Shitstorms, Hate Speech oder virale Videos, die zum Klicken, Liken, Teilen bewegen: Die vernetzte Gesellschaft ist von Affekten getrieben und bringt selbst ganz neue Affekte hervor. Die Beiträge des Bandes nehmen die medientechnologischen Entwicklungen unserer Zeit in den Blick und untersuchen sie aus der Perspektive einer kritischen Affekt- und Sozialphilosophie. Sie zeigen: Soziale Medien und digitale Plattformen sind nicht nur Räume des Austauschs, sie erschaffen Affektökonomien – und darin liegt auch ihre Macht. Indem sie neue Formen des sozialen Umgangs stiften und bestimmen, wie wir kommunizieren, verschieben sie auch die politische Topographie. Mit einem Beitrag von Antonio Negri. ; Anja Breljak und Rainer Mühlhoff: Was ist Sozialtheorie der Digitalen Gesellschaft? Einleitung I. Infrastrukturen der Kontrolle Anja Breljak: Die Zeit der Datenmaschinen. Zum Zusammenhang von Affekt, Wissen und Kontrolle im Digitalen Felix Maschewski und Anna-Verena Nosthoff: Netzwerkaffekte. Über Facebook als kybernetische Regierungsmaschine und das Verschwinden des Subjekts Rainer Mühlhoff: Big Data Is Watching You. Digitale Entmündigung am Beispiel von Facebook und Google Shirin Weigelt: Tasten. Taktilität als Paradigma des Digitalen II. Affekt, Netz und Subjektivität Jorinde Schulz: Klicklust und Verfügbarkeitszwang. Techno-affektive Gefüge einer neuen digitalen Hörigkeit Katharina Dornenzweig: Die umkämpfte Grenze zwischen Liebe und Stalking. Von hermeneutischer Ungerechtigkeit zu einer Theorie des Narrativzwangs und der affektiven Dissonanz anhand der Erfahrungen gestalkter Frauen Jule Govrin: More Substance Than a Selfie? Affektökonomien des Authentischen beim Onlinedating Henrike Kohpeiß: Tears in Heaven. Mediale Politiken des Schmerzes Christian Ernst Weißgerber: Die neue Lust am Ressentiment. Grundzüge eines affekttheoretischen Ressentiment-Begriffs III. Öffentlichkeit, Protest und Politik Philipp Wüschner: The Internet is Dead – Long Live the Internet. Soziale Medien und idiosynkratisches Aufbegehren Marie Wuth: Affektive Netze. Politische Partizipation mit Spinoza Jan Beuerbach: Öffentlichkeit trotz alledem. Polemisches Erscheinen und Archivarbeit postdigitaler Proteste Anja Breljak und Jorinde Schulz: »Die Mächte verstehen, die am Werk sind«. Ein Gespräch mit Toni Negri Jan Slaby: Negri und Wir: Affekt, Subjektivität und Kritik in der Gegenwart. Ein Nachwort
Shitstorms, Hate Speech oder virale Videos, die zum Klicken, Liken, Teilen bewegen: Die vernetzte Gesellschaft ist von Affekten getrieben und bringt selbst ganz neue Affekte hervor.Die Beiträge des Bandes nehmen die medientechnologischen Entwicklungen unserer Zeit in den Blick und untersuchen sie aus der Perspektive einer kritischen Affekt- und Sozialphilosophie. Sie zeigen: Soziale Medien und digitale Plattformen sind nicht nur Räume des Austauschs, sie erschaffen Affektökonomien - und darin liegt auch ihre Macht. Indem sie neue Formen des sozialen Umgangs stiften und bestimmen, wie wir kommunizieren, verschieben sie auch die politische Topographie.Mit einem Beitrag von Antonio Negri.