Nichtreligion = nicht Religion?
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Call for Abstracts für den Auftaktworkshop des Arbeitskreises Säkulare Weltanschauungen vom 8. bis 9. Dezember 2023 in Leipzig. Deadline: 15. Oktober 2023
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Call for Abstracts für den Auftaktworkshop des Arbeitskreises Säkulare Weltanschauungen vom 8. bis 9. Dezember 2023 in Leipzig. Deadline: 15. Oktober 2023
Blog: Soziopolis. Gesellschaft beobachten
Blog: Rechtspopulismus
In diesem Beitrag stellt Johanna Bunes folgenden Aufsatz vor: Öztürk, Cemal / Pickel, Gert / Schneider, Verena (2021): Religion, Vorurteile und Rechtsextremismus - kommt zusammen, was nicht zusammengehört?; in: Blättel-Mink, Birgit (Hrsg.): Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020, online unter: https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1334.In diesem Beitrag thematisieren Öztürk, Pickel und Schneider Zusammenhänge und Wirkung von Religiosität und rechtsextremen Einstellungen. Doch was kann darunter verstanden werden? Während es Antisemitismus schon sehr lange gibt, gilt die Muslimfeindlichkeit als ein relativ junges Phänomen. Dabei werden AnhängerInnen verschiedener religiöser Gruppen als Ursache von Konflikten verantwortlich gemacht. Nach dieser Theorie sind die Werte dieser Religionen nicht mit den westlichen Werten vereinbar. Dadurch kommt es zu ethnopluralistischen Forderungen wie das Stoppen der Einwanderung und die Rückführung in die (angeblichen) Herkunftsländer.Der Beitrag befasst sich diesbezüglich mit zwei zentralen Fragen. Zuerst wird überprüft, ob ein Zusammenhang zwischen Religion beziehungsweise Religiosität und rechtsextremen Einstellungen vorliegt. Dabei liegt der Fokus nicht auf rechtsextremen Parteien, sondern auf dem Anteil der Bevölkerung, der für rechtsextreme Überzeugungen und Vorstellungen anfällig ist. Um adäquate Aussagen treffen zu können, wurde nach Brähler und Decker eine Konsensdefinition mit sechs Dimensionen konstituiert:Affinität zur Diktatur als Staatsform,nationaler Chauvinismus,Verharmlosung des Nationalsozialismus,Antisemitismus,Fremdenfeindlichkeit,Sozialdarwinismus.Diese Dimensionen werden seit 2002 in den Leipziger Autoritarismus-Studien mit jeweils drei Items gemessen (vgl. S. 3). Um eine These zu entwickeln, werden vier Studien aufgeführt, welche die Entwicklung der rechtsextremen Einstellungen seit 2002 erforschen. Bei diesen Studien handelt es sich umdie Leipziger Autoritarismusstudien (LAS) 2002-2020,die Allgemeine Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften (ALLBUS) 2018,das International Society Survey Programme (ISSP) 2018 undden Survey des Projekts 'Konfigurationen individueller und kollektiver religiöser Identitäten und ihre zivilgesellschaftlichen Potenziale (KONID)' 2019 (vgl. S. 3).Die LAS-Studie zeigt, dass die Anzahl der Personen mit geschlossen rechtsextremen Einstellungen, also einer Zustimmung zu allen 18 Items, in Gesamt- und Westdeutschland seit 2002 rückläufig ist. Allerdings ist seit 2006 ein Anstieg in Ostdeutschland zu verzeichnen. Es wurde zudem die Beobachtung gemacht, dass die meiste Zustimmung der Items im Bereich von chauvinistischen und fremdenfeindlichen Aussagen zu verzeichnen ist. Die Ergebnisse der Studien erwiesen, dass der Anteil der Personen mit geschlossen rechtsextremen Vorstellungen gering ist, allerdings ist die