Die Inhalte der verlinkten Blogs und Blog Beiträge unterliegen in vielen Fällen keiner redaktionellen Kontrolle.
Warnung zur Verfügbarkeit
Eine dauerhafte Verfügbarkeit ist nicht garantiert und liegt vollumfänglich in den Händen der Blogbetreiber:innen. Bitte erstellen Sie sich selbständig eine Kopie falls Sie einen Blog Beitrag zitieren möchten.
Vor 15 Jahren unterzeichneten die EU-Staats- und Regierungschefs sowie die Außenminister der EU den Vertrag von Lissabon. Seine Ratifizierung durch den Deutschen Bundestag am 24. April 2008 war begleitet von Kontroversen.
Die Inhalte der verlinkten Blogs und Blog Beiträge unterliegen in vielen Fällen keiner redaktionellen Kontrolle.
Warnung zur Verfügbarkeit
Eine dauerhafte Verfügbarkeit ist nicht garantiert und liegt vollumfänglich in den Händen der Blogbetreiber:innen. Bitte erstellen Sie sich selbständig eine Kopie falls Sie einen Blog Beitrag zitieren möchten.
Am 27. Juli 2023 wird der BGH drei Urteile in Rechtssachen verkünden, die alle um eine Frage kreisen: geht EU-Recht in internationalen Schiedsgerichtsverfahren zwischen EU-Investoren und EU-Mitgliedstaaten immer vor, selbst wenn dadurch ein multilateraler völkerrechtlicher Vertrag, der immer und auf alle Vertragsparteien bezogen Rechte begündet, berührt wird? Diese scheinbar rein rechtsdogmatische Frage hat völkerrechtshistorisch, wirtschaftspolitisch und rechtspolitisch weitreichende Folgen. Es geht um nicht weniger als um die Frage, ob die Bundesrepublik Deutschland sowie die EU und alle ihre Mitgliedstaaten weiterhin bereit sind das Völkerrecht zu achten, und zwar gerade in einer Zeit, in der die Notwendigkeit der Wirksamkeit völkerrechtlicher Rechtsbindungen nicht hoch genug gewertet werden kann.
Die Inhalte der verlinkten Blogs und Blog Beiträge unterliegen in vielen Fällen keiner redaktionellen Kontrolle.
Warnung zur Verfügbarkeit
Eine dauerhafte Verfügbarkeit ist nicht garantiert und liegt vollumfänglich in den Händen der Blogbetreiber:innen. Bitte erstellen Sie sich selbständig eine Kopie falls Sie einen Blog Beitrag zitieren möchten.
In diesem Beitrag stellt Philipp Soos folgenden Text vor:Frank Kaltofen (2015): Die schwere Geburt einer Weltorganisation. Ein Blick auf die Gründungskonferenz in San Francisco; in: Vereinte Nationen 5/2015, S. 201-206, online unter: https://zeitschrift-vereinte-nationen.de/suche/zvn/artikel/die-schwere-geburt-einer-weltorganisation/.Für viele ist die Charta der Vereinten Nationen wohl der wichtigste internationale Vertrag, den es je gab. Der Weg dahin war aber sehr steinig, wurde aber von bereits vorhandenen internationalen Strukturen unterstützt. Dieser steinige Weg mündete schlussendlich in die Konferenz von San Francisco, welche 2 Monate lang, vom 25. April 1945 – 26. Juni 1945, andauerte. Der gewählte Artikel von Frank Kaltofen betrachtet den Prozess der Konferenz genauer und bietet damit Einblicke in die Zwickmühlen und Stolpersteine. 1941 wurde die Atlantik-Charta von den USA und Großbritannien verabschiedet für einen Weg zu einer besseren Zukunft der Welt. 1942 wurde die Erklärung Vereinter Nationen verabschiedet. Hier verbündeten sich 26 Staaten zum Kampf gegen Deutschland und dessen Verbündeten. Zudem gab es noch die Moskauer Erklärung der Außenminister und die Konferenz von Dumbarton Oaks. All diese Konferenzen und Erklärungen ebneten den Weg zur UN-Charta, welche im Gegensatz zum Vorgänger, dem Völkerbund, die USA bei der Nachkriegsordnung beteiligte. Vor der Konferenz in San Francisco gab es zusätzlich noch mehrere Gipfeltreffen zwischen den USA, Großbritannien und Russland, bei denen bereits viele Kompromisse ausgehandelt wurden. Man beachte, dass dies drei der fünf Vetomächte sind. Ohne Zugeständnisse und Kompromisse wäre dieses kollektive Handeln wohl kaum möglich gewesen. Die westliche Seite erhoffte sich durch die Kompromisse, mehr Kontrolle über Stalin zu bekommen, währenddessen dieser verlangte, dass alle 16 Sowjetrepubliken als eigenständige Mitglieder eingebunden werden. Grund dafür ist wohl die starke westliche Konfrontation in der UN, die Stalin fürchtete. Hier wollte er vorsorglich dagegenwirken. Stalin brachte auch ein, dass jeder Staat exakt eine Stimme hat. Dieses Thema konnte erst nach einer langen Zeit im Februar 1945 ad acta gelegt werden. Zu Beginn der Verhandlungen im April 1945 kam es dann zu einem kritischen Zwischenfall. Der Präsident der USA, Roosevelt, verstarb. Dieser hatte Russland vertraulich zugesagt, dass Belarus und die Ukraine als eigenständige Mitglieder bei der UN teilnehmen können. Russland drängte dementsprechend auch darauf. Amerika sah das zwar nicht so, konnte aber auf das Mitwirken von Russland nicht verzichten. Die lateinamerikanischen Staaten drängten aber dazu, dass Argentinien dafür auch einen Platz in der UN bekommt. Diese waren aus Kriegsgründen noch nicht in die UN aufgenommen worden. Diesmal wollte aber Russland im Gegenzug Polen dabeihaben, dessen Regierungsbildung zu dem Zeitpunkt zwischen den drei großen Mächten Großbritannien, Russland und USA stark umstritten war. Schlussendlich fand man keine Einigung und der Tauschhandel wurde nicht komplett durchgeführt. Polen durfte (zunächst) nicht teilnehmen, dafür Belarus und die Ukraine sowie Argentinien. Nach dem Geplänkel über die Teilnahme verschiedener Staaten kam es zum nächsten kritischen Moment. Man befürchtete, dass die Hauptmächte ihre Sicherheit nicht in eine unerprobte internationale Organisation legen werden. So wollten auch die kleinen Regionen als Bündnisse dagegenhalten. Man konnte befürchten, dass die Weltorganisation, durchsät von Ausnahmen und kleinen Bündnissen, an Bedeutung verliert beziehungsweise sogar überflüssig wird. Durch kleinteilige Verhandlungen kam man dann aber zur Übereinstimmung auf die Selbstverteidigung, bis der Sicherheitsrat eingreift. Als größtes und kontroversestes Thema kam dann der Streit um das Vetorecht. Hier protestierten die anderen Staaten vehement gegen die Vormachtstellung der Permanent 5. Man legte diesen also ein Fragenkatalog vor, um die gemeinsame Linie der P5 zu erfragen. Hierbei kam es zu Unstimmigkeiten, da Russland das Veto auch in aufkommenden Debatten bereits nutzen wollte, damit mögliche Ereignisketten nicht auftreten können. Erst durch den direkten Dialog mit Stalin, der dies als Nichtigkeit abtat, kam es zu einem Durchbruch und einer gemeinsamen Linie. Die letzte Hürde war dann noch das Zugeständnis der Vetomächte an die anderen Staaten, dass diese in der Generalversammlung alle Angelegenheiten der internationalen Beziehungen diskutieren können. In Dumbarton Oaks war noch vorgesehen, dass die Generalversammlung nur über die Themen Frieden und Sicherheit reden dürfte. Russland echauffierte sich über diese Änderung und wollte dem nicht zustimmen. Allerdings war dieses Zugeständnis nach dem Erreichen des Ziels Vetomacht nicht mehr abzutun. So konnte der russische Verhandlungspartner am Ende doch dazu gebracht werden, dem zuzustimmen. Kurz darauf kam es dann zur Ratifizierung der Charta! Schon zwei Jahre nach der Ratifizierung kam es wieder zu einer Diskussion über die Vetomächte, da das Veto zu exzessiv genutzt wurde. Man bat die Vetomächte, erst nach Kompromissen zu suchen, und sollten diese nicht erreicht werden, nur ihr Veto zu benutzen, sollten Kerninteressen einer dieser Mächte verletzt worden sein. Dies war allerdings nicht von Erfolg gekrönt. Allein die Sowjetunion nutzte das Veto in den ersten sechs Jahren mehr als 40 Mal. 1955 kam es dann erstmals zum Durchbruch, dass sich die USA und die Sowjetunion bei der Aufnahme neuer Mitglieder entgegenkamen. In den darauffolgenden Jahren und Jahrzehnten stieg die Anzahl an Mitgliedern stark an und die Mehrheitsverhältnisse in der Generalversammlung kippten. Vor allem die Zunahme an afrikanischen Ländern führte dazu, dass es zu einer Einigung kam, dass der Sicherheitsrat von 11 auf 15 Mitgliedern aufgestockt wird, damit die neuen Länder und Regionen besser vertreten sind. Nach dem Ende des Ost-West-Konflikts konnten zudem weitere Zugeständnisse gemacht werden und die Blockade durch den Sicherheitsrat ist nicht mehr so stark wie zuvor.
Die Inhalte der verlinkten Blogs und Blog Beiträge unterliegen in vielen Fällen keiner redaktionellen Kontrolle.
Warnung zur Verfügbarkeit
Eine dauerhafte Verfügbarkeit ist nicht garantiert und liegt vollumfänglich in den Händen der Blogbetreiber:innen. Bitte erstellen Sie sich selbständig eine Kopie falls Sie einen Blog Beitrag zitieren möchten.
In diesem Beitrag stellt Daniel Fesser folgenden Text vor:Degener, Theresia (2015): Die UN-Behindertenrechtskonvention – ein neues Verständnis von Behinderung; in: dies./Elke Diehl (Hrsg.): Handbuch der Behindertenrechtskonvention. Teilhabe als Menschenrecht – Inklusion als gesellschaftliche Aufgabe, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn, S. 55-65, online unter: http://bidok.uibk.ac.at/library/degener-behindertenrechtskonvention.html. Theresia Degener beschreibt in ihrem Artikel das neue Verständnis von Behinderung, den Hintergrund und die Entstehungsgeschichte der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), deren Inhalt, die Behinderung als Thema in der Geschichte der Vereinten Nationen, die Entwicklung vom medizinischen über das soziale zum menschenrechtlichen Modell von Behinderung und den internationalen Ausschuss zur Überwachung der Umsetzung der UN-BRK. Nachfolgend liegt der Fokus auf dem neuen Verständnis, dem Inhalt und der Entstehungsgeschichte.Degener beschreibt den Perspektivwechsel bedingt durch die UN-BRK als bahnbrechend und stellt die Rekorde, welche die Konvention gebrochen hat, dar. Hierunter fällt, dass sie die erste Menschenrechtskonvention im neuen Jahrtausend war, zusätzlich die einzige Menschenrechtskonvention in der Geschichte der UN, die in kürzester Zeit von der größten Anzahl von Staaten unterzeichnet wurde. Des Weiteren wurde ein neues System nationaler Überwachung etabliert und die Entwicklungspolitik wurde zur Menschenrechtsfrage erklärt. Außerdem wurde erstmalig ein neues Modell von Behinderung kodifiziert: "das menschenrechtliche Modell".Die Entstehung der UN-BRK begann bereits am 19. Dezember 2001 auf Anraten Mexikos. Mit der Resolution 56/168 wurde ein beratender Ausschuss (auch Ad-hoc-Ausschuss genannt) initiiert, um Vorschläge für eine Behindertenrechtskonvention auszuarbeiten. Diesem Ad-hoc-Ausschuss waren bereits diverse Forderungen von unterschiedlichen Organisationen der Behindertenbewegung vorangegangen.Die Finalisierung der UN-BRK fand von 2002 bis 2006 statt und wurde in acht mehrwöchigen Sitzungen mit allen 193 Mitgliedsstaaten debattiert. Ebenfalls haben diverse Organisationen wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO), das Kinderhilfswerk (UNICEF), nationale Menschenrechtsinstitute sowie NRO (Nichtregierungsorganisationen) partizipiert und Vorschläge eingebracht.Die Verhandlungen gestalteten sich besonders schwer, da unterschiedlichste politische, kulturelle und religiöse Ansichten der teilnehmenden Staaten aufeinandertrafen. Zudem war das Mitwirken der Vertreter*innen der Zivilgesellschaften immens und obwohl nur die Staatsvertreter*innen ein Stimmrecht hatten, stellte dies ein Novum in der Geschichte der Menschenrechte dar. Die Maxime der Behindertenbewegung war: "Nichts ohne uns über uns."Schon der Erarbeitungsprozess des ersten Entwurfs der UN-BRK machte klar, dass es zu unterschiedlichen Konflikten kommen kann, welche auch bei allen weiteren Sitzungen des Ad-hoc-Ausschusses relevant werden würden. Die erste der vier Konfliktlinien beschrieb die rechtliche Handlungsfähigkeit von Menschen mit Behinderung. So forderte die Arbeitsgruppe des Ad-hoc-Ausschusses den Paradigmenwechsel von der Stellvertretung zur assistierten Entscheidungsfindung, allerdings konnte hier zunächst kein Konsens gefunden wurden.Der zweite Konfliktpunkt behandelte das Thema der Zwangsbehandlung und der Institutionalisierung. So herrschte vor allem Uneinigkeit in der Frage, wie explizit Zwangsbehandlung und Institutionalisierung verboten werden sollten. Der dritte Konfliktbereich wurde bereits angesprochen und behandelt den Umgang mit den unterschiedlichen sozialen, religiösen und kulturellen Werten. Hierbei standen sich vor allem unterschiedliche Verbote und die unterschiedlichen Wertevorstellungen der Mitgliedsstaaten gegenüber.Die letzte Konfliktlinie behandelt die Bereiche der Inklusion und der Segregation. Generell war die Bereitschaft zur Inklusion gegeben, allerdings gab es Uneinigkeit in den Bereichen Bildung und Arbeit. So wurde beispielsweise im Bereich der Arbeit darüber debattiert, ob Werkstätten für Menschen mit Behinderung als eine Alternative zum ersten Arbeitsmarkt gesehen werden sollten.Trotz vieler Uneinigkeiten kann die UN-BRK als durchweg positiv bewertet werden. Vor allem der menschenrechtliche Paradigmenwechsel in der Behindertenpolitik war ein Novum, welches besonders wichtig war und ist.Die Grundlage der UN-BRK bilden zwei völkerrechtliche Verträge: das "Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen" (BRK) und ein Fakultativprotokoll (FP), das besondere Verfahrensarten im Zusammenhang mit der Umsetzung der Konvention enthält. Degener beschreibt die Inhalte der UN-BRK und geht auf den "ganzheitlichen Ansatz des Menschenrechtsschutzes mit staatlichen Achtungs-, Schutz- und Gewährleistungspflichten" ein.Zudem beschreibt sie den Verfügungsbereich der UN-BRK, welcher vorrangig für Menschen mit Behinderung gilt. Allerdings wird der Personenkreis nicht genauer definiert, was die Gruppe der Betroffenen der UN-BRK sehr groß werden lässt. So zählen "Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können" dazu.Das grundlegende Ziel der UN-BRK ist keine Schaffung von "neuen" Menschenrechten oder Sonderrechten für Menschen mit Behinderung, sondern eine Anpassung des Menschenrechtskatalog im Kontext der Behinderung.
Die Inhalte der verlinkten Blogs und Blog Beiträge unterliegen in vielen Fällen keiner redaktionellen Kontrolle.
Warnung zur Verfügbarkeit
Eine dauerhafte Verfügbarkeit ist nicht garantiert und liegt vollumfänglich in den Händen der Blogbetreiber:innen. Bitte erstellen Sie sich selbständig eine Kopie falls Sie einen Blog Beitrag zitieren möchten.
