"Nach dem Ende des Ost-West-Konflikts ist die Welt nicht ein ruhigerer Ort geworden, wie von vielen vorausgesagt. Eher im Gegenteil. Zahlreiche Krisenherde und Konfliktfelder sind zu registrieren. Globalisierung führt nur teilweise zu Integration und Homogenisierung. In vielen Bereichen und Regionen fragmentiert sich die Weltgesellschaft. Sogenannte neue Risiken verschränken sich mit älteren. Die Themenbeiträge widmen sich den Neuen Kriegen und gewaltförmiger Konfliktaustragung; demographischen Veränderungen; den Kontextfaktoren Energie und Umwelt; Aids, stellvertretend für gesundheitliche Risiken; dem Komplex der neuen Wissensdifferenzen und Zugangsschranken; der Gefährdung von Infrastrukturen; der Bedeutung von Strömen (flows) - an den Beispielen von Kapital und Kommunikation; der Bedeutung von Identitäten und deren Irritationen; der Rolle und dem Ge- und Missbrauch von Medien; der verbleibenden oder auch neuen Rolle von Politik; und, damit verbunden, aber auch Unterschieden, den residualen Funktionen von Staaten." (Textauszug).
'Die gesellschaftlich induzierten Verhaltensdisziplinierungserwartungen an das Individuum in gesundheitlicher Hinsicht steigen.' Hierzu müssen vom Individuum auf Dauer Gefahren- und Risikokonstellationen aufgespürt werden, um danch seine risikoaversives Verhalten ausrichten zu können. Im folgendem wird aufgezeigt, 'daß sich der Mensch mit kommunikativ zugerichteten Konzepten von Ökologie, Gefahr und Risiko auseinandersetzt, also mit ökologischer Kommunikation'. Risikodiskurse werden in der Gesellschaft vor allem dann geführt, wenn die Gefahr oder das Risiko universell sind. Gefahren- und Risikokommunikationen formulieren in der Regel Verhaltenszumutungen für das Individuum, wobei das Individuum auf 'Erfahrungen aus zweiter Hand' angewiesen ist. Problematisch wird es, wenn diese Erfahrungen widerlegt werden, sich also die Unrichtigkeit der Gefahrenkommunikation herausstellt. 'Auch das gesundheitsgerechte Verhalten, das versucht, alle Gefährdungen zu umschiffen, steht sodann unter Risikoverdacht.' Risikodiskurse werden somit nach Luhmann als Teil von 'Angstkommunikation' spezifiziert. Zudem haben Gefahren- und Risikokommunikationen die starke Tendenz der Moralisierung von Problemstellungen. 'Insofern gibt es eine gesellschaftliche 'Lust am Risiko', völlig unabhängig von der Dringlichkeit der gesundheitlichen und ökologischen Gefährdungslagen.' (prd)
Am Beispiel Nanotechnologien widmet sich die vorliegende Arbeit der Frage, wie Ver-sicherungsunternehmen neue Technikrisiken (Emerging Risks) bewerten, wie sie sich angesichts vielseitiger Wissenslücken verhalten und wie sich dies auf das gesamtgesellschaftliche Risikomanagement von Technologien auswirkt. Um den Umgang mit Nanotechnologien im Kontext unterschiedlicher Organisationstypen und Erwartungen zu untersuchen, wird eine neo-institutionalistische Theorieperspektive verwendet. Für den empirischen Teil der Arbeit wurden 39 leitfadengestützte Interviews mit Vertreterinnen und Vertretern von Erst- und Rückversicherern, Industrieunternehmen, Versicherungsbrokern, Investoren und Ratingagenturen, zentralen Einrichtungen der breiten Öffentlichkeit und der staatlichen Regulierung sowie Forschungseinrichtungen geführt. Emerging Risks sind Versicherungsrisiken, die sich durch ein hohes Maß an Nichtwissen und Schadenspotenzial auszeichnen. Beide Merkmale ergeben sich aus dem Zusammenwirken technischer Bedingungen und der sozialen Einbettung von Versicherungsunternehmen. Nanotechnologien als Emerging Risks sind primär durch zahlreiche Wissenslücken hinsichtlich Technologiemerkmalen, künftigen sowie bereits aufgetretener Schäden geprägt. Das Schadenspotenzial wird in den meisten Fällen als weniger problematisch eingeschätzt. Bedenken hinsichtlich möglicher Schäden richten sich verstärkt an künftige, aktive Nanotechnologiegenerationen. Erwartet wird, dass vorrangig die Industrieversicherung betroffen ist. Gleichzeitig wird bei einer zunehmenden Verbreitung der Technologien eine Ausweitung auf die Sparten der Sach- und Lebensversicherung für wahrscheinlich gehalten. Die bisherigen Aktivitäten der Versicherer beschränken sich fast ausschließlich auf Monitoringbemühungen, insbesondere die Erstellung von Risikomatrizen. Abschließende Risikobewertungen liegen momentan auch nach teilweise mehrjähriger Aktivität bei keiner der Organisationen vor. Das Verhalten der Versicherungsunternehmen wird durch vier Institutionen bestimmt: Versicherbarkeit, Konkurrenz am Markt, Risikopartnerschaft und -wahrnehmung. Entscheidungen über Versicherbarkeit sind im Fall von Nanotechnologien durch die Abwesenheit quantitativer, empirischer Daten gekennzeichnet. Diese werden durch subjektive, qualitative Expertenurteile und Informationsmittel ersetzt und sind abhängig von der Ausgestaltung der Versicherungsverträge. Ein Faktor, der einer engeren Vertragsgestaltung entgegenwirkt, ist die Konkurrenzsituation unter Versicherern. Im Kontext unsicherer Handlungssituationen und der Abwesenheit vollständiger vertraglicher Erfassung spielt zudem Vertrauen in die "Risikopartnerschaft" eine wichtige Rolle für die Beteiligten. Die vierte Institution bilden branchenweit geteilte Wahrnehmungsmuster ("frames"), die sich durch frühere Schadensfälle und