Zustimmung für einzelne Dimensionen deutlich höher. Demzufolge "können rechte AkteurInnen ein Mobilisierungspotenzial sehen, indem sie an verbreitete Vorurteile …anknüpfen" (S. 4).Doch inwieweit beeinflussen sich nun Religiosität und Rechtsextremismus? Lassen sich Zusammenhänge erkennen? Mithilfe von verschiedenen Daten werden drei zentrale Thesen überprüft, die den Zusammenhang von Rechtsextremismus und Religiosität beschreiben. Die erste These besagt, dass Gruppenablehnungen religiöser Gruppen rechtsextreme Einstellungen verstärken (vgl. S. 4). Diese These lässt sich durch die Social Identity Theory und Integrated Threat Theory bekräftigen.Die erste Theorie "besagt, dass das Verhalten von Personen durch ihre Zugehörigkeit zu einer Gruppe bestimmt wird" (S. 4). Dieses Verhalten lässt sich erklären, da die Zugehörigkeit zu einer Gruppe den Selbstwert steigert. Aufgrund der eigenen Selbstwertsteigerung erfährt die In-Group Aufwertung, während der Out-Group negative Eigenschaften zugeschrieben werden. Gleichzeitig stützt sich die Integrated Threat Theory auf die aufkommenden Bedrohungsängste, welche aus der Auf- und Abwertung resultieren und damit einhergehen.Diese können realistischer oder symbolischer Struktur sein. Unter realistischen Bedrohungsängsten versteht man "wahrgenommene existenzielle Bedrohungen des physischen, politischen oder materiellen Zustands der In-Group" (S. 5). Dagegen erweisen sich wahrgenommene Differenzen zwischen Normen und Werten als symbolische Bedrohung, wie beispielsweise 'die Islamisierung des Abendlandes'. Diese Wahrnehmungen können Ursache für die Entwicklung von Vorurteilen sein. Diese Vorurteile nutzen wiederum rechtsradikale oder rechtsextreme Gruppierungen für Instrumentalisierungen bestimmter Religionen als Feindbild mit der zuvor beschriebenen Vorstellung der Ungleichheit.Die zweite These der Fragestellung erwägt, ob die christliche Religiosität als Sozialform rechtsextreme Einstellungen hemmt. Dabei soll der Austausch mit Mitgliedern anderer religiöser Gruppen zum Abbau der Vorurteile beitragen. Sozial engagierte Mitglieder mit pluralistischen Ansichten greifen auf religiöse Werte in sozialer Ausrichtung zurück und wirken mit dieser Offenheit rechtsextremen Einstellungen entgegen. Diese Annahme beruht auf der Kontakthypothese, welche laut Öztürk, Pickel und Schneider empirisch nachgewiesen werden konnte. Das religiöse Engagement zur Kontaktsuche mit anderen religiösen Gruppen wird zum Schlüsselmerkmal dieser These.Die dritte These behauptet dagegen, dass rechtsextreme Einstellungen begünstigt werden, wenn die Mitglieder der In-Group einer dogmatischen und exklusivistischen Religiosität angehören. Diese These bestätigt sich durch die Ergebnisse der zuvor erwähnten ALLBUS- und KONID-Studie. Antisemitismus und Muslimfeindlichkeit weisen eine enge Verbindung mit rechtsextremen Einstellungen auf, somit sind dogmatisch-fundamentalistische ChristInnen anfällig für rechtsextreme Einstellungen und Inhalte. Beide Studien zeigen einen Zusammenhang zwischen Ablehnung anderer religiösen Gruppen und rechtsextremen Vorstellungen.Aus diesen Ergebnissen der ersten Fragestellung entwickelt sich die zweite zentrale Frage des Beitrages. Hier erörtern Öztürk, Pickel und Schneider die Wirkung von Religiosität auf rechtsextreme Vorstellungen. Dabei wird zunächst untersucht, ob rechtsextreme Vorstellungen in bestimmten religiösen