Für eine kritische Öffentlichkeit scheint es klar: Fußballstadien sind Orte, an denen sich Rassismus sichtbar und lautstark manifestiert. Hier werden Rassismus und andere Formen von Diskriminierung nicht nur toleriert, sondern sogar zelebriert, und das weit stärker als in anderen gesellschaftlichen Bereichen. Darüber hinaus existiert das - stereotype - Bild des jugendlichen, männlichen Hooligans, das Rassismus ein Gesicht gibt. Erleichtert die Fokussierung auf den "rassistischen Fußball-Fan" die Externalisierung rassistischer Mechanismen und Praktiken, die auch in staatlichen Institutionen, in Politik und Gesellschaft zu finden wären? Auf der Basis von aktuellen Daten, die für eine Studie der Europäischen Grundrechteagentur FRA erhoben worden sind, beschreibt der Beitrag Formen von Rassismus und ethnischer Diskriminierung, die im europäischen Fußball aufzufinden sind. Ein Fokus liegt dabei auf der Frage nach dem Zusammenhang zwischen Anhängerkulturen und Rassismus. Der Aufsatz endet mit Bemerkungen zum Status quo von antirassistischer Arbeit im europäischen Fußball. (ICB2)
Die spezifischen Auswirkungen der ökonomischen Krise auf rassistische Verhältnisse zu untersuchen, ist keine einfache Angelegenheit. Denn zum einen ist der Rassismus jenseits aller ökonomischen Konjunkturen ein konstitutives Element der Gesellschaft. Zum anderen muss aus einer ökonomiekritischen Perspektive festgestellt werden, dass es sich beim Kapitalismus um ein andauernd krisenhaftes System handelt. Insofern ist nicht zu erwarten, dass der Rassismus im Zeichen einer öffentlich als Folge von fehlgeleitetem Handeln gedeuteten Finanzkrise eine völlig neue Form annimmt. Dennoch wird im vorliegenden Beitrag das Verhältnis von Krise und Rassismus in Deutschland unter Rückgriff auf rassismustheoretische Überlegungen diskutiert. Es wird gezeigt, wie der dominante rassistische Diskurs den Islam fokussiert, darin die Themenkomplexe Terrorismus/Sicherheit und Kultur/Religion mit der Erklärung der sozioökonomischen Situation von Migranten verbindet und dabei sowohl eine spezifische Ethnisierung sozialer Konflikte als auch eine Essentialisierung des Sozialen vorgenommen wird. (ICI2)
Der als Teil des 1990-91 durchgeführten Projekts "Brandsätze" vorgestellte sprach- und medienanalytische Beitrag erforscht das Ausmaß und die Formen rassistischer Einstellungen im Alltagsdenken und -handeln der "normalen" Bevölkerung in der Bundesrepublik. Dabei geht es besonders um die Einstellungen der bundesrepublikanischen Bevölkerung zu Einwanderern und Flüchtlingen und dem kritisch wahrgenommenen patriarchalen Rollenverständnis vor allem türkischer bzw. islamischer Personen, das gleichzeitig jedoch zur Verfestigung rassistischer Einstellungen gegenüber eben diesen Personen führt. Gegenstand der Untersuchung sind vor allem Formen und Argumentationsweisen von Rassismus, d.h. um den Ausschnitt dessen, was auch Alltagsdiskurs genannt wird. Die Ergebnisse der vergleichenden Analyse verdeutlichen, daß Rassismus ein flächendeckendes Phänomen in der BRD darstellt und daß häufig feministische und frauenfreundliche Auffassungen in rassistische Diskurse widersprüchlich verstrickt sind. (ICH)
Rassistische Ideologien und Praktiken sind nach wie vor tief verankert in der Gesellschaft und stellen diese vor einige Herausforderungen. Diese Herausforderungen können bereits damit beginnen, Rassismus als gegenwärtige gesellschaftliche Realität anzuerkennen und in seiner Tragweite und seinen komplexen Auswirkungen zu erfassen. Dabei sind folgende Fragen zu beantworten: Was ist überhaupt Rassismus? Wie ist er in gesellschaftliche Strukturen eingeschrieben? Und warum sollte sich die Gesellschaft damit auseinandersetzen?