"Das Recht auf Entwicklung muss so verwirklicht werden, dass den Entwicklungs- und Umweltbedürfnissen der heutigen und der kommenden Generationen in gerechter Weise entsprochen wird" (Rio-Erklärung Grundsatz 3).Dieser Grundsatz wurde 1992 bei der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro von den Vereinten Nationen (VN) festgelegt. Damals kamen Vertreter*innen aus 178 Ländern zusammen, um über Fragen zu Umwelt und Entwicklung im 21. Jahrhundert zu beraten. Die Rio-Konferenz führte zu wichtigen klimapolitischen Ergebnissen wie der Agenda 21 und der Rio-Erklärung und endete mit der Unterzeichnung der Klimakonvention durch 154 Staaten. Die Klimakonvention, die zwei Jahre später in Kraft trat, beinhaltete in Artikel 2"... das Ziel der Stabilisierung der Treibhausgasemissionen in der Atmosphäre auf einem Niveau, das eine gefährliche anthropogene Störung des Klimas verhindert sowie dessen Folgen abmildert" (Simonis et al. 2017, S. 267).Angekommen im 21. Jahrhundert, ist dieses Ziel als nicht verwirklicht anzusehen. Waren es im Jahr der Rio-Konferenz 1992 noch 23.230 Millionen Tonnen CO₂-Emissionen, so sind es 2022 37.150. (https://de.statista.com/statistik/daten/studie/37187/umfrage/der-weltweite-co2-ausstoss-seit-1751/). Die Treibhausgasemissionen sind seit 1992 – mit Ausnahme der Zeit der Covid-19-Pandemie – konstant angestiegen. Und das, obwohl die VN 1995 bei der ersten COP (Conference of the Parties) in Berlin das Berliner Mandat veröffentlichten, das als Basis für das 1997 verabschiedete Kyoto-Protokoll diente und in dem sich die Vertragsstaaten einigten, den Ausstoß von Treibhausemissionen zu senken (Vgl. Simonis et al. 2017, S.267). Die damalige deutsche Umweltministerin Angela Merkel sprach auf der COP zu den VN:"Wie wir hier in Berlin miteinander reden, wie wir fähig sind, Probleme zu lösen, wird ein Symbol dafür sein, ob es gelingen kann, globale Probleme gemeinsam in Angriff zu nehmen oder nicht."Gut gesprochen, doch sinnbildlich für das "gemeinsam in Angriff nehmen der globalen Probleme" und das Einhalten des Kyoto-Protokolls steht die USA, die mit dem Argument, dass Industrienationen bei der Reduktion des Treibhausgasausstoßes eine größere Last tragen als Entwicklungsländer, 2001 aus dem Protokoll wieder austraten (Vgl. Simonis et al. 2017, S.267). Die Treibhausgasemissionen sind trotz des verabschiedeten Kyoto-Protokolls stetig gestiegen und so hat es von Rio an 23 Jahre gebraucht, bis 2015 auf der COP 21 in Paris das Pariser Klimaabkommen verabschiedetet wurde, mit dem Ziel, den Anstieg der weltweiten Durchschnittstemperatur auf 1,5 °C – mit einer Obergrenze von 2 °C – zu beschränken. 8 Jahre später gilt das 1,5-°C-Ziel als nicht mehr realistisch und auch die Obergrenze von 2 °C ist stark gefährdet (Vgl. von Brackel et al.).So kamen Ende des Jahres 2023 die Vertreter der Nationen in Dubai zusammen, um auf der COP 28 wieder einmal darüber zu verhandeln, wie die Welt den voranschreitenden Klimawandel aufhalten kann. Doch wenn das 2 °C Ziel stark gefährdet ist und die Treibhausgaswerte weiter ansteigen, kommen Fragen auf:Wie gedenken die VN, die Treibhausgasemissionen zu verringern?Wieso hat es von der Rio-Konferenz an 23 Jahre gedauert, bis das Pariser Abkommen verabschiedet wurde?Auf welche Maßnahmen konnten die VN sich im Kampf gegen den Klimawandel einigen?Welche Rolle und Verantwortung nehmen die Industrienationen ein?Diese Seminararbeit wird sich mit einer Einordnung der COP28 in die Entwicklung der vorangegangenen Klimakonferenzen befassen und einen Überblick über die komplexe Klimapolitik der Vereinten Nationen geben.Von Rio zur COP1 und dem Kyoto-AbkommenDen Beginn der zwischenstaatlichen Klimaverhandlungen markiert die Konferenz der VN über Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro, die in zwei wichtigen umweltpolitischen Ereignissen mündete: der Rio-Erklärung über Umwelt und Entwicklung und der Agenda 21 (vgl. Simonis et al. 2017, S. 267).Rio-Erklärung: In der Rio-Erklärung legten die VN das Ziel fest"… durch die Schaffung von neuen Ebenen der Zusammenarbeit zwischen den Staaten, wichtigen Teilen der Gesellschaft und den Menschen eine neue und gerechte weltweite Partnerschaft aufzubauen, bemüht um internationale Übereinkünfte, die die Interessen aller achten und die Unversehrtheit des globalen Umwelt- und Entwicklungssystems schützen, anerkennend, dass die Erde, unsere Heimat, ein Ganzes darstellt, dessen Teile miteinander in Wechselbeziehung stehen." (Rio-Erklärung über Umwelt und Entwicklung, S. 1).In der Erklärung wurde erstmals global das Recht auf nachhaltige Entwicklung, Forderungen sowie Voraussetzungen zur Umsetzung verankert. Daneben stehen Menschenrechte und der Schutz der Rechte zukünftiger Generationen im Mittelpunkt. Im ersten Grundsatz heißt es:"Die Menschen stehen im Mittelpunkt der Bemühungen um eine nachhaltige Entwicklung. Sie haben das Recht auf ein gesundes und produktives Leben im Einklang mit der Natur" (Rio-Erklärung über Umwelt und Entwicklung, Grundsatz 1).Insgesamt umfasst das Dokument 27 Grundsätze und Prinzipien, die die Rahmenbedingungen und Grundsätze für die Umsetzung der Ziele festlegen.Agenda 21: In der Agenda 21 wurden detaillierte Handlungsaufträge zur Erhaltung der Umwelt und Menschheit festgeschrieben, mit dem Ziel, der Verschlechterung der Situation des Menschen und der Umwelt entgegenzuwirken und eine nachhaltige Nutzung von natürlichen Ressourcen zu gewährleisten. Die Handlungsaufträge der Agenda 21 bestehen aus 40 Kapiteln und sind thematisch in vier Dimensionen unterteilt (Vgl. Lexikon der Nachhaltigkeit, 2015): Soziale und wirtschaftliche Dimension (Kapitel 2-8) – Armutsbekämpfung, Bevölkerungsdynamik, Gesundheitsschutz und nachhaltige Siedlungsentwicklung. Erhaltung und Bewirtschaftung der Ressourcen für die Entwicklung (Kapitel 9-22) – Schutz der Erdatmosphäre, Bekämpfung der Entwaldung, dem Erhalt der biologischen Vielfalt und die umweltverträgliche Entsorgung von Abfällen. Stärkung der Rolle wichtiger Gruppen (Kapitel 23–32) – diversen gesellschaftlichen Gruppen, die für die Umsetzung der Agenda von besonderer Bedeutung sind. Möglichkeiten der Umsetzung (Kapitel 33-40) – Rahmenbedingungen zur Umsetzung der finanziellen und organisatorischen Instrumente (Technologietransfer, Bildung, internationale Zusammenarbeit). (Agenda 21, https://www.un.org/depts/german/conf/agenda21/agenda_21.pdf) Die Umsetzung der Handlungsdimensionen erfolgt mehrdimensional. Auf nationaler Ebene bspw. durch Planung von Strategien und Maßnahmen zur Umwelterhaltung. Auf institutioneller Ebene durch Akteure wie NGO. Eine exekutive Rolle fällt den Bürger*Innen zu, die durch ihre Bereitschaft zur Beteiligung an den Maßnahmen einer nachhaltigen Entwicklung mitentscheidend sind. Diese ist u.a. abhängig von der Kommunalverwaltung, die die Aufgabe der Vermittlung zwischen den Nationen und den Bürger*Innen hat (vgl. Lexikon der Nachhaltigkeit, 2015).Klimarahmenkonvention: Die Unterzeichnung der Klimarahmenkonvention durch 154 Staaten markiert das Ende der Rio-Konferenz und bildet die völkerrechtliche Basis für den weltweiten Klimaschutz. Das vorrangige Ziel war – wie in der Einleitung u.a. genannt – die Stabilisierung der Treibhausgaskonzentration auf ein Niveau, das verhindert, dass es zu gefährlichen Störungen des Klimasystems kommt. Die Umsetzung der Klimarahmenkonvention wird durch Berichterstattung über die Treibhausgasemissionen und Minderungsmaßnahmen geprüft. Diese Kontrolle sowie die Weiterentwicklung der Klimarahmenkonvention geschieht jährlich auf den seit 1995 stattfindenden Weltklimakonferenzen (COP) (vgl. Umweltbundesamt, 2024).COP1 und COP2Wie eben genannt, findet die Umsetzung, Beratung und Kontrolle der Maßnahmen auf der jährlichen Conference of Parties (COP) statt. Die COP stellt das wichtigste Organ der Klimarahmenkonvention dar und besteht aus 197 Mitgliedsstaaten (Stand COP28), die nach Einstimmigkeitsprinzip über die Maßnahmen und Umsetzung entscheiden (Simonis et al. 2017, S. 268). 1995 fand die erste COP in Berlin statt. Diese wurde geprägt durch zähe Verhandlungen zwischen der "Alliance of Small Island States" (AOSIS), auf deren Seite auch die BRD stand, und den "JUSCANZ-Staaten" (Japan, USA, Kanada, Australien, Neuseeland).Deutschland und die AOSIS forderten eine Reduktionsverpflichtung der Treibhausgasemissionen von 20 % bis zum Jahr 2005 im Vergleich zu den Emissionen aus dem Jahr 1990. Die USA, die im Jahr 1990 für 23 % der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich waren, und die anderen JUSCANZ-Staaten lehnten diese Verpflichtung ab. Die Verhandlungen endeten letztendlich in dem von US-Seite vorgeschlagenen "Berliner Mandat". In diesem verpflichteten sich die Vertragsstaaten, bis 1997 ein Protokoll zur Begrenzung und Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen auszuarbeiten (vgl. Simonis et al. 2017, S. 268f). Auf der in Genf stattfindenden COP2 wurden die Klimaverhandlungen weiter vorangetrieben. Einen großen Faktor hierfür stellte der Wandel der Klimaaußenpolitik der USA dar. Der damalige Präsident Bill Clinton stand in der Klimapolitik unter großem Einfluss des Vize-Präsidenten Al Gore und konnte durch diesen zu Zugeständnissen in den Verhandlungen bewegt werden. Die COP2 mündete in der Genfer Deklaration, in der die Aufforderung festgehalten wurde, die Klimaverhandlungen bis zur COP3 zu beschleunigen (vgl. Simonis et al. 2017, S. 269).COP3 und das Kyoto-Protokoll Die COP3 fand 1997 im japanischen Kyoto statt. Im Vordergrund stand die Verhandlung des im Berliner Mandat festgelegten völkerrechtlich verbindlichen Protokolls zur Reduktionsverpflichtung von Treibhausgasemissionen. Sie waren geprägt von unterschiedlichen Positionen und Interessenlagen der Mitgliedsnationen. Die USA, als einer der größten Verursacher von Treibhausgasen, sprachen sich gegen eine einheitliche Zielvorgabe zur Reduzierung der CO₂-Emissionen für alle Länder aus. Auch andere Industrieländer wie Japan und die EU vertraten diesen Standpunkt.Aufgrund der anfangs unflexiblen Verhandlungshaltung der USA kam es auf Seiten der Entwicklungs- und Schwellenländer wie z.B. der Allianz der AOSIS, die sich für eine einheitliche Zielvorgabe aussprachen, zu Zweifeln, dass es zu einer Einigung kommen könnte. Letztendlich konnten sich die Nationen der Weltklimakonferenz auf eine Zielsetzung zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen im Zeitraum von 2008 bis 2012 (u.a. USA 7 %, Japan 6 % und die EU 8 %) einigen.Festgeschrieben wurden die Verpflichtungen im Kyoto-Protokoll, das (nach Artikel 25) in Kraft treten sollte, sobald "mindestens 55 Staaten, die zusammengerechnet mehr als 55 % der CO₂-Emissionen des Jahres 1990 verursachten, das Abkommen ratifiziert haben" (Lexikon der Nachhaltigkeit, 2015).Das Kyoto-Protokoll unterscheidet zwischen Schwellen-/Entwicklungsländern und Industriestaaten. Industrieländer wie Russland, Japan, USA oder die EU (1997 bestehend aus 15 Ländern) verpflichteten sich, aufgrund ihrer historischen Verantwortung für den Anstieg der Treibhausgasemissionen, diese zu reduzieren. Schwellenländer wie China oder Indien mussten genauso wie die Entwicklungsländer keine verbindlichen Maßnahmen eingehen, erkannten jedoch durch die Unterzeichnung die Notwendigkeit an, gegen den Klimawandel vorgehen zu müssen.Neben den Reduktionszielen führte das Kyoto-Protokoll zur Gründung neuer Institutionen und Instrumente, die durch technische und wissenschaftliche Beratung das Erreichen der Emissionsreduzierung zusätzlich unterstützen sollten (vgl. Simonis et al. 2017, S. 270f.).Ratifizierung des Kyoto-Protokolls Bis zur Ratifizierung des Kyoto-Protokolls sollte es bis 2005 dauern. Grund dafür war u.a. die in Artikel 25 festgehaltene Hürde zur Ratifizierung. Die von den Unterzeichnern des Kyoto-Protokolls angestrebte schnelle Ratifizierung verzögerte sich durch offene Fragen im Protokoll. Ein zentraler Streitpunkt war der Umgang mit flexiblen Maßnahmen, um die Reduktionsziele einhalten zu können.Ein Beispiel für diese Maßnahmen betrifft Senken, also die Speicherung von Kohlenstoff durch Wälder, Böden und Meere sowie Maßnahmen zur Aufforstung und Wiederaufforstung. Die USA plädierten für eine großzügige Anrechnung flexibler Maßnahmen, um die vorgegebenen Ziele überhaupt erreichen zu können, während die EU nach außen hin für eine strengere Obergrenze eintrat, intern aber hinsichtlich dieser Thematik gespalten war.Bei den auf die COP 3 folgenden COP4 bis COP6 kam es zu keinen signifikanten Einigungen. Neben der Konfliktlinie zwischen den USA und der EU kam es zur Auseinandersetzung zwischen der Umbrella-Gruppe (ehemalige Mitglieder der JUSCANZ, die sich nach der Verabschiedung des Kyoto-Protokolls aufgelöst und sich mit Island, Russland und der Ukraine neu formiert haben) und den G77-Staaten (Zusammenschluss der Entwicklungsländer der Vereinen Nationen) mit China, bei der die EU erfolglos versuchte zu vermitteln. Die andauernde Uneinigkeit zwischen den verschiedenen Parteien mündete letzten Endes darin, dass die USA unter Präsident George W. Bush 2001 aus dem Kyoto-Protokoll austrat (vgl. Simonis et al. 2017, S. 273 ff.). Nach dem Ausscheiden der USA übernahm die EU die Führung, um die Ratifizierung voranzutreiben. Industrieländer wie Japan, Russland oder Australien nutzten das drohende Scheitern des Kyoto-Protokolls als Druckmittel gegenüber der EU, um Regelungen bspw. für flexible Maßnahmen zu ihren Gunsten auszulegen. Die EU, die sich stark für das Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls einsetzte, ging bei den Verhandlungen auf den auf die COP6 (Den Haag) folgenden Konferenzen Kompromisse ein. Daraus resultierte, dass die strikten Begrenzungen für flexible Maßnahmen, bspw. hinsichtlich von Senken, bei den Folgeverhandlungen auf der COP6II (Bonn) aufgehoben wurden, wovon vor allem Russland und Kanada stark profitierten.Bereits verhandelte Punkte wurden bei der COP7 (Marrakesch) auf erneuten Druck von Kanada, Russland und dazu auch Japan neu verhandelt. Das Resultat war das Übereinkommen von Marrakesch, was neben 15 Maßnahmen zur Umsetzung des Kyoto-Protokolls die Regelungen für die Anrechnung flexibler Maßnahmen noch weiter aufweichte. Die folgenden Klimakonferenzen COP8 (Neu-Delhi) und COP 9 (Mailand) waren weiter von Verhandlungen und technischen Fragen geprägt, führten letztendlich im November 2004 zu der Ratifikation durch Russland und dadurch zum Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls im Jahr 2005.Bei der COP10 (Buenos Aires) war nach langen vorangegangenen Verhandlungen zur Ratifizierung erstmals wieder Platz für andere Themen, wie die Anforderungen an die Industrieländer, Maßnahmen und Ressourcen für die Anpassung von Entwicklungsländern an die Folgen des Klimawandels bereitzustellen. Am 16. Februar 2005 trat das Kyoto-Protokoll und seine Umsetzungsregeln in Kraft, kurz nachdem das Emissionshandelssystem der EU (erhebliche Senkung der Treibhausgasemissionen bis 2030 und Netto-Null-Emissionen bis 2050) im Januar eingeführt wurde (vgl. Simonis et al. 2017, S. 274 f).Post-Kyoto-ÄraDas Inkrafttreten 2005 leitete eine neue Ära der Klimaverhandlungen ein, mit dem Ziel, ein neues Abkommen für die Zeit nach der Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls (2008-12) auszuarbeiten. Auf der COP11 (Montreal) traten die Mitglieder der MOP (Meeting of Parties of the Kyoto Protocol) unter der Führung der EU und gestützt von der AOSIS zusammen und einigten sich auf Folgeverhandlungen über die Verpflichtungen der Industrieländer für die "Post-Kyoto-Zeit." Ausgenommen waren Australien und die USA, die seit dem Austritt mehrmals versucht hatte, die Kyoto-Verhandlungen zu behindern und den Klimawandel infragezustellen.Neben den Folgeverhandlungen wurde die Miteinbeziehung der Schwellenländer und der USA in zukünftige Verhandlungen festgeschrieben. 2005 kam es durch den Hurrikan "Katrina" in den USA zu verheerenden Schäden, die offenlegten, dass die Kosten, die ein ungebremster Klimawandel durch z.B. Katastrophen verursacht, deutlich höher ausfallen als die Kosten für Treibhausgasreduktionsmaßnahmen (vgl. Simonis et al. 2017, S. 275 f). Auf der COP12 (Nairobi) konnten die Staaten sich einigen,"... die bisherigen Ergebnisse des Kyoto-Protokolls nach Artikel 9 bis 2008 einer Effektivitätsprüfung zu unterziehen und die Entwicklungsländer bei CDM und Anpassungsmaßnahmen verstärkt einzubeziehen (Sterk et al. 2007: 141 f., zitiert nach Simonis et al. S.276)."COP13Ein erheblicher Fortschritt in der internationalen Klimapolitik gelang den VN 2007 auf der COP13 (Bali) hinsichtlich des Ziels, sich auf das Post-2012-Abkommen zu einigen. Die zwei zentralen Vorhaben hierfür waren zum einen die Verpflichtung der Industrieländer für eine zweite Kyoto-Phase zwischen 2013 und 2020 und die Aufnahme von Mitigationsmaßnahmen durch die Entwicklungsländer.Bei den letzteren standen vor allem China, das 2007 an der Spitze der Treibhausgasemissionen stand und sich in der Vergangenheit gegen freiwillige Maßnahmen zur Treibhausgasreduzierung durch Schwellen- und Entwicklungsländer ausgesprochen hatte, aber auch Indien in der Kritik. Die USA blockierten früh den Verlauf der Verhandlungen, was dazu führte, dass die Entwicklungsländer ankündigten, einem neuen Abkommen nur zuzustimmen, wenn die USA auch beteiligt sind.Die Position der USA führte zu massiver Kritik vonseiten der oppositionellen Demokraten in den USA und der amerikanischen Öffentlichkeit. Durch den steigenden Druck gab die US-Regierung ihre Blockade-Haltung auf, und die Verhandlungen über ein Nachfolgeabkommen und Verlängerung des Kyoto-Protokolls mit Einbezug der Entwicklungsländer konnten weitergeführt werden.Für die Post-Kyoto-Zeit wurde festgelegt, dass für die Anpassungsmaßnahmen der Entwicklungsländer ein Anpassungsfonds bis 2012 gegründet werden muss. Das Geld hierfür wird von den Vertragsstaaten bereitgestellt und von der Weltbank sowie dem globalen Umweltfonds verwaltet. Des Weiteren wurden finanzielle Zusagen für den REDD+-Mechanismus, der für die Förderung der Erhaltung und Erhöhung der Kohlenstoffbestände in den Wäldern und für eine nachhaltige Waldbewirtschaftung sowie vermiedene Entwaldung steht, vereinbart, was vor allem für die Entwicklungsländer einen bedeutenden Schritt darstellte (vgl. Simonis et al. 2017, S. 276 ff.). Die Verhandlungen über das Nachfolgeabkommen des Kyoto-Protokolls sollten über die COP14 (Posen) hinaus auf der COP15 in Kopenhagen abgeschlossen werden.COP15 - COP17Die COP15 in Kopenhagen, die den Erwartungen nicht gerecht werden konnte und als gescheitert (vgl. SPD, 2010) betitelt wurde, kann rückblickend gesehen als ein Zwischenschritt zu dem anstrebten Folgeabkommen verstanden werden. Früh wurde klar, dass das Ziel des Nachfolgeabkommens für die Post-Kyoto-Zeit in Kopenhagen nicht zu erreichen sein wird. Obgleich die Staaten es nicht schafften, ihr Ziel zu erreichen, erzielten sie in einigen Punkten einen Konsens. Das wichtigste Ergebnis der COP15 stellt die Anerkennung des 2°C-Ziels und die daraus resultierende Notwendigkeit tiefer Einschnitte bei den globalen Emissionen dar.Neben diesem Beschluss wurde festgelegt, dass in einem pledge and review-Verfahren (versprechen und überprüfen) die Staaten ihre Emissionsziele angeben müssen und diese im Hinblick auf die Erreichbarkeit des 2°C-Ziels überprüft werden. Im Vergleich zu früheren Beschlüssen wurden neben den Industrieländern in diesem Verfahren auch die Entwicklungsländer mit einbezogen (vgl. Simonis et al. 2017, S. 278 f). Der damalige deutsche Bundesumweltminister Norbert Röttgen sagte nach der COP15:"Wir haben nicht das erreicht, was wir uns gewünscht haben, aber das, was erreicht werden konnte – die Alternative von wenig wäre nichts gewesen… Trotz der Enttäuschungen von Kopenhagen dürfen wir das Ziel eines umfassenden, weltweiten Klimaschutzabkommens nicht aufgeben." (BMUV, 2009).Nachdem die Übereinkunft von Kopenhagen (https://www.bmuv.