eine enggefasste Definition, die Rassismus mit Blick auf den deutschen Faschismus als explizite Doktrin konzipiert, setzt Protagonisten mit einem geschlossenen Weltbild voraus. Es gelingt damit keine Analyse weit verbreiteter alltäglicher Artikulationen rassistischer Diskriminierungen, die in Form klischeehafter Zuschreibungen oder diffuser Stereotype auftreten können. Der Vortrag beleuchtet vor dem Hintergrund der Rassismusdebatte in Deutschland zwei Aspekte: Zum einen wird untersucht, welche Argumente und wissenschaftlichen Kriterien in der Diskussion geliefert werden, um eine jeweils enge oder weite Fassung von rassistischer Diskriminierung zu begründen. Zum anderen wird vor dem Hintergrund einer Zusammenschau verschiedener Qualifizierungskriterien rassistischer Diskriminierung diskutiert, ob und wie sich ein international weit gefasstes Verständnis im deutschen Diskurs adaptieren ließe." (Autorenreferat)
"Die inhaltlichen Informationsleistungen des Fernsehens werden in zunehmendem Maß durch den formalen Zuschnitt der Programme und die in diesen Zuschnitt eingepaßten Sendungsformate determiniert; dies gilt auch für die Art und Weise, wie in deutschen Femsehprogrammen über das Aufbrechen rechtsextremistischer Tendenzen nach der Wiedervereinigung Deutschlands berichtet wird. Dieser - auf ökonomische Rahmenfaktoren zurückzuführende - Sachverhalt wird in der aktuellen Debatte der Rechtsextremismus-Berichterstattung des Fernsehens übersehen, die sich in der Regel auf individuelle Fehlleistungen von Journalisten konzentriert. Auf der Grundlage von Programmanalysen kann gezeigt werden, daß die Rechtsextremismus-Berichterstattung den Normalfall der Informationsleistung des Fernsehens unter den Konkurrenzbedingungen der in Deutschland geltenden dualen Rundfunkordnung darstellt." (Autorenreferat)
Abschnitts-Überschriften: 1. Die Rolle des Linken Forums innerhalb der GRÜNEN. 2. Quer zu den Fronten: die Frauenbewegung? 3. Wird es eine Konsolidierung der linken Reste geben? 4. Anmerkungen.
Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit dem Umgang von Ermittlungsbehörden, Staatsanwaltschaften und Gerichten mit extrem rechten und rassistischen Gewalttaten. Aus Ermittlungsakten und einer Medienanalyse wurden zehn Fälle (schwerer) Brandstiftung gegen Asylunterkünfte aus den Jahren 2015 und 2016 ausgewählt, die strafrechtlich abgeschlossen sind und aus sozialwissenschaftlicher Perspektive eindeutig als rechtsterroristische Straftaten eingeordnet werden können: Allen Fällen liegt ein rassistisches Tatmotiv zugrunde, und es lässt sich eine politische Botschaft der Taten rekonstruieren. Die Opfer dieser rechten Gewalttaten waren zudem "symbolische Ziele". Die Analyse zeigt jedoch, dass es Ermittlungsbehörden und Gerichten oftmals an Sensibilität für rechtsterroristische Taten fehlt. Rechtsterroristische Akte werden als solche nur bedingt erkannt. Damit bleibt das Ausmaß des Rechtsterrorismus weiterhin eine Blackbox - trotz seiner langen Geschichte und trotz der Erfahrungen mit dem NSU-Komplex.
