Die sicherheitspolitischen Beziehungen zwischen Japan und der EU
In: Europas Sicherheitsarchitektur im Wandel, S. 351-360
"Japan liegt rund 9.000 km ostwärts von Europa. Japan spielt damit für Europa und umgekehrt Europa für Japan im sicherheitspolitischen Denken keine vorrangige Rolle, lediglich die beiderseitigen Wirtschaftskontakte sind für die Entwicklung des Welthandels von zentraler Bedeutung. Der alles bestimmende Faktor in der Sicherheitspolitik Japans ist die seit 1951 bestehende strategische Allianz mit den Vereinigten Staaten von Amerika, die heute der wichtigste Eckpfeiler für die Sicherheit im Westpazifik und ostasiatischen Raum ist. Mitte der 1980er-Jahre begann sich Japan im sicherheitspolitischen Bereich zu emanzipieren und erhielt 1989 vom damaligen US-Präidenten Georg H.W. Bush den Status eines wichtigen Nicht-NATO-Verbündeten zuerkannt, was mit einigen Vergünstigungen verbunden ist, die ansonsten nur NATO-Mitglieder in Anspruch nehmen können. Ein weiterer bedeutender Meilenstein beim Ausbau der globalen Beziehungen war der Abschluss einer Kooperationsvereinbarung mit der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) im Jahre 1992. Die Beziehungen Japans zu den Europäischen Gemeinschaften (EG) begannen bereits 1959, als der japanische Botschafter in Brüssel für die EG mit-akkreditiert wurde. Danach passierte auf beiden Seiten allerdings längere Zeit wenig. Erst 1974 richtete die EG eine ständige Delegation in Tokio ein. Aus der japanischen Sichtweise der europäischen Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) ergibt sich für Tokio eine Fülle von Fragen, etwa was es aus der praktischen Umsetzung der GSVP lernen kann, wo es Gemeinsamkeiten mit europäischen Staaten gibt und in welchen Bereichen der Sicherheits- und Verteidigungspolitik eine engere Zusammenarbeit wünschenswert wäre. Positiv wird von Japan die Integration der ehemaligen Ostblockländer in das demokratische Europa hervorgehoben. Ferner zollen die Wissenschaftler dem selbstständigen Handeln der europäischen Staaten bei der Herstellung der Normalität in ehemaligen Krisengebieten im Rahmen von humanitären Einsätzen Hochachtung, beispielsweise in Bosnien und Herzegowina oder im Kosovo. Als größtes Negativum der GSVP sieht man in Tokio die fehlende Koordination bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus und die mangelhafte Grenzüberwachung der Außengrenze der EU in Ost- und Südosteuropa." (Autorenreferat)