Gibt es eine intime Beziehung zwischen sexueller Freiheit und Marktfreiheit? Bilder dissidenter Sexualität und geschlechtlicher Ambiguität finden sich heute nicht nur in sexueller Subkultur, sondern auch in Kunst und kommerzieller Werbung. Die entstehenden Überlappungsfelder – queere Diskurse in kommerziellen ebenso wie neoliberale Diskurse in queeren visuellen Produkten – sind Schauplätze kultureller Politiken. Antke Engel führt den Begriff der »projektiven Integration« ein, um zu zeigen, dass dort, wo vormals Abwehr oder Assimilation propagiert wurde, heute Differenzen als kulturelles Kapital codiert und ökonomisch verwertbar werden. Es zeigt sich, dass diese affirmativen Investitionen in Differenz maßgeblich über Sexualität vermittelt sind. Genau hieraus erwachsen jedoch auch Möglichkeiten queerer Herrschaftskritik. In acht close readings von visuellem Bildmaterial lotet Antke Engel in ihrem neuen Buch das Verhältnis von Sexualität und Ökonomie aus und entwickelt eine queere Kritik neoliberaler Entwicklungen. Die Lektüre des Coverbildes, eine Collage der Wiener Künstlerin Ines Doujak, soll vorgestellt werden. Anhand dieser Lektüre wird das Paradox als eine Figur eingeführt, die es erlaubt, die Analyse sozio-ökonomischer, psychischer und symbolisch-kultureller Prozesse miteinander zu verbinden. Der Einsatz von Paradoxien erscheint deshalb interessant, weil er einerseits dazu dient rigide binäre Geschlechter- und Sexualitätsvorstellungen in Bewegung zu versetzen, andererseits aber auch zur Durchsetzung neoliberale Transformationen beiträgt. Argumentiert werden soll, dass Paradoxien genau dann ein kritisches Potenzial entfalten, wenn sie nicht aufgelöst oder in antagonistische Widersprüche übersetzt werden. Im Gespräch mit der Journalistin und Queer-Aktivistin Nina Schulz wurden sowohl Fragen queerer Ökonomiekritik als auch die Methoden der Bildlektüre und ihre politischen Potenziale diskutiert. Antke Engel ist Direktorin des Institute for Queer Theory und seit Herbst 2007 Fellow am ICI Berlin. Ihr Buch Bilder ...
Die Sexualität im Frühwerk Arno Schmidts stellt ein umfangreiches und komplexes Thema dar, das dennoch auf gewisse Grundmuster und –vorgänge reduziert werden kann. So haben sich bei der Begegnung von Menschen untereinander klare Linien ergeben, anhand derer viele Gespräche eingeordnet und analysiert werden können. Unterschieden werden können mehrere Gesprächstypen, in denen sich bestimmte Verhaltensweisen der Schmidtschen Protagonisten zeigen: In den geschlechtlich gemischten Gesprächsrunden dominieren zotige Aussagen und Anspielungen, meist gegenüber den am Gespräch beteiligten Frauen. Diese Zoten verankern den Erzähler und seine Beobachtungen zum einen im Alltag, sofern sie von Umstehenden getätigt werden, zum anderen werden die Erzählungen dadurch aber auch erotisch aufgeladen, d. h. die überwiegende Alltagstristesse wird erotisiert. Da die Erzähler selbst selten zu Zoten neigen – das widerspräche ihrem nach außen getragenen Intellekt -, werden so die Bemühungen der anderen, ihr Leben erotisch aufzuwerten, vorgeführt; man könnte auch sagen, dass eine in Bezug zu den Schmidtschen Protagonisten andere Form der Sexualität dargestellt wird, von der sich die Erzähler in ihrem eigenen Erleben zu unterscheiden versuchen. Erotisch konnotierte Gespräche dagegen verweisen auf anderer als der sprachlichen Ebene auf die Veknüpfung von Menschen: Neben der Rede ist die Sexualität ein intimes und damit auch verbindendes Moment, das sich mit Hilfe von sexuell eingefärbter Sprache auf eine ganze Gruppe von Menschen ausweiten, und diese sich näher kommen lässt. Frauen vertreten in Gesprächsrunden in den Augen des Erzählers meist langweilige und wenig eigenständige Meinungen. Sie stellen vielmehr eines der Mittel dar, sich selbst gegenüber den anderen männlichen Gesprächsteilnehmern zu erhöhen – insofern zählt wenigstens der Eindruck, den eine Frau vom Erzähler im Laufe des Gesprächs gewinnt. Sexualität und das Reden darüber, sowohl in prüder zotenhafter Manier, als auch in versteckter, bloß andeutender Form, sind wichtige Mittel im zur Zeit Schmidts prüden Deutschland, dessen verkrampfter Alltag den Menschen keine Möglichkeit bot, ihre Sexualität abseits von den genannten Gesprächsformen zu benennen und zu diskutieren. In den Männergesprächen spiegeln sich deshalb auch häufig die sexuellen Probleme und Vorstellungen der Männer, für die ihre Gespräche eine Art Katalysatorfunktion übernehmen, um ihrem aufgestauten Alltagsfrust in wenigen Momenten gemeinsam zu entfliehen. Ihre Gespräche kontrastieren so Wunsch und Realität, und zeigen die Spannungen zwischen diesen beiden Polen auf. Im direkten Gespräch mit Frauen wird die Rede des Erzählers zu einem Instrument der Verführung: Die Leidenschaften des Geistes sind es, die die Reden der Erzähler gegenüber potentiellen Partnerinnen transportieren, um sich von den anderen primitiven Männergestalten abzuheben. Innerhalb dieser Gespräche wird also weniger Sexuelles vermittelt, als vielmehr die Voraussetzung für spätere Sexualität geschaffen. Die zur Schau gestellte Wissensdominanz des Erzählers garantiert ihm Zuwendung und Zuneigung, die beide eng mit der intellektuellen Anerkennung verbunden sind – körperliche Potenz spiegelt sich demnach in der geistigen, die einen höheren Stellenwert einnimmt. Innerhalb dieses Gefüges wird die Frau in die Rolle der Zuhörerin und Schülerin verwiesen, durch die sie die Liebe