Freiheit und soziale Bindungen
In: Transit: europäische Revue, Heft 38, S. 162-171
ISSN: 0938-2062
Dahrendorf macht folgendes deutlich: Die politische Demokratie und die Marktwirtschaft sind "kalte" Projekte. Sie sind zivilisierte Erfindungen aufgeklärter Geister und Gemeinwesen, aber sie rühren nicht ans Herz, und sie sollen das auch gar nicht tun. Sie sind Mechanismen der Problemlösung, geschaffen, um Veränderungen des Geschmacks, der Politik und sogar des Führungspersonals ohne Blutvergießen und unnötige Schmerzen möglich zu machen. Demokratie und Marktwirtschaft sind wichtig, jedoch für den Autor nicht all-wichtig. Ausgegangen wird hier von der Einsicht, dass sich die Mechanismen der offenen Gesellschaft nicht aufrechterhalten lassen, ohne dass Menschen zugleich wissen, wohin sie gehören. Dahrendorf erinnert hier an das "Böckenförde-Paradox": Demokratie und Marktwirtschaft haben Voraussetzungen, die sie selbst nicht garantieren können. Sie sind weder imstande, die notwendigen sozialen Bindungen zu stiften, noch war das je ihre Absicht. Ein "schlanker Staat", verbunden mit einer reichen Bürgergesellschaft, kommt für den Autor der Definition einer "freien Zivilgesellschaft" am ehesten nahe. (ICA2)