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den charakteristischen Merkmalen der Rezeption Pierre Bourdieus in der bundesdeutschen Soziologie. Dahinter steht die Annahme, dass die Rezeption seiner Schriften hierzulande äußerst selektiv erfolgte, wodurch wesentliche Aspekte seiner soziologischen Theoriebildung unreflektiert blieben. Übergeordnetes Ziel der Arbeit ist es daher, die Wirkungen der strukturellen Feld-Bedingungen der hiesigen Fachdisziplin auf die Rezeption hin für den Zeitraum von 1960 bis 2002 zu analysieren und deren Produkte zu klassifizieren. Insofern geht es um die Rekonstruktion des epistemologischen Hintergrundes, was die Reflexion der eingenommenen Positionen der Rezipienten im Feld notwendig mit einschließt. Komplementär geht es um die Nachzeichnung und Analyse der Art und Weise der Rezeptionspraxis im Zeitverlauf, die stets in Beziehung zum Rezeptionsfeld als Ort der Wissensproduktion und –legitimation gesetzt wird. Die gesellschaftspolitische Relevanz des Projektes liegt vor allem in Bourdieus intellektuellem Engagement begründet, in seinem Apell für eine Autonomie der Wissenschaften, die durch den Vorstoß neoliberaler think tanks zunehmend ausgehöhlt wird und stattdessen zu einer Ökonomisierung relevanter gesellschaftlichen Bereiche führt. Damit ist gleichzeitig der kritisch-reflexive Anspruch des Projektes formuliert, der für eine Repolitisierung der Wissenschaften eintritt. Die Datenbasis setzt sich aus exemplarischen Rezeptionstexten (Monographien, Sammelbände, Aufsätze und Rezensionen in repräsentativen soziologischen Fachzeitschriften) zusammen. Maßgeblich für die Selektion der Schriften war, dass es sich bei ihnen um zentrale Bezugnahmen auf Bourdieus Werk und Produkte der soziologischen Rezeption in Deutschland handelte. Die Arbeit ist in einen theoretischen und einen empirischen Teil untergliedert. In dem theoretischen Abschnitt soll Einblick in die Erkenntnis- und Denkweise Bourdieus gewährt werden, um die Zusammenhänge und Wirkungen der von Bourdieu beschriebenen Theoreme nachvollziehbar zu machen und die Leserschaft für die Analyse der Rezeption theoretisch auszurüsten. Der empirische Teil ist in drei Rezeptionsphasen unterteilt und am umfangreichsten angelegt. Darin werden die ausgewählten Rezeptionstexte interpretativ kontextualisierend untersucht und stets in Beziehung zu den jeweils aktuellen gesellschaftspolitischen Fachdiskursen gestellt. Als zusammenfassendes Fazit kann festgehalten werden, dass die Anfänge der Rezeption bis Ende der 1980er Jahre noch völlig dominiert von der Struktur des Rezeptionsfeldes waren. In den 1990er Jahren änderte sich dies grundlegend, weil sich Bourdieus methodologische und theoretische Positionen in das Feld der Rezeption eingeschrieben hatten. Das führte dazu, dass sich Bourdieus Praxistheorie immer weniger durch reine Textexegese genähert wurde, sondern an einer produktiven Auseinandersetzung interessiert war und sie an vorhandene Forschungskonzeptionen anschlussfähig zu machen versuchte. In der Analyse der letzten Rezeptionsphase konnte eine deutliche Ambivalenz in der Aufnahmepraxis aus dem Rezeptionsfeld herausgearbeitet werden: Auf der einen Seite wurde Bourdieu zum zeitgenössischen Klassiker erklärt, auf der anderen Seite ernteten seine politischen Interventionen in den 1990er Jahren immense Kritik und führten dazu, dass Bourdieu Gefahr lief, sein wissenschaftliches Renommee zu verlieren.
Shitstorms, Hate Speech oder virale Videos, die zum Klicken, Liken, Teilen bewegen: Die vernetzte Gesellschaft ist von Affekten getrieben und bringt selbst ganz neue Affekte hervor. Die Beiträge des Bandes nehmen die medientechnologischen Entwicklungen unserer Zeit in den Blick und untersuchen sie aus der Perspektive einer kritischen Affekt- und Sozialphilosophie. Sie zeigen: Soziale Medien und digitale Plattformen sind nicht nur Räume des Austauschs, sie erschaffen Affektökonomien – und darin liegt auch ihre Macht. Indem sie neue Formen des sozialen Umgangs stiften und bestimmen, wie wir kommunizieren, verschieben sie auch die politische Topographie. Mit einem Beitrag von Antonio Negri.