und Selbstliebe, sowie die Fremd- und Eigenanerkennung des Schmidtschen Mannes befördert: Je stärker die Anerkennung der Frau, die häufig auch mit Liebe verwechselt wird, desto größer ist die Selbstbestärkung und eigene Anerkennung der Protagonisten, nach der sie pausenlos suchen. Inmitten ihrer Verführung wird die Frau so zum Mittel und Spiegel der Selbstverliebtheit der Erzähler, die sich über ihre Eroberung geistig selbst bestätigen. Die bereits zu Beginn einer Beziehung deutlich sichtbare Wissensdominanz der Protagonisten führt jedoch schon bei den ersten Annäherungsversuchen auch zu einer Distanz zwischen den Partnern, die sich nicht auf gleicher Ebene begegnen. Das, was eigentlich zu Intimität führen soll, zerstört dieselbe sofort wieder, denn Sexualität kann nur stattfinden, sobald die Frau die männliche Dominanz, und damit auch die Distanz anerkannt hat. Nähe wird deshalb nicht zugelassen, so dass es auch zu keiner wirklichen Liebesbindung kommen kann, die eben diese voraussetzte. Beziehungen sind im Schmidtschen Werk deshalb immer auch etwas Problematisches: In Affären flüchten die Protagonisten vor ihrem Alltag, und versuchen, eine Art Gegenbild zu diesem zu konstatieren. In einer Welt, die nicht an Morgen denkt, weil der Glaube an die Zukunft durch die vergangenen Katastrophen zerstört wurde, ist jedoch nur ein sehr begrenztes Glückserleben möglich; Zukunftsplanungen sind ein Ding der Unmöglichkeit, wo die Reduzierung auf die erlebte Gegenwart erfolgt. Das bestmögliche Einrichten im Vorhandenen erlauben die zwischen Männern und Frauen eingegangenen Zweckgemeinschaften, die keinen Neuanfang wagen, sondern die Dinge nehmen, wie sie sind. Den Beteiligten bieten sie Zuwendung, Beistand und eine gewisse aufscheinende Zärtlichkeit, dabei vergessen beide aber nie ihre eigentliche Situation. Für die Liebe als zunächst unendlich erscheinende Größe gibt es in diesem Begrenzt-Gegenwärtigen keinen Raum. Auf diese Weise wird die Einsamkeit zum zentralen Punkt, dem man zu entfliehen versucht, ohne nach wirklicher Nähe zu suchen: Die Zweckgemeinschaften stellen deshalb weniger ein Mit-, sondern vielmehr ein Füreinander dar. Anders als diese freiwillig eingegangenen Zweckgemeinschaften, werden Ehen häufig aus Zwang, sexueller oder materieller Not geschlossen. Dementsprechend nehmen sie fast ausschließlich einen unbefriedigenden Verlauf: Frustration, Kontrolle und Betrug werden zu alltäglichen Gefühlslagen und Vorgängen. Den Protagonisten bleibt dabei häufig nur die innere Emmigration und ihre sexuellen Vorstellungen, die einen anderen Zustand herauf beschwören. Stellvertretend für die in den Augen der Erzähler eigentlich überflüssige Institution Ehe wird die Ehefrau zur Verkörperung aller innerhalb derselben erfahrbaren Schrecken und Unzumutbarkeiten – die Ehefrau ist in ihrer Funktion so der Inbegriff allen Negativen, wenn es um zwischenmenschliche Beziehungen geht. Innerhalb dieser Beziehungsgeflechte kommt es so vermehrt zu Entfremdungserscheinungen der Partner, aber es werden auch konkrete Trennungssituationen geschildert, die sich aus der Bindungsunfähigkeit aller Beteiligten ergeben. Die Rahmenbedingungen lassen oft keine wirkliche Nähe, dafür Unannehmlichkeiten aufkommen, denen die Protagonisten und ihre Partnerinnen nicht gewachsen sind. Auch hier gilt: Stetigkeit ist kein Faktor der nachkatastrophischen Lebenswelt, in der sich die Schmidtschen Erzähler zurechtfinden müssen. Sexualität und Erotik sind demnach in eigene Vorstellungswelten eingebunden, die die Wirklichkeit zwar nicht umgehen, aber für kurze Zeit ausschalten: Diese Vorstellungen werden jedoch nur selten direkt geäußert – sie stellen Gedankenspielereien und eine Möglichkeit der Kompensation des alltäglichen Nichterlebens dar. Die von sexuellen Gedanken und Vorstellungswelten durchzogenen und durchbrochenen Handlungsstränge münden in eine Diskontinuität des Erlebens, d. h. es gibt keinen epischen Fluss von Ereignissen. Diese Form der Prosa passt sich so der porösen Struktur des Gegenwartsempfindens der Protagonisten an; eine Auflösung von Kontinuität, die sich auch im aufgebrochenen Satz- und Schriftbild der Schmidtschen Texte widerspiegelt. Die erotischen Gedankenspielereien der Erzähler durchziehen auf diese Weise als kompensatorische Handlungen sowohl die Struktur-, wie auch die Inhaltsebene, und bringen die Zerrissenheit der Protagonisten zwischen Alltagserleben und Wunschdenken zum Ausdruck. Die Aneignung fremder erotischer Phantasien mittels verschiedener Schriftmedien wird damit zur Ausgangsbasis für das eigene Erleben und eine Flucht aus dem Alltag, die durch hohe Identifikationswerte den Zugang und die Fluchtbewegung hin zu einem anderen Leben erleichtert. Der Akt selbst ist auf unterschiedliche Weise codiert: Die unmittelbaren Schilderungen zeigen eine totale Verschmelzung von sexuellem Subjekt und Objekt durch aufgelöste Körpergrenzen mit der Umgebung. Die konkreten sexuellen Vorgänge werden dabei mit Hilfe von Metaphern poetisch verfremdet, so dass dieses Metaphernsystem auch den Widerspruch von Anziehung und Abstoßung bei den Protagonisten selbst überlagert. Die Aufhebung des eigenen Körpers in der Körperlichkeit, sowie die Reduzierung der menschlichen Sprache auf bloße Laute, erscheinen den sonst der Rede und Schrift verhafteten Erzählern als unbehagliche Effekte von Sexualität, die auf eine Auslöschung des Individuums im Akt hinauslaufen; dies spiegelt sich auch in der