In: Kultur und Gesellschaft: gemeinsamer Kongreß der Deutschen, der Österreichischen und der Schweizerischen Gesellschaft für Soziologie, Zürich 1988 ; Beiträge der Forschungskomitees, Sektionen und Ad-hoc-Gruppen, S. 368-370
In: Kultur und Gesellschaft: gemeinsamer Kongreß der Deutschen, der Österreichischen und der Schweizerischen Gesellschaft für Soziologie, Zürich 1988 ; Beiträge der Forschungskomitees, Sektionen und Ad-hoc-Gruppen, S. 251-253
Der Autor legt in diesem Einführungsbeitrag zu dem Sammelband die verbindenden Fragen und Forschungskonzepte dar. Gemeinsam ist allen Beiträgen die Frage nach den Formen, in denen sich Zusammenhänge zwischen der jeweiligen Sozialstruktur und den politischen Konflikten historisch in verschiedenen europäischen Gesellschaften ausprägten. Nach dem Verweis auf die Einbindung in die Forschungstradition der historisch-politischen Soziologie und in die Eliteforschung wird gezeigt, daß erst seit ein paar Jahren eine intertemporal-interkulturelle Erforschung der Genese und des Wandels der politischen Konfliktstrukturen in West- und Mitteleuropa empirisch verfolgt werden kann. Ermöglicht wird dies durch das methodische Instrument der Mehrebenenanalyse, das heißt, einer den "ökologischen Fehlschluß" überwindenden Analyse, in der Aggregatdaten (auf der Ebene regionaler Einheiten) mit Individualdaten (Abstimmungsverhalten in Parlamenten bei namentlicher Abstimmung) verknüpft werden. Es wird dargestellt, daß sich die Beiträge des Sammelbandes an einer Theorietradition orientieren und eine Forschungsrichtung dokumentieren, deren Schlüsselbegriffe "Spannungslinien" (Cleavages) und "Milieus" sind. Abschließend werden die fünf Phasen des "Lebenszyklus" der Cleavages, vier Variablenkomplexe der Cleavagestruktur, die Variablenbeziehungen und Untersuchungskategorien für eine Analyse des Zusammenhangs zwischen Sozialsystem und Machtorganisation dargestellt. (ICF)
Vor dem Hintergrund eines auch zukünftig anhaltenden Migrationsdrucks (KÄLIN 1989), des Zusammenwachsens des "Europäischen Hauses" und einer Bevölkerungsstruktur in Deutschland, die demographischen Prognosen zufolge im Zusammenhang mit der niedrigen Geburtenziffer einen stetig wachsenden Ausländeranteil aufweisen und damit an ethnischer Vielfalt zunehmen wird (BIRG/KOCH 1987), gewinnt die Auseinandersetzung mit der Frage nach der Rolle des Sports im Kontext kultureller Kontakte für eine zeitgemäße Sportwissenschaft auch langfristig einen zentralen Stellenwert. Die folgenden Überlegungen, die am Beispiel des gemeinsamen Sporttreibens von einheimischen und zugewanderten ausländischen Bevölkerungsgruppen entwickelt worden sind, rücken einen bislang unterbelichteten Aspekt dieses Problems ins Zentrum des Forschungsinteresses: die Fremdheit, die bei interkulturellen Sportbegegnungen entstehen kann. Dabei stellt der Text erstens den Zusammenhang zwischen Fremdheitsphänomenen und der internationalen Arbeitsmigration heraus. Zweitens fragt er nach den Eigenschaften, die dem Sport in diesem Kontext zugeschrieben werden, und ob die Praxis des interkulturell betriebenen Sports hält, was man sich von ihr verspricht. Drittens wird geprüft, welche Ansätze der Sportwissenschaft einen Zugang zu damit zusammenhängenden Problemen ermöglichen. Viertens soll der sportspezifische Charakter von Fremdheitserfahrungen beschrieben werden. Anschließend wird fünftens der Entwurf einer theoretischen Perspektive zur Erforschung der Fremdheit im sportlichen und nicht-sportlichen Alltag vorgestellt.