Wolfgang Knöbl zählt zu den Protagonisten der soziologischen Gewaltforschung in Deutschland. Im April 2015 übernahm er die Leitung des Hamburger Instituts für Sozialforschung von dessen Gründer Jan Philipp Reemtsma, der das HIS seit 1984 als international renommiertes Zentrum der Gewaltforschung, Gesellschaftsbeobachtung und Sozialtheorie etabliert hatte. Nach Stationen an der Freien Universität Berlin, in New York City, Toronto und Göttingen lehrt Wolfgang Knöbl neben seiner Hamburger Tätigkeit nun Politische Soziologie und Gewaltforschung an der Leuphana Universität Lüneburg. Seine Arbeiten verbinden historische Forschungsinteressen (Polizei und Herrschaft im Modernisierungsprozeß. Staatsbildung und innere Sicherheit in Preußen, England und Amerika 1700–1914, Frankfurt a.M. 1998) mit sozialtheoretischen Leitfragen (Spielräume der Modernisierung. Das Ende der Eindeutigkeit, Weilerswist 2001; zusammen mit Hans Joas: Kriegsverdrängung. Ein Problem in der Geschichte der Sozialtheorie, Frankfurt a.M. 2008). Das Gespräch führten Thomas Schaarschmidt, Winfried Süß, Peter Ulrich Weiß und Jan-Holger Kirsch am 21. Juni 2018 im Hamburger Institut für Sozialforschung.
In der linguistischen Beschäftigung mit Sprachkritik wird das Spannungsfeld von Deskription und Kritik immer wieder thematisiert, wobei sich überwiegend mit dem Status von Kritik auseinandergesetzt wird. Im Beitrag wird hingegen der Begriff der Deskription in der politischen Sprachkritik aus einer sozialtheoretischen Perspektive erweitern und ethisch aufgeladen. Dies geschieht unter Rückgriff auf Michael Walzers Überlegungen zu ,guter Kritik', in der dieser das ,gute Auge' der KritikerInnen betont und begründet. Anhand aktueller sprachlicher Tendenzen in der deutschen Gesellschaft und Politik wird erörtert, inwiefern sozialtheoretische Kenntnisse und intellektuelles Interesse, die gesellschaftskritische Tugend zum Beispiel des Wahrnehmens befördern können.
This volume, edited by Iris DZUDZEK, Caren KUNZE and Joscha WULLWEBER and published as part of the transcript series Sozialtheorie [Social Theory], can be read as an attempt to combine materialistic critical social theory with poststructuralist thinking. Most contributions refer to GRAMSCI's concept of hegemony and LACLAU and MOUFFE's theory of discourse. However, aside from elaborating on continuities and options for synthesis between both perspectives, which is of indisputable value, the papers in this collection do not completely hit the mark promised in the editors' foreword in terms of social critique and political involvement, as well as of methodological questions of empirical research.URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs1302176 ; Este volumen editado por Iris DZUDZEK, Caren KUNZE y WULLWEBER Joscha y publicado como parte de la serie de transcripción Sozialtheorie [teoría social], se puede leer como un intento de combinar la teoría social crítica materialista con el pensamiento postestructuralista. La mayoría de las contribuciones se refieren al concepto de hegemonía de Gramsci y la teoría del discurso de Laclau y Mouffe. Sin embargo, aparte de la elaboración de las continuidades y las opciones para la síntesis entre ambas perspectivas, lo que es de valor indiscutible, los documentos de esta colección no cumplen completamente con lo prometido por los editores en el prólogo, en términos de crítica social y participación política, así como en cuestiones metodológicas relativas a la investigación empírica.URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs1302176 ; Der in der Transcript-Reihe Sozialtheorie erschienene Sammelband von Iris DZUDZEK, Caren KUNZE und Joscha WULLWEBER kann als Versuch gesehen werden, materialistische Gesellschaftskritik mit poststrukturalistischer Theorie zu verbinden. Dabei wird insbesondere auf GRAMSCIs Hegemonieverständnis und LACLAU und MOUFFEs Diskurstheorie zurückgegriffen. Neben dem unbestreitbaren Verdienst, die Kontinuitäten und Synthesemöglichkeiten beider ...
Adler, G. Stirners anarchistische Sozialtheorie.--Arendt, O. Das ende des Währungsstreits.--Bortkiewicz, L. v. Wie Leibniz die Diskontierungsformel begründete.--Manes, A. Die Einkommensteuer in der englischen Finanz-Politik und -Literatur bis zu William Pitts Tode.--Mayer, G. Die Lösung der deutschen Frage im Jahre 1866 und die Arbeiterbewegung.--Neuburg, C. Der Zusammenhang zwischen römischem und deutschem Bergabu.--Stieda, W. Auktionen.--Kandt, M. Über verschiedene Prämien-Sparsysteme und ihre volkswirtschaftliche Bedeutung. ; Mode of access: Internet.