häufigen Verwendung von Erstickungsmetaphern wider. Durch die absolute Reduktion der Darstellung auf Zeichen oder ein betontes Vorher und Nachher, tritt nicht nur eben jene Sprachlosigkeit der am Akt beteiligten Erzähler offen zu Tage, sondern es wird auch deutlich, dass sich die Protagonisten selbst, wie auch dem Leser, ein genaues Hinsehen versagen. Intimität trägt dementsprechend positive und negative Züge, für die es keinen wirklichen Ausgleich zu geben scheint. Zentral für die Koitusdarstellung ist deshalb auch das Motiv des Wassers, das auf die unerwünschten Fortpflanzungsfolgen von Sexualität verweist, welche letztlich nichts anderes als die Angst vor der Schuld offenbaren, das schmutzige und leidvolle Lebensprinzip aufrecht erhalten zu haben; der sich daraus ergebende Abscheu vor allem Organischen ist überall spürbar. Diese Spannung und das Wissen, dass man dem Allen nicht wirklich entfliehen kann, da sich auch der Verweigerer gewissen Lebensprinzipien unterzuordnen hat, zeigt sich nicht nur bei den Schmidtschen Erzählern, sondern auch beim Autor selbst. In den deutlich ausgesprochenen Ekel mischt sich die Furcht vor den eigenen Alters- und Verfallserscheinungen, so dass der Abscheu vorm Organischen an sich auch ein Ekel vor sich selbst und der eigenen Existenz ist. Diese ist ebenso der verantwortungslosen Sexualität der Eltern geschuldet, wie auch dem verhassten Lebensprinzip – die Schmidtschen Erzähler wissen demnach alle, dass sie, vor allem ihrer eigenen Vorstellung nach, kein wirkliches Existenzrecht besitzen. Sexualität rückt so in das direkte Spannungsfeld von Leben und Tod: Während sie auf diese Weise zum einen auf den Tod verweist, verdrängt sie denselben zugleich durch die Vitalitätsbezeugung, die dem Vorgang zu Grunde liegt. Das ist das Paradoxon der Schmidtschen Protagonisten, das diese nicht wirklich überwinden, das sich aber auch von außen betrachtet nicht auflösen lässt, und deshalb als solches im Werk existent ist und bleibt. Einzig die Natur, deren Bestandteil der Mensch ist, wird zu einem sexuellen Symbol, mit dem sich manchmal auch leben lässt, obwohl auch sie Trägerin und Übermittlerin des verabscheuten Lebensprinzips ist: Sie ist zugleich aber auch Metaphernlieferant und Kulisse. Für nahezu alle Schmidtschen Frauen ist die Erfahrung von Sexualität an eine andere Form des Ekels gebunden, da sie sie zu oft in Verbindung mit Gewalt erlebt haben: Vergewaltigungen und sexuelle Gewalt werden so zur erschreckenden Normalität in Bezug auf die Erfahrungen der Kriegs- und Nachkriegsgeneration. Die damit oftmals einhergehende Zerstörung des Lustempfindens wirkt sich in den meisten Fällen auch auf die sexuelle Beziehung zum Erzähler aus. Die Zäsur "45" symbolisiert beispielsweise für Hertha das Hereinbrechen ihrer Katastrophe von Flucht und Vertreibung, verbunden mit als sexuell empfundener Gewalt, die sie orientierungslos machte, und nach Halt in der Beziehung mit Karl suchen ließ. Aber auch die Männer sind durch ihre eigenen Kriegserlebnisse geschädigt, weshalb Männer wie Frauen gleichermaßen unter den schlechten Erfahrungen und dem Verlust der im Krieg vergeudeten Jahre leiden. Das Schönreden hilft in diesen Fällen wenig, aber in der verfehlten Kommunikation blitzen des Öfteren die eigentlichen Probleme und ihre Ursachen auf, denen sich beide Seiten nicht stellen wollen und können. Aus diesem Grund versuchen alle, sich bestmöglich an das anzupassen, was man vorfindet. Innerhalb der Texte, die im Nachkriegsdeutschland zu verorten sind, wird die historische Katastrophe jedoch nur zitiert, so dass die allgemeine Situation mit dem Einzelfall und den sich daraus ergebenden eigenen Spannungen zusammenfällt. Dennoch zeigen sich auch in Schmidts eigentlich pessimistischen Werk optimistische Züge: Zwar sah Schmidt für die menschliche Zukunft im Allgemeinen schwarz, aber im Besonderen sehen seine Erzähler in Bezug auf ihre Sexualität auch eine gewisse Hoffnung aufscheinen. Auswege aus der sexuellen Misere zeigen sich in einer Form sexueller Utopien, die keinen Bestand als dauerhafte Gegenmodelle haben, wo die Flucht aus dem Alltag aber für kurze Zeit gelingt: Dort verwandeln sich Gewalt- in Sexualakte, d. h. Angst in Angstlust, die Sexualität wieder erträglich macht. Der Voyeur verdeutlicht die bereits erwähnten Widersprüche von Abstoßung und Anziehung nur noch, und verkörpert in seiner Figur die langsame Überleitung zu den Protagonisten des Spätwerks. In den "Ländlichen Erzählungen" der 60er Jahre findet ein Wandel der Präsentation und Präsenz von Sexualität im Werk Schmidts statt – im Spätwerk, wo die Fusion von Misere, Resignation und Humor erst gänzlich vollzogen wird, stellt Sexualität immer eines der Hauptthemen dar. Die Frauengestalten im Frühwerk zeichnen sich durch eine auffallende Abwesenheit von Schönheit aus, sind dadurch aber auch sehr der Realität verhaftet. Sie verkörpern oft den modernen berufstätigen Typ, sind sachlich, nüchtern und glatt. Der Typus der Kindfrau lockt dagegen mit einer körperlichen und geistigen Unversehrtheit, sowie einer gewissen Rätselhaftigkeit, die vor allem den modernen Frauen abhanden geht. Aus diesem Grund eignen sie sich besonders gut als Projektionsfläche für die Sehnsüchte der männlichen Protagonisten. Auch die Sekretärin ist die Verkörperung erotischer Phantasien, denn die Protagonisten finden in ihr die Verbindung von Praktischem und Glück in der Arbeit und der Arbeitsbeziehung. Die anderen