Debatten herausbilden. Diese bestehen zum einen in Analogien zu früheren Risiken (Asbest und Gentechnologie), zum andern in geteilten Risikobegriffen und Konzepten, die Risikosachverhalte sinnhaft erschließen. Die künftige Entwicklung des Themas Nanotechnologien hängt von Ereignissen ab, die die Aufmerksamkeit für das Thema erhalten oder verstärken. Die wichtigsten Ereignisse im weiteren Versicherungsumfeld, die zu Veränderungen in der aktuellen Situation führen können, sind wissenschaftliche Befunde zu Risikopotenzialen, neue Gesetzgebung und Rechtsprechung und ein Wandel der öffentlichen Meinung zu Nanotechnologierisiken. Treten in der Zukunft keine signifikanten Ereignisse ein, die belegen, dass Nanotechnologien als Risiko ein hohes Schadenspotenzial bergen, wird das Thema aller Voraussicht nach in den kommenden Jahren kontinuierlich an Bedeutung verlieren. Dem gegenüber steht ein diskontinuierliches Szenario bei Schadenseintritten, bei dem die Versicherer aufgrund der veränderten Risikobewertung und bisherigen Framings des Themas zu einer Verengung des Versicherungsschutzes bis hin zu Ausschlüssen angehalten wären. Aktuell scheint eine Verengung der Zeichnungsbedingungen für Nanotechnologien weder notwendig noch durchsetzbar. Stattdessen ergeben sich drei Handlungsmöglichkeiten: Monitoring, Dialog mit dem engeren und Dialog mit dem weiteren Versicherungsumfeld. Monitoring im Hinblick auf Bedingungen der Versicherbarkeit bildet die momentan vorrangige Handlungsstrategie in der Versicherungswirtschaft. Dialoge mit dem engeren Versicherungsumfeld können neben einem Mehr an Informationen zur Versicherbarkeit zu einer Steigerung wechselseitigen Vertrauens sowie einer Mitgestaltung der Risikoframes führen. Eine zweite Dialogform bezieht das weitere Versicherungsumfeld in den Austausch von Informationen und Positionen mit ein. Beide Formen des Dialogs fanden aber in der Vergangenheit nur in begrenztem Umfang statt. Betrachtet man die Rolle der Versicherer im gesamtgesellschaftlichen Risikomanagement, wird deutlich, dass eine Vielzahl von Akteuren das Verhalten der Versicherer beeinflusst und ein zunehmendes Bewusstsein für diese Wechselwirkungen und gegenseitigen Rollenzuweisungen besteht. Versicherer wirken bei Nanotechnologien jedoch nicht gezielt auf die Entwicklung von Technologierisiken ein, sondern verhalten sich vorrangig reaktiv. Gegenwärtig ist alleine die Risikominderung bei Industrieunternehmen durch die Übertragung finanzieller Risiken von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung. Versicherer haben in der Vergangenheit zum Framing des Risikos beigetragen. Aktuell sind sie diesbezüglich aber nicht mehr aktiv und wirken auch nicht an der Vorbeugung von Risiken im Rahmen des technischen Risikomanagements mit. Als eines der gegenwärtig bedeutsamsten Technologiefelder werden Nanotechnologien in den kommenden Jahren in der Industrie wie für den Verbraucher weiter an Bedeutung zunehmen. Bei Versicherern ist inzwischen ein Problembewusstsein etabliert, und erste Risikomanagementmaßnahmen wurden ergriffen. Wie sich das Thema in der Versicherungsindustrie weiterentwickeln wird, ist aber von der noch offenen Risikobewertung und dem Verhalten der Versicherer abhängig. Hinsichtlich der Informationsgewinnung, aber auch hinsichtlich stabilisierender Faktoren, wie der Risikopartnerschaft mit den Kunden und einer erhöhten Risikowahrnehmung, ist ein aktiver Austausch im Sinne eines offenen Dialogs mit dem primären Versicherungsumfeld der effektivste, wenn auch nicht einfachste Weg. Ein Dialog mit dem weiteren sozialen Umfeld wäre im Hinblick auf das gesellschaftliche Risikomanagement zu wünschen, ist aber in der aktuellen Situation von den Versicherungsunternehmen nicht zu erwarten. ; Using the example of nanotechnologies, the dissertation attends to the question how insurance companies assess the risks of emerging technologies, how they react in view of numerous knowledge gaps and how this has an effect on the technological risk management of society as a whole. In order to analyse the handling of nanotechnologies in the context of different types of organisations, a neo-institutional perspective is applied. The empirical part of the dissertation consists of 39 guided interviews with representatives of direct insurance companies and reinsurers, industrial enterprises, insurance brokers, investors and rating agencies, public institutions, governmental regulation authorities and research institutions. Emerging risks are insurance risks, which are characterised by a high level of ignorance and damage potential. Both arise from the combination of technical conditions and the social embeddedness of insurance companies. Nanotechnologies as emerging risks are primarily marked by a high degree of knowledge gaps with regards to characteristics of the technologies, present and future damages. The second feature of emerging risks, the damage potential, usually is estimated as less problematic. Concerns about possible damages are to an increasing extend directed at future nanotechnology generations. It is expected that industrial insurance is primarily affected. At the same time, with an increasing dispersal of nanotechnologies, an expansion towards other classes of insurance