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Gesetze/copenhagen_accord_bf.pdf) aufgrund des Einspruchs von Ländern wie u.a. Bolivien nicht formal rechtlich verabschiedet und nur zur Kenntnis genommen werden konnte, wurde auf der COP16 im Cancun-Abkommen das 2°C-Ziel als offizielles international gemeinsames langfristiges Ziel festgelegt. Bis 2015 sollte zudem überprüft werden, ob es erforderlich ist, das 2°C-Ziel auf 1,5 °C herabzusetzen. Daneben wurde für die Entwicklungsländer, die besonders von den Folgen des Klimawandels betroffen sind, ein Programm zur Unterstützung sowie ein grüner Klimafonds eingerichtet, der ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar bereitstellen soll (vgl. Simonis et al. 2017, S. 279). Die COP17 in Durban läutete eine neue Phase der Klimaverhandlungen ein. Nachdem im Vorfeld der Verhandlungen die BASIC-Staaten (ein Verbund aus Brasilien, Südafrika, Indien und China) sich auf die gemeinsame Forderung geeinigt hatten, dass auch nach dem Ablauf des Kyoto-Protokolls die Verantwortung für die Treibhausgasemissionen weiterhin ausschließlich bei den Industrieländern liegt, und China, Indien und die USA sich gegen verpflichtende Ziele ausgesprochen hatten, gestalteten sich die Verhandlungen anfangs schwierig.Im weiteren Verlauf gelang es der EU, die Blockadehaltung zu lösen und China und Indien dazu zu bewegen, das Durban-Abkommen zu unterzeichnen, das die Industrieländer sowie China und Indien dazu verpflichtet, sich bis 2015 rechtlich verbindliche Emissionsziele zu setzen. Trotz diesem Erfolg gab es von Seiten der NGO Kritik, dass es erneut nicht gelungen sei, verbindliche Emissionsziele festzusetzen, was auf die Blockadehaltung der USA zurückgeführt wird. Die Weiterführung der Post-Kyoto-Verhandlungen wurde auf die COP18 in Doha vertagt (vgl. Simonis et al. 2017, S. 282 f).COP18 - COP20 Bei der COP18 in Katar gelang es, das Kyoto-Protokoll von 2013 bis 2020 zu verlängern, mit dem Ziel eines Folgeabkommens, das 2020 in Kraft treten sollte. Die Verlängerung des Kyoto-Abkommens wurde von einem faden Beigeschmack geprägt, da mit Japan, Kanada, Russland und Neuseeland vier Industrieländer aus dem Protokoll austraten. Das hatte zur Folge, dass die teilnehmenden 37 Kyoto-Staaten für nur noch 15 % der weltweiten Emissionen verantwortlich waren und das Kyoto-Protokoll realpolitisch an Relevanz und Glaubwürdigkeit einbüßte. Im selben Zeitraum veröffentlichte die UNEP (UN Environment Programme) einen Bericht mit dem Ergebnis, dass die weltweiten Emissionen seit 2000 um 20 % angestiegen sind (vgl. Simonis et al. 2017, S. 283). 2013 fand die COP19 in Warschau statt, mit der Aufgabe, offen gebliebene Fragen der COP18 abzuschließen. Ein Erfolg konnte bei der Finalisierung des Waldschutzmechanismus REDD (siehe Abschnitt COP13) verbucht werden, bei der sich die Entwicklungsländer mit der Idee eines fondsbasierten Mechanismus zur Finanzierung von Waldschutzprojekten gegenüber den Industrieländern, die eine marktbasierte Lösung durch einen Zertifikatshandel präferierten, durchsetzten. Bei der Frage nach konkreten Zusagen über die Verpflichtung für ein Folgeabkommen nach 2020 einigte man sich, dass die Staaten, die bereit sind, diesem beizutreten, bis Anfang 2015 ihre Emissionsziele bekannt geben müssen (vgl. Simonis et al. 2017, S. 283). Bei der COP20 in Lima stand die Vorbereitung eines neuen Klimaschutzabkommens, das auf der COP21 in Paris finalisiert werden und 2020 in Kraft treten sollte, im Vordergrund. Im Beschluss von Lima wurden die Staaten dazu aufgerufen, bis Mai 2015 eigene Klimaschutzbeiträge vorzulegen und anzugeben, wie sie ihre Treibhausgasemissionen mindern können. Des Weiteren wurde bekannt gegeben, dass Staaten in den grünen Klimafonds, der bis 2020 100 Mrd. USD schwer sein soll, 10 Mrd. USD eingezahlt und dadurch die finanzielle Basis geschaffen haben (vgl. Umweltbundesamt, 2014).COP21 und der Pariser KlimaabkommenNachdem seit der Ratifizierung des Kyoto-Abkommens über ein Folgeabkommen ab 2020 verhandelt wurde, konnten sich die Vertragsstaaten 2015 auf der COP21 in Paris einigen und erreichten mit dem Pariser Klimaabkommen (https://www.bmuv.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Klimaschutz/paris_abkommen_bf.pdf), was 2009 auf der COP15 in Kopenhagen noch scheiterte. Die Staatengemeinschaft einigte sich völkerrechtlich verbindlich auf folgende Hauptziele, die in Artikel 2 des Abkommens festgeschrieben sind:a) "der Anstieg der durchschnittlichen Erdtemperatur deutlich unter 2 °C über dem vorindustriellen Niveau gehalten wird und Anstrengungen unternommen werden, um den Temperaturanstieg auf 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, da erkannt wurde, dass dies die Risiken und Auswirkungen der Klimaänderungen erheblich verringern würde; b) die Fähigkeit zur Anpassung an die nachteiligen Auswirkungen der Klimaänderungen erhöht und die Widerstandsfähigkeit gegenüber Klimaänderungen sowie eine hinsichtlich der Treibhausgase emissionsarme Entwicklung so gefördert wird, dass die Nahrungsmittelerzeugung nicht bedroht wird; c) die Finanzmittelflüsse in Einklang gebracht werden mit einem Weg hin zu einer hinsichtlich der Treibhausgase emissionsarmen und gegenüber Klimaänderungen widerstandsfähigen Entwicklung." (BMUV, 2015. Übereinkommen von Paris)Im Vergleich zum Kyoto-Protokoll sind im Pariser Abkommen nicht nur die Industrieländer, sondern alle Vertragsländer dazu verpflichtet, nationale Klimaschutzpläne (nationally determined contributions, kurz NDCs) umzusetzen, die in 29 Artikeln festgehalten sind. Die Artikel enthalten u.a. Elemente zur Milderung und Anpassung an den Klimawandel, Finanzierung von Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen, Technologietransfer, Ausbau von Kapazitäten sowie Transparenz von Maßnahmen und Unterstützung. Entwicklungsländer sollen bei den Maßnahmen zur Umsetzung unterstützt werden.Um zu überprüfen, ob die Verpflichtungen des Pariser Klimaabkommens eingehalten werden, soll ab 2023 alle fünf Jahre eine Bestandsaufnahme durchgeführt werden. Damit das Klimaabkommen in Kraft treten konnte, war wie beim Kyoto-Protokoll eine Ratifizierung durch mindestens 55 Staaten, die mindestens 55 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verursachen, nötig. Die Ratifizierung erfolgte im Vergleich zum Kyoto-Ankommen schneller, sodass das Pariser Klimaabkommen am 4. November 2016 offiziell in Kraft treten konnte.Durch das Pariser Klimaabkommen wurde der Klimawandel sowie die Notwendigkeit, diesen zu bekämpfen, auf internationaler Ebene anerkannt, es wird daher als ein Meilenstein in der internationalen Klimapolitik angesehen. Kritik gab es von Forschenden und Klimabewegungen dafür, dass das 1,5°Grad Ziel realistisch gesehen mit den im Abkommen festgelegten Rahmenbedingungen nicht mehr zu erreichen ist und auf internationaler Ebene die Rechtsverbindlichkeit fehlt (vgl. Watjer, 2020).Post-COP21-ÄraCOP22 - COP27Auf die Weltklimakonferenz in Paris folgte die COP22 in Marrakesch, die am 7. November 2016, sechs Tage nach dem Inkrafttreten des Pariser Klimaabkommens, startete. Auf der Agenda stand neben der Ausgestaltung des Pariser Klimavertrags die Finanzierung des Klimaschutzes für Entwicklungsländer, mit besonderem Fokus auf Afrika (vgl. Lili Fuhr et al., Nov. 2016).Diese Themen rückten durch den Sieg von Donald Trump bei den US-Wahlen früh in den Hintergrund, was zu einer gedrückten Stimmung unter den Vertragsstaaten führte, da die Sorge bestand, die USA könnte aus dem Pariser Abkommen wieder austreten, da Trump den Klimawandel in der Vergangenheit als chinesische Verschwörung bezeichnet und das Klima-Engagement der USA kritisiert hatte (FAZ, 2020).Nach unruhigem Start der COP22 konnten die VN mit der "Proklamation von Marrakesch" (https://unfccc.int/files/meetings/marrakech_nov_2016/application/pdf/marrakech_action_proclamation.pdf) eine Proklamation verabschiedeten, in der 197 Staaten – darunter auch die USA – zu maximalem politischen Engagement gegen den Klimawandel aufgerufen haben. Fast 50 Staaten erklärten in der Proklamation, schnellstmöglich - spätestens bis 2050 - klimaneutral zu werden und komplett auf erneuerbare Energien umstellen zu wollen. Die Industriestaaten gaben die Zusage, den Grünen Fond, der ab 2020 jährlich 100 Milliarden für Entwicklungsländer im Kampf gegen den Klimawandel bereitstellen soll, zur Verfügung zu stellen (vgl. Europäisches Parlament, 2016).Am 5. August 2017 verkündete Donald Trump bei den VN den Austritt der USA aus dem Pariser Klimaabkommen im Jahr 2020. Im November 2017 trafen sich die Vertragsstaaten in Bonn auf der COP23. Die Präsidentschaft hatten die Fidschi-Inseln inne, die als erster kleiner Inselstaat den Vorsitz bei einer Klimakonferenz übernahmen. Auf der Agenda stand die Ausarbeitung eines Regelwerks zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens, mit dem Ziel, dieses im Folgejahr bei der COP24 in Katowice zu verabschieden.Die Konferenz endete damit, dass zu allen Kapiteln des Regelwerks umfassende Textbausteine mit Kommentaren und Vorschlägen der Länder vorgelegt werden konnten. Weitere Ergebnisse stellten eine internationale Allianz zum Ausstieg aus Kohlekraftwerken von 25. Ländern und Regionen dar, darunter Kanada, die UK, Frankreich und mehrere US-Bundesstaaten, ein Arbeitsprogramm für die Landwirtschaft und die Talanoa-Dialoge als neues Gesprächsformat. Bei diesem handelt es sich um ein traditionelles, auf gegenseitigem Respekt basierendes Kommunikationsformat, das dazu beitragen soll, dass Staaten ihre Ziele beim Klimaschutz nachbessern, ohne sich gegenseitig mit vergangenen Versäumnissen und Verhaltensweisen zu konfrontieren (Vgl. Lili Fuhr et al., 2017).Im Oktober 2018 veröffentlichte der Weltklimarat (IPCC) einen Sonderbericht (https://www.ipcc.ch/site/assets/uploads/2020/07/SR1.5-SPM_de_barrierefrei.pdf), der die Auswirkungen eines Temperaturanstiegs um 1,5 °C gegenüber vorindustriellen Werten bewertet. Der Bericht kam zu dem Ergebnis, dass die aktuellen Klimaziele der Staaten nicht ausreichen und nach derzeitigem Stand sich die globale Temperatur bis 2030 um über 3 °C erhöhen wird.Dieser Sonderbericht sorgte auf der COP24, die kurz nach Erscheinen des Berichts im Dezember in Katowice stattfand, für große Diskussion. Die USA, Saudi-Arabien und weitere arabische Ölstaaten gaben an, den Bericht nicht anzuerkennen und versuchten, diesen zu verwässern. Letztendlich konnten sich die Vertragsstaaten auf das Katowice-Klimapaket (https://unfccc.int/sites/default/files/resource/Informal%20Compilation_proposal%20by%20the%20President_rev.pdf) einigen. In diesem wurden Details zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens festgeschrieben und festgelegt, wie die einzelnen Staaten ihre nationalen Klimabeiträge messen, vergleichen und an das Klimasekretariat der VN zu übermitteln haben.Beim Versuch, den Sonderbericht der IPCC in das Katowicer Dokument aufzunehmen, musste eine Kompromisslösung gefunden werden, indem die Vertragsstaaten im Regelwerk dazu aufgefordert werden, die Informationen des Berichts zu nutzen. Beim Thema eines globalen Emissionshandelssystems wurden Kernfragen weiterhin offengelassen (Vgl. Lehr, Schalatek, 2019).Nachdem sich im Vorfeld der COP25 in Madrid 66 Staaten zum Ziel der Klimaneutralität bis 2050 bekannt hatten, stellte die EU-Kommission auf der Konferenz den "Green Deal" (https://www.esdn.eu/fileadmin/ESDN_Reports/ESDN_Report_2_2020.pdf) mit dem Ziel vor, Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen. Hierfür stellte die Kommission rund 50 Maßnahmen aus den Bereichen Klima- und Umweltpolitik, Energiepolitik, Industrie, Verkehrspolitik und Landwirtschaft vor und plante, um die Klimaneutralität bis 2050 voranzutreiben, diese per Gesetz festschreiben zu lassen (vgl. Auswärtiges Amt, 2019).Insgesamt verlief die COP25 ohne konkrete Ergebnisse. Beim Thema globaler Emissionshandel konnten die VN sich, wie schon auf der COP24, nicht einigen. Das lag unter anderem daran, dass sich Staaten wie Australien, USA und Brasilien wenig kompromissbereit zeigten:"Der Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas komme nun in eine ernsthafte Phase, deshalb organisieren einige Staaten wie die USA, Brasilien und Australien, die eng mit der fossilen Lobby verbandelt sind, eine letzte Abwehrschlacht" (Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch, DW, 2019).Im November 2020 setzte sich Joe Biden bei der Wahl gegen Donald Trump durch. Daraufhin trat die USA dem Pariser Abkommen im Februar 2021 wieder bei. Im Juli 2021 trat das europäische Klimagesetz in Kraft, in dem die EU die Klimaneutralität bis 2050 zum verbindlichen Ziel, mit dem Zwischenziel einer Reduzierung der Netto-Treibhausgasemissionen um mindestens 55 % bis 2030, festgelegt.Im November 2021 kamen die Vertragsstaaten in Glasgow auf der COP26 (die 2020 aufgrund der Covid19-Pandemie auf 2021 vertagt wurde) zusammen, mit dem Ziel, sich auf einen gemeinsamen Kohleausstieg zu einigen. Dieses Ziel konnte teilweise erreicht werden: Im Klimapakt von Glasgow einigte man sich aufgrund des Drucks der von Kohle abhängigen Staaten wie China und Indien lediglich auf einen schrittweisen Abbau.Festgehalten wurde auch, dass der Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen weltweit noch in diesem Jahrzehnt um 45 Prozent sinken muss, wenn das 1,5-Grad-Limit erreichbar bleiben soll. Daneben wurden die reichen Länder aufgefordert, das Geld für die 100 Mrd USD, mit denen die Entwicklungsländer im Kampf gegen den Klimawandel unterstützt werden sollen, bereitzustellen. Eine Überraschung stellte der USA-China-Pakt dar, in dem beide Länder verkündeten, eine gemeinsame Arbeitsgruppe einrichten zu wollen, um den Umbau zu einer klimaneutralen Weltwirtschaft zu beschleunigen (vgl. Dlf, 2021).Die COP27 wurde 2022 im ägyptischen Scharm El-Scheich ausgetragen. Das wichtigste Ergebnis stellt der Fond für klimabedingte Schäden und Verluste dar, der von den Entwicklungsländern seit mehreren Jahren gefordert wurde. Durch diesen sollen ärmere, durch den Klimawandel stark bedrohte Länder bei Schäden, die durch Klimakatastrophen verursacht wurden, Ausgleichszahlungen erhalten. Keine erheblichen Fortschritte konnten dagegen bei den Lösungsansätzen zur Einhaltung des 1,5°C-Ziels aus dem Pariser Abkommen gemacht werden. Versuche, weitergehende Formulierungen zu einem Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und Kohle zu verfassen, wurden von China und Saudi-Arabien blockiert. Als Erfolg wird die Klimapartnerschaft zwischen Industrieländern wie den USA und Deutschland mit Entwicklungsländern wie Ägypten, Mexiko und Südafrika gesehen. Die Industrieländer stellen Mittel bereit, um bei den kleineren Ländern die Energiewende voranzutreiben (vgl. Dlf, 2022). COP28 in DubaiAuf der COP28, die vom 30. November bis 12. Dezember 2023 in Dubai stattfand, wurde seit dem Pariser Klimaabkommen erstmals offiziell Zwischenbilanz gezogen. Die EU (-7,4 %) und die USA (-3,0 %) haben es 2023 geschafft, ihre Emissionen im Vergleich zu 2022 zu verringern. In Indien (+8,2 %) und China (+4,0 %) sind sie dagegen angestiegen. Die selbst gesetzten Ziele zur Treibhausgasemission, die sich die Staaten gesetzt hatten, konnten nicht erfüllt werden.Im Vergleich zum Vorjahr sind die Emissionen um 1,1 % angestiegen und liegen bei 36,8 Milliarden ausgestoßenen Tonnen CO₂. Diese werden ergänzt durch Maßnahmen wie z.B. das Roden von Wäldern, sodass die Endbilanz bei 40,9 Milliarden Tonnen CO₂ liegt (vgl. Appelhans, 2023). Die Zwischenbilanz zeigt deutlich, dass die aktuellen Maßnahmen und Umsetzungen der Nationen nicht ausreichen, um das 1,5°C-Ziel zu erreichen.Das "sichtbarste" Ergebnis der Konferenz stellt die Einigung der Weltgemeinschaft auf einen Beschlusstext zu einem "Übergang weg von fossilen Energieträgern in den Energiesystemen" dar. Ziel ist es, durch einen Ausstieg aus fossilen Energien (Öl, Gas, Kohle…) den globalen Süden, den die Auswirkungen des Klimawandels am stärksten treffen, vor weiteren drohenden Katastrophen zu schützen.Bei den fossilen Brennstoffen (Öl und Gas) wurde sich auf den Begriff "Abkehr" anstatt Ausstieg als Kompromiss geeinigt. Dies ist zurückzuführen auf Staaten wie Saudi-Arabien, deren Wirtschaft auf dem Handel mit fossilen Brennstoffen beruht und für die ein Ausstieg, Stand jetzt, nicht in Frage kommt. Um den Ausstieg zu erreichen, benötigt es einen schnellen Umstieg auf erneuerbare Energien. Im Beschlusstext wurde das Ziel formuliert,"... die Kapazität der erneuerbaren Energien bis 2030 zu verdreifachen und das Tempo bei der Energieeffizienz in diesem Zeitraum zu verdoppeln." (BMZ, COP28 Abschnitt 2)Neben dem Ausstieg einigten sich die Staaten auf die Ausgestaltung des auf der COP27 beschlossenen Fonds für Klimaschäden im Globalen Süden. Deutschland und Saudi-Arabien kündigten an, für diesen jeweils 100 Millionen Euro bereitzustellen (vgl. bpb, 2023).Fazit und AusblickDie Historie der zurückliegenden Klimakonferenzen zeigt klar auf, wie kompliziert und hoch angespannt die internationale Klimapolitik ist. Um einen Konsens zu erzielen und ein Vorankommen zu ermöglichen, müssen in der Regel package deals und Kompromisse eingegangen werden, was eine schnelle und effektive internationale Zusammenarbeit erschwert.Ergebnisse zu erzielen, kostete in der Vergangenheit viel Zeit - Zeit, die die Welt und vor allem der globale Süden nicht mehr hat. 2009 scheiterte der erste Versuch, den Klimawandel als ein ernstzunehmendes Problem international offiziell anzuerkennen, auf der COP15 in Kopenhagen. Und es dauerte bis 2015, dass die Vertragsstaaten sich einigen konnten und mit dem 1,5°C-Ziel den Klimawandel anerkannten und ihm gemeinsam den Kampf ansagten. Die Historie von Rio bis Paris offenbart zwei Probleme der internationalen Klimapolitik:Die internationale Klimapolitik ist träge und kommt nur langsam voran. Um überhaupt einen Konsens zu finden, mussten zwischen den Nationen in der Regel immer Kompromisse eingegangen werden. Dies ist am Verlauf des Kyoto-Protokolls, als die EU bei Maßnahmen wie den Senken Industrieländern wie Kanada und Russland entgegenkam, damit das Protokoll überhaupt noch ratifiziert werden kann, gut ersichtlich. Wenige Jahre später stiegen Russland und Kanada bei der Verlängerung des Kyoto-Protokolls bis 2020 dann aus.Es gibt keinen internationalen Souverän, der die einzelnen Staaten maßregelt und Konsequenzen verhängt, wenn Staaten es nicht schaffen, ihre Emissionen zu verringern. Trotz des Pariser Abkommens sind die Treibhausgasemissionen seit 2015, mit Ausnahme der Phase der Covid19-Pandemie, angestiegen. Konsequenzen gab es für die Industrienationen, die Hauptverursacher von Treibhausgasemissionen sind, nicht. Das 1,5°C-Ziel, das bereits 2015 von Kritiker*innen als unrealistisch angesehen wurde, ist acht Jahre später mit dem Trend, dass die CO₂-Emissionen weiter ansteigen, kaum noch zu erreichen. Die Prognose in Bezug auf den Klimawandel sieht für die kommenden Jahre düster aus. Hoffnung könnte der auf der COP28 beschlossene Ausstieg bzw. die Abkehr von fossilen Brennstoffen, die über 80 % der CO₂-Emissionen ausmachen, bieten. Dieser Beschluss könnte - nach dem Pariser Abkommen - ein weiter großer Schritt in die richtige Richtung sein. Wie groß dieser Schritt ausfällt, ist abhängig davon, wie sich die Vertragsstaaten an dem Ausstieg beteiligen und wie schnell sie versuchen, diesen umzusetzen.Ein weiterer Hoffnungsschimmer könnte die steigende Verantwortung sein, die die Industrieländer für den Klimawandel übernehmen. Der globale Süden, der vom Norden über Jahre hinweg ohne große Rücksicht auf Folgen ausgebeutet wurde (und immer noch wird), bekommt das Ausmaß des Klimawandels am deutlichsten zu spüren. Durch den auf der COP27 verabschiedeten Fond für Klimakatastrophen erhält er von den Industrienationen finanzielle Unterstützung, was einen Anfang darstellt. Die Industriestaaten, allen voran die EU, haben sich dazu bekannt, den globalen Süden nicht mehr im Stich zu lassen. Dies kann man gleichzeitig als Zeichen sehen, dass die VN erkannt haben, dass der Klimawandel nur im Kollektiv aufgehalten werden kann.Der Trend der letzten Klimakonferenzen ist positiv. Ob dieser Trend anhält, hängt klimapolitisch stark von den USA, China und mit einigen Abstrichen Indien und den Öl-Staaten ab. Die USA, die eine lange Historie besitzt, sich in der Klimapolitik querzustellen und nicht zu kooperieren, steht vor einem Wahljahr 2024, in dem Donald Trump die Chance hat, nach 2016 erneut zum Präsidenten gewählt zu werden. Trump, dessen Politik unberechenbar ist, ist kein Befürworter von Maßnahmen gegen den Klimawandel und trägt die Verantwortung dafür, dass die USA 2020 aus dem Pariser Abkommen ausgetreten sind.Die USA pflegen trotz des gemeinsamen Pakts für eine klimaneutrale Wirtschaft ein angespanntes Verhältnis zu China, das eskalieren könnte. China, das in Sachen Treibhausgasemissionen seit über zehn Jahren an der Spitze steht, hat lange versucht, sich unter dem Deckmantel "Schwellenland" vor klimapolitischer Verantwortung zu drücken. In der nahen Zukunft könnte sich dies mit Indien, das inzwischen bei den Emissionen auf Platz 3 (Stand 2022) steht, wiederholen.Sollten sich die USA, China und Indien als Top 3 (https://de.statista.com/statistik/daten/studie/179260/umfrage/die-zehn-groessten-c02-emittenten-weltweit/) in Sachen Treibhausgasemissionen aus dem Kampf gegen den Klimawandel zurückziehen bzw. bei dem Ausstieg aus fossiler Energie nicht mitziehen, sieht es düster für den Rest der Welt aus. Auch die Blockadehaltung in Bezug auf den Ausstieg aus fossilen Brennstoffe der Ölstaaten wie Saudi-Arabien muss beobachtet werden.Neben den Wahlen in den USA darf die EU-Wahl nicht unterschätzt werden. In den vergangenen Jahren konnten rechtspopulistische Parteien, von denen viele Klimawandelleugner (vgl. Schmidt-Mattern, 2019) sind, fast in allen EU-Ländern Stimmen dazugewinnen. Sollte es innerhalb des EU-Parlaments zu einem starken Rechtsruck kommen, könnte dies auch Auswirkungen auf die Klimapolitik der EU haben. Das wäre fatal, da die EU schon seit der Rio-Konferenz im Kampf gegen den Klimawandel als Vorreiter agiert und regelmäßig zwischen Parteien mit verschiedenen Standpunkten als Zwischenhändler agiert und so Kompromisse erreicht. Die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Kampf gegen den Klimawandel stehen auf wackligen Beinen, doch der Trend der vergangenen Jahre ist positiv, was Anlass zur Hoffnung gibt. Dennoch müssen die Staaten, wenn sie noch eine Chance haben wollen, den Klimawandel einzudämmen, geschlossener und vor allem schneller agieren als noch in der Zeitspanne zwischen Rio de Janeiro und Paris. LiteraturAuswärtiges Amt. 2018. "Erfolgreicher Abschluss der "COP24" in Kattowitz". https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/klimaaussenpolitik/cop-24-kattowitz/2171152 (24.03.24).Auswärtiges Amt. 2019. "COP25: nationale Anstrengungen zum Klimaschutz deut-lich ausbauen". https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/klimaaussenpolitik/cop25-madrid/2283322 (24.03.24).BMUV 2009. "Kopenhagen Vereinbarung". https://www.bmuv.de/gesetz/die-kopenhagen-vereinbarung (24.03.24).BMUV. "Übereinkommen von Paris". https://www.bmuv.