Gruppen vermehrt existieren. Dabei zeigt sich - laut der Leipziger Autoritarismus-Studie - keinerlei ausschlaggebende Differenz zwischen ProtestantInnen, KatholikInnen und weiteren Ausrichtungen. Es herrscht also keine direkte Verbindung zwischen Religiosität beziehungsweise religiöser Zugehörigkeit und rechtsextremen Einstellungen. Doch es lassen sich indirekte Beziehungen entdecken.Wie die zweite und dritte These zeigte, besteht ein ambivalentes Verhältnis von Religiosität und Rechtsextremismus. Religiosität kann rechtsextreme Einstellungen verstärken, aber gleichzeitig auch hemmen. Dieses Paradoxon erklären Öztürk, Pickel und Schneider im Betrag anhand der KONID-Studie. Die Studie betrachtet das Verständnis von Religion. Dabei erweist sich eine Selbstbeschreibung als religiös oder der Kontakt mit anderen Religionen positiver Art als ohne Effekt. Dagegen zeigt die Studie, dass eine dogmatisch-fundamentalistische Auslegung der eigenen Religion die Aneignung von rechtsextremen Einstellungen begünstigen und fördern kann.Ebenso überprüfte die Studie den Zusammenhang rechtsextremer Einstellungen und der eigenen Religiosität kombiniert mit sozialem Engagement. Die Ergebnisse zeigen, dass Personen mit dieser Auffassung der eigenen Religion weniger anfälliger sind für rechtsextremistische Inhalte. Es bilden sich also zwei Pfade. Beide besitzen die Gemeinsamkeit der Selbstbeschreibung als religiös, allerdings mit einem unterschiedlichen Verständnis von Religion, was sich wiederum auf die Anfälligkeit für rechtsextreme Ausrichtungen auswirkt.Im Beitrag wird dieser Zustand noch mit einem weiteren, vertiefenden Mediationsmodell ergänzt. Zu den zwei Pfaden wird Bildung, Geschlecht und Alter überprüft. Diese zeigten allerdings keinen Effekt. Letztendlich ist ein direkter Zusammenhang zwischen der Zugehörigkeit zu einer religiösen Gruppe, der eigenen Religiosität und rechtsextremen Vorstellungen nicht erwiesen worden. Allerdings können dogmatisch-fundmentalistische Vorstellungen einer Religion eine Brücke bilden zu Vorurteilen sowie Auf- und Abwertungen. Diese können von rechtsextremen AkteurInnen genutzt werden, um Feindbilder zu kreieren und die Ideologie von Ungleichheit zu befördern.Dahingehend ist es wichtig, die eigene Religiosität mit sozialem Engagement und pluralistischen, offenen Überzeugungen zu setzen. Dieses inkludierende Religionsverständnis wirkt hemmend und ermöglicht ein Zusammenleben, ganz im Gegensatz zu der Vorstellung der Unvereinbarkeit der unterschiedlichen Religionen und Werte, welche rechtsextreme AkteurInnen postulieren.Da nur ein geringer Anteil der dogmatisch-fundamentalistischen ChristInnen auf rechtsextreme Inhalte zurückgreifen, mag es den Anschein erwecken, dass dieser Sachverhalt nicht großartig beachtet und weiterhin erforscht werden muss. Allerdings sind Annäherungen und Offenheit für rechtsextremistische Einstellungen, Vorstellungen und Inhalte ein ausschlaggebendes Argument und bieten sich somit für weitere Untersuchungen auf diesem Gebiet an (vgl. S. 11).
Blog: Soziopolis. Gesellschaft beobachten
Call for Papers für eine Tagung vom 24. bis 25. Oktober 2024 in Berlin. Deadline: 15. Januar 2024
Blog: Rechtspopulismus
Im diesem Beitrag stellt Bella Grosman folgenden Text vor:Cornejo-Valle, Monica; Ramme, Jennifer (2022): "We Don't Want Rainbow
Terror": Religious and Far-Right Sexual Politics in Poland and Spain.