In dem Beitrag wird untersucht, ob die Antirassismus-Gesetzgebungen in den demokratischen Ländern ausreichen, um die Vielfalt der Erscheinungsformen des Rassismus zu bekämpfen. Drei europäische Länder haben eine Antidiskriminierungs-Gesetzgebung nach dem Prinzip der Gleichstellung aller Bürger entwickelt: die Bundesrepublik, Belgien und Frankreich. Andere Länder gehen gegen Diskriminierung vor, indem sie den religiösen und ethnischen Minderheiten Zugeständnisse machen: die Niederlande und Großbritannien. Es wird gezeigt, daß jeweils unterschiedliche institutionelle Logiken zugrunde liegen: zum einen Gleichbehandlung und Ahndung von Diskriminierung, ohne die Minderheiten institutionell anzuerkennen; zum anderen eine Politik der Minderheitenvertretung und Minderheitenemanzipation, die positive Diskriminierungen und ein Vorgehen gegen Rassismus verbindet. Es wird deutlich, daß eine Gesetzgebung gegen Rassismus nicht nur Fragen bezüglich der Form der Durchführung und Durchsetzung aufwirft, sondern auch grundsätzliche Fragen der politischen Philosophie. (ICA)
"Regelmäßig werden wir mit alarmierenden Meldungen über das weltweite Bevölkerungswachstum erschreckt. Kaum ein Monat vergeht, ohne daß wissenschaftliche Institute neue Prognosen veröffentlichen. Und regelmäßig kommen Wissenschaftler und Politiker zu der Schlußfolgerung, daß sofort Maßnahmen gegen die 'Bevölkerungsexplosion' zu ergreifen seien, falls es dafür nicht schon zu spät ist." Der Autor untersucht die rassistischen Implikationen der Debatte um die internationale Bevölkerungsentwicklung. So wird u.a. darauf hingewiesen, daß die ökologische Begründung für eine Reduktion des Bevölkerungswachstums die Tatsache vernachlässigt, daß die Menschheit gefährdenden Umweltschäden durch die Bewohner des reichen Nordens verursacht werden. Sodann geht der Autor dem tendenziell rassistischen Menschenbild der Entwicklungs- und der Bevölkerungspolitik nach. In diesem Zusammenhang wird auf das "Heidelberger Manifest" verwiesen. Im weiteren wird auf rassistische Denkweisen in der Verhaltensforschung, der Soziobiologie, der Anthropologie sowie der Bevölkerungswissenschaft hingewiesen. "Die Suche nach den Ursachen des gegenwärtigen Rassismus darf sich nicht allein auf den organisierten Rechtsextremismus beschränken, sondern muß auch die 'VordenkerInnen' und ihre wissenschaftlichen Produkte unter die Lupe nehmen." (ICD)
Die multikulturalistische "Feier der Differenz", der Respekt vor dem Pluralismus, das Bekenntnis zur Identitätspolitik - all das gilt als Erkennungszeichen einer progressiven, antirassistischen Einstellung und als Fundament einer modernen liberalen Demokratie. Im Mittelpunkt steht dabei die Ansicht, dass der kulturelle Hintergrund der Individuen deren Identität bestimmt und erklären hilft, wer sie sind. Wenn wir Individuen mit Achtung und Respekt behandeln wollen, dann müssen wir auch die Gruppen mit Achtung und Respekt behandeln, die sie mit ihrem persönlichen Lebensgefühl ausstatten. Eine Erscheinungsform solcher Gleichbehandlung ist für den Autor die zunehmende Tendenz in einigen westlichen Ländern, dem religiösen Recht - der jüdischen Halacha und der islamischen Scharia - in Zivil- und gelegentlich in Strafsachen den Vorrang gegenüber dem weltlichen Recht einzuräumen. Der Essay kritisiert die argumentative Logik dieser "Kulturschützer". Ihr zufolge hat jede Kultur eine autochthone Form, ihren ursprünglichen Zustand. Sie verfällt, wenn sie sich nicht länger in diesem Zustand befindet. Das erinnert an den Begriff des "Typus", der im Mittelpunkt der Rassenkunde des 19.Jahrhunderts stand. All der Rede über die Veränderungen der Kultur und ihre "flüssige Identität" zum Trotz führt der Multikulturalismus nicht weniger als der altmodische Rassismus die Menschen unweigerlich dazu, von menschlichen Gruppen in festen Begriffen zu denken. Die Rechte bedient sich heute daher einer Sprache der Diversität der Differenz: "Ich liebe die Nordafrikaner", erklärte Jean-Marie Le Pen, "aber ich liebe sie in ihrem Land." Durch die Sprache der Diversität ist der Rassismus einfach in eine weitere kulturelle Identität verwandelt worden. (ICA2)
