In: Aids - eine Forschungsbilanz: Bericht über den Förderschwerpunkt "Sozialwissenschaftliche AIDS-Forschung" im Rahmen des Programms der Bundesregierung "Forschung und Entwicklung im Dienste der Gesundheit", S. 115-128
"Geschlechterdifferenzen sind sozial konstruiert. Frauen- und Männerkörper sind nicht einfach Naturtatsachen. Vielmehr werden diejenigen Aspekte, die wie als Körpernatur erleben, als Natur geschaffen, gelernt, praktiziert. Es gibt nur kulturelle Konstruktionen von Geschlecht. Und: Es gibt nur eine 'kulturelle' Natur der zweigeschlechtlichen Körper. Mit dieser Blickwendung wird die Frage nach der Natur des Geschlechts nicht einfacher. Sie verwandelt sich in die Frage nach Machtverhältnissen. Für die Moderne stellt sich hier vor allem Frage nach der Macht der 'Biologie'. Welche Rolle spielt das Biologische der Geschlechter? Welches Gewicht haben Handlungsordnungen, die dasjenige, was ein (gesunder, normaler, erwachsener) Körper sein soll, gemäß einer - seit dem Neunzehnten Jahrhundert als 'sexuell' erkannten - Normalität von Fortpflanzung regulieren? Der Beitrag stellt Thesen vor, die 1. den 'Sex' (also das biologischen Geschlecht) als spezifisch moderne Errungenschaft fassen, 2. das biologische Geschlecht und seine natürliche 'Generativität' (also seine Bindung an eine organische Notwendigkeit von Fortpflanzung) in den Zusammenhang eines im Neunzehnten Jahrhundert entstandenen biologisch/ soziologischen Gattungsdenkens stellen, und die 3. die Sexualnatur als eine Art moderner Wissenschaft- und Technikfolge ansprechen. Der Wirklichkeitswert der biologischen Zweigeschlechtlichkeit korrespondiert direkt mit demjenigen von Lebenswissenschaften und Lebenstechnologien." (Autorenreferat)
In: Die Natur der Gesellschaft: Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006. Teilbd. 1 u. 2, S. 1097-1113
"Das Recht greift insbesondere unter nicht-demokratischen Herrschaftsformen in die Privatsphäre häufig in starkem Maße ein. Dabei geht es etwa unter Berufung auf die Natur als Norm unter anderem um rechtliche Eingriffe in die Intimsphäre und die Sexualität, also auch den Körper. Besonders weite Verbreitung hat in der Vergangenheit aber auch gegenwärtig das Verbot homosexueller Handlungen, die als widernatürlich bzw. against nature verurteilt werden. Im überwiegenden Teil der Welt ist die soziale Lage Homosexueller weiterhin durch Kriminalisierung im Recht oder offene soziale Ausgrenzung geprägt. Der Vortrag untersucht auf der Basis von über 50 Ländern von allen Kontinenten die Wirkung des Rechts auf die Einstellungen der Bevölkerung zur Homosexualität mit den Daten des World Values Survey und Rechtsdaten aus den Ländern im Rahmen einer Mehrebenenanalyse. Die Untersuchungsanlage ist also ein variablenorientierter Ansatz im Sinne des most-dissimilar designs. Neben den Rechtsdaten gehen auf der Kontextebene auch weitere Indikatoren in die Analysen ein, die die sozialen Chancen wie etwa Human Development und Geschlechtergleichheit ebenso wie die religiöse Tradition der Länder betreffen. Auf der Individualebene finden unter anderem Geschlechtsrolleneinstellungen und Religiosität Eingang in die statistischen Berechnungen im Rahmen hierarchisch linearer Regressionsmodelle. Die Analysen zeigen, dass das Strafrecht zum Verbot homosexueller Handlungen allein betrachtet in erheblichem Maße zur Erklärung der Einstellungen beiträgt. Kontrolliert man allerdings die sozialen Chancen, so wird die Wirkung des Rechts übertroffen. Der gesellschaftliche Entwicklungsstand (insbesondere die Gleichstellung der Geschlechter) gewinnt an Bedeutung und teilt die Länder entlang der Niveaus des Human Development und etwa in Übereinstimmung mit dem Fortschritt der Rechtslage zur Homosexualität. Das Recht ist so betrachtet der Spiegel der gesellschaftlichen Verhältnisse und entfaltet in diesem sozialen Rahmen erst seine Wirkung. Der homosexuelle Körper wird erst dann legal anerkannt, wenn die gesellschaftlichen Chancen seine soziale Legitimität zulassen. Die soziale und rechtliche Akzeptanz der Homosexualität setzt den Ergebnissen der Untersuchung nach die Gleichstellung der Frau (und ihres Körpers) voraus." (Autorenreferat)
In: Krieg, Geschlecht und Traumatisierung: Erfahrungen und Reflexionen in der Arbeit mit traumatisierten Frauen in Kriegs- und Krisengebieten, S. 25-56
Gegenstand des Beitrags sind die Spätfolgen sexueller Gewalt in Kriegs- und Verfolgungszeiten bei Frauen, ihren Kindern und EnkelInnen. Die Ausführungen beruhen auf einer zwischen 1992 und 1996 durchgeführten Studie zu Drei-Generationen-Familien von Überlebenden der Shoah, in welcher 26 Familien mit jüdischen Angehörigen in Israel sowie in West- und in Ostdeutschland befragt worden sind. Nachdem innerhalb einer Familie mehrere Einzelinterviews geführt worden sind, wurden einige der Familienangehörigen zu einem Familiengespräch eingeladen, bei dem in der Regel zwei bis drei Generationen einer Familie anwesend waren. Neben dem sozialtherapeutischen Anliegen, den Familien eine Hilfestellung bei der Öffnung des Dialogs anbieten zu können, wurden bei diesen Gesprächen nähere Einblicke in die Interaktionsprozesse zwischen den Generationen gewonnen. Auch wenn im familialen, öffentlichen und wissenschaftlichen Diskurs oftmals nicht darüber gesprochen wird, so ist das Thema sexueller Gewalt im Zusammenhang mit Verfolgungserfahrungen dennoch in Andeutungen vorhanden. Während die überlebenden Frauen und auch Männer diese Andeutungen verstehen, sind andere, wie ihre Kinder und EnkelInnen, auf Ahnungen und Phantasien angewiesen. Dieser Mechanismus der Andeutungen, die vorsprachliche Vermittlung der traumatischen Erfahrungen und die Folgen dieser Familiengeheimnisse werden im vorliegenden Beitrag anhand eines Fallbeispiels ausführlich dargestellt. (ICI2)