In: Paradoxical Right-Wing Sexual Politics in Europe: Palgrave
Macmillan, Cham, S. 25–60. Online verfügbar unter
https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-030-81341-3_2.Dieser Aufsatz untersucht, wie in der Ideologie der extremen und radikalen Rechte (im Folgenden als Rechtsaußen bezeichnet) "Regenbogenterrorismus" als Bedrohung erschaffen wird und warum sie in Polen existiert, aber nicht in Spanien. Framing paradoxer PanikDieser Abschnitt beschäftigt sich mit den Mechanismen, die durch eine Politik kognitiver Dissonanz moralische Panik auslösen. Es handelt sich um eine moralische Panik, wenn eine Gefahr wahrgenommen wird, die die Ordnung der Gesellschaft oder eines idealisierten Teils der Gesellschaft bedroht. Polen und Spanien bilden hier ein Beispiel der "Sex Panik" als eine moralische Panik. Bestandteil sind reproduktive und sexuelle Rechte sowie alle, die für sie einstehen.Diese Panik wird zu einer moralischen Panik im Kontext von Religion und Nationalismus. Die Darstellung als Gefahr benötigt einen Prozess, bei dem Realität sozial konstruiert wird, was mit Paradoxa einhergeht. Ein typisches Paradoxon der Rechtsaußen (Sexual-)Politik ist das Einnehmen der Opferrolle unter Anwendung der "DARVO"-Taktik. Diese besteht aus dem Leugnen der Beschuldigungen, Zurückangreifen und Umkehren des Opfers in den Täter. Die moralischen Paniken der Rechtsaußen sind das Ergebnis von frames, die verschiedene Themen im gleichen framework in Verbindung bringen und zusätzlicher Untersuchung verschiedener politischer Chancen (in Polen und Spanien). (vgl. Cornejo-Valle und Ramme 2022, S. 28–29)Akteure der Rechtsaußen SexualpolitikDie katholische Kirche spielt in beiden Staaten eine wichtige, aber unterschiedliche Rolle in der Leitung des ideologischen Diskurses über kulturelle Fragen, Werte und nationaler Identität. In Polen propagiert sie vor allem Patriotismus. Durch die Wahl eines polnischen Papstes wurde das weiter gestärkt. Außerdem war sie die führende moralische Autorität während des politischen Systemwandels in den 90ern und danach.Eine Studie aus dem Jahr 2017 zeigte einen deutlich höheren Anteil an Katholiken in der Bevölkerung als in Spanien. Die sinkende Zustimmung und Unterstützung der katholischen Kirche in Polen ist eine neue Entwicklung der letzten Jahre. Die Kirche ist in Spanien weniger beliebt und wird wegen ihrer Zusammenarbeit mit den Faschisten im Zweiten Weltkrieg nicht als politischer Akteur gewertet. (vgl. Cornejo-Valle und Ramme 2022, S. 30)Obwohl in beiden Staaten die Kirche nicht sehr streng in Bezug auf außerehelichen Sex, Scheidung und Verhütung ist, ist sie in Polen gegen gleichgeschlechtliche Ehe und Adoption, während sie in Spanien dafür ist. Dennoch haben "anti-gender" Aktivist*innen in beiden Staaten einen katholischen Hintergrund, dogmatische Sprache, Anti-LGBTQ* Agenda, nationalistische familienorientierte "pro-life" Rhetorik und rechtspopulistische Zugehörigkeit. (vgl. Cornejo-Valle und Ramme 2022, S. 30)Bereits vorhandene Vereinigungen gegen Abtreibungen wandelten sich oft zu Anti-LGBTQ* Parteien. In Spanien drängten sich kleine Gruppen auf Plattformen zusammen. Alle davon mit direktem oder indirektem religiösem Hintergrund, der in deren Argumentationslinien und Rhetorik deutlich wird. Daraus bildete sich CitizenGo als einflussreichster Verband heraus und war Teil des globalen anti-gender Netzwerks 2012. Mit anderen Organisationen verbunden, verfolgen sie entsprechende Ziele als