Der Beitrag greift Überlegungen eines konzeptionellen Beitrags von Dohle, Jandura und Vowe (2014) auf, in dem die Autoren einen auf die Diffusion des Internets zurückzuführenden strukturellen Wandel der politischen Kommunikation postulieren. Auf der Grundlage der Mediatisierungsthese und integrativer Sozialtheorien wird erläutert, wie ein Test der im Beitrag aufgeworfenen Thesen erfolgen kann. Anhand von Eurobarometer-Daten wird anschließend eine empirische Prüfung ausgewählter Thesen durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen, dass die zentralen Hypothesen des Beitrags, die sich auf das Niveau oder die Stärke der Zusammenhänge in den drei Ländergruppen mit unterschiedlicher Online-Mediatisierung beziehen, überwiegend nicht bestätigt werden konnten.
PD Dr. phil. Oliver Decker ist Sozialpsychologe und Leiter des For-schungsbereichs Gesellschaftlicher und medizinischer Wandel an der Selbstständigen Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie der Universität Leipzig. Seit 2013 ist er zudem als Direktor des Kompetenzzentrums für Rechtsextremismus- und Demokratieforschung sowie seit 2018 als Co-Sprecher des Graduiertenprogramms «Rechtspopulismus» der Universität Leipzig engagiert. Im Sommersemester 2019 weilte er als Gastprofessor am Institut für Soziologie der Universität Wien. Des Weiteren ist er u. a. Gründer und Geschäftsführender Herausgeber der Zeitschrift «Psychoanalyse – Texte zur So zial forschung» und Mit-Herausgeber der Zeitschrift «Psychosozial» wie im in ternationalen Board des «Journal for Psychosocial Studies». 2018 erschien das von ihm herausgebende, zweibändige Lehrbuch «Sozialpsychologie und Sozialtheorie» im Springer-Verlag.Für die Journalgruppe entwarfen Marie-Luise Hermann, Laura Wolf und Norbert Wolff die Fragen. Das Interview führte Laura Wolf im Dezember 2018, Er gänzungen folgten im März 2019.
PD Dr. phil. Oliver Decker ist Sozialpsychologe und Leiter des For-schungsbereichs Gesellschaftlicher und medizinischer Wandel an der Selbstständigen Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie der Universität Leipzig. Seit 2013 ist er zudem als Direktor des Kompetenzzentrums für Rechtsextremismus- und Demokratieforschung sowie seit 2018 als Co-Sprecher des Graduiertenprogramms «Rechtspopulismus» der Universität Leipzig engagiert. Im Sommersemester 2019 weilte er als Gastprofessor am Institut für Soziologie der Universität Wien. Des Weiteren ist er u. a. Gründer und Geschäftsführender Herausgeber der Zeitschrift «Psychoanalyse – Texte zur So zial forschung» und Mit-Herausgeber der Zeitschrift «Psychosozial» wie im in ternationalen Board des «Journal for Psychosocial Studies». 2018 erschien das von ihm herausgebende, zweibändige Lehrbuch «Sozialpsychologie und Sozialtheorie» im Springer-Verlag.Für die Journalgruppe entwarfen Marie-Luise Hermann, Laura Wolf und Norbert Wolff die Fragen. Das Interview führte Laura Wolf im Dezember 2018, Er gänzungen folgten im März 2019.