such as property and life is considered probable. The previous activities of insurance companies limit themselves to risk monitoring, particularly risk matrixes. However, even after several years of risk management activities, final risk assessments do not exist. The behaviour of insurance companies is determined by four institutions: insurability, competition in the market, risk partnership, and risk perception. In the case of nanotechnologies, decisions about insurability are characterized by the absence of empirical, quantitative data. These data are replaced by subjective, qualitative judgements of experts and information tools that depend on the form of the insurance contracts. One factor which opposes stricter underwriting rules is provided by the competition in the insurance markets. In the context of uncertain decision making and the absence of complete contractual coverage, trust in the so-called risk partnership is of central importance for those involved. The fourth institution is constituted by collective perception frames, which are developed because of earlier insurance damages and risk debates. These frames are provided on the one hand by analogies with prior risk cases (such as asbestos and genetically modified organisms), on the other hand by collectively shared notions and concepts of risk. The future development of the topic nanotechnology in the insurance industry depends on events that preserve or increase the awareness for risk issues. The most important events in the wider social setting of insurances that can lead to changes are scientific evidence about risk potentials, new legislation and jurisdiction and a change in the public opinion towards the risks of nanotechnologies. The most significant event in the closer social environment would be an industrial accident. Factors internal to the insurance industry are the framing of nanotechnologies as emerging risk similar to asbestos and genetic engineering, the behaviour of competitors, and the imitation of risk-monitoring activities. If there are no significant events in the future proving, that nanotechnologies as a risk hold a high damage potential, it is most likely that the issue will continuously become less significant in the years to come. This scenario can be contrasted with a development caused by extensive insurance damages. Because of a change in the risk assessment and because of existing framing patterns, stricter underwriting rules to the extend of excluding the coverage of nanotechnologies from the insurance contracts are possible. Currently, a narrowing of underwriting rules for nanotechnologies seems to be neither necessary nor enforceable. Instead, three different management options exist: Risk monitoring, a dialogue with the closer, and a dialogue with the wider social environment of insurance companies. Risk monitoring with regard to conditions of insurability represents the primary strategy applied by the insurance industry at the moment. Because of the extensive knowledge gaps in the case of nanotechnologies, these efforts, however, come up against their limits. Dialogues with the close insurance setting can help to broaden the information base, increase mutual trust and impact the collective risk frames. The second form of dialogue can include the wider social environment of insurance companies for the exchange of information and opinions. However in the past both forms of dialogue were limited in time and extend. Focusing on the role of insurance companies in the societal governance of risks, it becomes clear that a multitude of actors involved impact on their behaviour, and that there is a growing consciousness for the interdependencies and mutual expectations. However, insurance companies do not try to influence the development of technology risk directly but mostly portray a reactive behaviour. At the moment, the only contribution to the societal management of nanotechnology risks is constituted by the transfer of financial risks for industrial enterprises. Insurance companies contributed to the framing endeavours, primarily on the socio-economic dimension, in a period from 2002 to 2006. Currently though, insurance companies are not active in this field and do not contribute to the prevention of risk with regard to the technological risk management. Constituting one of the most important fields of technological development, nanotechnologies will become of major importance in the industrial sector as well as for consumers in the years to come. Insurance companies have established a consciousness for the risks and initiated first risk management activities. These however have declined in recent years. How the topic will develop for the industrial insurance depends on the behaviour of the insurance companies and the risk assessment that is still very much uncertain. With regard to the gathering of information and stabilising factors, such as the trust in partnership and heightened levels of risk perception, an open dialogue in the closer social environment seems to be the most promising strategy for insurance companies. A dialogue with the wider social surroundings would be desirable for the societal risk governance process but is unlikely to be carried out in the near future.