Teil der EU-weiten Anti-Abtreibungslobby. Hauptmitglieder dieser Organisationen sind oft auch in der spanischen Volkspartei (Partido Popular). (vgl. Cornejo-Valle und Ramme 2022, S. 31)In Polen ist die Anti-LGBTQ* Agenda hinzugekommen, steht aber immer noch der Lebensrechtsbewegung (gegen Abtreibung) nach. Die polnischen Gruppen "Jeden z Nas" (Einer von Uns) und die Polish Association of Human Life Defenders gehören ebenfalls zur europäischen Lobby. Außerdem haben beide Verbindungen zur Kirche (über Stiftungen). Radikale anti-feministische und -LGBTQ* Aktionen wurden durch rechtspopulistische Fraktionen, wie die 2019 Teil des Parlaments werdende Partei Konfederacja, organisiert.Sie vertreten ein Weltbild aus einer Zeit vor dem National-Katholizismus und Faschismus des Zweiten Weltkriegs. Es werden Vereinigungen mit Organisationen und Aktivist*innen, die gegen Abtreibung sind, sowie Rechtsaußen veranlagte Repräsentanten der katholischen Kirche eingegangen. Sexualpolitik wird hierbei an Ideen weißer Vorherrschaft, Rassismus, Antisemitismus und Islamophobie geknüpft. Ihre Konkurrenzpartei PiS wurde 2015 zur Regierungspartei. Das hatte zur Folge, dass Mitglieder der bereits benannten Organisationen höhergestellte Positionen in Ministerien und staatlichen Rollen einnahmen, so auch Sitze im Obersten Gericht. (vgl. Cornejo-Valle und Ramme 2022, S. 31–33)Rhetorik von welcher Krise? "Kultur des Todes", "Gender Ideologie" und die dogmatische Sprache der AngstAnalysen von Sprache und einem transnationalem ideologischen framework zeigten die weltweite Rolle der katholischen Kirche in der Systematisierung von Argumenten. Besonders wichtig war das Zusammenbringen und die Ausrichtung von Stammzellforschung, gleichgeschlechtlicher Ehe, Euthanasie, Transgender-Themen, Abtreibungen, künstlicher Befruchtung und Marxismus. Aus dieser Ausrichtung heraus sind alle diese Themen ein Irrglaube der "Gender-Ideologie", die durch marxistischen Feminismus inspiriert wurde.Gleichzeitig spiegelt der frame "Kultur des Todes" den Versuch wider, menschliches Leben auf der Erde auszulöschen, was gegen das Gebot der Vermehrung in der Bibel ist. Somit wird die "Kultur des Todes" zur einem "master frame", der erlaubt, über kirchliche Belange hinauszugehen und einen ideologischen Zusammenschluss mit anderen pro-nationalistischen Agenden einzugehen. Außerdem können dadurch Ideen, Fakten und Gefühle in einem frame untergebracht werden, der Schuldzuweisung zu marxistischen Feminist*innen, der "gay lobby" und Machiavellismus beinhaltet. Des Weiteren ist eine lokale Anpassung der Krisen an kollektive Emotionen und Erinnerungen möglich, sodass die moralischen Paniken lokal Sinn ergeben. (vgl. Cornejo-Valle und Ramme 2022, S. 33–34)Während in Polen ein offen homophobes und misogynes Vokabular von Politiker*innen, Aktivist*innen etc. verwendet wird, wollen diese in Spanien nicht als homophob wahrgenommen werden. Obwohl sich die frames dadurch unterschiedlich darstellen, ist dennoch auch in Spanien von einer "LGBT-Doktrin" und einem "falschen Recht auf Homosexualität" die Rede. Auch transphobe Kampagnen werden trotzdem umgesetzt. (vgl. Cornejo-Valle und Ramme 2022, S. 34)Insgesamt folgen einzelne Akteure in beiden Staaten dem Skript der globalen Rechtsaußen. In Polen kommt jedoch hinzu, dass Repräsentanten der katholischen Kirche Ideologien der Rechtsaußen offen ausdrücken, indem sie zum Beispiel vom "Tod der Zivilisation" primär als Bedrohung des Überlebens der "Weißen Rasse" formulieren. Außerdem sind Kommunismus und Staatssozialismus als wichtiger meta frame einzigartig für Polen. Somit werden egalitäre Werte als totalitär gewertet, sexuelle und Geschlechter-Diversität zu Staatssozialismus und Rechtsaußen-Positionen die einzige unschuldige und native Alternative dazu. Das wird durch das historische Verständnis von Nazismus als Deutscher Nationalsozialismus verstärkt und hat seinen Ursprung in Polens Geschichte als Satellitenstaat. (vgl. Cornejo-Valle und Ramme 2022, S. 36–38)Die Tradition des Diskurses wurzelt im Ersten Weltkrieg, als "das Judentum" und Marxismus die Feinde darstellten. Heute haben gender und LGBTQ*-Ideologien die Feindrolle abgelöst, werden jedoch immer noch an Judentum und Marxismus geknüpft. In Polen war das so erfolgreich, dass in einer Umfrage 31% der Männer die "LGBT Bewegung" als aktuell größte Gefahr für Polen angaben. Außerdem kam in Polen 2015 das frame der "muslimischen Invasion" hinzu, in dem Geflüchtete eine "sexuelle Bedrohung" für polnische Frauen und ein Anschlag auf das Christentum sind (vgl. Cornejo-Valle und Ramme 2022, S. 38)Verflechtung von Ideologien: Nationale Souveränität, Familismus und christliche VorherrschaftIm Vergleich fällt auf, dass obwohl spanische anti-gender und -LGBTQ* Akteure die gleichen Taktiken und Rhetoriken verwenden wie in Polen, der Diskurs nicht in die Mitte der Gesellschaft rückte und lange Zeit keinen Fortschritt machte. Schlüsselfaktor ist ein unterschiedliches Profil von Nationalismus. (vgl. Cornejo-Valle und Ramme 2022, S. 38)Nationalismus in Spanien wird als pluralistisches und säkulares Konzept in einem extrovertierten Stil beschrieben, den verschiedene Nationen gemeinsam haben. Im Gegensatz dazu hat der Nationalismus in Polen einen introvertierten Stil und ist auf Märtyrertum und einem Wiederbeleben nationaler Traumata aufgebaut. Sie werden politisch instrumentalisiert, um ein Gefühl nationaler Isolation und ethnischer Diskriminierung zu schüren.Die Rhetorik greift immer wieder auf, dass sich Polen in akuter Gefahr befindet und sich gegen diese "feindlichen Mächte von außen" verteidigen muss. Der einzige Unterschied dieser Rhetorik zu der im 20. Jahrhundert, ist, dass "der Jude" als Bedrohung durch "den Homosexuellen" ersetzt wurde und der "Jüdische Masterplan" (Weltverschwörung) durch eine "Lobby der Homosexuellen". Es ist also eine transnationale Wiederkehr und Fortführung antisemitischer Rhetorik zu beobachten. Jüdische Menschen bleiben weiterhin schuldig, denn sie stellen die überstehende Gefahr dar, zusammen mit Marxisten*innen, Feminist*innen und queeren Menschen.Eine Besonderheit der Rhetorik in Polen ist die Strategie der PiS, Polen als weiterhin unabhängiges Land darzustellen. Dadurch rechtfertigte die Partei während ihrer Regierungszeit ab 2015 "dobra zmiana" (gute Veränderungen) als Heilmittel für diese, zuvor durch sie etablierten, Krisen. Sie äußerten sich in Familismus bzw. der katholischen Familie als Grundbaustein der Nation, die die Souveränität von Polen aufrechterhält.Die katholische Kirche bietet zugunsten dieser strengen Sexualpolitik eine Unterstützung während des Wahlkampfes. Des Weiteren wurde 2020 die Pandemie und damit einhergehende mangelnde Protestmöglichkeiten genutzt, um demokratische Strukturen weiter zu schwächen. So wurde beispielsweise eine dreijährige Haftstrafe für sexuelle Aufklärung, die LGBTQ*-Themen enthält, eingeführt. (vgl. Cornejo-Valle und Ramme 2022, S. 