Es ist ein schwieriges Buch, das Kurt Imhof vorgelegt hat. Schwierig aus mehreren Gründen. Einmal, weil es in einer zwar kraftvollen, aber zugleich ausgesprochen komplexen Sprache verfasst und schon deswegen nicht leicht zu lesen ist. Schwierig insbesondere auch für Leser aus anderen Disziplinen, weil es ein Buch eines Soziologen speziell für andere SoziologInnen ist, das Assoziationen und Bezüge aus bald 3.000 Jahren (europäischer) Philosophie und 300 Jahren Sozialtheorie beinhaltet – und das von Leserin und Leser einfordert, dass diese nicht nur über das gleiche Wissen verfügen, sondern deshalb auch an vielen Stellen auf genauere Begründungen und Argumente verzichten können, dass ihnen also allgemeine Hinweise und generelle Überlegungen ausreichen, um auch im Detail nachvollziehen zu können, was da an Relevanzen und Kriterien, an Assoziationen und Systematisierungen, an Zusammenhangswissen und detaillierten Schlussfolgerungen vorgetragen wird. Schließlich ist das Buch auch deswegen schwierig, weil es inhaltlich randvoll mit Thesen, Argumenten, Überlegungen und Hinweisen ist. Denn Imhof setzt sich seit Jahrzehnten sowohl theoretisch als auch empirisch mit den in dem Band verhandelten Fragen auseinander und bündelt hier nun sein Wissen und seine Überlegungen zu dem, was ihm schon immer am Herzen lag und liegt (soweit ich dies beurteilen kann): Dem Konzept »Öffentlichkeit« eine zentrale Rolle in der Soziologie zu verschaffen, die ihm in den Augen von Imhof vor allem deswegen zukommt, weil Öffentlichkeit die unabdingbare Basis von Demokratie ist.
Welchen (un)intendierten Einfluss haben 'Organisationen' auf das soziologisch begründbare Interesse ihrer Mitglieder, Dinge erstens überhaupt und zweitens in bestimmten Erledigungs-Modi zu tun? Diese übergreifende Fragestellung wird in der Form einer theoretischen ex post-Reflektion bzw. Reinterpretation mehrjähriger empirischer Forschung zur 'managerialen Governance akademischer Lehrtätigkeit' an deutschen Hochschulen beantwortet. Dazu wird vorwiegend auf die bourdieusche Sozialtheorie im Allgemeinen und dessen Interesse(n)-Begriff im Speziellen rekurriert, um zunächst zu rekonstruieren, wie die akademische Lehrpraxis nolens volens – d.h. ohne oder jenseits gezielter Interventionsmaßnahmen durch ein Hochschul-Management – schon immer sozial organisiert ist. Darauf aufbauend werden dann forscherische Erkenntnisse und (Praxis-)adäquate Vorschläge zur sozialen Organisierbarkeit des Interesses von ProfessorInnen zu lehren, wie sie lehren, diskutiert. Im Sinne Bourdieus gilt es dabei die axiomatischen Reduktionen und Auslassungen jener 'ökonomischen' (Organisations-)Theorien zu identifizieren, zu kompensieren oder zu vermeiden, welche ideologisch dafür instrumentalisiert wurden, die bisherige Hochschulbinnenorganisations-Reform nach Maßgabe des New Public Management (NPM) zu gestalten. Mit der vorliegenden Abhandlung ergeben sich dann auch organisationssoziologische Verallgemeinerungsprofite durch Denkfiguren, welche zwar am spezifischen Fall der 'Hochschulorganisation' entwickelt bzw. auf diesen angewendet wurden und dennoch darüber hinwegverweisen sollen: eine 'Soziologie der Organisation von Interessen(freiheit)'.
Der Begriff des Verfassungspatriotismus steht für ein normatives Konzept gesellschaftlicher Integration, welches sozialen Zusammenhalt nicht auf Kultur und Tradition, sondern auf eine kollektive Bindung an die universellen Werte der Menschenrechte und Demokratie gründet. Ursprünglich eng mit Jürgen Habermas (1992) verknüpft, hat sich das Konzept des Verfassungspatriotismus inzwischen von Habermas 'emanzipiert' (vgl. etwa Müller, Scheppele 2008; Soltan 2008; Müller 2010). Jan-Werner Müller (2010) vertritt eine Variante des Verfassungspatriotismus, die zwar normativ eng an Habermas anknüpft, das Konzept aber von seiner Rationalitäts- und deliberativen Demokratietheorie entkoppelt. Analog zu Habermas wird von Müller die Integration von Migrant/-innen vor allem als politische Integration in ein revisionsoffenes Verfassungsprojekt gedacht. Deutlicher und vor allem theoretisch offener als bei Habermas wird von Müller als wesentlicher Mechanismus politischer Integration eine Vergemeinschaftung im demokratisch gehegten Konflikt angenommen. Diesen Mechanismus werde ich im Folgenden als agonistische Vergemeinschaftung bezeichnen. Wie sich eine solche Vergemeinschaftung vollzieht und was ihre sozialen Bedingungen sind, bleibt bei Müller allerdings ungeklärt. Durch die 'Entlastung' von Habermas' Sozialtheorie öffnet sich aber der Weg, Müllers Verfassungspatriotismus mit alternativen sozialtheoretischen Ansätzen weiterzudenken. In diesem Beitrag werde ich erste Schritte in diese Richtung unternehmen und mit Hilfe von Randall Collins' Theorie der Interaktionsrituale spezifizieren, was unter einer agonistischen Vergemeinschaftung zu verstehen ist und welchen Erfolgsbedingungen sie im Zusammenhang mit der politischen Integration von Migrant/-innen unterliegt. Im Folgenden wird der Stand erster Überlegungen skizziert, die theoretisch weiter auszuformulieren sind.