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Klimaschutz/paris_abkommen_bf.pdf (25.03.24)BMZ. "Klimaabkommen von Paris". https://www.bmz.de/de/service/lexikon/klimaabkommen-von-paris-14602 (24.03.24).BMZ. "2023 Weltklimakonferenz in Dubai (COP 28)". https://www.bmz.de/resource/blob/196012/cop28-ergebnisse.pdf (24.03.24).Dlf. 2021. "UN-Klimakonferenz in Glasgow – Aufforderung zum Kohleausstieg". https://www.deutschlandfunk.de/klimakonferenz-cop26-klimawandel-glasgow-100.html (24.03.24).Dlf. 2022. "Klimakonferenz in Ägypten – Was von den Ergebnissen des Klimagipfels zu halten ist". https://www.deutschlandfunk.de/weltklimakonferenz-abschlusserklaerung-aegypten-cop27-100.html (24.03.24).Dlf. 2023. "Was der Beschluss der Weltklimakonferenz für fossile Energien bedeu-tet". https://www.deutschlandfunk.de/cop-weltklimakonferenz-abschlusstext-fossile-energien-100.html (24.03.24).DW. 2019. "Weltklimakonferenz endet fast ergebnislos". https://www.dw.com/de/weltklimakonferenz-in-madrid-geht-fast-ergebnislos-zu-ende/a-45925392 (24.03.24).Europäisches Parlament. 2016. "Fragen und Antworten zur COP22 in Marrakesch 2016". https://www.europarl.europa.eu/topics/de/article/20161114STO51118/fragen-und-antworten-zur-cop22-in-marrakesch (24.03.24).Europäisches Parlament. 2017. "Reform des Emissionshandelssystems der EU". https://www.europarl.europa.eu/topics/de/article/20170213STO62208/reform-des-emissionshandelssystems-der-eu (25.03.24).Fuhr, Lili, Liane Schalatek und Simon Ilse. 2016 "Uns bleibt immer Paris' – eine Analyse zur Klimakonferenz in Marrakesch". Heinrich-Böll-Stiftung. https://www.boell.de/de/2016/11/24/uns-bleibt-immer-paris (25.03.24).Fuhr, Lili, Liane Schalatek und Simon Ilse. 2016 "Die COP 22 in Marokko muss das Paris-Abkommen mit Leben erfüllen". Heinrich-Böll-Stiftung. https://www.boell.de/de/2016/10/28/die-cop-22-marokko-muss-das-paris-abkommen-mit-leben-erfuellen (24.03.24).Fuhr, Lili, Liane Schalatek und Don Lehr. 2017. "Wir werden nicht untergehen, wir sind hier um zu kämpfen!": Eine Auswertung der COP 23". Heinrich-Böll-Stiftung. https://www.boell.de/de/2017/11/27/wir-werden-nicht-untergehen-wir-sind-hier-um-zu-kaempfen-eine-auswertung (24.03.24).ESDN. 2020, "Green Deal". https://www.esdn.eu/fileadmin/ESDN_Reports/ESDN_Report_2_2020.pdf (24.03.24).FAZ. 2020. "Amerika offiziell aus Pariser Klimaabkommen ausgetreten". https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/klima-nachhaltigkeit/usa-offiziell-aus-pariser-klimaabkommen-ausgetreten-17035358.html (24.03.24).Hintergrund aktuell-Redaktion. 2020. "Fünf Jahre Pariser Klimaabkommen". Bpb. https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/322749/fuenf-jahre-pariser-klimaabkommen/ (24.03.24).Hintergrund aktuell-Redaktion. 2023. "Weltklimakonferenz in Dubai (COP28)". Bpb. https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/543080/weltklimakonferenz-in-dubai-cop28/ (24.03.24).IPCC Sonderbericht. 2018. IPPC. https://www.ipcc.ch/site/assets/uploads/2020/07/SR1.5-SPM_de_barrierefrei.pdf (24.03.24).Kopenhagen Vereinbarung. 2009. Bmuv. https://www.bmuv.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Gesetze/copenhagen_accord_bf.pdf (24.03.24).Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg. "Pariser Klimaabkommen". https://www.lpb-bw.de/pariser-klimaabkommen (24.03.24).Lehr, Don und Liane Schalatek. 2019. "Hohe Erwartungen, große Enttäuschung: Auswertung der UN-Klimakonferenz von Katowice (COP 24)". Heinrich-Böll-Stiftung. https://www.boell.de/de/2019/01/15/hohe-erwartungen-grosse-enttaeuschung-eine-auswertung-der-un-klimakonferenz-von-katowice (24.03.24).Lennon, Erika, Sebastien Duyck und Nikki Reisch. 2021. "Auf der COP26 setzen sich Scheinlösungen gegenüber echten Ambitionen durch". Heinrich-Böll-Stiftung. https://www.boell.de/de/2021/12/17/auf-der-cop26-setzen-sich-scheinloesungen-gegenueber-echten-ambitionen-durch (24.03.24).Lexikon der Nachhaltigkeit. 2015. "Agenda 21". https://www.nachhaltigkeit.info/artikel/agenda_21_744.htm (24.03.24).Lexikon der Nachhaltigkeit. 2015. "UN Klimakonferenz Kyoto, 1997". https://www.nachhaltigkeit.info/artikel/un_klimakonferenz_kyoto_1997_1453.htm (24.03.24).Schmidt-Mattern, Barbara. 2019. "Rechtspopulistische Parteien beeinflussen Klimapolitik". https://www.deutschlandfunk.de/europa-rechtspopulistische-parteien-beeinflussen-100.html (24.03.24).Simonis, Georg (Hg.) (2017). "Handbuch Globale Klimapolitik". Brill/Schönigh Verlag. SPD. 2010. "Klimaschutz: Die richtigen Lehren aus Kopenhagen ziehen" https://www.spdfraktion.de/themen/klimaschutz-richtigen-lehren-kopenhagen-ziehen (24.03.24).Statista Research Department. 2023. "CO₂-Emissionen weltweit in den Jahren 1960 bis 2022". https://de.statista.com/statistik/daten/studie/37187/umfrage/der-weltweite-co2-ausstoss-seit-1751/ (24.03.24).Statista. 2022. "CO₂-Emissionen: Größte Länder nach Anteil am weltweiten CO₂-Ausstoß im Jahr 2022". https://de.statista.com/statistik/daten/studie/179260/umfrage/die-zehn-groessten-c02-emittenten-weltweit/ (24.03.24).SZ. 2021. "Weltklimarat: Zwei-Grad-Ziel droht unerreichbar zu werden". https://www.sueddeutsche.de/wissen/klimawandel-ipcc-weltklimarat-erderwaermung-co2-duerre-starkregen-meeresspiegel-1.5377150 (24.03.24).Übersicht über die Klimaverhandlungen. Europarl. https://www.europarl.europa.eu/infographic/climate-negotiations-timeline/index_de.html#event-2023 (24.03.24).Umweltbundesamt. 2024. "Klimarahmenkonvention und das Übereinkommen von Paris". https://www.umweltbundesamt.de/daten/klima/klimarahmenkonvention (24.03.24).Umweltbundesamt. 2014. "Zwanzigste UN-Klimakonferenz (COP 20 | CMP 10)". https://sns.uba.de/chronik/de/concepts/t-2f28febf_14a9fe1f1a8_-5f73.html (24.03.24).Umweltbundesamt. 2024. "Übereinkommen von Paris". https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/internationale-eu-klimapolitik/uebereinkommen-von-paris#nationally-determined-contributions-ndcs (24.03.24).UNFCCC. "1 MARRAKECH ACTION PROCLAMATION FOR OUR CLIMATE AND SUSTAINABLE DEVELOPMENT". https://unfccc.int/files/meetings/marrakech_nov_2016/application/pdf/marrakech_action_proclamation.pdf (24.03.24).UNFCCC. 2018. "Katowicer Klimapaket". https://unfccc.int/sites/default/files/resource/Informal%20Compilation_proposal%20by%20the%20President_rev.pdf (24.03.24).UNFCC. 2019. "Statement by the Executive Secretary of UN Climate Change, Patri-cia Espinosa, on the Outcome of COP25". https://unfccc.int/news/statement-by-the-executive-secretary-of-un-climate-change-patricia-espinosa-on-the-outcome-of-cop25 (24.03.24).Vereinte Nationen. "Rio Erklärung über Umwelt und Entwicklung". https://www.un.org/depts/german/conf/agenda21/rio.pdf (24.03.24).Vereinte Nationen. "Agenda 21 Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung Rio de Janeiro, Juni 1992". https://www.un.org/depts/german/conf/agenda21/agenda_21.pdf (24.03.24).Von Brackel, Benjamin, Christoph von Eichhorn und Marlene Weiß. 2021. "Weltklimarat: Zwei-Grad-Ziel droht unerreichbar zu werden". SZ. https://www.sueddeutsche.de/wissen/klimawandel-ipcc-weltklimarat-erderwaermung-co2-duerre-starkregen-meeresspiegel-1.5377150 (24.03.24).Wajer, A. 2020. "Pariser Klimaabkommen". Bpb. https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/das-europalexikon/309438/pariser-klimaabkommen/ (24.03.24).Yasmin, Appelhans. 2023. "CO2-Emissionen erreichen neuen Höchstwert". Tagesschau. https://www.tagesschau.de/wissen/klima/kohlenstoffbericht-100.html (24.03.24).
Die Inhalte der verlinkten Blogs und Blog Beiträge unterliegen in vielen Fällen keiner redaktionellen Kontrolle.
Warnung zur Verfügbarkeit
Eine dauerhafte Verfügbarkeit ist nicht garantiert und liegt vollumfänglich in den Händen der Blogbetreiber:innen. Bitte erstellen Sie sich selbständig eine Kopie falls Sie einen Blog Beitrag zitieren möchten.
Unterrichtseinheit zum Thema Kinderrechte und deren Untersuchung und Umsetzung in der Schule (Grundschule, Klassenstufen 3/4, 3-4 (Doppel-)Stunden)
Die Kinderrechte als über die Menschenrechte hinausgehende Bestimmungen sind sowohl international anerkannt als auch Teil des baden-württembergischen Bildungsplans für die Grundschule. Darüber hinaus stellt die Kenntnis über die eigenen Rechte eine bedeutsame Ressource für Kinder dar.
Die Vorstellung einer Unterrichtseinheit zur Heranführung an die Kinderrechte und deren Untersuchung und Umsetzung im schulischen Kontext für die Klassenstufen 3/4 der Grundschule ist Inhalt des folgenden Blogbeitrags:Auf eine theoretische Einführung zum Hintergrund der Kinderrechte folgt die Begründung der Relevanz der Thematik. Daran schließen didaktische Überlegungen zu Zeitpunkt, Thema und Inhalten sowie Intentionen an. Der Teil Aufbau der Unterrichtseinheit beinhaltet eine Beschreibung der vier (Doppel-)Stunden, inklusive Vorschlägen zur Abwandlung und Anpassung an andere Klassenstufen sowie Informationen zu Alternativen, die erwogen wurden.Im Anhang findet man neben den Unterrichtsskizzen (Übersicht) Materialien und Formulierungsideen für die vorgestellte Unterrichtseinheit auch eine ausführliche Liste zu empfehlenden Unterrichtsmaterials anderer Websites und Organisationen sowie ein umfangreiches Literaturverzeichnis mit sowohl Online- als auch Printliteratur, um Möglichkeiten zur weiteren Vertiefung, beispielsweise im Hinblick auf die Partizipation von Kindern in der Schule oder bezüglich des Zusammenhangs zwischen Kinderrechten und Demokratie, zu geben.Die im Blogbeitrag angegebenen Literaturangaben finden sich entweder im Literaturverzeichnis oder in der Liste mit zu empfehlendem Unterrichtsmaterial. Ein Abkürzungsverzeichnis am Ende des Blogbeitrags ist ebenfalls vorhanden.Theoretische Einführung
Überblick
Die Kinderrechte sind in der Konvention über die Rechte des Kindes, auch 'Kinderrechtskonvention' (kurz: KRK, englisch: Convention on the Rights of the Child, kurz: CRC), festgeschrieben und damit völkerrechtlich verbindlich (vgl. BMZ 2023). Die KRK wurde 1989 durch die Vereinten Nationen (kurz: VN, englisch: United Nations, kurz: UN) angenommen und ist 1990 in Kraft getreten (vgl. Gareis/Varwick 2014, S. 192, ausführlicher siehe Historischer Verlauf). Sie ist einer der meistratifizierten Menschenrechtsverträge (vgl. DIMR 2023b), nachdem sie von allen Ländern mit Ausnahme der USA ratifiziert wurde (vgl. United Nations Human Rights Office of the High Commissioner 2023, ausführlicher siehe Ratifizierung). In Deutschland gilt die KRK seit 1992 (vgl. Auswärtiges Amt 2023, ausführlicher siehe Deutschland).
Die KRK umfasst 54 Rechte, die sich in mehrere Kategorien differenzieren lassen (ausführlicher siehe Inhalt und Aufbau). Außerdem existieren drei Zusatzprotokolle, die allerdings nicht in gleicher Zahl ratifiziert sind wie die KRK selbst (vgl. United Nations Human Rights Office of the High Commissioner 2023). Zentrales Prinzip ist es, im "besten Interesse des Kindes" zu handeln (vgl. BMZ 2023). Als Kind gilt dabei "jeder Mensch, der das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, soweit die Volljährigkeit nach dem auf das Kind anzuwendenden Recht nicht früher eintritt" (Artikel 1 der UN-KRK, UN-Generalversammlung 1989, S. 9).
Kinder benötigen "besonderen Schutz, besondere Förderung und besondere, kindgerechte Beteiligungsformen" (vgl. Maywald 2010), da sie "in vielerlei Hinsicht besonders verletzbar" (Auswärtiges Amt 2023) und von Erwachsenen abhängig sind. Durch die KRK werden Kinder erstmals als eigenständige (Recht-)Subjekte anerkannt (vgl. DIMR2023a, ausführlicher siehe Historischer Verlauf).
Das sich im Anhang befindliche Literaturverzeichnis beinhaltet unter 'Primärliteratur' Angaben zu fünf online frei zugänglichen Versionen der KRK: deutsch, deutsch mit Zusatzprotokollen, deutsch kinderfreundliche Version, verschiedene Sprachen kinderfreundliche Version, englisch.
Historischer Verlauf
Lange Zeit wurden Kinder als den Erwachsenen unterlegen betrachtet und waren "rechtlich und faktisch nicht gleichgestellt" (Maywald 2010). Erst 1924 wurde vom Völkerbund, dem Vorläufer der VN, eine Kindercharta, die Genfer Erklärung über die Rechte des Kindes (englisch: 'Geneva Declaration'), verabschiedet. Sie war allerdings nicht rechtsverbindlich (vgl. bpb 2019). Ihre Überarbeitung durch die VN mündete 1959 in die Erklärung der Rechte des Kindes, die das Kind erstmals auf internationaler Ebene als Rechtsträger anerkannte und den Begriff des Kindeswohls definierte (vgl. Maywald 2010). Anlässlich des 'Jahres des Kindes' 1978 schlug die polnische Regierung vor, die Erklärung der Rechte des Kindes von 1959 in einen völkerrechtlich verbindlichen Vertrag umzuwandeln. Nach mehrjähriger Tätigkeit einer entsprechenden Arbeitsgruppe wurde am 20. November 1989 die heute gültige Kinderrechtskonvention einstimmig von der Generalversammlung der VN verabschiedet (vgl. bpb 2019). Dieses Datum gilt seither als der Tag der Kinderrechte (vgl. bpb 2017).
Die Links zur Genfer Erklärung über die Rechte des Kindes von 1924 und zur Erklärung der Rechte des Kindes von 1959 finden sich auch im angehängten Literaturverzeichnis unter 'Primärliteratur, Weitere Konventionen'.
Ratifizierung
Folgende Tabelle zeigt den Status der KRK und ihrer Zusatzprotokolle (Stand 2023). Die Daten entstammen einer interaktiven Karte des United Nations Human Rights Office of the High Commissioner.
"State Party" (ratifiziert)
"Signatory" (unterzeichnet)
"No Action" (nichts)
UN-Kinderrechtskonvention
196
1 (USA)
0
1. Zusatzprotokoll (Schutz vor Kinderhandel)
178
7
12
2. Zusatzprotokoll (Schutz in bewaffneten Konflikten)
173
7
17
3. Zusatzprotokoll (Individualbeschwerden)
50
16
132
Durch die freiwillige Handlung der Ratifizierung gehen die Staaten eine rechtlich bindende Verpflichtung ein (vgl. Würth/Simon 2012).
Stellenwert
Laut Maywald (2010) ist die KRK "insofern einmalig, als es die bisher größte Bandbreite fundamentaler Menschenrechte – ökonomische, soziale, kulturelle, zivile und politische – in einem einzigen Vertragswerk zusammenbindet." Die Relation zu den Menschenrechten ist dabei unzureichend bestimmt (vgl. Busen/Weiß 2023). Durch weitere Konventionen einen vergleichbaren Schutz erfahren Frauen, Wanderarbeiter*innen, Menschen mit Behinderungen sowie Gefolterte und Verschwundene (vgl. ebd.).
Inhalt und Aufbau
Die 54 Artikel der KRK lassen sich in drei Kategorien unterteilen: Schutzrechte, Förderrechte und Beteiligungsrechte (vgl. BMFSFJ 2023, BMZ 2023, DIMR2023a, Maywald 2010, Würth/Simon 2012).
Außerdem verfügt die KRK über vier Grundprinzipien: Nichtdiskriminierung, Kindeswohlvorrang, Recht auf Leben und Entwicklung sowie Beteiligung des Kindes und Berücksichtigung seiner Meinung (vgl. Auswärtiges Amt 2023, BMFSFJ 2023, BMZ 2023, Würth/Simon 2012). Sie sind in den Artikeln 2, 3, 6 und 12 festgehalten (vgl. DIMR 2023b), weswegen diese als die wichtigsten Artikel der KRK bezeichnet werden (vgl. Maywald 2010).
Schlussendlich umfasst die KRK vier Verfahrensregeln: die Verpflichtung der Staaten zur Bekanntmachung der Kinderrechte (Art. 42), die Einsetzung eines Ausschusses der VN für die Rechte des Kindes (Art. 43), die Berichtspflicht über die Maßnahmen zur Verwirklichung der Kinderrechte (Art. 44) sowie die Mitwirkungsmöglichkeiten von Nichtregierungsorganisationen (Art. 45) (vgl. Maywald 2010).
Die drei Zusatzprotokolle der KRK wurden im Anschluss an den 20. November 1989 verabschiedet.Fakultativprotokoll zur Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten: 12. Februar 2002Fakultativprotokoll über den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und Kinderpornografie: 18. Januar 2002Fakultativprotokoll: Individualbeschwerde-, Staatenbeschwerde- und Untersuchungsverfahren: 14. April 2014 (vgl. DIMR 2023b)
Umsetzung
Die KRK als völkerrechtliches Übereinkommen stellt "nicht Gesetzgebung im geläufigen Sinne, sondern Vertragsrecht" (Maywald 2010) dar, was lediglich Verpflichtungen der Vertragsstaaten begründet. Diese sogenannten Staatenpflichten sind bei menschenrechtlichen Verträgen die folgenden:Respektierungspflicht / duty to respect: "der Staat ist verpflichtet, Verletzungen der Rechte zu unterlassen"Schutzpflicht / duty to protect: "der Staat hat die Rechte vor Übergriffen von Seiten Dritter zu schützen"Gewährleistungspflicht / duty to fulfill: "der Staat hat für die volle Verwirklichung der Menschenrechte Sorge zu tragen" (Maywald 2010)
Darüber hinaus verpflichten sich die Vertragsstaaten zu internationaler Zusammenarbeit (vgl. Würth/Simon 2012).
Die konkrete Umsetzung der Kinderrechte wird durch die nationalen Gesetzgebungen der einzelnen Länder geregelt. Lediglich Artikel 2, 3, 6 und 12 (ausführlicher siehe Inhalt und Aufbau) als sogenannte unmittelbar anwendbare Rechte (englisch: self executing rights) sind davon ausgenommen (vgl. ebd).
In der Bundesrepublik Deutschland haben die Kinderrechte beispielsweise in Form des Gesetzes zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung und des Rechts aller Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr auf einen öffentlichen Betreuungsplatz Eingang in das Grundgesetz gefunden (vgl. bpb 2019).
Überprüfung
Die VN verfügen, wie in Artikel 43 der KRK gefordert (vgl. Maywald 2010), über einen 'Ausschuss für die Rechte des Kindes' (kurz: Kinderrechtsausschuss), der die Einhaltung der KRK überwacht und als Adressat für Individualbeschwerden dient (vgl. Auswärtiges Amt 2023).
In Deutschland erfolgt die Kontrolle der Umsetzung der Kinderrechte durch eine unabhängige Monitoring-Stelle, die beim Bundesfamilienministerium eingerichtet ist (vgl. bpb 2019).
Artikel 44 beschreibt weiterhin, dass die Vertragsstaaten regelmäßig über ihre Maßnahmen zur Verwirklichung der Kinderrechte zu berichten haben (vgl. Auswärtiges Amt 2023). Dies geschieht in Form von Staatenberichten, wodurch die KRK als "eher schwaches völkerrechtliches Instrument" (Gareis/Varwick 2010, S. 197) gilt. Der Fünfte und Sechste Staatenbericht der Bundesrepublik Deutschland wurde im April 2019 dem Kinderrechtsausschuss vorgelegt (vgl. Auswärtiges Amt 2023). Ein Link zum Download ist auch im Literaturverzeichnis dieses Blogbeitrags unter 'Primärliteratur' zu finden.
Deutschland
In Deutschland erlangte die KRK 1992 Gültigkeit (vgl. Auswärtiges Amt 2023) – zu Beginn allerdings mit Einschränkungen, nachdem nicht klar war, ob sie mit dem deutschen Ausländerrecht, konkret mit der Möglichkeit, minderjährige nicht-deutsche Staatsangehörige in ihre Herkunftsländer auszuweisen oder abzuschieben, kollidieren würde (vgl. bpb 2017). Die erklärten Vorbehalte wurden 2010 zurückgenommen (vgl. BMFSFJ 2023), wodurch die KRK verbindlich geltendes Recht wurde (vgl. DIMR 2023c).