Frauen müssen erst ihrer Verwurzelung in der Realität und im Alltag enthoben werden, um eine erneute Verschlüsselung zu erfahren: Der aufgebaute agesellschaftliche Kontext macht sie zu erotischen Kulturwaisen, denen der Erzähler zum einen mit seiner Wissensdominanz begegnet, die dadurch aber auch vom Leid der übrigen Menschheit ausgeschlossen werden. Die Wandlung der Frauen- in mythologisierte Gestalten bezeichnet das Hinübergleiten in eine Sphäre des Uneindeutigen, wo Sexualität stattfinden kann. Die Partnerinnen durchlaufen dabei in den Augen des jeweiligen Erzählers nicht nur eine Gestalts-, sondern auch eine Wesensveränderung, so dass bereits an diesem Punkt eine Parallele zum individuumsauflösenden Akt gezogen wird. Darin offenbart sich zudem vollends die Wildheit der Frauen, die zu Mischwesen werden, die wiederum dem Protagonisten den sexuellen Zugriff erleichtern. Ein Eingreifen oder auch Verändern der leidvollen Wirklichkeit kann darüber hinaus nur erfolgen, indem man die Frauen derselben entreißt, um sie in veränderter Form wieder in diese zu entlassen. Ein ähnlicher Prozess liegt auch dem Phänomen der Sexualisierung von Gegenständen, Tätigkeiten und Alltagssituationen zu Grunde, die Besonderes hervorhebt, Lustvolles unterstreicht, erotisch einfärbt und eine nicht vorhandene Sexualität kompensiert. Sie verdeutlicht zudem den provokativen Charakter des scheinbar Normalen, indem sie gesellschaftliche Vorgänge kontrastiert und auf den Punkt bringt, wo andere sprachliche Mittel zu direkt wären oder versagten. Durch die mit Hilfe der Verschiebung aufgebaute Distanz besitzt die Sexualisierung bestimmter Tätigkeiten, Gegenstände und Situationen außerdem eine katharsische Wirkung, die eine der Voraussetzungen für kritische Ansätze darstellt. Dass Schmidt unter dem Einfluss der Psychoanalyse stand, zeigt sich in der Hervorbringung von Mehrfachbedeutungen durch sprachliche Verformungen im Sinne Freuds, wie sprachliche Fehlleistungen, Versprechen oder Verschreiben. Zunächst ging damit jedoch weniger ein wirklich psychoanalytisches Studium des eigenen Werks einher, sondern vielmehr eine sprachlich-ästhetische Bereicherung der literarischen Produktion. Die Sprache ist bei Schmidt aber mehr als ein bloßes ästhetisches Betätigungsfeld – sie ist ebenso zentral für die werkimmanente Auffassung von Sexualität, die immer von Sprache abhängt: in ihrer Anbahnung, in ihrer Beschreibung, in ihrer Form der Kritik. Sexuelle Sehnsüchte und Vorstellungen finden so auch immer Eingang in Schrift- und Lautbild der Texte. Das Reden über und für Sexualität wird so zur sexuellen Ersatzhandlung; es findet eine Verlagerung von der praktischen auf die sprachliche Ebene statt, wie sie sich vollständig bei den Erzählern des Spätwerks zeigt. Durch die Verknüpfung von Sprache und Sexualität wird auch der kreative zu einem sexuellen Prozess, aus dem das Werk als Produkt hervorgeht. Dieses Produkt ist zugleich ein gesellschaftskritisches Mittel der Entlarvung, indem es das beschreibt, was der Autor vorfindet. Die Realität kann deshalb nicht weniger pornographisch sein als das, was Eingang in die literarische Schilderung findet. So wie jedoch das Lob der menschenleeren Welt in "Schwarze Spiegel" als Ausdrucksform des Hasses auf die Selbstdestruktivität des Menschen zu lesen ist, so braucht auch der Misanthrop, der sich in diesen Kritiken offenbart, die Menschen, gegen die er seinen Hass und seine Verachtung richten kann. Die Provokation wird so eine im Angesicht des Publikums, das sie zur Kenntnis nimmt. Der scheinbare Gegensatz von Autor und Publikum ist deshalb ein ebenso oberflächlicher, wie der von Landvolk und Intellektuellem, der das Objekt seiner Verachtung anerkennen muss, um sich von ihm abstoßen zu können. Es handelt sich vielmehr um ein dialektisches Verhältnis, dessen Unvereinbarkeit vom Grad der Bildung der Beteiligten abhängt; das gilt auch für die aufgemachte Konkurrenz von Geist und Sexualität. Die Widersprüche von Anziehung und Abstoßung findet man überall im Schmidtschen Werk vor, so auch auf dieser Ebene. Ab dem Ende der 60er Jahre zog die vom Spätwerk ausstrahlende und verfolgte Ethik des Verzichts jedoch endgültig eine Trennlinie zwischen dem Autor und der Welt. Der Rückzug aus der Welt und die Konzentration auf sein Spätwerk zeigen, wie die Widersprüche der Protagonisten auf der Ebene von Schmidts Leben wirken: Worauf im realen Leben zugunsten des Geistes verzichtet wird, das spiegelt sich in literarischer und damit geistig verarbeiteter Form auf der Textebene wider, wo in Gesprächen vor allem Sexuelles aufgearbeitet und besprochen wird – die Auseinandersetzung auf Textebene ist also ebenfalls eine geistige. Damit sind die Widersprüche nicht beseitigt, haben aber auf der aktiven Seite von Sexualität keinen Platz mehr. Schönes wird im Werk nicht geschildert, aber durch Worte wird Schönes erzeugt, ebenso wie Glück nicht wirklich empfunden, aber Vergnügen beim Lesen hervorgebracht wird. Das Paradoxon des Schmidtschen Werks eröffnet sich somit auch dem Leser. Arno Schmidt mag in seinen Schilderungen zwar von Lebensidealen abweichen, aber nicht zwingend von der Wirklichkeit. Seine Protagonisten halten sich in dieser mit Gesten trotzigen Ungeschicks, im Rückzug auf eine biologische Komik und in der Hoffnung auf einen reinen Geist über Wasser - in dieser Welt passiert Erotik im Kopf, Sexualität findet in Grenzsituationen statt und Liebe muss letztlich scheitern.