In seiner ethnographischen Untersuchung der Art und Weise, wie in Asylverfahren Entscheidungen getroffen werden, bezieht sich der Autor auf seinen halbjährigen Feldaufenthalt beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (BAFI) und legt seiner Fallrekonstruktion eine Vielzahl von Anhörungsprotokollen, Bescheiden, Handreichungen des BAFI sowie eigene Feldnotizen, Mitschriften, Interviews und transkribierte Anhörungen zugrunde. Er beschreibt die amtliche Prüfdiagnostik im Asylverfahren in drei Schritten: Er zeigt zunächst, welche "legitimen" Anforderungen, z.B. die Forderung von Teilnehmer- und Mitgliedschaftskompetenz, an den Prüfling gestellt werden. Diese Anforderungsprofile produzieren das Material für eine Reihe von Tests, die sich anhand der Selbst- und Fremdreferenz des Prüfwissens unterscheiden lassen und die anschließend in den Blick genommen werden. Hier wird gezeigt, dass die Asylprüfung wie eine Testreihe funktioniert und als "Falsifikationsverfahren" von künstlich produzierten Aussagen konzipiert wird. Im dritten Abschnitt wird das Urteilsvermögen des Entscheiders kritisch hinterfragt und eine "chronisch knappe Urteilskraft" diagnostiziert. Die beobachtete Tendenz zur Selbstbezogenheit der Asylprüfung lässt vor diesem Hintergrund erkennen, dass sie die Urteilskraft auf Seiten "unwissender" Prüfer generiert und die Prüfung "verschult". (ICI2)
In: Kultur und Gesellschaft: gemeinsamer Kongreß der Deutschen, der Österreichischen und der Schweizerischen Gesellschaft für Soziologie, Zürich 1988 ; Beiträge der Forschungskomitees, Sektionen und Ad-hoc-Gruppen, S. 584-585
In: Kultur und Gesellschaft: gemeinsamer Kongreß der Deutschen, der Österreichischen und der Schweizerischen Gesellschaft für Soziologie, Zürich 1988 ; Beiträge der Forschungskomitees, Sektionen und Ad-hoc-Gruppen, S. 428-430
Erfahrungsstrukturell gesehen ist Heimwerken eine Teilzeitwelt unter anderen. Sobald das Selbstverständnis des Heimwerkers thematisiert wird, kann Heimwerken zu einer für die Stabilität persönlicher Identität zentralen "Heimatwelt" werden. Im Kapitel "Anlässe zum Selbermachen" unterscheidet die Autorin zwischen Heimwerken und bloßem Reparieren: diese Tätigkeit wertet den Status des Selbermachens nur ungenügend auf, während typische Ergebnisse des Heimwerkens wie "der selbstgeschreinerte Schrank" die Reputation des Freizeitproduzenten entscheidend erhöhen. Anschließend werden drei Motive fürs Selbermachen genannt, die in der Regel nur gemischt vorkommen: (1) Kostenersparnis; (2) weil das Selbergemachte den eigenen ästhetischen Vorstellungen besser entspricht als Gekauftes; (3) als Ausgleich zum beruflichen Streß. Die kleine Lebens-Welt des Heimwerkers ist ein sozial organisierter, diffuser (Be-) Deutungszusammenhang, eine Welt ohne formale Grenzen, ohne offizielle Mitgliedschaften und ohne klare räumliche Verortbarkeit. Wenn die Einsicht wächst, daß "Lebensstil" von seiner immanenten Sinnstruktur her beschrieben und verstanden werden muß, dann kann man die Rekonstruktionen kleiner sozialer Lebens-Welten auch als Beiträge zur aktuellen Lebensstilforschung ansehen. Vielleicht ist diese ein Zwischenschritt von der normativen Sozialmetaphysik hin zur interpretativen Erfahrungswissenschaft. (prn)
"Angesichts des revolutionär anmutenden gesellschaftlichen Umbruches in den postkommunistischen Staaten Mittel- und Osteuropas scheint in den Sozialwissenschaften die Ansicht vorzuherrschen, der einzigartige und vorbildlose Charakter dieses epochalen Ereignisses verbiete den Rückgriff auf das vor 1989 entwickelte Instrumentarium zur Analyse der Modernisierung und Transformation von Gesellschaften. Insbesondere die gleichsam unentwirrbare Handlungskonstellation simultaner politischer, wirtschaftlicher und territorialer Problemlagen und Entscheidungszwänge - das spezifisch osteuropäische 'Dilemma der Gleichzeitigkeit' (Offe) - lasse keinen Vergleich etwa mit den von der sog. 