Gesellschaften werden inszenatorisch hervorgebracht – so Matthias Warstat, der sich in seinem neusten Buch mit dieser These im Gepäck auf die Suche nach einem historisch informierten Konzept sozialer Theatralität für die Gegenwart begibt. Er befragt hierfür gleich zwei Begriffe in ihrem Zusammenhang, die für eine kulturwissenschaftlich orientierte Theaterwissenschaft zentral sind: Theatralität und Gesellschaft. Während Theatralität inzwischen wichtiger Bestandteil fachtheoretischer Überlegungen ist, diagnostiziert Warstat die Erosion des Gesellschaftsbegriffs ("society is long dead", Anthony Elliot/BryanS. Turner 2012). Dennoch werde Gesellschaft gerade in ihren theatralen Dimensionen stetig erfahr- und erfassbar, sie "zeige" sich – "auch dann, wenn man sich ihr nicht aktiv zuwendet" (S.12). So geht die Publikation Soziale Theatralität. Die Inszenierung der Gesellschaft von der Annahme aus, Gesellschaft komme "zum Erscheinen" (S.13) und fragt im Anschluss daran nach der Art und Weise dieses Erscheinens aus theaterwissenschaftlicher Perspektive: nach dem Theater im sozialen Leben und nach den Szenen, in denen Gesellschaft sich zeigt. Um diese theatralen Konstellationen von Gesellschaft analytisch beschreibbar zu machen, erarbeitet Warstat, Professor für Theaterwissenschaft an der Freien Universität Berlin, einen sozialtheoretisch ausdifferenzierten Theatralitätsbegriff. Diesem Ziel nähert sich die Publikation in einem Dreischritt: Werden zunächst historische Positionen der Sozialtheorie des 20.Jahrhunderts theoriegeschichtlich verortet und auf ihr implizites Wissen um theatrale Aspekte von Gesellschaften hin befragt, widmet sich der zweite Teil des Buchs zeitgenössischen Theorien, um dann im dritten und finalen Teil einen eigenen Begriff sozialer Theatralität vorzuschlagen. So lesen sich die beiden vorangestellten Komplexe als stichprobenhafte Suchen nach Ansätzen für ein neu zu bestimmendes Verständnis sozialer Theatralität. Ausgehend von der Gründungsphase der modernen Soziologie um 1900 spürt Warstat theatrale Denkfiguren in kanonischen Texten der Sozialtheorie auf (Teil I: Historische Grundlagen einer theatralen Sozialtheorie) – und gelangt so von Gabriel Tardes Hauptwerk La lois de l'imitation (1890) über Georg Simmel und Helmuth Plessner zu Milton Singers Konzept der Cultural Performances, das er ebenso einer historisierenden Kritik unterzieht wie Guy Debords These von der Spektakelgesellschaft (La Société du Spectacle, 1967), entstanden im Umfeld linker Theatralitätskritik um 1968. Der in der Nachfolge von Erving Goffman schreibende Anthony Giddens beschließt mit seiner "Theorie der Strukturierung", nach der "soziale Skripte" (S.30) Handlungen anleiten und Gesellschaft strukturieren können, die Exegese historischer Sozialtheorien. All diesen gesellschaftstheoretischen Positionen ist ein "eingeschriebenes Bewusstsein für Theatralität" (S.13) gemeinsam. Dieses Bewusstsein und die jeweils variierenden Begriffe gesellschaftlicher Theatralität arbeitet Warstat unter Einbezug historischer Kontexte kenntnisreich heraus, um daraus schließlich zu eigenen Begrifflichkeiten und Theoremen zu gelangen. Jenseits dieser größeren Zielsetzung erschließen sich die einzelnen Lektüren aber auch als kleine Theoriegeschichten, die gerade durch die gemeinsame Kontextualisierung von theatralen und gesellschaftlichen Dimensionen wechselseitig epistemisches Potential entfalten. Während Simmels Verständnis theatraler Prozesse zeitdiagnostisch an das Sozialgefüge der modernen Großstadt rückgebunden ist, verortet Warstat