Die hier vorliegende Bachelorarbeit befasst sich mit Sexualität und Sterben. Die Verbindung von Sexualität und Sterben sorgt in den meisten Köpfen für Verwirrung. Und doch stellen die beiden Themen in der Kombination eine Realität dar. Trotzdem kann in der Praxis der Palliative Care beobachtet werden, dass die Thematik Sexualität oftmals unausgesprochen bleibt. Folgende Bachelorarbeit verleiht diesem unausgesprochenen Thema eine Stimme und durchbricht ein Tabu. Mittels aktueller und internationaler Literatur, einem Expertinneninterview und dem Austausch mit Praxisorganisationen gehen wir der Frage nach "Welche Unterstützung die Soziale Arbeit bieten kann, um mit dem Spannungsfeld von Sexualität in der Praxis der Palliative Care umzugehen." Die Bedeutsamkeit von Sexualität in palliativen Lebenssituationen wird mit der Theorie der Lebensbewältigung nach Lothar Böhnisch erklärt. Die Soziale Arbeit als Teil des interprofessionellen Palliative Care Team, sollte mit ihrer Ausrichtung auf die Menschenrechte und somit auch auf die sexuellen Rechte interessiert daran sein, Sexualität einen Platz auch in palliativen Lebenssituationen einzuräumen. Dazu soll die Soziale Arbeit das interprofessionelle Palliative Care Team hinsichtlich der Mehrdimensionalität von Sexualität sensibilisieren und fachlichen Support bezüglich Gesprächsführungskompetenzen bieten. Dies ist elementar, da ein Gespräch über Sexualität nebst fachlichem Wissen auch ausgereifte Gesprächsführungskompetenzen benötigt. Als unterstützendes Instrument wird das bestehende PLISSIT Modell für die Gestaltung von Sexualität in palliativen Lebenssituationen in der vorliegenden Arbeit modifiziert. ; + Code Diss LU: hslusa basp be 2021 + Fussnote: Bachelor-Arbeit, Hochschule Luzern – Soziale Arbeit, Studienrichtung Sozialpädagogik 2021 + NL-Code: NLLUHSA202103
Um ›1968‹ unterhalten Sexualität und Kunst bzw. Literatur ein auffallend inniges gegenseitiges Verhältnis: Auf der einen Seite integrieren Sexualtheorien und Aufklärungsbücher regelmäßig Kunstprogramme und Literaturbezüge in ihre Entwürfe, weil sie den künstlerischen Medien entscheidenden Einfluss auf die menschlichen Lebens- und Denkformen zutrauen. Auf der anderen Seite sind umgekehrt in den kunst- und literaturtheoretischen Beiträgen jener Zeit vielfältige sexuelle Obsessionen auszumachen – auch jenseits der 'üblichen Verdächtigen'. So zeigt sich etwa in den ästhetischen Theorien von Adorno, Barthes, Leslie Fiedler, Susan Sontag oder Ludwig Marcuse eine markante Tendenz zur Erotisierung. Diesem Wechselverhältnis entsprechend, bedeutet es einen doppelten Gewinn, die beiden Felder in Beziehung zueinander zu betrachten: Zum einen leistet die Fokussierung der Kunst- und Literaturbezüge in den Theorien der Sexualität einen neuen Beitrag zur Sexualtheoriegeschichte. Zum anderen eröffnet der Nachweis von Erotisierungstendenzen in der ästhetischen Theorie und Wissenschaft erstmals einen solchen historisierend-kontextualisierenden Blick auf diese Sphäre. Christine Weder bezieht kanonische ebenso wie unbekanntere Schriften ein und berücksichtigt auch französische und englische bzw. amerikanische Texte. Sie plädiert dafür, dass neben der bisher immer wieder akzentuierten Politisierung der Ästhetik um ›1968‹ der Fokus einer Sexualisierung mindestens so fruchtbar ist.
The author compares theories of sexality and theories of aesthetics around 1968 and find out that there is a strong relation between them. So she states that there is not only a tendency of a politization of aesthetics at that time, but also a tendency to be sexually connotated or even sexualized.