Die KRK hat Auswirkungen auf die nationale Gesetzgebung der Bundesrepublik (ausführlicher siehe Umsetzung). Dennoch sind die Kinderrechte in Deutschland bisher kein eigener Teil des Grundgesetzes. Dies ist Gegenstand einer Debatte. Als Argumente für die Aufnahme werden genannt:die Stärkung des Bewusstseins für die Rechte von Kindern;die Verbesserung der Position von Kindern gegenüber dem Staat und im Konfliktfall gegenüber ihren Eltern;die Stärkung der elterlichen Verantwortung, die Rechte des Kindes zur Geltung bringen;die Förderung der Berücksichtigung von Kindesinteressen im politischen Raum sowie der damit einhergehende Ausdruck des hohen Rangs von Wohl und Rechten von Kindern (vgl. Maywald 2010).Außerdem können Kinder zum aktuellen Zeitpunkt, im Gegensatz zu anderen Grundrechtsträgern, ihre Rechte an vielen Stellen nicht selbst einfordern, da sie weiterhin als Objekte betrachtet werden (vgl. bpb 2017). Das Deutsche Institut für Menschenrechte spricht darüber hinaus davon, dass die Kinderrechte in Deutschland grundlegend "noch nicht ernst genommen und oftmals leichtfertig übergangen" werden (DIMR 2023a).Gegenstimmen einer Aufnahme der Kinderrechte in das Grundgesetz berufen sich darauf, dass dies nicht dazu führen würde, dass Kinder mehr Rechte erhielten (vgl. bpb 2023a). Eine Rechtsangleichung wird vom UN-Kinderrechtsausschuss empfohlen und entspricht einer Vorgabe der Grundrechte-Charta der EU (vgl. Maywald 2010).
In Bezug auf die Umsetzung der Kinderrechte in Deutschland werden von unterschiedlichen Seiten Forderungen gestellt. Sie beziehen sich unter anderem auf die Schaffung von Bildungsgerechtigkeit (vgl. Maywald 2010). Weiterhin verlangt wird die Erhebung von mehr kinderrechtsbasierten Daten zur Untersuchung der Wirkung politischer Maßnahmen, die gezielte Stärkung der Selbstorganisation von Kindern und Jugendlichen, insbesondere in öffentlichen Bildungseinrichtungen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, sowie, nach Vorbild anderer Vertragsstaaten, die Errichtung leicht zugänglicher Kinderrechtsinstitutionen und -stellen im direkten Lebensumfeld von Kindern (vgl. DIMR 2023a).Kinder selbst fordern laut der Bundeszentrale für politische Bildung ein Recht auf Taschengeld, das Recht zu wählen sowie ein Recht auf Arbeit, das sich auf die Aufwertung der sozialen Stellung von arbeitenden Kindern und so die Stärkung ihrer Verhandlungsmacht bezieht (vgl. bpb 2023a).Relevanz der Thematik
"Die Kinderrechte und die Geltung und grundlegende Einhaltung dieser Rechte in Deutschland sind eine bemerkenswerte Errungenschaft, die vielen Kindern wahrscheinlich gar nicht bewusst ist" (Bohlen 2021). Dieses von der Bundeszentrale für politische Bildung veröffentlichte Zitat fasst hervorragend zusammen, weswegen die Behandlung der Kinderechte im Unterricht von Relevanz ist:Die Kinderrechte bieten, wie bereits in der theoretischen Einführung beschrieben, bis dato nie dagewesene rechtliche Möglichkeiten für Kinder. Deren Einforderung durch Kinder kann allerdings nur geschehen, wenn sie über ihre Rechte im Bilde sind. Schule im allgemeinen und der Politik- beziehungsweise in der Primarstufe der Sachunterricht im besonderen hat den Auftrag, die Mündigkeit der Schüler*innen zu fördern (vgl. Detjen 2007, S. 211). Demnach obliegt Schule auch die Aufgabe, über die Kinderrechte zu informieren. Dies entspricht darüber hinaus dem "pädagogischen Blickwinkel" nach Kahlert (2010, S. 267), der Sachunterrichtsplanung als "begründungspflichtige Anforderung an professionelles Lehrerhandeln" (ebd., S. 264) mit mehreren, zu begründenden Dimensionen beschreibt (vgl. ebd., S. 267), indem folgende Leitfrage beantwortet wird: "Warum ist dies [der Inhalt, Anm. LS] sinnvoll für die Persönlichkeitsentwicklung des einzelnen Kindes?" (ebd.).
Im Kontext von Sachunterricht wird durch die Thematisierung von Kinderrechten weiterhin die Umsetzung sowohl der ersten als auch der zweiten Dimension der Allgemeinbildung nach Klafki (2005) erreicht, da nicht nur Selbstbestimmungs-, Mitbestimmungs- und Solidaritätsfähigkeit gefördert werden, sondern die Kinderrechte auch Gegenwarts- und Zukunftsbedeutung haben (vgl. ebd.). Ferner wird der Behandlung der epochaltypischen Schlüsselprobleme der Ungleichheit innerhalb von Gesellschaften und der internationalen Ungleichheit nachgekommen (vgl. ebd.). Der "kulturelle Stellenwert" als zweite Komponente der begründungspflichtigen "bildungstheoretischen Dimension" nach Kahlert (2010, S. 267) und der Frage danach, "welche Bedeutung es für das Zusammenleben heute und in Zukunft hat, wenn Kinder in der Schule diesem Inhalt begegnen" (ebd.), wird somit ebenfalls Rechnung getragen.
Auch der baden-württembergische Bildungsplan von 2016 für das Fach Sachunterricht fordert die Auseinandersetzung mit dem Thema Kinderrechte explizit. Im Bereich der inhaltsbezogenen Kompetenzen für die Klassenstufen 3/4 wird unter '3.2.1 Demokratie und Gesellschaft 3.2.1.4 Politik und Zeitgeschehen' Folgendes genannt:"DenkanstößeWie wird die aktive Umsetzung von Grund- und Kinderrechten in der Klasse und Schule gestaltet?Wie reagiert die Schule auf Missachtung der Kinderrechte im Schulalltag? [...]TeilkompetenzenDie Schülerinnen und Schüler können(1) zentrale ausgewählte Grund- und Kinderrechte beschreiben und auf konkrete Situationen in Deutschland und andere Länder übertragen(Ministerium für Jugend, Kultus und Sport Baden-Württemberg 2016, S. 36)
Außerdem wird mit der Thematisierung der Kinderrechte der prozessbezogenen Kompetenz '2.5 Reflektieren und sich positionieren' nachgekommen:"Die Schülerinnen und Schüler können[…] 2. Empathiefähigkeit entwickeln und Perspektivwechsel vornehmen (zum Beispiel […] in der Auseinandersetzung […] mit Grund- und Kinderrechten […])" (ebd., S. 12)
Im Bereich der Denkanstöße besonders betont wird die Umsetzung der Kinderrechte in der Schule. Vor diesem Hintergrund scheint die Forderung des Deutschen Instituts für Menschenrechte, insbesondere in Bildungseinrichtungen mehr Beteiligungsmöglichkeiten für Kinder zu schaffen (vgl. DIMR 2023a, ausführlicher siehe Theoretische Einführung, Deutschland), noch bedeutsamer.Didaktische Überlegungen
Zeitpunkt
Da die Grundrechte ebenfalls Teil des Bildungsplans sind (ausführlicher siehe Relevanz der Thematik), bietet es sich an, die Unterrichtseinheit zu Kinderrechten in zeitlicher Nähe zu einer Behandlung der Grundrechte durchzuführen.
Themen und Inhalte
Die Unterrichtseinheit beschäftigt sich mit der Umsetzung von Kinderrechten, zuvorderst im Kontext Schule. Dies begründet sich zum einen in der durch die Denkanstöße des baden-württembergischen Bildungsplans gelegten Basis (ausführlicher siehe Relevanz der Thematik). Zum anderen wird angestrebt, Schüler*innen die Kinderrechte als solche Rechte zu vermitteln, über die sie selbst verfügen und die sie in ihrem direkten Umfeld jederzeit einfordern können. Hintergrund bildet auch die Einschätzung des Deutschen Instituts für Menschenrechte, dass diese Möglichkeiten, insbesondere im Bildungskontext, bisher nicht in ausreichender Anzahl und Erreichbarkeit vorhanden sind (vgl. DIMR 2023a, ausführlicher siehe Theoretische Einführung, Deutschland). Partizipation ermöglicht darüber hinaus, die eigene Selbstwirksamkeit zu erfahren, was ein positives Selbstkonzept fördert. Eine Auseinandersetzung mit weiteren erwogenen Schwerpunkten der Unterrichtseinheit erfolgt im Teil Aufbau der Unterrichtseinheit, Erwogene Alternativen.Die Themen der ersten beiden Unterrichtsstunden sind als Fragen formuliert: 'Kinderrechte – Welche Rechte habe ich?', 'Kinderrechte – Wie können wir sie umsetzen?'. Daraus ergeben sich drei Vorteile: Erstens wird dem Unterrichtsprozess Geschlossenheit verliehen, da sich die Frage als roter Faden durch die Stunde zieht und die einzelnen Unterrichtssituationen miteinander verbindet (vgl. Tänzer 2010, 132). Zweitens ermöglicht eine Frage, den Unterricht weniger lehrkraftzentriert zu gestalten, da die Schüler*innen selbst Lösungen finden sollen (ebd.). Und drittens verlangt eine Frage nach einer Antwort, was motivationale Aspekte fördert und eine Ergebnissicherung einschließt. Die dritte und gegebenenfalls vierte Unterrichtsstunde sind mit 'Kinderrechte – Wir setzen sie um!' betitelt, was den produzierenden Charakter der Stunde verdeutlicht sowie durch das Personalpronomen 'Wir' den Klassenzusammenhalt fokussiert und einen Hinweis auf die Sozialform liefert.
Die KRK umfasst 54 Rechte, die nicht alle Inhalt des Unterrichts sein können und müssen. Im Bildungsplan wird die Formulierung "ausgewählte Grund- und Kinderrechte" (Ministerium für Jugend, Kultus und Sport Baden-Württemberg 2016, S. 36) genutzt. Die folgende Tabelle bietet eine Übersicht über diejenigen Kinderrechte, die vor dem Hintergrund einer ausführlichen Recherche und unter Beachtung der Adressat*innengerechtigkeit für die Unterrichtseinheit vorgeschlagen werden. Die Auswahl obliegt der Lehrkraft.Es wird empfohlen, die vier Grundprinzipien der KRK (Art. 2, 3, 6, 12) in jedem Fall zu thematisieren. Weiterhin ist es sinnvoll, darüber zu sprechen, dass die KRK Artikel beinhaltet, die die Umsetzung der Kinderrechte regeln (Art. 43-54). Schlussendlich wird im Verlauf der Unterrichtseinheit der Film "Kinderrechte raten" der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb 2022d) eingesetzt, weswegen es sich anbietet, auch die dort vorkommenden Kinderrechte vorab anzusprechen.Die Anzahl der weiteren Kinderrechte kann je nach Klassenstufe, -größe und -zusammensetzung variiert werden (ausführlicher siehe Ablauf der Unterrichtseinheit, Abwandlungen / Anpassung an andere Klassenstufen). Insbesondere im Zusammenhang mit Krieg und Flucht sollten die Vorerfahrungen und mögliche Traumata der Schüler*innen berücksichtigt werden. Sensibilität ist geboten.
Artikel
Offizielle Bezeichnung
Kinderfreundliche Bezeichnung (in Anlehnung an Deutsches Komitee für UINCEF 2023a, 2023h, BMFSJ 2018)
Inhaltliche Begründung (ausführlicher siehe Theoretische Einführung, Inhalt und Aufbau)
Didaktische Begründung
2
Achtung der Kinderrechte; Diskriminierungsverbot
Recht auf Gleichheit
4 Grundprinzipien / unmittelbar anwendbares Recht
3
Wohl des Kindes
Recht auf das Beste für jedes Kind
6
Recht auf Leben
Recht auf Leben
12
Berücksichtigung des Kindeswillens
Recht auf eine eigene Meinung und darauf, ernst genommen zu werden
13
Meinungs- und Informationsfreiheit
Beteiligungsrecht
Einteilung logo!: Öffentliche Rechte (vgl. BMFSJ 2018, S. 40)
16
Schutz der Privatsphäre und Ehre
Recht auf Privatsphäre
Schutzrecht
Einteilung logo!: Private Rechte (vgl. BMFSJ 2018, S. 33)
17
Zugang zu den Medien; Kinder- und Jugendschutz
Recht auf Medien
Beteiligungsrecht
Film bpb "Kinderrechte raten" (vgl. bpb 2022d)
22
Flüchtlingskinder
Recht auf besonderen Schutz und Hilfe für Flüchtlingskinder
Schutzrecht
Einteilung logo!: Schutz vor Ausbeutung und Gewalt (vgl. BMFSJ 2018, S. 52ff.)
23
Förderung behinderter Kinder
Recht auf besondere Förderung und Unterstützung für behinderte Kinder
Förderrecht
Poster UNICEF (vgl. Deutsches Komitee für UINCEF 2023g)
24
Gesundheitsvorsorge
Recht auf Gesundheit
Förderrecht
Einteilung logo!: Recht auf Fürsorge (vgl. BMFSJ 2018, S. 32)
27
Angemessene Lebensbedingungen; Unterhalt
Recht auf gute Lebensverhältnisse
Schutzrecht
Einteilung logo!: Recht auf Fürsorge (vgl. BMFSJ 2018, S. 30)
28
Recht auf Bildung; Schule; Berufsausbildung
Recht auf Bildung
Förderrecht
Film bpb "Kinderrechte raten" (vgl. bpb 2022d)
31
Beteiligung an Freizeit, kulturellem und künstlerischem Leben; staatliche Förderung
Recht auf Spiel und Freizeit
Förderrecht
Film bpb "Kinderrechte raten" (vgl. bpb 2022d)
32
Schutz vor wirtschaftlicher Ausbeutung
Recht auf Schutz vor ausbeuterischer Kinderarbeit
Schutzrecht
Einteilung logo!: Schutz vor Ausbeutung und Gewalt (vgl. BMFSJ 2018, S. 45)
38
Schutz bei bewaffneten Konflikten; Einziehung zu den Streitkräften
Recht auf Schutz im Krieg
Schutzrecht
Einteilung logo!: Schutz vor Ausbeutung und Gewalt (vgl. BMFSJ 2018, S. 50f.)
43-54
"Diese Artikel erklären, wie die Vereinten Nationen in Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen wie UNICEF dafür sorgen wollen, dass die Kinderrechte eingehalten werden." (UNICEF 2023a)
u.a. Verfahrensregeln (Art. 42-45)
Hinweise zu den didaktischen Begründungen:Das Buch "Die Rechte der Kinder. von logo!einfach erklärt" (BMFSJ 2018) beinhaltet eine sinnvolle Einteilung, die über die Einteilung in Schutz-, Förder- und Beteiligungsrechte hinausgeht. Das Poster "Kinderrechte" von UNICEF (Deutsches Komitee für UINCEF 2023g) umfasst mit dem 'Recht auf besondere Förderung und Unterstützung bei Behinderung' ein Kinderrecht, das grundlegend von Bedeutung und im schulischen Kontext vor dem Hintergrund des Inklusionsbestrebens im Bildungssystem besonders relevant erscheint.Der Film "Kinderrechte raten" der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb 2022d) kommt im Verlauf der Unterrichtseinheit zum Einsatz.
Intentionen
In dem 2013 veröffentlichten Perspektivrahmen Sachunterricht spricht die Gesellschaft für Didaktik des Sachunterrichts davon, dass Ausrichtung und Anliegen des Sachunterrichts […] als zu fördernde Kompetenzen und Kompetenzerwartungen" (GDSU 2013, S. 12) beschrieben werden können. Nach Weinert (2001, S. 27f.) sind Kompetenzen "die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können".
Die folgenden Ziele stellen Lernziele dar, die sich sowohl auf Inhalt als auch auf Methoden beziehen (vgl. Tänzer 2010, S. 104). Sie werden auch als Verhaltensdispositionen bezeichnet, was verdeutlichen soll, dass sie "nicht zwangsläufig beobachtbar" (ebd., S. 102) sind. Die Ziele sind nach Stunden sortiert und orientieren sich in ihrer Reihenfolge an deren Aufbau.
Erste (Doppel-)Stunde
Die Schüler*innen könnenBedürfnisse / Wünsche von Kindern erkennen und nennenBedürfnisse / Wünsche von Kindern priorisieren / gewichtenKinderrechte nennenBedürfnissen / Wünschen von Kindern entsprechende Kinderrechte zuordnenzwischen Bedürfnissen / Wünschen und Rechten von Kindern unterscheideneine Verbindung zwischen den Kinderrechten und dem eigenen Leben herstellen
Zweite (Doppel-)Stunde
Die Schüler*innen könnenbegründen, warum bestimmte Kinderrechte bedeutsam sinddie Umsetzung von Kinderrechten in der Schule beurteilenVorschläge zur Verbesserung der Umsetzung von Kinderrechten in der Schule machen
Dritte (Doppel-)Stunde
Die Schüler*innen könnenin einer Gruppe auswählen, welche Inhalte zu einem bestimmten Kinderrecht auf einem Plakat Platz finden sollenin einer Gruppe ein Plakat zu einem Kinderrecht gestaltenin einer Gruppe ein Plakat zu einem Kinderrecht präsentieren
Aufbau der Unterrichtseinheit
Die folgenden Ausführungen sind auch als Übersicht in tabellarischer Form verfügbar. Die Übersicht orientiert sich an klassischen Unterrichtsskizzen, um im Unterricht als Leitfaden genutzt werden zu können. (Sie befindet sich auch noch einmal im Anhang.)
Die Unterrichtseinheit besteht aus drei obligatorischen Stunden und einer fakultativen Stunde. Sie können je nach Vorwissen, Arbeitstempo etc. der Schüler*innen als Einzel- oder als Doppelstunden durchgeführt werden.
Erste (Doppel-)Stunde: Kinderrechte – Welche Rechte habe ich?
Die erste (Doppel-)Stunde mit dem Thema 'Kinderrechte – Welche Rechte habe ich?' dient dazu, die KRK kennenzulernen und ihren Nutzen und ihre Schwerpunkte zu verstehen. Außerdem werden "ausgewählte [...] Kinderrechte" (siehe didaktische Überlegungen, Thema und Inhalte) besprochen und eigene Ausgaben der KRK angefertigt.Dafür werden in einem ersten Schritt (Einstieg) Bedürfnisse / Wünsche von Kindern durch die Schüler*innen genannt. Als Sozial- und Sitzform wird ein Stuhlkreis empfohlen. Die Lehrkraft (LK) notiert die Bedürfnisse / Wünsche auf bunten Karten, die in die Mitte des Stuhlkreises gelegt werden. Dies bietet den Vorteil, dass die daraufhin folgende Diskussion zum Stellenwert der einzelnen Bedürfnisse / Wünsche durch Verschieben der Karten visualisiert werden kann. Sie soll zeigen, dass einige Bedürfnisse zentraler, umfassender oder weitreichender sind als andere. Von großer Bedeutung ist hierbei, dass kein Konsens innerhalb der Klasse erzielt werden muss. Kindern können unterschiedliche Dinge wichtig sein. Ein offener Austausch, während welchem jede Meinung gehört wird, dient der Horizonterweiterung oder der Festigung des eigenen Standpunkts. Es sollte darauf geachtet werden, zwischen den Bedürfnis-Karten ausreichend Platz zu lassen, um zur Verdeutlichung des Nutzens der Kinderrechte in der Phase der Erarbeitung Kinderrechte-Karten hinzulegen zu können (ausführlicher siehe unten). Die Bedürfnis-Karten sollten nicht vorher vorbereitet sein. Dies würde unter Umständen die Assoziationsfreiheit der Schüler*innen einschränken, da der Eindruck entstehen könnte, bestimmte, 'richtige' Bedürfnisse nennen zu müssen. Je nach Gesprächsverlauf kann die LK eine Frage dazu stellen, wie die genannten Bedürfnisse / Wünsche garantiert werden könnten, um damit zur nächsten Phase, der Hinführung, überzuleiten. (Eine Formulierungsidee hierzu findet sich im Anhang.)In der Phase der Hinführung informiert die LK die Schüler*innen über die KRK, genauer über ihre Entstehung, ihren Ratifizierungsstatus, ihren Umfang und die Umsetzung durch Staaten und Organisationen sowie ihre Überprüfung mittels Staatenberichten und dem Kinderrechtsausschuss der VN. (Auch hier kann eine Formulierungsidee im Anhang eingesehen werden.) Es bietet sich an, in diesem Zusammenhang die Artikel 1 und 2 der kinderfreundlichen Version der KRK (Deutsches Komitee für UNICEF 2023a) vorzulesen, um konkrete Einblicke zu gewähren, über die Existenz eines Gesetzestextes explizit für Kinder zu informieren sowie zu der Phase der Erarbeitung überzuleiten. Die kinderfreundliche Version der KRK kann hier sowohl online heruntergeladen als auch kostenfrei als Printausgabe bestellt werden. Im Anschluss an die Hinführung kann die KRK im Klassenzimmer platziert werden, um den Schüler*innen die Möglichkeit zu geben, ihre Rechte zu jeder Zeit nachlesen zu können.In der Phase der Erarbeitung werden die Schüler*innen dazu aufgefordert, mögliche Kinderrechte zu nennen. Diese werden in Form vorbereiteter Kinderrechte-Karten (Kopiervorlagen unter Material Unterrichtseinheit Kinderrechte im Anhang) den bereits im Stuhlkreis liegenden Bedürfnis-Karten zugeordnet. Gegebenenfalls können weitere Bedürfnis-Karten beschriftet werden. Als Differenzierung können an dieser Stelle Murmelphasen zu zweit eingebaut werden. Auf den Kinderrechte-Karten befindet sich eine kinderfreundliche Beschreibung des entsprechenden Kinderrechts (siehe didaktische Überlegungen, Thema und Inhalte) sowie eine Visualisierung, die eine Situation darstellt, in der das Kinderrecht zur Anwendung kommt / kommen sollte. Es wird empfohlen, die Kinderrechte-Karten auf weißes Papier zu drucken, um sie visuell gut von den bunten Bedürfnis-Karten unterscheiden zu können. Bei Nennung eines nicht vorbereiteten Kinderrechts kann dieses problemlos auf einem weiteren, weißen Blatt Papier notiert werden. Eine Diskussion über mögliche Visualisierungen regt die Auseinandersetzung mit dem Kinderrecht weiter an. Es sollte in jedem Fall auf die Exemplarität der ausgewählten Kinderechte eingegangen werden und ein Austausch über den Zusammenhang zwischen Bedürfnissen und Kinderrechten und somit den Nutzen der KRK stattfinden. (Eine Formulierungsidee findet sich im Anhang.) Weiterhin wichtig ist es, die Ausgestaltung der Kinderrechte gut zu erklären und alle aufkommenden Fragen zu beantworten, um die Etablierung von Fehlkonzepten, zum Beispiel in Bezug auf Kinderarbeit, zu vermeiden. Es kann dazu kommen, dass einigen Wünschen kein Kinderrecht zugeordnet werden kann. An dieser Stelle kann die LK, sofern dies nicht bereits ohne ihr Zutun geschieht, einen Austausch über die Gründe dafür – beispielsweise die Nichtauswahl des entsprechenden Kinderrechts oder die eingeschränkte Reichweite des Wunsches – anstoßen. Es bietet sich an, den Unterschied zwischen einem Recht und einem Wunsch explizit zu verdeutlichen (ausführlicher siehe Formulierungsideen).Zur Ergebnissicherung gestalten die Schüler*innen in Einzelarbeit ihre eigene Ausgabe der KRK. (Eine Kopiervorlage für die einzelnen Seiten findet sich unter Material Unterrichtseinheit Kinderrechte im Anhang.) Pro Kinderrecht soll eine Seite gestaltet werden. Die Anzahl der Kopien hängt demnach von Klassenstärke und Anzahl der ausgewählten Kinderrechte ab. Die gestalteten Seiten können anschließend mit einem Heftstreifen oder einem Faden gebunden werden. Die Anordnung der Kinderrechte innerhalb ihrer Konvention soll von den Schüler*innen selbst bestimmt werden, um zu bewirken, dass sie noch einmal individuell über die Bedeutsamkeit der entsprechenden Kinderrechte nachdenken. Logistisch empfiehlt sich die reguläre Sitzform. Währenddessen kann die LK die sortierten Bedürfnis- und Kinderrechte-Karten gut sichtbar im Klassenzimmer anbringen, um den Schüler*innen zu ermöglichen, sich die gemeinsame Erarbeitung jederzeit wieder ins Gedächtnis zu rufen.Sollte es Schüler*innen geben, die früher fertig werden als andere, kann auf geeignetes, kostenfreies Zusatzmaterial der Bundeszentrale für politische Bildung und / oder der Kinder-Nachrichtensendung logo! zum Thema Kinderrechte zurückgegriffen werden. (Hinweise dazu finden sich auch in der letzten Zeile der Übersicht über die Unterrichtseinheit. Außerdem sei auf die Liste mit zu empfehlendem Unterrichtsmaterial im Anhang verwiesen).
