"In this article, the authors draw on Lorenzer's method in our analysis of a single case data extract derived from a research project generating data through the Tavistock Infant Observation tradition. The partial case analysis demonstrates our methodological approach and explores conceptual territory at the meeting point of German and British psychoanalytically-informed traditions. Their scenic composition synthesised key elements of one observation visit to the home of a young black first-time mother in London. Lorenzer's advice to the cultural analyst to explore what irritates or provokes in the scene has something in common with the way that observers in the infant observation tradition use their emotional responses and process their experience. The aim is to provide access to what Winnicott described as an intermediate area of experience and Lorenzer considered 'in-between'. The authors explore this area through two provocations in our scenic composition. Using these data examples we ask: is it possible to conceptualise collective, societal-cultural unconscious processes (Lorenzer's gesellschaftlich-kollektives Unbewußtes, 1986) within this intermediate area? Specifically, how is racial and class difference present in the scene? How can it be located through scenic understanding of research data? And why does it matter?" (author's abstract)
"In diesem Beitrag verwenden die Autoren das von Lorenzer entwickelte Verfahren für die Einzelfallanalyse eines Auszugs aus dem Datenmaterial eines Forschungsprojekts, das sich an der Tradition der Kinderbeobachtung des Tavistock-Instituts orientiert hat. Sie wollen so ihren methodologischen Ansatz verdeutlichen, der zwischen deutscher und britischer psychoanalytischer Sozialforschung verortet ist. Mit ihrer szenischen Rekonstruktion versuchen sie, einige Schlüsselelemente nachvollziehbar zu machen, die aus einer einmaligen Beobachtung in der Londoner Wohnung einer jungen farbigen erstgebärenden Frau hervorgegangen sind. Lorenzer s Hinweis, Kulturanalyse solle sich mit dem befassen, was in/ an einer Szene irritiert, hat einiges gemeinsam mit der Art und Weise, wie im Rahmen der Kinderbeobachtungstradition emotionale Reaktionen für die Analyse herangezogen werden. Ziel ist es beide Male, Zugang zu dem zu gewinnen, was Winnicott als intermediäre Ebene der Erfahrung und Lorenzer als 'Dazwischen-Sein' gefasst hat. Die Autoren nähern sich diesen Ebenen durch Provokationen in unserer szenischen Komposition, indem sie an das Datenmaterial die folgenden Fragen stellen: Ist es möglich, innerhalb dieser intermediären Ebene 'gesellschaftlich-kollektives Unbewußtes' (Lorenzer 1986) zu konzeptualisieren bzw. spezifischer: In welcher Weise finden Klassen- und Rassenunterschiede einen Ausdruck in dieser Szene? Wie können diese durch ein szenisches Verstehen der Forschungsdaten gefasst werden? Und: Warum ist dies von Bedeutung?" (Autorenreferat)
Die Autorin untersucht das Verhältnis von "Biographie und Geschlecht" am empirischen Beispiel lebensgeschichtlicher Erzählungen von Frauen aus verschiedenen proletarischen Milieus. Im ersten Teil der Arbeit werden einige Hauptlinien der wissenschaftlichen Diskussion über "weibliche Biographien" nachgezeichnet. Der empirische zweite Teil beginnt mit einer Explikation der methodologisch-theoretischen Voraussetzungen, wobei besonders auf die Funktion des biographischen Erzählens eingegangen wird. Anhand einer Fallstudie wird einerseits die Interpretationsmethode transparent gemacht, andererseits werden die entwickelten Generalisierungen und Hypothesen beispielhaft im Material "verankert". Anschließend werden Hypothesen auf allgemeiner Ebene formuliert, welche die Matrix für die vergleichenden Analysen mit anderen Fällen bilden. Weitere Fälle werden vorgestellt und die Perspektive der doppelten Vergesellschaftung von Frauen in Beruf und Familie kontrastiert. (prb)