Chapter of Çetin, Z., & Bänziger, P.-P. (Eds.). (2018). Aids und HIV in der Türkei. Psychosozial-Verlag. ; https://www.psychosozial-verlag.de/catalog/product_info.php/cPath/20000/products_id/7457 ; https://doi.org/10.30820/9783837974577 ; peerReviewed ; publishedVersion
Die Einführung der HIV-Prophylaxe PrEP ist ein Beispiel für demokratische Biopolitik und macht Hoffnung auf eine Beendigung von Sexnegativität und Stigmatisierung, findet Dr. Karsten Schubert. Gastbeitrag auf magazin.hiv https://magazin.hiv/2020/01/24/hiv-prep-als-demokratische-biopolitik/
Nicht nur in den (kolonial)politischen Debatten, sondern auch in der Medizin, der entstehenden Ethnologie als auch in kulturtheoretischen Erörterungen wurde die "Rassenfrage" im 19. Jahrhundert zunehmend vor dem Hintergrund der potentiellen "Vermischung von Rassen" verhandelt. Sexualität avancierte dabei zu einem zentralen Scharnier, das individuelles Verhalten mit der Zukunft der zunehmend als "rassisch" definierten deutschen Nation verband. In diesem Artikel wird die spezifische kontradiktorische Rolle von ("interrassischer") Sexualität und Reproduktion für die diskursive Herstellung von vermeintlichen "Rassendifferenzen" im Verlauf des 19. Jahrhunderts, insbesondere aber für das frühe Deutsche Kaiserreich herausgearbeitet. Durch die historische Auseinandersetzung mit der – bis heute wirksamen – Virulenz "rassischer" (d.h. durch Biologismen begründeter sozialer) Differenzen, wird dadurch ein Beitrag zur Theoretisierung des "Anderen" geleistet, der die für jegliche Differenzierungsprozesse grundlegende Bedeutung von Szenarien der Vermischung sowie die spezifische Rolle hybrider Figuren in den Vordergrund rückt. ; Le soi, l'autre et leur mélange. Sur le rôle de la sexualité et de la reproduction dans les discours sur les races du XIXesiècle: Au XIXesiècle, on débattit de plus en plus de la "question des races" dans le contexte d'un éventuel "mélange des races", non seulement dans les débats politiques (sur la colonisation), mais aussi dans le domaine médical, dans celui de l'ethnologie en cours de constitution de même que dans les discussions sur la théorie de la culture. La sexualité reçut le statut de charnière centrale, associant le comportement individuel à l'avenir de la nation allemande, de plus en plus définie par la "race". Cet article fait ressortir le rôle spécifique et contradictoire que jouèrent, au cours du XIXesiècle et tout particulièrement au début de l'empire allemand, la sexualité et la reproduction ("interraciales") dans l'instauration d'un discours de prétendues "différences raciales". Le ...
International audience ; Die Einführung der HIV-Prophylaxe PrEP ist ein Beispiel für demokratische Biopolitik und macht Hoffnung auf eine Beendigung von Sexnegativität und Stigmatisierung, findet Dr. Karsten Schubert. Gastbeitrag auf magazin.hiv https://magazin.hiv/2020/01/24/hiv-prep-als-demokratische-biopolitik/.
Die vorliegende Literaturarbeit befasst sich mit der Frage, wie Professionelle der Sozialpädagogik Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen im institutionellen Kontext unterstützten können, ihre Sexualität selbstbestimmt zu leben. Die Fragestellung wird durch die Auswertung aktueller Fachliteratur zu den Themen Sexualität und Beeinträchtigung erarbeitet. Die Sexualität von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen wird durch rechtliche Grundlagen sowie ethische Prinzipien als Grundrecht- und Bedürfnis behandelt. Zudem werden Gemeinsamkeiten und Besonderheiten der sexuellen Entwicklung von Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen dargelegt. Weiter wird aufgezeigt, dass im institutionellen Kontext unterschiedliche Faktoren eine selbstbestimmte Sexualität beeinflussen. Ungerechtfertigte Vorurteile über die Sexualität von Menschen mit Beeinträchtigungen werden widerlegt und deutlich gemacht, dass eine Bewusstseinsbildung der Gesellschaft von Nöten ist. Basierend auf den Menschenrechten und dem Normalisierungsprinzip wird ersichtlich, dass Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen die gleichen sexuellen Bedürfnisse wie Menschen ohne Beeinträchtigungen haben, jedoch multifaktoriell in der Auslebung gehindert werden. Durch die Auseinandersetzung mit der psychosexuellen Entwicklung und dem sozialen und emotionalen Niveau der Klientel sowie den Erläuterungen zu passiver und aktiver Sexualassistenz, sollen Eltern, Betreuende und Interessierte sensibilisiert werden, einen adäquaten und fördernden Umgang mit der Sexualität von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen zu erschaffen. ; + Code Diss LU: hslusa basp be 2017 + Fussnote: Bachelorarbeit, Hochschule Luzern - Soziale Arbeit, Ausbildungsgang Sozialpädagogik, 2017 + NL-Code: NLLUHSA201710
Menschen mit einer intellektuellen Beeinträchtigung steht, nicht zuletzt durch die UN-Behindertenrechtskonvention, das Recht auf eine selbstbestimmte Sexualität zu. Dieses Menschenrecht soll sich, durch die Verpflichtung der beigetretenen Staaten zu Achtung, Schutz und Gewährleistung von Maßnahmen, auch auf die Lebenswirklichkeit dieser marginalisierten Menschengruppe auswirken. Der Sexualbegleitung, die ein emanzipatorisches Moment auf dem Weg zur Inklusion darstellt, wird nach wie vor zu wenig wissenschaftliche Aufmerksamkeit gewidmet. Das Ziel der vorliegenden Untersuchung besteht darin, sich mit dem doppelten Tabu "Sexualität und Behinderung" auseinanderzusetzen, Voraussetzungen für eine selbstbestimmte Sexualität zu erfragen und den Stellenwert der Sexualbegleitung im Hinblick auf den Inklusionsgedanken zu diskutieren. Diese Masterarbeit gibt Aufschluss darüber, wie das Angebot der LIBIDA-SEXUALBEGLEITUNG® in der steirischen Behindertenhilfe wahrgenommen wird. Es wurden 344 BehindertenbegleiterInnen aus Wohneinrichtungen und Werkstätten in der Steiermark zu ihrer Einstellung zur Sexualität von Menschen mit einer intellektuellen Beeinträchtigung und zu ihrer Einstellung zur Sexualbegleitung befragt. Im Zuge dessen wurde auch die Bekanntheit des Angebots erhoben. Die zentralen Ergebnisse der Studie weisen darauf hin, dass, neben einer fundierten pädagogischen Ausbildung, insbesondere berufsspezifische Faktoren (häufige Gespräche mit KlientInnen und KollegInnen über das Thema "Sexualität und Behinderung", die Beschäftigung in der Stadt und in Wohneinrichtungen, sowie