Zweite (Doppel-)Stunde: Kinderrechte – Wie können wir sie umsetzen?
Die zweite (Doppel-)Stunde beschäftigt sich mit dem Thema 'Kinderrechte – Wie können wir sie umsetzen?', wobei es sich um die Umsetzung in der Schule handelt (ausführlicher siehe didaktische Überlegungen, Thema und Inhalte).Zuvor werden die Inhalte der letzten (Doppel-)Stunde wiederholt. Ein Film der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb 2022b, 0:27-2:52) bereitet drei Kinderrechte so auf, dass sie durch die Betrachter*innen erraten werden können. Der Film muss dazu nicht in kompletter Länge gesehen werden, zumal insbesondere sein Schlussteil keinen sinnvollen Zusammenhang zur Unterrichtseinheit aufweist. In Anlehnung an Diskussionsvorschläge der Bundeszentrale für politische Bildung wird vorgeschlagen, im Anschluss an die Nennung des Kinderrechts noch einmal seine Bedeutsamkeit zu thematisieren. Außerdem bietet es sich unter Umständen an, ebenfalls wiederholend auf den Inhalt des Kinderrechts einzugehen. (Formulierungsideen finden sich im Anhang.) Um auch die weiteren, in der vorausgegangenen Stunde eingeführten Kinderrechte zu wiederholen, folgt eine Übertragung des Formats des Films auf die Klassenebene: Freiwillige Schüler*innen beschreiben ein Kinderrecht, ohne dessen Bezeichnung zu nennen, während die anderen raten. Die Diskussion über Inhalt und Bedeutsamkeit als etablierte Struktur und relevanter Teil, um das Verständnis zu sichern, mögliche Lücken zu ergänzen und Fehlvorstellungen zu korrigieren, schließt an. Als Sitzform wird der Kinositz vorgeschlagen. In dem zweiten Teil der Wiederholung kann das entsprechende Kind zur Beschreibung seines Kinderrechts vor die Klasse treten und mit Überblick über seine Mitschüler*innen Antworten entgegennehmen. Dieser Teil der Stunde bringt eine natürliche Differenzierung mit sich, solange alle Schüler*innen auf freiwilliger Basis die Rolle eines vortragenden oder eines zuhörenden und gegebenenfalls ratenden Kinds einnehmen.Die Phase der Erarbeitung beinhaltet eine Untersuchung und Diskussion der Umsetzung der Kinderrechte in der Schule. Dies kann, je nach Vorerfahrungen und regulärer Sitzform der Klasse, in Partner- oder Gruppenarbeit geschehen. Ein Arbeitsblatt, das vier Spalten umfasst und so neben der Möglichkeit der Verschriftlichung der Zustände auch Platz für das Notieren von Lösungsvorschlägen bietet, dient der Ergebnissicherung des Austausches. (Die Kopiervorlage des Arbeitsblatts befindet sich auch im Anhang unter Material Unterrichtseinheit Kinderrechte.) Entsprechend der Möglichkeiten der Einhaltung der Aufsichtspflicht kann erwogen werden, die Schüler*innengruppen im Schulgebäude oder auf dem Schulgelände Hinweise auf Kinderrechte finden zu lassen. Vermutlich wird beispielsweise das Recht auf Gesundheit eher bedacht, wenn die Kinder vor oder in der Mensa stehen. Auch hier empfiehlt es sich, Zusatzmaterial für schneller arbeitende Schüler*innen zur Verfügung zu stellen.Um die Ergebnisse vergleichen und einordnen und die Lösungsvorschläge diskutieren zu können, wird in der Phase der Ergebnissicherung im Stuhlkreis ein Austausch durch die LK moderiert. Sie hat an dieser Stelle außerdem die Möglichkeit, auf Kinderrechte hinzuweisen, die nicht genannt werden. Sollte die Idee nicht von der Klasse selbst kommen, kann die LK als eigenen Vorschlag die Plakatgestaltung einbringen, die in der kommenden, dritten (Doppel-)Stunde durchgeführt werden soll. Die weiteren Lösungsvorschläge können auf einem Plakat gesammelt und im Klassenzimmer angebracht werden, um in der vierten (Doppel-)Stunde darauf zurückgreifen zu können.
Dritte (Doppel-)Stunde: Kinderrechte – Wir setzen sie um!
(Doppel-)Stunde 3 'Kinderrechte – Wir setzen sie um!' beinhaltet die Gestaltung von Plakaten zu den Kinderrechten, um die Bekanntheit dieser in der Schule zu erhöhen.Für die Durchführung in Gruppen wird empfohlen, die Schüler*innen nach klasseneigenen Methoden einzuteilen und vorab über das Verhalten in Gruppen, wie beispielsweise die Rollenverteilung oder den Umgang miteinander, zu sprechen. Je nach Anzahl der "ausgewählten [...] Kinderrechte" (siehe didaktische Überlegungen, Thema und Inhalte), können die Gruppen unterschiedlich groß sein. Es kann sich auch auf einige zentrale Kinderrechte beschränkt werden. Die Zuordnung von Kinderrechten zu entsprechenden Gruppen kann per Zufallsprinzip oder beispielsweise anhand der von den Schüler*innen in der vorherigen, zweiten (Doppel-)Stunde in PA / GA gefundenen und geschilderten Kinderrechte erfolgen. Das bereits angesprochene Zusatzmaterial kann erneut für schneller arbeitende Schüler*innen zum Einsatz kommen. Eine weitere Möglichkeit ist, diese Schüler*innen andere Gruppen unterstützen zu lassen. Die kinderfreundliche Version der KRK und die sortierten Bedürfnis- und Kinderrechte-Karten im Klassenzimmer sowie die eigenen Ausgaben der KRK können als inhaltliche Stütze dienen. Es bietet sich darüber hinaus an, vorab zu klären, welche Inhalte die Plakate umfassen sollen, um eine möglichst hohe Informationsdichte und Einheitlichkeit aller Plakate zu gewährleisten.In der Phase der Ergebnissicherung werden die Plakate im Kinositz präsentiert, bevor sie gemeinsam im Schulhaus angebracht werden. Die LK stellt ebenfalls ein Plakat vor, was Informationen zu Hilfemöglichkeiten / Anlaufstellen beinhaltet, die bei Verletzung oder Missachtung der eigenen Kinderrechte oder der anderer aufgesucht beziehungsweise kontaktiert werden können. (Eine Plakatvorlage und Ideen zur Präsentation finden sich im Anhang unter Material Unterrichtseinheit Kinderrechte und Formulierungsideen.)
Vierte (Doppel-)Stunde: Kinderrechte – Wir setzen sie um!
Die vierte (Doppel-)Stunde ist fakultativ. Sie befasst sich ebenfalls mit dem Thema 'Kinderrechte – Wir setzen sie um!' und bietet Raum, die weiteren Lösungsvorschläge der Schüler*innen aus der Erarbeitungsphase der zweiten (Doppel-)Stunde anzugehen.Darüber hinaus könnten auch das Aufzeigen der Möglichkeit der Partizipation in einem Kinderparlament in der eigenen oder einer nahe gelegenen Stadt oder die Vorbereitung einer Teilnahme an der UNICEF-Aktion 'Wir reden mit!', die jedes Jahr am Tag der Kinderrechte (20.11) stattfindet (vgl. Deutsches Komitee für UNICEF 2023i), Inhalt sein. Zu der Planung und Durchführung eines eigenen Projekts können Informationsmaterialien bei der Bundeszentrale für politische Bildung eingesehen werden (vgl. Sander 2013).
Abwandlungen / Anpassung an andere Klassenstufen
InsgesamtAnpassung der Anzahl der "ausgewählte[n] [...] Kinderrechte"
Erste (Doppel-)StundeEinstieg: Bedürfnisse mündlich, keine PriorisierungHinführung: Anpassung der InformationsmengeErarbeitungKinderrechte-Karten: keine Schrift, nur VisualisierungZusammenhang von Kinderrechten und Bedürfnissen mündlichErgebnissicherung: in zu gestaltenden Ausgaben der KRK ist kinderfreundlicher Titel des Kinderrechts / Schlagwort zur Verdeutlichung des Kinderrechts (z.B. Bildung, Gesundheit…) bereits vorhanden (von LK vor dem Kopieren auf Kopiervorlage notiert), Kinder malen ausschließlich dazu
Zweite (Doppel-)StundeErarbeitung: gemeinsamer Gang durch das Schulhaus / über das Schulgelände und Thematisierung der Kinderrechte vor Ort, kein ABErgebnissicherung: Sammeln von Lösungsvorschlägen im Plenum, LK notiert Vorschläge auf Plakat mit
Dritte (Doppel-)StundeGestaltung von Bildern zu Kinderrechten (anstatt von Plakaten): auch in EA möglich, freie Wahl des Kinderrechts möglichErgebnissicherung: keine Präsentation, Anbringen der Bilder unterhalb vorbereiteter Schriftzüge mit kinderfreundlichen Titeln der Kinderrechte (durch LK vorbereitet)
Vierte (Doppel-)StundeBereits angepasst an die Interessen der Schüler*innenAnpassung an Kapazitäten der Schüler*innen
Erwogene Alternativen
Alternative
Begründung für deren Ausschluss
Kinderrechte in aller Welt
- 'Kinder in aller Welt' eigenes Thema des baden-württembergischen Bildungsplans für Klassen 1/2 und 3/4: Standards für inhaltsbezogene Kompetenzen > Kultur und Gesellschaft (vgl. Ministerium für Kultus, Jugend und Sport 2016, S. 17, 35)- großer Vorbereitungs- und Zeitaufwand, um zu vermeiden, dass sich Stereotype / Generalisierungen / Machtgefälle (gebildet – ungebildet, reich – arm, modern – vormodern) etablieren und auf die Klassenebene übertragen werden
Fokus auf ein Recht im Besonderen
- wurde bereits in Blogbeitrag Kinderrechte unterrichten mit Astrid Lindgren (Reusch 2018) umgesetzt - Wahl eines Kinderrechts und somit Hervorhebung dieses Kinderrechts schwierig (wenn dann Recht auf Bildung (s. unten))
Umsetzung in Deutschland: Bildungs-ungerechtigkeit
- eher anspruchsvoll und umfangreich - von Bundeszentrale für politische Bildung für Klassen 5-8 empfohlen (vgl. Sander et al. 2013)
Debatte: Kinderrechte ins Grundgesetz
- aktuelle Thematik, Unterrichtseinheit könnte schnell inhaltlich überarbeitet werden müssen - Berücksichtigung des Kontroversitätsgebots (Beutelsbacher Konsens) schwierig
Abkürzungsverzeichnis
CRC = Convention on the Rights of the Child
BMFSFJ = Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
BMZ = Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
bpb = Bundeszentrale für politische Bildung
DIMR = Deutsches Institut für Menschenrechte
EA = Einzelarbeit
GA = GruppenarbeitGDSU = Gesellschaft für Didaktik des Sachunterrichts
KRK = Konvention über die Rechte des Kindes, kurz: Kinderrechtskonvention
LK = Lehrkraft
PA = Partnerarbeit
UN = United Nations (engl. für: Vereinte Nationen)
UNICEF = United Nations International Children's Emergency Fund
VN = Vereinte NationenAnhang
Übersicht Unterrichtseinheit Kinderrechte
Material Unterrichtseinheit Kinderrechte
Formulierungsideen Unterrichtseinheit KinderrechteListe zu empfehlendes Unterrichtsmaterial KinderrechteLiteraturverzeichnis Kinderrechte
Die Inhalte der verlinkten Blogs und Blog Beiträge unterliegen in vielen Fällen keiner redaktionellen Kontrolle.
Warnung zur Verfügbarkeit
Eine dauerhafte Verfügbarkeit ist nicht garantiert und liegt vollumfänglich in den Händen der Blogbetreiber:innen. Bitte erstellen Sie sich selbständig eine Kopie falls Sie einen Blog Beitrag zitieren möchten.
Was ist passiert?In der vergangenen Woche am 25. Juli überraschte Zbigniew Ziobro, polnischer Justizminister und Vorsitzender der Partei Solidarisches Polen (Solidarna Polska), mit der Ankündigung, den Austritt Polens aus der Istanbul-Konvention beantragen zu wollen. Die Konvention verpflichtet die Unterzeichnerstaaten zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Am Montag dieser Woche stellte Ziobro schließlich einen entsprechenden formellen Antrag beim polnischen Ministerium für Familie, Arbeit und Sozialpolitik.Was ist die Istanbul-Konvention?Das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, besser bekannt als Istanbul-Konvention, ist ein 2011 ausgehandelter völkerrechtlicher Vertrag, der am 1. August 2014 in Kraft trat. Die Konvention verpflichtet die Unterzeichnerstaaten dazu, die Gleichstellung der Geschlechter in ihren Verfassungen und Rechtssystemen zu verankern. Bis heute haben 46 Staaten die Vereinbarung unterzeichnet, in 34 Staaten ist sie bereits ratifiziert worden. Das polnische Parlament ratifizierte die Istanbul-Konvention im Jahr 2015, noch unter der Regierung der Bürgerplattform, die heute in der Opposition ist. Zu den Staaten, die die Konvention zwar unterzeichneten, aber bislang nicht ratifiziert haben, gehören Bulgarien, Lettland, Liechtenstein, Litauen, Großbritannien, die Slowakei, Tschechien, Ungarn und die Ukraine. Hätte Ziobros Vorstoß Erfolg, wäre Polen der erste Unterzeichnerstaat, der sich von dem Übereinkommen wieder zurückzieht.Wie wird der Schritt des Justizministeriums begründet?Der Justizminister verweist darauf, dass es sich bei dem Austritt aus der Istanbul-Konvention um ein langjähriges Wahlversprechen handle, das man nun einzulösen gedenke. Es sei vor allem "der ideologische Charakter" der Konvention, der ihn zu diesem Schritt bewogen hätte. Zwar stimme er als Justizminister mit vielen Zielen des Abkommens überein, allerdings gewähre das polnische Recht den Opfern von häuslicher Gewalt einen weitaus besseren Schutz als es die Istanbul-Konvention könne. Ziobro zufolge garantiere Polen die "höchsten Standards in Europa, was den Schutz von Frauen und Opfern von Gewalt betreffe", und zwar "ohne Ideologie". Ganz anders sehe es im Fall der Istanbul-Konvention aus. Hier verberge sich eine "ideologische Schicht", die den Interessen von Frauen und Familien entgegenstehe, da sie auf einer Vorstellung von Geschlecht als sozial-kultureller Konstruktion (und nicht als biologischer Tatsache) aufbaue, was die polnische Tradition und Kultur in Frage stelle. In der Folge sehe die Konvention die Ursachen von häuslicher Gewalt vor allem in traditionellen Werten, Familie, Kultur und Religion begründet und lasse andere Ursachen wie Alkoholismus und Drogensucht völlig außer Acht. Bereits 2015, damals noch in der Opposition, hatte Ziobro das Abkommen als "eine feministische Erfindung und ein Werk, das eine Schwulen- und Feministinnen-Ideologie begründen soll", bezeichnet. Die Konvention sei letztlich nicht notwendig, "dass man Frauen nicht schlagen darf, kann man im Evangelium nachlesen."Für seinen neuen Vorstoß erhielt Justizminister Ziobro Unterstützung, sowohl aus der eigenen Partei als auch seitens der Regierungspartner von Recht und Gerechtigkeit (PiS) und Porozumienie. Der stellvertretende Justizminister Marcin Romanowski etwa erklärte, die Istanbul-Konvention beschränke "das Recht der Eltern, ihre Kinder gemäß der eigenen Weltanschauung und Religion sowie des eigenen Wertesystems zu erziehen". Durch die Unterzeichnung der Konvention habe die damalige polnische Regierung "ein linkes Trojanisches Pferd in unser Rechtssystem eingeführt".Was steckt hinter Ziobros Initiative?Der jüngste Vorstoß von Justizminister Ziobro ist vor dem Hintergrund des Machtgerangels innerhalb der Regierungskoalition der Vereinigten Rechten zu sehen. Aus den letzten Parlamentswahlen im Herbst 2019 gingen die beiden Juniorpartner gestärkt hervor. Während die Partei Porozumienie von Jarosław Gowin auf 18 Mandate kam, konnte Ziobros Solidarisches Polen gar 19 Sitzen auf sich vereinigen. Die PiS ist mit 198 von insgesamt 460 Parlamentssitzen auf beide Partner angewiesen, verlöre sie doch andernfalls die Mehrheit im polnischen Unterhaus. Das veränderte Kräfteverhältnis zeigte sich beispielsweise bei der Auseinandersetzung um den Termin für die Präsidentschaftswahlen. Während PiS-Chef Jarosław Kaczyński vehement für die Beibehaltung des ursprünglichen Wahltermins am 10. Mai plädierte, sprach sich der Porozumienie-Vorsitzende und damalige Vizepremier Gowin ebenso entschieden für eine Verschiebung der Wahl aus (siehe auch DPI-Blog #6). Letzten Endes einigten sich die beiden Parteispitzen auf eine Kompromisslösung und die Wahlen wurden de facto auf den 28. Juni verschoben.Die Partei Solidarisches Polen, der Ziobro vorsteht, deckt politisch den rechten Rand in der nationalkonservativen Regierungskoalition ab. Daher ist auch kaum überraschend, dass Ziobro für seinen Vorstoß ein Thema aufgriff, das der Präsidentschaftskandidat der rechtsradikalen Konfederacja, Krzysztof Bosak, im Wahlkampf erneut in den Vordergrund gerückt hatte. Bosak hatte die Istanbul-Konvention damals als "Realisierung des Programms der Linken und der Feminismus-Lobby" bezeichnet. Da beide Parteien bisweilen um das gleiche Elektorat kämpfen, ist Ziobros Initiative nicht zuletzt als Versuch zu werten, den eigenen Führungsanspruch auf der politisch äußersten Rechten zu untermauern. Zudem gilt es sich für nächste Kabinettsumbildung, die für September erwartet wird, in Position zu bringen. Neben personellen Änderungen wird auch eine Verringerung der Anzahl der Ministerien diskutiert. Dies träfe vor allem die beiden Juniorpartner hart, die jeweils zwei Minister*innen stellen und sich folglich diesem Vorhaben entgegenstellen. Mit dem beantragten Austritt Polens aus der Istanbul-Konvention hat Ziobro ein Thema gesetzt, das Premierminister Mateusz Morawiecki, einem politischen Rivalen Ziobros, und PiS-Chef Jarosław Kaczyński unter Zugzwang setzt. Dabei sieht es so aus, als habe die PiS ihrem Koalitionspartner eine unfreiwillige Steilvorlage gegeben. Bereits am 17. Juli sprach sich Familienministerin Marlena Maląg beim katholischen Fernsehsender TV Trwam für einen Rückzug Polens aus dem Istanbul-Abkommen aus. Die PiS-Politikerin ging offenbar fälschlicherweise davon aus, dass der Rückzug offizielle Regierungsposition sei.Wie fallen die Reaktionen bislang aus?Die Kanzlei des Premierministers sah sich in dieser Situation zu einem Dementi veranlasst. Sowohl der Leiter der Kanzlei, Michał Dworczyk, als auch der Pressesprecher der Regierung, Piotr Müller, versicherten, dass derzeit noch keinerlei Entscheidung über einen Verbleib Polen in der Konvention gefallen sei und hierüber voraussichtlich erst im September entschieden werde.In Warschau kam es am vergangenen Freitag zu zivilgesellschaftlichen Protesten gegen den beabsichtigten Austritt aus dem Abkommen. Rund 2000 Demonstrant*innen versammelten sich vor dem Familienministerium und dem Sitz von Ordo Iuris, einer ultrakonservativen Juristenvereinigung, die die Kampagne in Polen für den Austritt aus der Istanbul-Konvention anführt. Kritik kam auch aus den Reihen der politischen Opposition in Polen. Der Präsidentschaftskandidat und Stadtpräsident von Warschau Rafał Trzaskowski sieht den Vorstoß Ziobros als Skandal, da dieser erneut Frauenrechte in Frage stelle anstatt die Frauen in Polen zu schützen. Kritik kam auch aus den Reihen der Linken und von Seiten des Präsidentschaftskandidaten Szymon Hołownia. Adam Bodnar, Beauftragter für Bürgerrechte, sieht die Debatte als Machtprobe, sowohl zwischen Regierung und Opposition als auch zwischen verschiedenen Kräften innerhalb des Regierungslagers. Mit einem Rückzug aus dem Abkommen würde sich Polen international der Lächerlichkeit preisgeben, so Bodnar.Die internationalen Reaktionen sehen einen möglichen Austritt Polen aus der Istanbul-Konvention äußerst kritisch. "Ein Rückzug aus der Istanbul-Konvention wäre höchst bedauerlich und ein großer Rückschritt beim Schutz von Frauen vor Gewalt in Europa", sagte etwa die Generalsekretärin des Europarats, Marija Pejčinović Burić. Auch die deutsche Europaparlamentarierin Terry Reintke von den Grünen übte scharfe Kritik an der polnischen Regierung. Aus ihrer Sicht sei die Debatte Teil des Bemühens, "die Freiheiten und Rechte von Frauen und LGBT zurückzudrehen". Der belgische liberale Europaabgeordnete Guy Verhofstadt bezeichnete den Vorstoß als "skandalös" und ergänzte: "Gewalt ist kein traditioneller Wert". Der polnische Europaparlamentarier Andrzej Halicki von der oppositionellen Bürgerplattform argumentierte, dass die Debatte über einen Rückzug aus dem Abkommen "die polnische Regierung in das allerschlechteste Licht rücke".Wie geht es weiter?Der formelle Antrag ist zwar vom Justizministerium eingereicht worden, gleichzeitig machte das Lager von Premierminister Mateusz Morawiecki deutlich, dass mit einem schnellen Austritt nicht zu rechnen sein wird. Offensichtlich ist man von dem Vorstoß Ziobros überrumpelt worden. Der PiS dürfte es zunächst vor allem darum gehen, Zeit zu gewinnen. Dass sich Ziobro hiermit zufriedengibt, scheint mehr als fraglich. Eher dürfte er versuchen, die Debatte am Köcheln zu halten, um so weiter Druck auf Morawiecki und Kaczyński auszuüben, die die anvisierte Regierungsbildung nutzen wollten, um die Macht ihrer beiden Koalitionspartner zu beschneiden. Am Ende wird es wohl auf einen politischen Deal innerhalb des Regierungslagers hinauslaufen. Der Streit macht vor allem eines deutlich: Angesichts der aktuellen Sitzverteilung im polnischen Parlament sieht sich Kaczyńskis PiS mitunter zu Zugeständnissen gegenüber den kleineren Koalitionspartnern gezwungen. Es scheint, dass derzeit hier, und weniger bei der politischen Opposition im Parlament, den Demonstrierenden auf der Straße und den Institutionen der Europäischen Union die größten Herausforderungen für die Politik der PiS zu erwarten sind.