38–40)Im Vergleich dazu wurden in Spanien durch einen Wertewandel Anti-Sexismus und sexuelle Diversität zu neuen Symbolen eines progressiven Spaniens. Zwar waren auch hier Nationalismus und Sexismus während der Diktatur bis 1975 miteinander verflochten, jedoch ist das heute nicht mehr der Fall. Dennoch rief das Gesetz zu gleichgeschlechtlicher Ehe eine nationalistisch motivierte anti-gender Antwort im Jahr 2005 hervor. Dieser ging zwischenzeitlich zurück und machte 2018 eine Rückkehr, die Nationalismus wieder mit sexuellen und reproduktiven Rechten verknüpfte. Viele Rechtsaußen Parteien erlebten dadurch ein schnelles Aufstreben.Die Zunahme der Diskussion um Kataloniens Unabhängigkeit im Jahr 2018 unterstützte das, da die Einigkeit Spaniens bedroht war. Davon profitierte die rechte Partei Vox. Sobald Vox im regionalen Parlament vertreten war, versuchte sie, die Forderung nach Souveränität wieder fallenzulassen und rückte Anti-Gender an erste Stelle. Vox gelang es innerhalb kürzester Zeit, ein nationaler Akteur zu werden und durch gewollt provokative Aussagen und Proteste eine starke mediale Aufmerksamkeit zu generieren. Elemente waren unter anderem Teil einer Wahlkampagne, und die Medienberichterstattung, die darauf einging, verstärkte den Einfluss von Vox in der Bevölkerung und verhalf ihnen zu 15% der Stimmen in der Wahl 2019.Auch Vox nutzte, wie die Volkspartei, die Covid-19 Pandemie als eine Chance, um xenophobe Argumente in Spanien weiterzuentwickeln. Im Gegensatz zu Polen diskutierte die katholische Kirche, das Wählen einer bestimmten Partei an ihre Anhänger zu empfehlen, kam jedoch zu keiner Einigung, da viele kritisierten, dass die Haltung gegen Geflüchtete und Migrant*innen unkatholisch sei. (vgl. Cornejo-Valle und Ramme 2022, S. 40–44)Schlussfolgerung: Paradoxe Paniken und transnationale frames für nationalistische AgendenObwohl polnische und spanische Konservative und Rechte versuchten, "moralische Paniken" herzustellen, gab es unterschiedliche Erfolgsraten. Um die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu beobachten, wurden drei Aspekte betrachtet: Totalitäre und autoritäre Vergangenheit, Katholizismus und Nationalismus. Sie setzen sich in Spanien und Polen auf unterschiedliche Art zusammen, dennoch wird auf der gleichen Rhetorik von Krisen gebaut.Solche Krisen und Gefahren sind Feminist*innen, Linke und Marxist*innen, die "gay-lobby", Nicht-Katholiken, Geflüchtete in Polen und Migrant*innen in Spanien. Diese globale Ansammlung nationalistischer und Rechtsaußen-Argumente sowie die Verwendung der DARVO-Taktik bilden die wichtigsten Paradoxa ihres Vorgehens. Das Ziel der Rechtsextremen, Einfluss über Staat und Bevölkerung zu gewinnen sowie eine Homogenität zu erringen, ist eindeutig. (vgl. Cornejo-Valle und Ramme 2022, S. 44–46)LiteraturCornejo-Valle, Monica; Ramme, Jennifer (2022): "We Don't Want Rainbow Terror": Religious and Far-Right Sexual Politics in Poland and Spain. In: Paradoxical Right-Wing Sexual Politics in Europe: Palgrave Macmillan, Cham, S. 25–60. Online verfügbar unter https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-030-81341-3_2.Möser, Cornelia; Ramme, Jennifer; Takács, Judit (Hg.) (2022): Paradoxical Right-Wing Sexual Politics in Europe. 1st ed. 2022. Cham: Springer International Publishing; Imprint Palgrave Macmillan (Springer eBook Collection). Online verfügbar unter https://link.springer.com/content/pdf/10.1007/978-3-030-81341-3.pdf, zuletzt geprüft am 22.06.2022.