Fortbildungen zur Thematik) Prädiktoren für eine positive Einstellung zur Sexualität von Menschen mit einer intellektuellen Beeinträchtigung, eine positive Einstellung zur Sexualbegleitung und die Bekanntheit des Angebots der LIBIDA-SEXUALBEGLEITUNG® darstellen. ; Persons with intellectual disability have the right to a self-determined sexuality, which is also implemented in the Convention on the Rights of Persons with Disabilities of the United Nations. This human right should, due to the legal obligation of the signing states on respect, protection and fulfilment, have an impact on everyday life of this marginalised group of people. Sexual assistance, which represents an emancipatory moment on the way to inclusion, was given still insufficient academic attention. The aim of the present study is to contribute to the dispute about the twice tabooed topic "sexuality and disability", to ask for conditions for a self-determined sexuality and in a final step to discuss the importance of sexual assistance with regard to inclusion. This master thesis is intended to obtain more detailed information on the embracement of the offer by "LIBIDA-SEXUALBEGLEITUNG®" within the styrian services for persons with disabilities. 344 caregivers from assisted living centers and sheltered workshops were interviewed about their opinion towards the sexuality of people with intellectual disability and towards sexual assistance. Furthermore the collected data should also provide information about the awareness of such an offer. The main results of the study indicate that, beside a profound pedagogical education, especially job-specific factors (frequent conversations with clients and colleagues on the topic "sexuality and disability", employment in an urban area and in assisted living centers, as well as continuing training on the topic) represent predictors of a positive attitude towards the sexuality of people with an intellectual disability, of a positive attitude towards sexual assistance as well as of the awareness of such an offer. ; vorgelegt von Sandra Cavric ; Abweichender Titel laut Übersetzung der Verfasserin/des Verfassers ; Zsfassung in dt. und engl. Sprache ; Graz, Univ., Masterarb., 2013 ; (VLID)234291
Der Beitrag untersucht die öffentlichen, teilweise sehr kontroversen Debatten um die Einführung der Sexualerziehung als neuen Unterrichtsgegenstand am Beispiel des Kantons Zürich in den 1970er-Jahren und deutet diese als Pädagogisierung sozialer Probleme, konkret der Sexualität. In den Blick geraten so verschiedene, an den Aushandlungsprozessen beteiligte singuläre und kollektive Akteure mit ihren jeweiligen, mit dem neuen Lerninhalt verbundenen Erwartungen und Befürchtungen. Damit wird auch danach gefragt, wie gesellschaftliche Erwartungen zum schulischen Lerninhalt und Schulfach werden – oder eben auch nicht – und welches Wissen wann und weshalb zu politisch und gesellschaftlich akzeptiertem Wissen und damit zum Bestandteil einer etablierten Wissensordnung wird. ; +repphzhbib2019F
Dass die Geschlechterdifferenz nicht auf ein asoziales, ahistorisches Faktum reduziert werden kann, ist eine weithin bekannte und vielfach erforschte Einsicht der multidisziplinären Gender Studies. Diese begreifen Geschlecht und die Geschlechterdifferenz bekanntermaßen hinsichtlich ihres ontologischen Status, ihrer Relevanz für alle Sphären des Sozialen und hinsichtlich ihrer spezifischen Materialität und Form als ein immer vorläufiges Resultat gesellschaftlicher Praxis und Strukturen. Hierauf zielt seit Jahrzehnten der in der empirischen Forschung genutzte Begriff [Gender]. Seit mittlerweile etlichen Jahrzehnten wird sozial- und kulturwissenschaftlich auch die Sphäre der Sexualität/des Begehrens als tiefgreifend sozial und politisch 'gemacht' analysiert. Nicht nur, aber auch im Rahmen der – auch in der deutschsprachigen Soziologie rezipierten – Queer Studies wird hier Sexualität als "soziale Tatsache" (Durkheim) untersucht. Zeitlich parallel hat sich politisch weltweit – und damit auch in Europa wie in Deutschland – seit der Weltfrauenkonferenz von Beijing 1995 der [Gender] als key concept etabliert. In der Gleichstellungspolitik hat [Gender] hier vielfach den Begriff [Frauen] ersetzt. Wenn auch je unterschiedlich akzentuiert, wird in Theorie wie politischer Praxis [Gender] dabei im Wesentlichen als ein post-essentialistisches, reflexives und kontingentes Konzept verstanden und verwendet. Und damit als gestaltungsoffene Dimensionen des Sozialen, mithin also als Aspekt einer offenen – reflexiven, freiheitlichen – Gesellschaft.Unser Beitrag geht hiervon ausgehend der Frage nach, welche Akteur_innen in welcher Weise und mit welchen Absichten Gender als Begriff und Konzept ausdrücklich ablehnen, attackieren und zu diffamieren suchen. Wie unsere ersten, diskursanalytisch orientierten Studien zeigen, sind es in Deutschland wie in Europa vor allem rechtspopulistische Konstellationen, die gegen den vermeintlichen "Genderwahn" zu Felde ziehen. Im Zentrum steht die Überlegung, dass sich mit der Chiffre 'Anti-Genderismus' ein Diskurs formiert hat, der nicht nur viele, durchaus heterogene, Konstellationen zwischen rechtsextremen Kameradschaften über rechtskonservative Verbindungen und Parteien und dem Vatikan bis hin zum bürgerlichen Feuilleton verbindet, sondern der auch als neo-fundamentalistisch und explizit anti-wissenschaftlicher Diskurs zu bezeichnen ist. Jene, die die diffamierende Rede führen, haben dabei, so unsere These, durchaus verstanden, was der gender turn impliziert, nämlich in der Tat ein post-naturalistisches beziehungsweise post-essentialistisches, ergo gestaltungsoffenes Verständnis von Geschlecht.Hier artikulieren sich u.E. tatsächlich 'Feinde der offenen Gesellschaft', insofern sich diese spezifische Diskreditierungsfigur der Anti-Wissenschaftlichkeit gegenwärtig europaweit mit (rechts-)populistisch-fundamentalistischen Rhetoriken und Dynamiken verbindet, die sich ausdrücklich gegen erreichte Reflexivierungs- und Gestaltungsfreiheiten stemmen. Anti-Wissenschaftlichkeit wird so identifizierbar als Element eines Dispositivs, das im Kern und vorbehaltlich weiterer Klärungen anti-etatistischer und demokratiefeindlicher Natur ist. Der Vortrag greift auf empirisches Material zurück, um das 'wer sagt was wo' eines neo-fundamentalistischen Diskurses zu diskutieren.