Die Nanotechnologie-Forschungsförderung wurde in den 90er Jahren in einem exklusiven Zirkel von Vertretern aus Industrie, Technikwissenschaften und Ministerien vorbereitet. Da transdisziplinäre Wissensformen, mittels derer beispielsweise das Vorsorgeprinzip von vornherein hätte konkretisiert werden können, nicht in die Forschungsprogrammatik einbezogen waren, müssen Regularien im Nachhinein entwickelt werden. Diese Reparaturarbeiten im Nanokosmos, die insbesondere Regularien für nicht-gebundene Nanopartikel in Kosmetik und Lebensmitteln entwickeln helfen sollen, sind zwar zentral für eine 'verantwortungsvolle Entwicklung', kommen jedoch ein weiteres Mal viel zu spät. Diese Entwicklung könnte sich wiederholen: Denn in Bälde könnten qualitativ neuartige Nanotechnologien entwickelt werden. Im Wettlauf der Zukunftstechnologien wird die Staffel rasant weitergegeben, denn dem Nano-Hype folgte die Diskussion über konvergierende Technologien. Jetzt steht die Debatte über synthetische Biologie an. Nur wenn es gelingt, gesellschaftliche Kernfragen (wie beispielsweise den Umgang mit dem Klimawandel) von vornherein in die vermeintlich nur technischen Fragestellungen neuer Forschungsgebiete zu integrieren, wird eine wirksame Governance der Risiken von Zukunftstechnologien möglich. Nur dann werden sich Zukunftstechnologien auf gesellschaftliche Erfordernisse ausrichten lassen. (ICF2)
Der Beitrag geht von dem Widerspruch aus, dass trotz der Funktion von Sozialarbeit als "agency for social change" in der Wahrung und Durchsetzung der Menschenrechte teilweise bewusst oder unbewusst AdressatInnen im Zuge bestimmter Intersektionalitäten auch durch fachdienstliche Sozialarbeit ausgegrenzt und benachteiligt werden. Nach einer theoretischen Einbettung präsentieren die Verfasserinnen Fallbeispiele zur Diskriminierung im Beratungsalltag von Fachdiensten Sozialer Arbeit. Es schließen sich Überlegungen an, wie diese vermieden werden können und wie professionell mit den daraus entstehenden Konflikten umgegangen werden kann. (ICE2)
Die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl hat deutlich gemacht, daß eine geeignete Kompetenzverteilung zwischen den betroffenen Ressorts und Gebietskörperschaften ein zentrales Problem mit schwerwiegenden Folgen darstellt. Eine Untersuchung von Verwaltungsreaktionen auf radioaktiven Fallout in 51 Kreisen und kreisfreien Städten der Bundesrepublik hat ein beträchtliches Improvisationsvermögen auf unterer Verwaltungsebene deutlich gemacht. Angesichts fehlender gesetzlicher Regelungen und Verwaltungsvorschriften war das Verwaltungshandeln bestimmt von der vorhandenen Sachkompetenz, von lokalen Risikobedingungen und früheren Erfahrungen. Das Ausmaß radioaktiver Strahlung oder gesellschaftliche Konflikte haben offensichtlich nur eine Nebenrolle gespielt. Angesichts der begrenzten Kapazität gesetzlicher Regelungen und der zunehmenden Bedeutung von Verwaltungshandeln sprechen die Ergebnisse der Untersuchung eher für eine Verbesserung örtlicher Meßtechnik als für eine übereilte Zentralisierung von Verantwortung. (WZÜbers.)