Der Autor stellt die Frage nach dem Zusammenhang von Rassismus und Entwicklungszusammenarbeit, der - so die These - beträchtlich enger ist, als es dem gängigen Selbstverständnis der EZA der westlichen Welt entspricht. Nachgezeichnet wird zunächst, wie auf der Grundlage bestimmter wahrgenommener körperlicher Unterschiede und v.a. kultureller Faktoren vermeintlich "natürliche Ungleichheit" sozial konstruiert und die so die "rassische" Einteilung der Menschheit möglich wurde. So wurden anfänglich die "roten" Indianer durch die europäischen Kolonialisten nicht als rot, die "gelben" Chinesen nicht als gelb und auch die "Schwarzen" nicht unbedingt als schwarz beschrieben. Erst im Rahmen der Legitimation von Gewalt, Kolonialismus und Sklavenhandel sind diese Kategorien entstanden. Heute ist wissenschaftlich erwiesen, dass Definitionen des Rassismus vom angeblich natürlichen Tatbestand der Rasse falsch sind. "Rassen sind Resultat, nicht Voraussetzung rassistischer Argumentation". Offensichtliche phänotypische Variationen wie die Hautfarbe korrelieren auch nicht mit genetischen Variationsmustern. Die Rede von unterschiedlichen menschlichen Rassen kann wissenschaftlich nicht auf der Hautfarbe begründet werden, genauso wenig wie eine Einteilung der Menschheit in Braun-, Grün- und Blauäugige oder anhand ihrer Ohrenform eine Ableitung von (minder- oder höherwertigen) Eigenschaften erlaubt. Gezeigt wird insgesamt, wie solche Vorstellungen - mehr oder weniger implizit - in eine (eurozentrische) Entwicklungspolitik immer noch einfließen. (ICA2)
Die Ethnologin Marianne Albrecht behandelt das Thema Rassismus und Sprache. Sie erläutert, dass Rassismus in der Sprache ein weitverbreitetes gesellschaftliches Problem ist und fragt, warum ausgerechnet in einer sich selbst als aufgeklärt betrachtenden Gesellschaft Rassismus in so etwas Alltäglichem wie der Sprache vorkommt. Eingangs zeigt sie, welche Macht der Sprache innewohnt, definiert dann den Begriff des Rassismus und geht auf neuere Varianten des Rassismus ein. Im Anschluss folgt ein historischer Exkurs zu den Wurzeln des Rassismus in der deutschen Sprache mit Fokus auf die deutsche Kolonialgeschichte. Danach informiert die Autorin über die Möglichkeiten der Aufarbeitung des sprachlichen Rassismus. Es folgt ein eigenes Kapitel zu Rassismus in den Medien, da diese eine bedeutende Rolle im Hinblick auf die Verbreitung sprachlicher Rassismen spielen. Daran anknüpfend wird gefragt, wie rassistische Sprache vermieden werden kann. Abschließend geht die Autorin anhand des Begriffs des "Flüchtlings" noch einmal auf die Schwierigkeit der Vermeidung sprachlicher Rassismen ein und begibt sich auf die Suche nach einer politisch korrekten Alternative.
Rassismus findet sich überall: in unserer Sprache, in Bildern, im Verhalten von Menschen, in Institutionen, Gesetzen und Verordnungen – kurz: in unserem Alltag! Er ist auf den ersten Blick für Viele unsichtbar, dazu subtil und hartnäckig. Rassismus zu identifizieren ist der erste Schritt, ihm begegnen zu können. Ziel dieser Ausgabe der "Themenblätter im Unterricht" ist es, Rassismus im Alltag zu erkennen und ihm entgegenzutreten. Dafür ist es zunächst notwendig, Wissen über Vorkommen und Funktionsweisen von Rassismus zu vermitteln. Auch die eigene Perspektive und Position soll den SuS bewusst(er) werden. Zugleich können so Möglichkeiten erprobt werden, Rassismus in unserem Alltag sichtbar zu machen, um ihm zu begegnen. Schließlich gilt es, Sensibilität und ein waches Gewissen für die Einforderung und Durchsetzung der Gleichwertigkeit und gleichen Rechte aller zu fördern.