In: Die Natur der Gesellschaft: Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006. Teilbd. 1 u. 2, S. 5578-5592
"Die Debatte um einen 'neuen Antisemitismus' kann exemplarisch für die aktuellen Diskussionen in der gegenwärtigen Antisemitismusforschung gelten. Im Zentrum der Auseinandersetzung steht der Nahostkonflikt und die damit verbundenen Zuschreibungen an und Bewertungen von Israel. Auf der einen Seite der Diskussion steht die Behauptung eines 'neuen Antisemitismus', der die 'neue Qualität' des Antisemitismus in einer neuen verbalen Radikalität gegenüber Israel und den Juden verortet. Auf der anderen Seite stehen die Kritiker des Begriffs, welche sich in zwei Lager spalten: die einen, welche Immunisierungsstrategien gegen eine Kritik israelischer Regierungspolitik befürchten; die anderen, welche keine Veränderung der Struktur des Antisemitismus, sondern höchstens Allianzen zwischen verschiedenen Trägergruppen (islamistische, links- und rechtsradikale Gruppierungen) konstatieren. Die Entscheidung, ob der gegenwärtige Antisemitismus eine neue Qualität erreicht habe, erfordert eine Bestimmung der Struktur des Antisemitismus und einen Vergleich mit bzw. eine Unterscheidung von einem 'alten Antisemitismus'. Da offener Antisemitismus strafrechtlich verfolgt wird und seit 1945 keinen Platz mehr im öffentlichen Diskurs hat, Antisemiten sich auch nicht mehr selbst als Antisemiten bezeichnen, beruht der Antisemitismusvorwurf vorerst immer auf einer Hermeneutik des Verdachts. In der aktuellen Debatte gründet dieser Verdacht vor allem auf der Vermutung, dass die Kritik an Israel nur ein Vorwand sei, um antisemitische Positionen 'salonfähig' zu machen. Die Unterscheidung zwischen legitimer Kritik der Politik der israelischen Regierung, Israelfeindschaft und Antisemitismus bleibt dabei begrifflich meist unterbestimmt. Eine präzise Bestimmung kann nur eine detaillierte hermeneutische Analyse leisten, welche die Struktur des zeitgenössischen Antisemitismus an jedem Fall neu rekonstruiert. In diesem Beitrag möchte die Verfasserin an einigen Textbeispielen aus links- und rechtsradikalen Zeitschriften zeigen, wie es mit Hilfe der Methode der Sequenzanalyse möglich ist, die Struktur des zeitgenössischen Antisemitismus in beiden Spektren zu bestimmen und damit zu einer Begriffsschärfung beizutragen, um eine Unterscheidung zwischen nicht-antisemitischer Kritik der israelischen Regierungspolitik, Israelfeindschaft und Antisemitismus zu ermöglichen und zu entscheiden, ob die Rede von einem 'neuen Antisemitismus' in diesen beiden Spektren gerechtfertigt." (Autorenreferat)
In: Differenz und Integration: die Zukunft moderner Gesellschaften ; Verhandlungen des 28. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie im Oktober 1996 in Dresden ; Band 2: Sektionen, Arbeitsgruppen, Foren, Fedor-Stepun-Tagung, S. 109-113
"Unsere Analysen zur Genese rechtsextremer Orientierungen und Aktivitäten Jugendlicher gehen von der zentralen Annahme aus, daß diese u.a. auch als eine Facette jugendtypischer Devianz betrachtet werden müssen (Hagan, Merkens, Boehnke 1995). Ihr Ausleben hängt dabei in beträchtlichem Ausmaß von der Eingebundenheit Jugendlicher in deviante Peerkulturen ab. Die hier vorgestellte Arbeit will zeigen, welche Zusammenhänge zwischen sozialer Kontrolle und familialen Interaktionsmodi einerseits und dem Abdriften Jugendlicher in deviante Peerzusammenhänge andererseits bestehen. Die Datenbasis unserer Analyse bilden insgesamt fünf Teilstichproben aus Siegen (N=895), Chemnitz (N=789), Frankfurt/ Oder (N=798), Westberlin (N=736) und Ostberlin (N=820) die Ende 1994, Anfang 1995 erhoben wurden. Befragt wurden Schülerinnen und Schüler der Klassen 7 bis 10 aller relevanten Schulformen der Sekundarstufe I der betreffenden Bundesländer. Die Art der familialen Interaktion wurde mit einer Itembatterie von Parker, Tupling, Brown (1979) gemessen. Es ließen sich dabei vier verschiedene Erziehungsstile abbilden, die als konkret auf das Kind bezogene Verhalten der Eltern Aufschluß über die Interaktion zwischen Kindern und Eltern geben. Die Ergebnisse zeigen deutlich, daß die Art der familialen Interaktionsstruktur als Protektions- bzw. Risikofaktor, ein Abdriften Jugendlicher in deviante Freizeitsettings fördert bzw. hemmt. Relativ unabhängig davon hat auch das Ausmaß der formellen sozialen- Kontrolle (Monitoring) durch die Eltern entscheidenden Einfuß auf die Ausbildung devianter Peerzusammenhänge und auf jugendliche Gewalthandlungen. Die Ergebnisse weisen insgesamt darauf hin, daß die intergenerationale Transmission von Gewaltaffinität und fremdenfeindlichen Orientierungen nicht nur als Tradierung konkreter Einstellungen und Werthaltungen begriffen werden darf, sondern daß davon abstrahierend den sozialen Beziehungen und der familialen Interaktionsstruktur ein eigenständiger Erklärungswert zugestanden werden muß." (Autorenreferat)