'Transitions'- Forschung untersuchten südeuropäischen Demokratisierungsprozessen der 70er und 80er Jahre zu. Ein Blick auf die spanische transicion vom Frankismus zur Demokratie zeigt jedoch, daß sich auch dort die grundlegenden Aufgaben der Nation-, Verfassungs- und Verfahrensbildung gleichzeitig und kaum weniger virulent stellten. Gerade auf dem für das Gelingen des Transformationsprozesses zentralen Feld der Sozialpolitik lassen sich durchaus ähnliche Erblasten konstatieren, die die 'postautoritären' Wohlfahrtsstaaten beider europäischer Regionen mit zum Teil gleichgelagerten Umstellungsproblemen konfrontier(t)en. Der entscheidende Unterschied zwischen dem osteuropäischen und dem mediterranen Weg zum demokratischen Kapitalismus ist insofern, so die These des Beitrags, weniger in der jeweiligen politisch-ökonomischen Agenda der Reform zu sehen als vielmehr in der höchst ungleichen Ausstattung süd- und osteuropäischer Gesellschaften mit ebenso verpflichtungsbereiten wie verpflichtungsfähigen intermediären Akteuren als sozialen Trägern des demokratisch-marktwirtschaftlichen Reformprojektes." (Autorenreferat)
Auf der Grundlage einer früheren Untersuchung des Autors über Sauerländer Wanderhändler soll dargelegt werden, wie das "Fremdsein" der Hausierer in ihren Wandergebieten zur Ausprägung einer eigenen Kultur geführt hat und desweitern, welche Möglichkeiten bestehen, Fremdheit als kulturellen Faktor aus wissenschaftlich- analytischer Sicht zu erfassen. Es wird geschildert, daß die Wanderhändler sich bestimmte Verhaltensstandards aneigneten, die sie als Fremde auswiesen und eine Distanz zu den potentiellen Käufern schaffen sollten. Gleichzeitig bedingte die Bindungslosigkeit in den Verkaufsgebieten eine Konzentration auf ökonomisch-rationales Verhalten. Dies führte zu einer ebenso rein ökonomisch geleiteten Wahrnehmung des fremden Raumes. Die Analyse solcher Verhaltensstandards wird als Möglichkeit angesehen. "Fremdheit" und "Nähe" als gesellschaftliche Faktoren wissenschaftlich zu erfassen. (HS)
"Vietnam ist die jüngste Nation in Südostasien, in der ein wirtschaftlicher Take-off stattfindet. Wie auch in den übrigen Tiger-countries behindern die dort bestehenden Traditionen das privat marktwirtschaftlich orientierte Handeln nicht - sie sind vielmehr eine günstige Voraussetzung für einen Modernisierungspfad, der sich von dem okzidentalen unterscheidet. Für Vietnam gilt die Besonderheit, daß die jahrhundertealte chinesische Fremdherrschaft, dann die französische und amerikanische Präsenz zu kollektiven Lernprozessen und einem interkulturell gültigen Norm- und Regelwissen geführt hat, das teilweise habituell verfügbar ist und sich seit Öffnung der Märkte Anfang der 90er Jahre umstandslos auf marktwirtschaftliche Prozesse beziehen läßt. In der gleichen Form, wie die okzidentale protestantische Ethik die Entwicklung privatkapitalistischer Marktwirtschaften gestützt hat, begünstigen auch die verschiedenen Ausprägungen des konfuzianischen Glaubenssystems marktwirtschaftlich orientiertes wirtschaftliches Handeln. Die tiefe konfuzianische Religiosität der wirtschaftlichen Akteure ist Antriebskraft wirtschaftlichen Handelns, sie legitimiert sowie sanktioniert wirtschaftliche Entscheidungen und prämiiert wirtschaftlichen Erfolg. Doch ähnlich wie im Transformationsprozeß der übrigen südostasiatischen Tiger-countries wird es eine zunehmende funktionale Gesellschaftsdifferenzierung geben, die mit ökonomischen und sozialen Disparitäten in den Lebenslagen und einer Verschärfung sozialer Ungleichheit einhergeht; die Sollbruchstellen für neuerliche soziale Konflikte dürften jedoch traditional verankert sein: sie liegen zwischen den unterschiedlichen Kulturen in Nord- und Südvietnam." (Autorenreferat)
"Vor dem Hintergrund einer Reihe ernst zu nehmender rechtsextremistischer und antisemitischer Übergriffe in Deutschland während des Jahres 2000 entwickelten wir ein neues heuristisches Drei-Komponenten-Modell zur Beschreibung von Antisemitismus: Ein Aspekt a. beruht auf traditionellen antisemitischen Vorurteilen, ein weiterer b. auf der Kommunikationslatenz des Antisemitismus und c. auf der Zurückweisung oder der Akzeptanz von Verantwortung gegenüber den Juden. Mittels eines standardisierten Fragebogens wurde das Modell in unterschiedlichen Feldstudien (N=2130 Jugendliche in Deutschland) getestet. Die 3-dimensionale Struktur des