Plessners Schriften (Zur Anthropologie des Schauspielers, 1948; Die Stufen des Organischen und der Mensch, 1928; Grenzen der Gemeinschaft, 1924) als Resultate der Zwischenkriegszeit und stellt unter Einbezug der "kalten persona" (Helmuth Lethen) einen defensiven Theatralitätsbegriffs heraus. Dieser sei gleichsam mit einem Maskenverständnis verbunden, das hauptsächlich auf die Schutzfunktion von Maske ziele und in einer – auf Plessner rekurrierend – "Sehnsucht nach den Masken" (S.65) resultiere. Das Konzept der Cultural Performance, hervorgegangen aus den Indien-Expeditionen des Ethnologen Singer in den 1950er Jahren, zieht kulturelle Aufführungen als Erklärungsmodelle für ganze Gesellschaften heran und erlebte aufgrund dessen eine nachträgliche Konjunktur in der Theaterwissenschaft. Warstat beschreibt hingegen die Entstehungsumstände des Konzepts und nutzt die kritische Lektüre zugleich gekonnt als Folie für die eigene Theoriebildung: Gesellschaft sei von Kultur zu trennen, sie zeige sich demnach nicht unbedingt in kollektiven kulturellen Äußerungen und auch soziale Theatralität erschöpfe sich "nicht in jenen Festen, Ritualen und Veranstaltungen, in denen sich die Mitglieder der Gesellschaft ihrer kulturellen Orientierung versichern" (S.28). In diesem Modus der exegetischen Annäherung an und argumentierten Abgrenzung von Konzepten zugunsten eigener Begriffsbestimmungen verfährt die Publikation auch im zweiten Teil, in dem zeitgenössische Theorien auf den Prüfstand gestellt werden (Teil II: Studien zur Theatralitätstheorie der Gesellschaft). In vier Kapiteln bespricht Warstat Schriften von Ernesto Laclau, Bruno Latour, Manuel DeLanda, Sara Ahmed und Lauren Berlant. Den 'leeren Signifikanten', ein sinnentleertes Zeichen, das nach Laclau gerade aufgrund seiner Vagheit Gesellschaften in ihrer Totalität fassen könne, liest Warstat als theatrales Zeichen, fragt nach den 'leeren Szenen', in denen sich ein soziales Ganzes erkennen lasse – und verwirft die Theorie schließlich auf Basis von Slavoj Žižeks Kritik an der proto-faschistischen Ausdeutbarkeit von Laclaus Signifikanten. Bruno Latours Akteur-Netzwerk-Theorie scheint insbesondere dazu geeignet, dualistische Ordnungsmuster sowie subjektzentrierte Ideen von Existenz im Nachdenken über Theatralität zu vermeiden, seien doch auch "Apparaturen, materielle Ressourcen und technische Infrastrukturen" (S.28) integral für Gesellschaften. Manuel DeLandas komplexe Assemblagen zielen im Anschluss daran ebenso auf eine Überwindung des Anthropozentrismus sowie auf ein Mitdenken von "Objekten der Gesellschaft" (S.187) und ihrer Theatralität. Affekttheoretische Gesellschaftsanalysen mit Fokus auf den "Gefühlsinszenierungen des gegenwärtigen Kapitalismus" (S. 31) beschließen diesen Buchteil und führen mit Sara Ahmeds Schrift The Cultural Politics of Emotions und Lauren Berlants Begriff vom Cruel Optimism – ein Begriff, der die "affektive Fixierung" (S. 215) auf schädliche Vorstellungen, Objekte oder Personen zu fassen sucht – auch Gesellschaftstheoretikerinnen ins Feld. Mit diesen "Bausteinen" (S.31) gewappnet, kommt die Publikation schließlich zu einem eigenen "Begriff sozialer Theatralität" (Teil III), der wiederum in einem Dreischritt entwickelt wird: Warstat schlägt vor, Modi des Handelns sowie spezifische Haltungen und Ereignisse zu bedenken, wenn von sozialer Theatralität die Rede ist, also handlungs-, wahrnehmungs- und ereignistheoretische Zugänge zu verbinden, um theatrale Dimensionen gegenwärtiger Gesellschaft zu fassen. Theatralität bezeichne demnach eine Handlungsweise, die