Die Inhalte der verlinkten Blogs und Blog Beiträge unterliegen in vielen Fällen keiner redaktionellen Kontrolle.
Warnung zur Verfügbarkeit
Eine dauerhafte Verfügbarkeit ist nicht garantiert und liegt vollumfänglich in den Händen der Blogbetreiber:innen. Bitte erstellen Sie sich selbständig eine Kopie falls Sie einen Blog Beitrag zitieren möchten.
Ob durch Spiegel im All, künstlich erzeugte Wolken oder Partikel in der Stratosphäre, die technischen Möglichkeiten, Einfluss auf das Klima zu nehmen, scheinen in einer Welt, die zunehmend mit den Auswirkungen des Klimawandels konfrontiert wird, grenzenlos (vgl. Deutschlandfunk 2023).Geoengineering steht für den Versuch, gegen die steigenden Temperaturen und CO₂-Emissionen anzukämpfen und das Klimasystem der Erde zu beeinflussen. Während die wissenschaftliche Erforschung dieser Technologien immer weiter fortschreitet, rückt auch die politische Machbarkeit solcher Eingriffe in den Fokus von internationalen Debatten und politischen Agenden. Doch was ist solares Geoengineering und wie funktioniert es, welche politischen Risiken birgt es und wie umsetzbar erscheint dieses Vorhaben derzeit? Diesen Fragen will die folgende Arbeit nachgehen.Zunächst soll Geoengineering im allgemeinen und solares Geoengineering im besonderen dargestellt werden. Neben der Vorstellung verschiedener Konzepte des solaren Geoengineerings soll auch die technologische Machbarkeit dargestellt werden. Der nächste Abschnitt beschäftigt sich mit der politischen Seite des solaren Geoengineerings. Die politischen Risiken sollen thematisiert werden. Zudem sollen Probleme der Umsetzbarkeit im politischen Rahmen anhand von Spieltheorien erläutert werden und das Dilemma des moralischen Risikos, das sich am solaren Geoengineering zeigt, dargestellt werden.GeoengineeringFür den Begriff des Geoengineering existiert in der Wissenschaft bislang keine allgemeingültige Definition (vgl. Wagner 2023, S. 11). Eine in der Literatur verbreitete Definition stammt von der britischen Royal Society. Demnach umfasst Geoengineering bewusste und zielgerichtete – meist in großem Maßstab durchgeführte – Eingriffe in das Klimasystem mit dem Ziel, die anthropogene Klimaerwärmung abzumildern (vgl. Royal Society 2009, S. 1).Auch in der Definition des Weltklimarats (Intergovernmental Panel on Climate Change – kurz IPCC) werden unter Geoengineering technologische Maßnahmen verstanden, die darauf abzielen, das Klimasystem zu stabilisieren, indem sie direkt in die Energiebilanz der Erde eingreifen und dadurch das Ziel verfolgen, die globale Erwärmung zu verringern (vgl. IPCC 2007).Laut dem Klimaökonom Gernot Wagner ist die Begriffsverwendung von Geoengineering, wie sie auch in diesen Definitionen verwendet wird, zu vage. Es handelt sich nach ihm um eine menschengemachte Bezeichnung, die durch seine häufige Verwendung im öffentlichen Diskurs entstanden ist und häufig als Überbegriff für zwei sich stark unterscheidende Konzepte verwendet wird (vgl. Wagner 2023, S. 11). Grundlegend werden die Maßnahmen des Geoengineering in zwei Kategorien untergliedert:Maßnahmen zur Kohlenstoffdioxidentfernung: Unter diese Maßnahmen fallen Technologien, die das Ziel haben, dem Kohlenstoffkreislauf der Atmosphäre CO2 zu entziehen und dieses dauerhaft zu speichern. Diese Maßnahmen werden auch als Kohlenstoffentnahme oder im englischen Sprachgebrauch als Carbon Dioxid Removal (CDR), Carbon Geoengineering oder Direct air capture bezeichnet (vgl. Wagner 2023, S. 12).Maßnahmen zur Beeinflussung des Strahlenhaushalts: Diese Maßnahmen werden auch unter solarem Geoengineering, solar radiation management (SRM), Strahlungsmanagement, solar radiation modification oder als albedo modification bezeichnet. Gemeint sind damit Methoden, die einen umfassenden und gezielten Eingriff zur Abkühlung der Erde vorsehen und damit die Atmosphäre in Bodennähe abkühlen sollen (vgl. Wagner 2023, S. 11).Da in dieser Seminararbeit das solare Geoengineering im Fokus steht, soll im nachfolgenden Kapitel genauer auf die verschiedenen Ansätze des solaren Geoengineerings eingegangen werden.Solares GeoengineeringDas solare Geoengineering setzt am Klimasystem der Erde an. Die Sonne spielt in diesem System den Motor. Während ein Teil des Sonnenlichts direkt über Wolken, Bestandteile der Luft oder der Erdoberfläche reflektiert und an den Weltraum zurückgegeben wird, wird der andere Teil der Strahlung durch die Atmosphäre und den Erdboden in Wärmestrahlung umgewandelt (vgl. Umweltbundesamt 2011, S. 9). Ein Teil dieser Wärmestrahlung bleibt aufgrund bestimmter Gase in der Atmosphäre und erwärmt die Erde, sodass Leben überhaupt möglich ist, hierbei spricht man vom natürlichen Treibhauseffekt. Der andere Teil der Wärmestrahlung wird an den Weltraum abgegeben (vgl. Deutscher Wetterdienst 2023). Wird nun durch bestimmte Faktoren, wie zu viel anthropogen verursachte Treibhausgase, die Atmosphäre zusätzlich erwärmt, spricht man vom Klimawandel (vgl. ebd.).Solares Geoengineering kann nun an verschiedenen Punkten des Klimasystems ansetzen, um die Temperatur der Atmosphäre zu senken. Zum einen an der reflektierten Solarstrahlung durch eine Veränderung der Erdoberfläche oder der Wolken, an der abgegebenen Wärmestrahlung durch den atmosphärischen Gehalt an Treibhausgasen und Aerosolen sowie durch Installationen im Weltraum (Umweltbundesamt 2011, S. 9). Die verschiedenen Konzepte des solaren Geoengineerings sollen nachfolgend kurz vorgestellt und hinsichtlich ihrer Umsetzbarkeit eingeordnet werden.Änderung der Albedo von OberflächenKonzepte, die sich die Änderung der Albedo von Oberflächen zunutze machen, setzen auf die Reflektion der einfallenden Sonnenstrahlen von Oberflächen. Je nach Farbe und Beschaffenheit von Oberflächen und Körpern werden einfallende Sonnenstrahlen unterschiedlich stark reflektiert (vgl. Umweltbundesamt 2011, S. 12). Das Verhältnis der Strahlung, die auf einem Objekt ankommt, und dem, was zurückgeworfen wird, wird als Albedo bezeichnet. Es ist daher ein Maß für das Rückstrahlungsvermögen von Objekten. Während dunkle Flächen, wie zum Beispiel Ozeane ein niedrigeres Rückstrahlungsvermögen und damit eine niedrige Albedo aufweisen, besitzen helle Oberflächen ein hohes Rückstrahlungsvermögen und damit eine hohe Albedo, die dazu führt, dass die Temperatur sinkt und die an den Weltraum abgegebene Wärmestrahlung verringert wird (vgl. ebd.).Um die Albedo von Oberflächen zu erhöhen, wird beispielhaft für diese Art des solaren Geoengineerings vorgeschlagen, Dächer, Straßen und Gehwege weiß zu streichen, rückstrahlungsstarke Pflanzen in der Landwirtschaft einzusetzen, Wüstenregionen mit reflektierenden Planen zu bedecken oder die Ozeane durch schwimmende reflektierende Gegenstände aufzuhellen (vgl. Umweltbundesamt 2011, S. 12).Auch wenn das Streichen von ganzen Städten eine niederschwellige Art des solaren Geoengineerings darstellt, würde diese Vorgehensweise nur bedingt einen Beitrag zur Reduktion der Temperatur leisten (vgl. Umweltbundesamt 2011, S. 12). Zudem dürfte der Einsatz von reflektierenden Feldfrucht- und Grünlandsorten ebenso scheitern, da enorme Flächen benötigt werden würden und große Monokulturen entstehen könnten (vgl. ebd. S. 13). Und auch der Vorschlag, die Ozeane mit schwimmenden Gegenständen aufzuhellen, ist kritisch zu betrachten und steht im Widerspruch zu anderen Umweltzielen wie der Vermeidung von Müll in den Meeren. Zudem würde die Funktion der Meere eingeschränkt und ein Ökosystem der Erde vom Licht abgeschnitten werden, wodurch die Nebenwirkungen auf den Menschen nur bedingt planbar wären (vgl. ebd.).Erhöhung der Albedo von WolkenDamit Wolken entstehen können, werden neben der passenden Temperatur und Luftfeuchtigkeit kleine Partikel wie Sandkörner, Salzkristalle oder Staub benötigt. Sie bilden die sogenannten Kondensationskerne, an denen das Wasser kondensieren kann, wodurch sich kleine Tröpfchen bilden. Der Gehalt dieser Wassertröpfchen bestimmt die Reflektionseigenschaft einer Wolke und somit ihre Albedo. Kleine Tröpfchen werfen das Sonnenlicht stärker zurück und führen zu einer längeren Lebensdauer der Wolken und zu dem gewünschten Abkühlungseffekt (vgl. Umweltbundesamt 2011, S. 13 f.). Anwendbar wäre dieses Konzept in Küstenregionen, indem durch Flugzeuge oder Schiffe vermehrt Kondensationskerne ausgebracht werden, um niedrige Wolken über den Ozeanen zu generieren (vgl. ebd.).Technisch ist dieses Konzept umsetzbar, die Einsatzorte könnten gewechselt und der Einsatz auch kurzfristig gestoppt werden. Bei großen Flächen sind die Auswirkungen auf Windsysteme, Meeresströmungen und Niederschläge sowie Folgen für Meeresorganismen jedoch noch unklar. Daher ist die weitere Erforschung dieser Thematik nötig (vgl. Umweltbundesamt 2011, S. 14).Installationen im erdnahen WeltraumDiese Konzepte setzen an der einstrahlenden Sonnenenergie in erdnahen Umlaufbahnen an und sollen die ankommende Sonnenstrahlung auf der Erde reduzieren. Als Ideen für diese Art des solaren Geoengineering kursieren beispielsweise das Anbringen eines reflektierenden Materials zwischen Erde und Sonne, an der ein Riesenspiegel, ein Aluminiumgeflecht oder eine Vielzahl an reflektierenden Scheiben installiert werden könnte. Auch das Anbringen eines Saturn-ähnlichen Rings aus Staubpartikeln wird in diesem Kontext diskutiert (vgl. Umweltbundesamt 2011, S. 16).Diese Konzepte klingen wenig realistisch und schwer umsetzbar. Es würden je nach Verfahren immense Mengen an Material benötigt werden und hohe Materialkosten bergen. Des Weiteren ist unklar, wie genau und wo solche Konstruktionen im Weltraum angebracht werden könnten. Zudem wäre durch spiegelnde Objekte im Weltraum die solare Einstrahlung nicht gleichmäßig verteilt, was dazu führen könnte, dass sich die atmosphärische und ozeanische Zirkulation verändern würde (vgl. Umweltbundesamt 2011, S. 16).Ausbringung stratosphärischer AerosoleDurch Vulkanausbrüche konnte nachgewiesen werden, dass in der Stratosphäre durch geringere Austauschprozesse von Luftmassen Ascheteilchen und Schwefelverbindungen Monate bis Jahre verweilen können und dadurch weniger Sonnenlicht zur Erdoberfläche gelangt und das Klima der Erde um 0,1 bis 0,2 °C gemindert wird (vgl. Umweltbundesamt 2011, S. 14). Diese Erkenntnisse sollen im Sinne des solaren Geoengineering angewendet werden, indem zum Beispiel über Wetterballons oder spezielle Flugzeuge Schwefelverbindungen in die Stratosphäre freigesetzt werden. Diese oxidieren dort zu Sulfatpartikeln, die die Sonnenstrahlung streuen und damit das an der Erdoberfläche einfallende Sonnenlicht reduzieren könnten (vgl. ebd. S. 15).Diese Art des solaren Geoengineerings wird wohl derzeit am häufigsten diskutiert. Aus technischer Sicht lässt sich die Ausbringung von Aerosolen einfach ermöglichen. Dieses Konzept des Geoengineering ist im Vergleich zu anderen Methoden eher kostengünstig und könnte schon mit einstelligen Milliarden-Dollar-Beträgen pro Jahr realisiert werden (vgl. Wagner 2023, S. 15). Jedoch überwiegen weitere Risiken als die bloße technische Umsetzbarkeit, die im Abschnitt der politischen Risiken für diese Art des solaren Geoengineering ausführlicher erläutert werden.Solares Geoengineering als politisches ThemaBevor man sich mit der politischen Umsetzbarkeit von solarem Geoengineering befassen kann, muss darauf eingegangen werden, wie solares Geoengineering derzeit in der Klimapolitik thematisiert wird. Da es sich beim Klima um ein gemeinschaftliches Gut handelt und der Klimawandel keinen Stopp vor Grenzen macht, wird die Klimapolitik auch als sogenannte "Querschnittsaufgabe" bezeichnet. Nicht ein Akteur allein kann diese politische Aufgabe lösen. Im Feld der Klimapolitik sind Prozesse der vertikalen und horizontalen Politikintegration sowie die Einbindung verschiedener Akteure beinhaltet. So ist die deutsche Klimapolitik in zwischenstaatliche und völkerrechtliche Abkommen der internationalen Klimapolitik integriert (vgl. Roelfes 2022).Teil dieser Struktur sind die Berichte des Weltklimarats, das Pariser Klimaabkommen oder die Convention on Biological Diversitiy der UNO, die wichtige Grundlagen für politische Entscheidungen der Länder zum Klimaschutz bilden. Daher soll vorgestellt werden, inwieweit das solare Geoengineering in diesen Debatten thematisiert wird.Solares Geoengineering in Berichten des IPCCDer IPCC oder auch Weltklimarat veröffentlicht in seinen Sachstandberichten zusammengefasst den aktuellen Stand der Klimaforschung, bewertet diesen und bereitet ihn für die Politik auf. Dadurch nimmt die zwischenstaatliche Organisation der Vereinten Nationen Einfluss, inwieweit ein Thema in der Politik behandelt wird und welche Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels eingesetzt werden, ohne direkte Handlungsempfehlungen abzugeben. Stattdessen sind Bewertungsmodelle in den Veröffentlichungen integriert, die verschiedene Klimaszenarien beinhalten (vgl. Wittstock 2023, S. 40).Im fünften Sachstandsbericht des IPCC werden Methoden des Geoengineering erstmals bei einem Migrationsszenarium aufgeführt. Da nur in wenigen Szenarien die Emissionsreduktion allein die Erderwärmung auf 2 °C begrenzen könnte. Soziale und politische Aspekte wurden bei den Modellierungen jedoch nicht berücksichtigt (vgl. Wittstock 2023, S. 41). Vermehrt wird auf die Methode des Carbon Dioxid Removals eingegangen, aber auch das Solar Radiation Management wird thematisiert. Insgesamt befürwortet der IPCC nicht direkt die Methoden des Geoengineering, sondern empfiehlt die weitere Erforschung dieser Technologien auf technologischer und sozialwissenschaftlicher Ebene (vgl. ebd. S. 42).Solares Geoengineering im Pariser KlimaabkommenIn den politischen Debatten des Pariser Abkommens von 2015 und den Texten des Abkommens wurden Methoden des solaren Geoengineerings nicht diskutiert. Dennoch kamen nach der Ratifizierung des Abkommens Methoden des Geoengineering vermehrt ins Gespräch. Das angestrebte Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 °C zu begrenzen, ist nach Klimaforscher*innen nur mit Unterstützung des Geoengineering möglich (vgl. Wittstock 2023, S. 44 f.).Solares Geoengineering in der Convention on Biological DiversityAuch im Rahmen der Convention on Biological Diversity wurde das solare Geoengineering weitreichend diskutiert. Der Schwerpunkt der multilateralen Diskussion beim Thema Geoengineering liegt in diesem Übereinkommen. Im Jahr 2010 wurde für Geoengineering im allgemeinen auf der Grundlage des Vorsorgeprinzips sowie ökologischer und sozialer Bedenken eine Vereinbarung aufgeschoben (vgl. Heinrich Böll Stiftung 2018, S. 5).Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass solares Geoengineering in den politischen Debatten Einzug hält und diskutiert wird, jedoch derzeit keine Strukturen zu finden sind, die den Einsatz erlauben. Mit Vereinbarungen und Einigungen in den Diskussionen kann derzeit nicht gerechnet werden.Risiken des solaren GeoengineeringsWie bei der Beschreibung der einzelnen Konzepte des solaren Geoengineering deutlich wurde, handelt es sich je nach Konzept um realistischere oder weniger realistische Vorhaben, Einfluss auf das Klima der Erde zu nehmen. Während Konzepte, welche Installationen im Weltraums vorsehen und sehr hohe Kosten mit sich brächten, weniger diskutiert werden, wird die Ausbringung von stratosphärischen Aerosolen weit häufiger in politischen Debatten diskutiert. Doch gerade diese Art des solaren Geoengineering birgt politische Risiken, auf die nun eingegangen werden soll.Immer wieder wird diskutiert, inwieweit das solare Geoengineering durch Aerosole Einfluss auf das regionale Klima und damit auf die Landwirtschaft von bestimmten Ländern hat (vgl. Wagner 2023, S. 46). Während starke Kritiker wie die Klimawissenschaftler Alan Robock und David Keith es für möglich halten, dass es durch den falschen und leichtsinnigen Einsatz zu regionalen Klimaanomalien kommen kann, die im schlimmsten Fall die Nahrungsversorgung von Milliarden Menschen bedrohen und damit zu einem politischen Problem ausufern (vgl. ebd. S. 57), äußern neuere umfassendere Analysen weniger Bedenken bezüglich des sich verändernden regionalen Klimas, da es sich um ein komplexes System handelt.Es wird davon ausgegangen, dass der Effekt des solaren Geoengineering nicht nur eine geringere Oberflächentemperatur der Erde nach sich zieht, sondern auch Temperaturextreme reduzieren kann und dadurch die Verdunstung von Wasser reduziert wird. Dadurch zeigt sich, dass die Welt durch solares Geoengineering eher wie eine Welt ohne Klimawandel aussieht und große Hungersnöte aufgrund von ausbleibendem Regen eher unwahrscheinlich sind (vgl. ebd. S. 58).Ein weiteres politisches Risiko besteht im Ozonabbau. Während in den vergangenen Jahren durch die politische Reglementierung von Fluorchlorkohlenwasserstoff das Ozonloch zum Schrumpfen gebracht wurde, führen Sulfat-basierte stratosphärische Aerosole durch ihren Säuregehalt zu einer Reduktion des Ozons in der Atmosphäre, wodurch die Erholung des Ozonlochs verlangsamt wird (vgl. Wagner 2023, S. 63). Zwar wurde in Forschungsgruppen auch mit einer Alternative für Sulfat-Aerosole experimentiert, doch diese Studien sind noch am Anfang. Generell ist nicht gewiss, wie solares Geoengineering den Erholungsprozess beeinflussen kann (vgl. ebd. S. 65).Während erneuerbare Energien, wozu auch Solarenergie gehört, durch die Politik stark gefördert werden, kann durch die Dimmung des solaren Geoengineerings der Solarertrag reduziert werden. Photovoltaikanlagen können zwar auch mit dem diffusen Licht, das durch solares Geoengineering entsteht, Strom erzeugen, aber wie genau sich die Reduktion des