Summary'CULTURE OF POVERTY' AND SOCIAL REALITY: FAREWELL TO A THEORYSome of the most important contributions to recent sociological research on poverty have been made by Oscar Lewis who has proposed a theory of the existence of a transculturally homogeneous culture of poverty. The prime postulate of this theory is the structural uniformity of this sub‐culture, while differences in environment, national context and regional ties are only secondary.If Lewis's theory is considered in terms of aspects of recent general culture theory, the inconsistency of the hypothesis of the culture of poverty becomes evident. It does not match up to the theoretical pretensions, and furthermore suggests a general obscurity concerning the functions of culture within the framework of this hypothesis.Research work by several authors on the specific conditions of slums, particularly in Latin America, suggests that the most important hypothetical assumptions are wrong. Besides theoretical deficiencies, the basis for his construction involves methodological errors. These have led to the hypothesis and lend support to the tendency to deny any responsibility for the situation of the poor strata and to the claim that the poor have only themselves to blame.Résumé'CULTURE DE LA MISÈRE' ET RÉALITÉ SOCIALS: l'ADIEU À UNE THÉORIEl'une des contributions les plus importantes à la recherche sociolo‐gique récente, a été le fait d'O. Lewis. O. Lewis a élaboré une théorie de l'existence d'une culture de la misère, homogène et supra‐culturelle dont le premier postulat est l'uniformité structurelle de cette subculture en dépit des différences d'environnement, des contextes nationaux et régionaux dont l'influence n'est que secondaire.Confrontée avec les aspects les plus récents de la théorie générale de la culture, 1'inconsistance de l'hypothèse d'une culture de la misère devient évidente. Elle ne peut faire face à ses prétentions théoriques et suggère, de plus, une obscurityé générale quant aux fonctions de la culture dans le cadre de cette hypothèse.Les recherches de nombreux auteurs portant sur les conditions specifiques des taudis, particulièrement en Amérique latine, montrent que les hypothèses fondamentales sont fausses. Outre des faiblesses théoriques, certaines erreurs méthodologiques sont insérées dans la construction initiale, faiblesses et erreurs qui ont conduit l'auteur àélaborer cette hypothèse et à soutenir la tendance à la négation de toute responsabilité de la société quant à la situation des classes défavorisées et l'idée que les pauvres doivent s'en blâmer eux‐mêmes.Zusammenfassung'CULTURE OF POVERTY' UND SOZIALE WIRKLICHKEIT: NACHRUF AUF EINE THEORIEEinige der wichtigsten Beiträge zur neueren Armutsforschung in den Sozialwissenschaften stammen von Oscar Lewis, der in diesem Zusammenhang die Theorie von der Existenz einer transkulturell homogenen Kultur der Armut entworfen hat. Das wichtigste Postulat dieser Theorie ist die strukturelle Gleichförmigkeit dieser Sub‐kultur, wobei DifFerenzen der Umwelt, des nationalen Zusammen‐hanges und regionaler Bindungen von nur sekundärer Bedeutung sind.Bei einer Gegenüberstellung der von Lewis gebildeten Theorie mit neueren Aspekten allgemeiner Kulturtheorie ergibt sich die Inkonsistenz der Hypothese von der Kultur der Armut. Sie genügt in keiner Hinsicht den theoretischen Anforderungen, und läßt darüber hinaus auch eine weitgehende Unklarheit über die Funktionen von Kultur im Rahmen dieser Hypothese erkennen.Mehrere Untersuchungen über die spezifischen Verhältnisse ins‐besondere in lateinamerikanischen Slums legen den Schluß nahe, daß die wichtigsten theoretischen Annahmen der Hypothese hin‐fällig sind. Neben den Mängeln in der Theorie sind für Lewis' Fehlkonstruktion vor allem auch methodologische Mängel verant‐wortlich. Diese haben zur Bildung dieser Hypothese geführt und unterstützen die Tendenz zum Abschieben der Verantwortung für die Lage der armen Bevölkerungsgruppen von der Gesamtgesell‐schaft auf die Armen selbst.
In: Kultur und Gesellschaft: gemeinsamer Kongreß der Deutschen, der Österreichischen und der Schweizerischen Gesellschaft für Soziologie, Zürich 1988 ; Beiträge der Forschungskomitees, Sektionen und Ad-hoc-Gruppen, S. 438-441