Der Beitrag geht der Frage nach, was als die eigentliche Novität des Neorassismus im neuen Europa bezeichnet werden kann. Die Ablösung von biologistischen durch kulturalistische Prämissen und Terminologien stellt für die Autorin keine ausreichende Erklärung dar. Auch in der "Vorliebe" für Begriffe wie "Fremdenfeindlichkeit", "Ausländerfeindlichkeit" und "Fremdenangst" als Distanzierungen vom Rassismus sieht die Autorin keinen Bruch mit der rassistischen Tradition nach 1945. Die Nichtverwendung des Begriffs Rassismus indiziert häufig nur, dass die soziale und politische Diskriminierung von ImmigrantInnen und Flüchtlingen als "Frage der Empfindungen, Emotionen und Ängste der Bevölkerung erklärt wird". Der Beitrag verweist insgesamt auf die soziale Ungleichheit stabilisierenden Effekte von neuen rassistischen Diskursen sowie darauf, dass das neue Europa für alte wie neue Rassismen offen ist. (ICA)
Seit dem Mord an George Floyd durch den Polizeieingriff in den Vereinigten Staaten im Mai 2020 und der daraus erwachsenen (Social Media-)Bewegung #blacklivesmatter hat auch die Beschäftigung mit den verschiedenen Formen von Rassismus in Deutschland zugenommen. Konnte der Begriff vor wenigen Jahren in wissenschaftlichen wie öffentlichen Diskursen weitgehend nur schwierig oder selten genutzt werden, hat er sich inzwischen hierzulande auch als Gegenbegriff zur globalen Wirkmächtigkeit rechter Ideologien, die besonders Identitätskategorien zur Legitimation mörderischer Gewalt heranziehen, sowie im Kontext globaler Diversifizierungsmaßnahmen im Diskursmainstream durchgesetzt. Dieser Erfolg des Begriffs lässt auch die filmischen Produktionen zu Themen von Menschenfeindlichkeit, die auf Repräsentationskategorien basieren, in einem neuen Licht erscheinen. Filme zu Themen des Rassismus versuchen, Aufklärungsarbeit im Sinne anti-rassistischer Praxis zu leisten, während beispielsweise propagandistische Videos rechter und dschihadistischer Kreise zur (re-)produktiven Verhandlung von Rassismus beitragen. Andererseits lassen sich Filme, die scheinbar nichts mit Rassismus zu tun haben, bei einem genaueren analytischen Blick sehr wohl als Verstärkungs-, Reproduktions- oder Verschleierungsakteure von Rassismen verstehen. So sind Filme immer schon im Sinne von (Un-)Sichtbarkeitsmaschinen dazu geeignet, soziale Verhältnisse zu veräußerlichen und so ungedachte Zusammenhänge zu denken. In dieser argumentativen Bi-Perspektivität – Sichtbarwerden der Rassismusdiskurse und Filme als Sichtbarkeitsmedien sozialer Verhältnisse – geht der vorliegende Sammelband Diskursformen des Rassismus, seiner Filmkulturen und Möglichkeiten des (anti-rassistischen) Widerstands besonders/aber nicht nur im deutschsprachigen Kontext nach. Daran schließen sich folgende Fragen an: Wie sieht der Zusammenhang von (fiktionalen) Filmen und Formen des Rassismus in Film-kulturen aus? Wie gehen fiktionale Formate mit Antisemitismus, Rechtsradikalismus, antimuslimischem Rassismus, Antiziganismus und whiteness um? Und wie versuchen aktuelle (auch experimentelle) filmische Formate, Rassismus entgegenzutreten? Im Zentrum des Sammelbandes stehen die Filme und ihre Geschichten selbst. Ziel ist es, das Erkenntnispotential von Filmen in der Auseinandersetzung mit Rassismus zu befragen: Was genau am Rassismus machen die Filme sichtbar? Wie lassen sich mögliche historische Entwicklungen narrativer audiovisueller Diskursformen (für den deutschsprachigen Kontext) darstellen? Wie verändern sich in diesen Entwicklungen die Auseinandersetzungen mit jenen rassistischen Formen? Und grundsätzlich: Wie stehen Film und Rassismus zueinander? Die Beiträge des Sammelbands explorieren so diverse Erscheinungsformen des Rassistischen: Umweltrassismus, Antisemitismus, Rassismus gegen Schwarze Menschen, Anti-Zig*anismus, anti-muslimischer Rassismus, Rassismus und Gender, rechtsextremer Rassismus in Deutschland und filmische Erinnerungskultur, Afropolitanismus und Rassismus, Rassismus ohne Rassen*/Rassismus gegen Migrant:innen. Beiträge von Ömer Alkin , Julia Bee, Julia Dittmann , Irina Gradinari , Hilde Hoffmann , Kien Nghi Ha Hauke Lehmann, Radmila Mladenova,, Tobias Nagl , Burrhus Njanjo und Alena Strohmaier
Der Sport gilt auf der Ebene normativ-politischer Diskurse als ausgezeichnetes Medium einer universalen Verständigung und als ein gesellschaftlicher Bereich, der Gleichheitsideale in geradezu vorbildlicher Weise verwirklicht. Allerdings zeigt die Praxis des Sports von Menschen unterschiedlicher Herkunft, dass auch der Sport nicht frei von rassistischen Einstellungen und Diskriminierungen ist. Zu berücksichtigen ist dabei, dass es nicht "den" Rassismus sondern vielfältige Rassismen gibt, die historisch veränderlich sind und innerhalb komplexer Gesellschaften diverse, feldspezifische Formen annehmen können. Auf dem Feld des Sports stellt vor allem das Körperliche einen Schnittpunkt von Rassismus und Sportpraxis dar.