einerseits auf Gesellschaft reagiere, umgekehrt aber auch Möglichkeiten eröffne, Kollektive zu formen und zu gestalten. Theatrales Handeln sei stets bewusstes "Als-ob-Handeln" (S. 230), das mit spezifischen, historisch veränderlichen (theatralen) Haltungen einhergehe, welche Warstat an den Brecht'schen Gestus anlehnt. Die dritte – wahrnehmungstheoretische – Dimension von Theatralität berücksichtigt hingegen "Eindrücke des Theatralen" (S. 251), "Momente der Ostentation, des Sich-Zeigens, der Enthüllung" (S.262), die sich plötzlich und im Alltag einstellen können, ohne an konkrete theatrale Handlungen gebunden zu sein. Sie stellen sich stattdessen erst in der und durch die Wahrnehmung der Betrachtenden ein, die hierfür eine – wiederum an Brecht erinnernde – distanzierte Beobachtungsposition einnehmen müssten. Unter anderem durch diese Distanznahme – die dann gleichsam auch für die wissenschaftliche Analyse sozialer Theatralität gelten muss – werde, so Warstat, ein "Eindruck des Ganzen wirksam" (S.31); dies sei Gesellschaft. So erschließt sich die Publikation letztlich nicht nur als Suche nach einem neuen Theatralitätsbegriff, sondern auch als Plädoyer für die gegenseitige Bedingtheit von Theatralität und Gesellschaft – und damit von Theatertheorie und Gesellschaftstheorie. Matthias Warstat erarbeitet einige dieser Theorien detailreich, in zugänglicher aber nie vereinfachender Sprache und legt damit auch ein Studienbuch für einzelne Gesellschafstheorien aus theatralitätstheoretischer Perspektive vor, das darüber hinaus präzise im Feld metaphorisch aufgeladener und heterogen verwendeter Theater- und Gesellschaftsbegrifflichkeiten operiert. So können Warstats Hinweise zur Abgrenzung von Performativität und Theatralität sowie von theatralem und sozialem Rollenhandeln (am frühen Beispiel von Georg Simmels Unterscheidung veranschaulicht) auch jenseits des Erkenntnisinteresses der Publikation für die theaterwissenschaftliche Diskussion fruchtbar sein. Die Struktur des Buchs, das einen neuen Begriff sozialer Theatralität Kapitel für Kapitel und aus der Theoriegeschichte heraus entfaltet, hat hingegen für den Lesemodus und für das entwickelte Konzept selbst Konsequenzen: Dem Leser offenbart sich im Lauf der ersten beiden Teile erst langsam ein Verständnis von Theatralität wie von Gesellschaft, das Warstat selbst anlegt. Andererseits ermöglicht dieses Vorgehen ein Flanieren durch sozialtheoretische Diskurse des 20.Jahrhunderts, das den Theoretikern und ihren Gesellschafts- und Theaterverständnissen selbst genug Raum lässt, wobei es Warstat dennoch en passant gelingt, überzeugende Deutungsperspektiven auf die Lektüren anzubieten. Der theoriegeschichtliche Fokus hat notwendigerweise zur Folge, dass der Begriff sozialer Theatralität aus der theoretischen Reflexion heraus entwickelt wird, die Erprobung dieses neuen Begriffs, seiner Anwendbarkeit auf spezifisch gegenwärtige Phänomene und seine epistemische Tauglichkeit für theaterwissenschaftliche Gegenstände nun im Anschluss daran aber noch aussteht – auch wenn die Publikation zur Veranschaulichung hier und da auf kleinere Beispiele zurückgreift. Eines davon, eine persönliche Erinnerung Matthias Warstats, ist besonders einprägsam – nicht nur, weil darin das Teilen einer vorweihnachtlichen Bockwurst zur Reflektion über soziale Ungleichheit führt, sondern auch, weil sich das Beispiel aus der Erfahrung des Autors speist und so gerade die Reize und Fallstricke der analytischen Beschreibung von Theatralität und Gesellschaft aufzeigt: Wir sind alle darin verstrickt.