Ziel dieser Diplomarbeit ist es, den Roman The Godfather und seine spanische Übersetzung unter dem Aspekt der Zensur zu analysieren. Der Roman The Godfather von Mario Puzo ist ein internationaler Bestseller, der 1969 zum ersten Mal veröffentlicht wurde. In Spanien unterlagen Publikationen während der Franco-Diktatur (1939-1975) der Zensur. Was musste in der Übersetzung alles ?angepasst? werden, bevor das Werk unter dem Titel El Padrino 1970 auch in Spanien veröffentlicht werden konnte? Es wird davon ausgegangen, dass bestimmte Themen, wie Sexualität, vulgäre Sprache, Abtreibung, Kritik am Franco-Regime und an der Kirche sowie Gewalt zensuriert wurden, da diese Themen nicht mit den Moralvorstellungen und den ideologischen Vorstellungen des Regimes vereinbart werden konnten. Weiters wird davon ausgegangen, dass die Eingriffe, die durch die Zensur verursacht wurden, sowohl inhaltliche als auch stilistische Veränderungen mit sich brachten. Um dies zu überprüfen, wird eine Übersetzungsanalyse an Hand der Normenmodelle nach Toury und Chesterman durchgeführt.Im Vorfeld der Untersuchung wird auf Mario Puzo sowie den Inhalt des Romans eingegangen, die politische Situation Spaniens im 20. Jahrhundert erläutert und der Zensurapparat des Franco-Regimes besprochen. Weiters wird auf das spanische Forschungsprojekt TRACE und das Archivo General de la Administración eingegangen, und die Zensurakten von El Padrino werden diskutiert. Anschließend werden das literarische Umfeld der Übersetzung und die Rezeption von El Padrino besprochen, und es wird der methodische Rahmen erläutert.Die Analyse bestätigt die eingangs aufgestellte Hypothese. Bei den festgestellten Eingriffen handelt es sich vor allem um Auslassungen oder abgeschwächte Formulierungen, aber auch Hinzufügungen kommen öfters vor. Durch diese Eingriffe wurde nicht nur der Inhalt des Romans verändert, sondern auch Puzos auffällig direkter und unverblümter Schreibstil verfälscht. ; This diploma thesis seeks to analyse the novel The Godfather and its translation into Spanish, taking into account the censorship that every publication was succumbed to during Franco?s regime (1939-1975). The Godfather by Mario Puzo is an international best-seller published for the first time in 1969. My main question was what had to be adapted in the translation so that it could be published in Spain under the title El Padrino in 1970?This thesis seeks to prove the hypothesis that certain topics, like sexuality, obscene language, abortion, criticism on the Franco regime or the church as well as violence, were censored due to their incompatibility with the moral and ideological conceptions of the regime. It is further suggested that those adaptions effected in the context of censorship entailed shifts in both content and style. In order to prove this hypothesis a translation analysis is carried out drawing on the norm models of Toury and Chesterman.In a first step, this thesis presents Mario Puzo ? his life and works ? and the content of The Godfather. It then gives an overview of the political situation in Spain in the 20th century and Franco?s censorship organisation. Equally, the Spanish research project TRACE, the Archivo General de la Administración and the censorship documents of El Padrino are presented. Further, the literary setting of the translation and its reception are discussed and the methodical frame is illustrated.The analysis confirms the hypothesis drawn initially. The observed shifts are mostly omissions and weaker formulations, but also additions could be detected. Due to these shifts the novel?s content as well as Puzo?s very direct and outspoken way of writing had been changed in the course of the translation. ; vorgelegt von Susanne Präsent ; Abweichender Titel laut Übersetzung der Verfasserin/des Verfassers ; Zsfassung in engl. Sprache ; Graz, Univ., Dipl.-Arb., 2011 ; (VLID)213336
This compilation contains eleven articles concerned with the description of sexual practices. Here, sexuality is defined as a human experience, as a specific part ofthe quotidian. The focus is on the 19th century but three articles deal with early modern history. Through examples such as hysteria, homosexuality, racial hygienics, family planning, Jewish sexuality and rejuvenation [Verjüngungskuren], discourses of the self and the other are analysed within their scientific and political contexts. Most of the authors come to the conclusion that due to the lack of personaldocumentation of individually experienced sexuality, the different ways of dealing with the topic can only be retraced through sources such as reports of court trials, scientific or medical texts, and publications by specific pressure groups. This compilation nicely illustrates this linguistic staging, but beyond that it offers little in terms of new methodological insights for a historical anthropology of sexuality. ; "Der Sammelband enthält elf Aufsätze, die sich um die Darstellung sozialer Praktiken von Sexualität bemühen. Sexualität wird aus einer spezifisch historisch-anthropologischen Sichtweise als etwas Gelebtes, als menschliche Alltagserfahrung aufgefasst. Der Schwerpunkt liegt im 19. Jahrhundert, wobei sich drei Artikel der Sexualität in der Frühen Neuzeit widmen. Anhand von Beispielen wie Hysterie, Homosexualität, Rassenhygiene, Familienplanung, jüdische Sexualität und Verjüngungskuren werden Selbst- und Fremdzuschreibungen sexuellen Verhaltens in ihren jeweiligen wissenschaftlichen und politischen Kontexten untersucht. Die Autoren kommen dabei überwiegend zu dem Ergebnis, dass auf Grund fehlender Selbstzeugnisse zur individuell erlebten Sexualität die verschiedenen Umgangsformen nur über den Umweg der sprachlichen Inszenierung von Sexualität rekonstruiert werden können, wie sie in Gerichtsakten, wissenschaftlichen und medizinischen Texten sowie Publikationen von Interessenverbänden zu finden ist. Dies verdeutlicht der Sammelband anschaulich, bietet darüber hinaus aber kaum neue methodische Ansätze für eine Historische Anthropologie der Sexualität.