Antisemitismus (manifester AS, latenter AS und 'keine Verantwortung gegenüber den Juden') wurde in Pfadanalysen gezeigt und die Daten entsprachen dem theoretischen Modell. Neue Aspekte antisemitischer Einstellungen spiegeln die öffentliche Vermeidung antisemitischer Statements und eine Ablehnung früherer Diskussionen über deutsche Schuld, Verhalten und Verantwortung gegenüber den Juden wider. Diese neuen Aspekte antisemitischer Einstellungen sind ebenfalls mit einer generellen Feindseligkeit gegenüber Fremden verbunden. Weiterhin ist es möglich, zwischen Gruppen von Individuen mit unterschiedlichen antisemitischen Einstellungen zu differenzieren. Die neuen Aspekte antisemitischer Einstellungen haben auch mit derzeitigen Debatten über deutschen Nationalstolz innerhalb deutscher Subpopulationen und mit der 'Schlussstrichdebatte' zu tun. Der 'neue' Antisemitismus in Deutschland besteht möglicherweise innerhalb deutscher Subpopulationen als soziales Konstrukt, um ihre eigenen Vorstellungen von 'deutschen' Problemen zu unterdrücken." (Autorenreferat). Die Untersuchung enthält quantitative Daten. Die Untersuchung bezieht sich auf den Zeitraum 1998 bis 2000.;;;"Against the background of a series of serious right-wing extremist and anti-Semitic incidences in Germany in the year 2000, we constructed a new heuristic model with three components of anti-Semitism to describe new aspects of anti-Semitism: a. one is based upon traditional anti-Semitic prejudices, b. the communicative latency of anti-Semitism and c. the refusal or the acceptance of responsibility for the Jewish people. The model was tested in some field studies (N=2130 adolescents in Germany) using a standardized questionnaire. Path analyses show a 3-dimensional structure of anti-Semitism (manifest AS, latent AS and 'no responsibility toward Jews') and the data fit the theoretical model. New aspects of anti-Semitic attitudes reflect the public avoidance of anti-Semitic statements and a refusal to further discuss German fault, behavior and responsibility for the Jewish people. These new aspects of anti-Semitic attitudes are also linked to a general hostility toward foreigners. It is possible to differentiate between groups of individuals with various anti-Semitic attitudes. The new aspects of anti-Semitic attitudes are concerned with present debates about German national pride among German subpopulations and about the end of 'getting over history'. The 'new' anti-Semitism in Germany may be considered as a social construction of German subpopulations designed to repress their own conceptions of 'German' problems." (author's abstract).
This article is concerned with the reasons women in the late Middle Ages entered nunneries, with their family background and with their life conditions in the convents. The basis for the study are two Cistercian and one premonstratensian nunnery in Upper Hesse in the period from the 13th to the 16th Century. The main goal is to show a collective biography on the base of prosopographical research. The analysis of the biographies of 250 nuns, foundated on the investigation of the whole sourcematerial of the cloister- and family archives, shows the multifarious aspects of their life: the religious predestination on one side and the very close connections to the secular world on the other side. Especially since the 14th Century the life ofthe nuns began to become very worldy. They had a number of conflicts with Supervisors because of their disregard of the enclosure, their contacts with men, their fashionable cloths and other secular amusements. The study shows their mostly noble birth, the possession of privat property and the family politics, which determined a part of the children for monastic life because of family interests, as some reasons for their wishing to live just as their secular sisters and brothers. On the other hand the life in a nunnery was also - especially for noble women - a positiv and acceptable alternative to marriage because of the possibilities for an education, for forms of selfgovernment and for a chance to attain the only ecclesiastical offices of the Middle Ages opened to women.