Blog: blog*interdisziplinäre geschlechterforschung
Müssen sich Religion und Feminismus ausschließen? Das Beispiel buddhistischer Mädchenschulen auf Sri Lanka zeigt, dass diese Trennung eine Geschichte des Feminismus verschleiert, deren Erinnerung...
Blog: Soziopolis. Gesellschaft beobachten
Call for Papers für Kolloquium vom 22. bis 24. Februar 2024 in Berlin. Deadline: 8. Dezember 2023
Blog: blog*interdisziplinäre geschlechterforschung
"Wir als Tansanier/Afrikaner haben unsere eigenen Werte und Kulturen, die sich im Laufe von Jahren gebildet haben, die unsere Lebensweise bestimmt haben und die nur Ehen zwischen Mann und Frau...
Blog: Bennett Institute for Public Policy
Rory Cellan-Jones talks to Iza Hussin and Paul Seabright about recent trends in world religions, the interplay between politics and religion, and the economics of religion.
The post What is the future of religion? appeared first on Bennett Institute for Public Policy.
Blog: Religion and Global Society
For decades, social scientific study of religion has been dominated by the secularisation question: is religion growing or declining? But this has distracted us from asking how religion itself is changing and, in turn, changing understandings of identity, political participation and citizenship for millions of people around the world. Ahead of our upcoming #LSEFestival panel … Continued
Blog: DVPW-Blog
Wie es scheint, geht es derzeit an vielen Stellen in Deutschland um die Verteidigung des christlichen Abendlandes. So prangern Rechtspopulist*innen auf der Straße oder in den Parlamenten eine (kulturelle) Überfremdung an, die besonders die christlichen Wurzeln der nationalen Kultur beschädigen soll. Diese "Gefährdungswahrnehmung" manifestierte sich maßgeblich durch die 2015 rasant gesteigerte Zuwanderung und Migrationsbewegungen nach Europa. Und viele Bürger*innen scheinen diesen Argumenten zu folgen. Doch welche Rolle spielt Religion in diesen Diskussionen? ...
Blog: RSS-Feed soziopolis.de
Call for Abstracts für eine Tagung vom 28. bis 29. September 2023 in Schwerte. Deadline: 9. Juni 2023
Blog: RSS-Feed soziopolis.de
Blog: Cato at Liberty
Walter Olson
The result of today's Supreme Court opinion in Groff v. DeJoy is to load private, not just public, employers with new practical burdens in the name of accommodating employees' religious beliefs. The Court does so by nimbly reinterpreting, as opposed to overturning, the longstanding standard set forth in TWA v. Hardison (1977), which interpreted Title VII as requiring accommodation of this sort by employers only when the costs were "de minimis." Whatever the standard appropriate for government workplaces, there are high stakes in imposing a standard on private workplaces. Today's decision leaves private employment relations in America less free.
As Justice Sonia Sotomayor points out in a concurrence joined by Justice Ketanji Brown Jackson, Congress has consistently passed up the opportunity to adopt a standard more burdensome to employers than Hardison, even though it has not hesitated to revisit and correct many other high court decisions on Title VII workplace discrimination that it saw as mistaken. We may hope that the Court's newly announced standard, which shifts focus from the question of whether burdens are "de minimis" to that of whether they are "substantial," will in practice not amount to a drastic change.
Sotomayor makes a further point worth noting in her concurrence. It has been known to happen that a private employer's compelled acceptance of religious accommodation requests will adversely affect the interests of co‐workers. While Title VII will not allow these interests to enter into the balance when based on mere animus or prejudice toward a religion, it is legitimate for an employer to weigh other sorts of harm to co‐workers when they work to impair the management of the workplace. If a workplace divided by differential treatment based on religion or any other identity is a less efficient and unified workplace, it will often be legitimate for employers to say no to that differential treatment.