Sonnenlichts auf die Energiegewinnung auswirkt, ist unklar (vgl. Wagner 2023, S. 69).Ein weiteres Problem, das sich vor allem auf der politischen Ebene zeigt und hohe Bedenken gegenüber solarem Geoengineering erzeugt, bezieht sich auf eine schnellere und nicht genau vorhersehbare Erwärmung bei einem Aussetzen der Maßnahmen. Solares Geoengineering könnte eine Angriffsfläche für Anschläge sein. Aber auch Naturkatastrophen oder rasche politische Veränderungen können Grund zur Sorge wecken (vgl. Wagner 2023, S. 71).Würde die globale Durchschnittstemperatur gesenkt und der Einsatz des solaren Geoengineering abrupt beendet werden, könnte dies zu einem "termination shock" führen. Die Temperaturen könnten nach oben schellen, ohne dass eine Anpassung der Umwelt möglich wäre. Zudem besteht auch die Gefahr, dass trotz langwieriger wissenschaftlicher Forschung unvorhergesehene Probleme auftauchen könnten, die solch einen "termination shock" heraufbeschwören könnten (vgl. ebd. S. 72).Mit diesen Risiken hängen auch die Bedenken zusammen, dass es kein sofortiges Zurück gibt. Wenn einmal mit der Ausbringung von Aerosolen begonnen wurde, ist ein Abbruch nur sehr langsam möglich (vgl. Wagner 2023, S. 72). Um die Maßnahmen zu stoppen, kann nur stufenweise vorgegangen werden. Da sich Aerosole 12 bis 18 Monaten in der Stratosphäre befinden, können diese nicht innerhalb eines Tages entfernt werden (vgl. Wagner 2023, S. 72).Ein weiteres Risiko betrifft die Steuerung des Vorgehens. Mechanismen wie menschliches Versagen stellen dabei eine besondere Gefahr dar (vgl. Wagner 2023, S. 73). Solares Geoengineering birgt viele Gefahren, die übersehen werden könnten. So kann das Ziel, den Ausstoß von Kohlenstoffdioxid zu reduzieren, durch den leichtsinnigen Einsatz von solarem Geoengineering umgangen werden (vgl. ebd.).Kommerzielle und militärische Kontrollen stellen ein weiteres Risiko dar. Im Prozess der Ermöglichung von solarem Geoengineering sieht Wagner eine Vielzahl an Unternehmen bei jeder Lieferkette beteiligt (vgl. Wagner 2023, S. 74). Militärische Kontrollen sind in solch einem Bereich besonders besorgniserregend und könnten anderen Ländern falsche Signale vermitteln und auch die Kontrolle des solaren Geoengineerings durch die Verteilung von Patenten wäre nach Wagner kritisch zu sehen (vgl. ebd.).Einen weiteren wichtigen Aspekt stellt ein möglicher Konflikt mit bereits bestehenden Abkommen dar. Das geltende Umweltkriegsabkommen ENMOD verbietet die militärische und feindselige Nutzung umweltverändernder Techniken, verbietet derzeit jedoch nicht die Forschung am solaren Geoengineering und würde im Falle eines bestehenden globalen Steuerungssystems auch nicht die Durchführung von solarem Geoengineering verbieten (vgl. Wagner 2023, S. 74).Dieses Problem führt auch zu einer der riskantesten Unklarheiten des solaren Geoengineering und zu der Frage, wer solares Geoengineering kontrollieren soll und wem diese moralische Autorität obliegt? Bislang gibt es keine global greifende Governance-Struktur, der sich alle Menschen der Erde anschließen würden und die solche Entscheidungen treffen könnte, und solch eine zu gründen, erscheint derzeit unmöglich (vgl. Wagner 2023, S. 75).Und nicht zuletzt besteht ein erhebliches Risiko im Bereich der unvorhergesehenen Konsequenzen. Derzeit geht es noch vor allem um die Erforschung der Technologien des solaren Geoengineering. Größere Risiken und Unsicherheiten sprechen eher für einen erhöhten Forschungsbedarf. Man weiß nicht alles und kann womöglich in diesem Bereich nie alles wissen, solange solares Geoengineering nicht tatsächlich eingesetzt wird (vgl. Wagner 2023, S. 82).Probleme der Umsetzbarkeit des solaren GeoengineeringNeben den Risiken, die solares Geoengineering mit Aerosolen birgt, zeigen sich auch auf der Ebene der Umsetzbarkeit weitere Probleme. Nach Gernot Wagner kommen beim solaren Geoengineering zwei spieltheoretische Phänomene zu tragen, die auf die Umsetzbarkeit Einfluss nehmen und damit das Entscheidungsverhalten beeinflussen. Zum einen der Free-Driver-Effekt sowie das Gefangenendilemma (vgl. Wagner 2023, S. 33).In der Spieltheorie geht es um strategische Entscheidungssituationen. Es werden Situationen untersucht, in denen das Ergebnis nicht von einer Partei allein bestimmt werden kann, sondern nur von mehreren gemeinsam. Die Handlungen des*der Einzelnen wirken sich immer auf das Ergebnis der*des Anderen aus (vgl. Gabler Wirtschaftslexikon 2023).Free-Driver-ProblemBeim Klimawandel kommt die "Tragik der Allmende" zum Tragen. Während im Mittelalter die Dorfwiese, auf der jede*r Dorfbewohner*in sein*ihr Vieh weiden lassen konnte, auf Kosten der Allgemeinheit verwüstet wurde, lässt sich dieses Szenario heutzutage auf die Nutzung der Atmosphäre als Senke für anthropogen verursachte Treibhausgase übertragen (vgl. Forschungsinformationssystem 2023). Während die Vorteile der Emissionen privatisiert sind, trägt die Allgemeinheit die Kosten der Verschmutzung und muss Lösungen für den Klimawandel finden (vgl. Wagner 2023, S. 22).In der Klimapolitik wirkt sich auf spieltheoretischer Ebene das "free-rider-problem" oder auch Trittbrettfahrerproblem darauf aus, warum wenige Länder hohe Maßnahmen gegen den Klimawandel ergreifen. Für ein einzelnes Land liegt es nicht im Eigeninteresse, als Erster die Kosten für die CO₂-Minderung zu tragen. Wenn alle anderen so weitermachen wie bisher, hätte es keine Vorteile für das Land, mehr zu tun als die anderen. Was dazu führt, dass die Motivation, strenge Maßnahmen für eine CO₂-Reduktion zu ergreifen, sehr gering ist und nicht umgesetzt wird (vgl. Wagner 2023, S. 22).Anders als beim Trittbrettfahrerproblem, bei dem es nicht im Eigeninteresse des*der Einzelnen liegt, als Erste*r die Kosten für eine CO₂-Minderung zu tragen, und damit eine Tatenlosigkeit einhergeht, führt beim Free-Driver-Problem eine zu hohe Handlungsbereitschaft zu einem Problem (vgl. Wagner 2023, S. 23). Aufgrund der geringen Kosten für die Umsetzbarkeit des solaren Geoengineering durch Aerosole stellt solares Geoengineering ein mächtiges Werkzeug dar, dass Staaten dazu veranlassen kann, "Gott" zu spielen (vgl. ebd.). Daher könnte es zu einem zu schnellen Einsatz und damit einhergehend einer schnellen Umsetzbarkeit von solarem Geoengineering kommen. Die Risiken und Ungewissheiten mindern diesen Effekt gerade noch ab (vgl. Wagner 2023, S. 28).GefangenendilemmaAuch das Gefangenendilemma kommt bei der Frage nach der Umsetzung von solarem Geoengineering zum Tragen. Das Dilemma beruht auf der Unvorhersehbarkeit des Verhaltens der*des anderen Spielers*in und kennzeichnet eine Situation, bei der sich zwei rational denkende Individuen selbstsüchtig verhalten und einander verraten, obwohl es für beide besser wäre, an einem Strang zu ziehen (vgl. Wagner 2023, S. 33).Anhand einer 2x2-Matrix stellt Wagner die Klimapolitik anschaulich dar. Das Ziel beider Länder ist, die CO₂-Emissionen zu reduzieren. Dabei ergibt sich die Möglichkeit, dies durch eine hohe Minderung der Emissionen zu verfolgen und es damit durch einen ambitionierten Klimaschutz zu tun, oder durch eine niedrige oder langsame Minderung der Emissionen. Wenn sich nicht beide Länder auf die hohe Minderung einigen, wird immer die niedrige Minderung gewinnen, was bedeutet, dass das schwächste Glied über den Ausgang der Situation entscheidet (vgl. ebd. S. 34). Dieses Szenario verdeutlicht auch, warum es so schwierig ist, eine hohe Emissionsreduzierung zu verwirklichen. Wenn andere Länder wenig im Hinblick auf den Klimaschutz tun, bietet das keine Anreize für ein anderes Land, sich stärker für den Klimaschutz einzusetzen (vgl. ebd.).Kommt zu dieser vorgestellten Matrix nun noch die Option des solaren Geoengineering hinzu, die durch ihre schnelle und (relativ) günstig Umsetzbarkeit überzeugt, würde solares Geoengineering an Stelle der Reduktion von CO₂-Emissionen kommen und das eigentliche Ziel, die Emissionen zu reduzieren, könnte verfehlt werden (vgl. Wagner 2023, S. 35).Wichtig bei diesem spieltheoretischen Ansatz ist auch die Rangfolge, die ein Land aus den Komponenten des solarem Geoengineering, hoher CO₂-Minderung und niedriger CO₂-Minderung aufstellt. Wenn ein Land ein großes Interesse verfolgt, das Klima zu schützen, und sich einer hohen Minderung der Emissionen verschreibt, gibt es zwei Optionen, an welchem Rangplatz solares Geoengineering angeordnet wird. Entweder als erste Option, mit der Reihenfolge solares Geoengineering vor hoher Minimierung der Emissionen und an dritter Stelle die langsame Minimierung der Emissionen. Diese Reihenfolge führt dazu, dass solares Geoengineering auf Kosten anderer Klimaschutzmaßnahmen durchgesetzt wird. Bei einer anderen Möglichkeit, die die Einordnung der hohen Minimierung der Emissionen in der Rangfolge vor solarem Geoengineering und als letzte Option die niedrige Minimierung des CO₂s platziert, bleibt das Hauptziel, die Emissionen zu senken, bestehen (vgl. Wagner 2023, S. 36).Hinzu kommt im spieltheoretischen Rahmen, dass das endgültige Ergebnis auch davon abhängt, an welcher Stelle in der Rangfolge ein anderes Land solares Geoengineering verortet. So könnte solares Geoengineering auch an Platz drei der Rangfolge anderer Länder stehen. Je nachdem, an welcher Stelle es verortet wird, setzt sich in der Matrix ein anderes Szenario durch (vgl. Wagner 2023, S. 37).Es zeigt sich also, dass es sich bei den spieltheoretischen Überlegungen um ein komplexes Zusammenspiel von den verschiedenen Spielparteien und ihren Ansichten zum Klimaschutz handelt. Die bloße Verfügbarkeit von solarem Geoengineering kann aufgrund seiner Risiken auch zur Verschärfung der Umweltpolitik führen. Inwieweit solares Geoengineering durch den vernünftigen Einsatz einen positiven Effekt auf das Klima und den Planeten haben kann, bleibt immer noch unklar (vgl. Wagner 2023, S. 41).Moralisches Risiko des solaren GeoengineeringIm Zusammenhang mit dem solaren Geoengineering steht immer wieder der Begriff des moralischen Risikos - auch "moral hazard" genannt. Definitorisch wird moralisches Risiko beschrieben als "den fehlenden Anreiz, sich vor Risiken zu schützen, wenn man vor den Folgen geschützt ist" (Wagner 2023, S. 131). In der Anwendung gibt es ein breites Gebiet, auf dem das moralische Risiko wirken kann. Ein bekanntes Beispiel ist die Krankenversicherung oder das Anlegen eines Sicherheitsgurts beim Autofahren. Das bloße Anlegen kann zu riskantem Verhalten durch schnelleres Fahren führen. Denn der Sicherheitsgurt macht schnelles Fahren scheinbar sicherer (vgl. Wagner 2023, S. 131).Im Zusammenhang mit dem solaren Geoengineering besteht die Sorge darin, dass der Einsatz von solarem Geoengineering zu einem Anstieg der Kohlenstoffdioxid-Emissionen führen könnte und klimaschädliche Mechanismen weiter ausgebaut werden (vgl. Wagner 2023, S. 132). Gernot Wagner beschreibt das moralische Risiko, welches beim solaren Geoengineering zum Tragen kommt, auch als "grünes moralisches Risiko". Darunter versteht er "den fehlenden Anreiz, tiefgehende, komplexe Umweltprobleme anzugehen, weil die Möglichkeit einer schnellen technologischen Lösung, z.B. Geoengineering, besteht" (Wagner 2023, S. 133).Diese Bedenken stammen laut Wagner vor allem aus dem linken Umweltschutz und kritisieren, dass technologische Lösungen allein nicht weit genug gehen und die grundlegenden Ziele verfehlen. Befürchtet wird auch, dass komplexe gesellschaftliche Veränderungen umgangen werden könnten (vgl. Wagner 2023, S. 133). Kritisiert wird in diesem Zusammenhang auch, dass sich bei solarem Geoengineering eine "Technofix"-Mentalität zeigt, die darauf vertraut, dass soziale und ökologische Probleme mit technologischem Fortschritt zu lösen seien. An den zugrundeliegenden Ursachen und Treibern des Klimawandels wird nicht gearbeitet und Nebeneffekte sowie Risiken verlagert (vgl. Schneider 2020).Bei diesen Diskussionen muss man jedoch beachten, dass die gerade eingesetzten Interventionen, CO2-Emissionen zu reduzieren, um den Klimawandel zu bekämpfen, zu wenig greifen und die aktuellen politischen Debatten dazu führen, dass solares Geoengineering als eine Maßnahme im Kampf gegen den Klimawandel diskutiert wird (vgl. Wagner 2023, S. 141).Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch, ob solares Geoengineering das erste oder das letzte Mittel gegen den Klimawandel ist. Wenn solares Geoengineering die beste Lösung darstellt, liegt es nach Wagner auch nahe, dass ein Verzicht auf fossile Brennstoffe unvorstellbar erscheint (vgl. Wagner 2023, S. 141). Andere, vielleicht auch schwierigere und teurere Maßnahmen gegen den Klimawandel erscheinen dabei überflüssig und das grüne moralische Risiko wird beschworen (vgl. ebd.).Wird solares Geoengineering als letzte Rettung angesehen, könnte es jedoch auch nicht den gewünschten Effekt erzielen. Denn wenn die erhofften Erwartungen nicht erfüllt werden, gibt es keine weitere Lösung. Daher kann solares Geoengineering nicht als alleinige Lösung für dieses komplexe Problem angesehen werden und das moralische Risiko schwingt in allen Entscheidungen für und gegen solares Geoengineering mit (vgl. ebd.).FazitDiese Seminararbeit wollte der Frage nachgehen, ob sich das solare Geoengineering als Maßnahme gegen den Klimawandel eignet. Aus Sicht der aktuellen politischen Lage, die in internationalen Abkommen eingebettet ist, in denen der Umgang mit solarem Geoengineering noch nicht hinreichend geregelt ist beziehungsweise eine Einigung immer wieder verschoben wird und kein rechtlicher Rahmen über die Nutzung von solarem Geoengineering besteht, verschiedene Risiken und Probleme sowohl auf technischer als auch auf sozialer Ebene konstatiert werden, zeigt sich, dass solares Geoengineering derzeit noch kein geeignetes Mittel im Kampf gegen den Klimawandel darstellt.Auch wenn sich solares Geoengineering in Form der Ausbringung von Aerosolen technisch und mit verhältnismäßig geringen Kosten umsetzen lassen würde, birgt es noch auf zu vielen Ebenen Risiken. Erschreckend sind vor allem die unvorhersehbaren Folgen, die nicht einschätzbar sind und die erst durch eine tatsächliche Anwendung auftreten können, sowie die Gefahr eines termination shocks. Gerade auf politischer Ebene, auf der Strukturen für einen Einsatz noch fehlen, würde ein verfrühter Einsatz vor allem Konflikte schüren und einem Spiel mit dem Feuer gleichkommen.Auch eine Klimapolitik, die solares Geoengineering vor das Ziel stellt, die CO₂-Emissionen signifikant zu senken, geht in die falsche Richtung. Solares Geoengineering kann in Zukunft als sinnvoller Zusatz gegen den Klimawandel und nicht als Lösung des eigentlichen Problems dienen.Bis solares Geoengineering durch Aerosole tatsächlich umsetzbar ist, bedarf es weiterer Forschung, nicht nur auf technischer, sondern auch auf sozialwissenschaftlicher Ebene, sowie geeigneter globaler Governance-Strukturen, die solch ein Vorgehen mit globalen Auswirkungen rechtfertigen können. Denn letztendlich stellt sich die Frage, ob und wer das Klima überhaupt beeinflussen will und darf. Und dazu sollte solares Geoengineering im öffentlichen Diskurs thematisiert und in einem transparenten und partizipativen Prozess in der Öffentlichkeit ausgehandelt werden, damit solares Geoengineering als technische Möglichkeit in der Zukunft eingesetzt werden kann.LiteraturDer Deutsche Wetterdienst (2023): Klimawandel – ein Überblick (dwd online) <https://www.dwd.de/DE/klimaumwelt/klimawandel/klimawandel_node.html> (26.12.2023).Deutschlandfunk (2023): Können wir nicht einfach die Sonne verdunkeln? (Deutschlandfunk vom 15.02.2023) <https://www.deutschlandfunk.de/geoengineering-klimawandel-100.html> (23.12.2023).Forschungsinformatiossystem (2023): Beispiel: Die "Tragik der Allmende" (Forschungsinformationssystem.de vom 14.07.2023) <https://www.forschungsinformationssystem.de/servlet/is/328924/> (07.01.2024).Gabler Wirtschaftslexikon (2023): Spieltheorie (wirtschaftslexikon.gabler.de) <https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/spieltheorie-46576#:~:text=Definition%3A%20Was%20ist%20%22Spieltheorie%22,von%20den%20Aktionen%20anderer%20abhängt> (08.01.2024). Heinrich Böll Stiftung (2018): Ein zivilgesellschaftliches Briefing zur Governance von Geoengineering. Dem Geo-Sturm standhalten (boell.de) <https://www.boell.de/sites/default/files/hbf_etc_geogovern_briefing_de.pdf> (11.01.2024).IPCC (2007): Climate Change 2007: Mitigation. Contribution of Working Group III to the Fourth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change (vom 12.01.2018) <http://www.ipcc.ch/pdf/assesment-report/ar4/wg3/ar4_wg3_full_report.pdf> (23.12.2023).Roelfes, Michael (2022): Klimapolitik in Deutschland (bpb vom 24.06.2022). https://www.bpb.de/themen/klimawandel/dossier-klimawandel/509727/klimapolitik-in-deutschland/ (01.01.2024). Royal society (2009): Geo-Engineering the Climate: Science, Governance and Uncertainty, Royal society: London.Schneider, Linda (2020): Ein Technofix für das Klima? Die Interessen hinter dem Geoengineering im Meer (boell.de vom 23.04.2020) <https://www.boell.de/de/2020/04/23/ein-technofix-fuer-das-klima-die-interessen-hinter-dem-geoengineering-im-meer> (10.01.2024). Umweltbundesamt (2011): Geo-Engineering wirksamer Klimaschutz oder Größenwahn? <https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/publikation/long/4125.pdf> (10.01.2024).Wagner, Gernot (2023): Und wenn wir einfach die Sonne verdunkeln? Das riskante Spiel, mit Geoengineering die Klimakrise aufhalten zu wollen, Oekom: München. Wittstock, Felix (2023): Alternativloses Climate Engineering? Kommunikation von NGOs in einer klimapolitischen Kontroverse, Nomos: Baden Baden.