Der Verfasser gibt einleitend einen Überblick über die Entwicklung der deutschsprachigen sozialwissenschaftlichen Forschung über Jugendliche mit Migrationshintergrund seit den 1970er Jahren und beschreibt eine Entwicklung vom Defizit-Paradigma über das Differenz-Paradigma zu biografischen und sozialkonstruktiven Ansätzen. Vor diesem Hintergrund werden anhand ausgewählter Studien neue Paradigmen der Migrationsforschung vorgestellt und daraufhin befragt, welches Bild von Jugendlichen mit Migrationshintergrund ihnen zugrunde liegt. Solche Paradigmen thematisieren die Zugehörigkeitsthematik, Bildung als Strategie der Identitätstransformation und Selbstpositionierung, soziale Ungleichheit und Machtbeziehungen. Der Beitrag macht deutlich, dass die in früheren Forschungsansätzen auffindbaren Essentialisierungen von Kultur einer breiteren sozialwissenschaftlichen Perspektive gewichen sind. (ICE2)
In: Soziale Ungleichheit, kulturelle Unterschiede: Verhandlungen des 32. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in München. Teilbd. 1 und 2, S. 3495-3506
"Als Bestandteil eines im Rahmen von infoconnex entstehenden sozialwissenschaftlichen Fachportals wird an der Technischen Universität Darmstadt SozioNet entwickelt. Gefördert wird das Projekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. In enger Zusammenarbeit mit soziologischen Universitäts- und Forschungsinstituten in Deutschland werden sozialwissenschaftliche Web-Ressourcen vernetzt. SozioNet ist eine Ergänzung zu den bestehenden Datenbankangeboten des IZ Sozialwissenschaften, zu den Angeboten der Virtuellen Fachbibliothek Sozialwissenschaften ViBSoz und anderen. Der Schwerpunkt liegt in der Erfassung solcher Ressourcen, die verteilt auf den Servern sozialwissenschaftlicher Einrichtungen vorhanden, frei zugänglich, aber bisher noch nicht systematisch erfasst sind. SozioNet bietet eine generelle Infrastruktur zur Erfassung von Ressourcen und Erstellung von Metadaten. Als Vorbilder dienen MathNet und PhysNet und aus dem Bereich der Sozialwissenschaften das Social Science Information Gateway SOSIG aus Großbritannien. SozioNet bietet eine generelle Infrastruktur zur Erfassung relevanter Ressourcen. Ziel von SozioNet ist die Vernetzung von frei zugänglichen sozialwissenschaftlichen Ressourcen im Internet, die verteilt auf den Servern ihrer jeweiligen Einrichtungen vorhanden sind, jedoch durch die gängigen Suchmaschinen in der Regel nicht gefunden werden. Es handelt sich dabei in erster Linie um Graue Literatur, also Arbeitspapiere, Unterrichtsmaterialien, Präsentationen, einzelne Webseiten, Diplom- und Magisterarbeiten etc. Darüber hinaus ist es das Anliegen der Verfasser, eine überregionale Informationsinfrastruktur der sozialwissenschaftlichen Institutionen zu schaffen, die auf der Selbstorganisation der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beruht. SozioNet stellt dafür Werkzeuge zur Verfügung und ist für die Beratung und Unterstützung zuständig. Die Pflege und Verantwortung, sowie die Ressourcen selbst, verbleiben bei der jeweiligen Einrichtung. SozioNet zeigt den Weg dorthin. Die Etablierung von SozioNet in der Community und damit auch die Förderung der Sichtbarkeit von sozialwissenschaftlichen Einrichtungen und ihren Aktivitäten ist ein weiteres Anliegen. Die in SozioNet entwickelten Werkzeuge sollen auch über die Projektlaufzeit hinaus genutzt werden. Dies wird mit der Integration von SozioNet in infoconnex und durch die Anbindung an das IZ realisiert. Konzipiert wurde SozioNet ausgehend von der Frage, welche Anforderungen ein fachliches Informationsangebot im Netz erfüllen sollte. Ein wichtiger Aspekt dabei ist die Auswahl der relevanten Ressourcen unter fachlichen Aspekten, das bedeutet, solche Dokumente aus zu wählen, die für die sozialwissenschaftliche Forschung und Lehre relevant sind. Diese Auswahl wird von den beteiligten Institutionen selbst getroffen. Des Weiteren müssen die ausgewählten Ressourcen unter fachspezifischen Gesichtspunkten recherchierbar sein, das bedeutet, der fachliche Kontext muss einbezogen werden, um ausschließlich fachlich relevante Ressourcen zu erreichen und um sich damit von allgemeinen Suchmaschinen abzugrenzen. Nicht zuletzt müssen die Beteiligten sich auf gemeinsame Standards einigen. Neben formalen Anforderungen bedeutet dies vor allem die Entwicklung eines gemeinsamen Metadatenschemas, welche alle relevanten Aspekte im Bereich sozialwissenschaftlicher Forschung und Lehre integriert. Dazu gehört die Definition der verschiedenen Arten von Ressourcen ebenso wie die allgemeine Beschreibung von Online-Ressourcen mit Hilfe von Merkmalen wie Autor, Titel etc. Für eine sinnvolle inhaltliche Erschließung ist es notwendig, auf ein gemeinsames Vokabular zurückgreifen zu können. Daher war es nahe liegend, die im Fach bereits etablierten Werkzeuge des IZ Sozialwissenschaften, den Thesaurus und die Klassifikation zur inhaltlichen Erschließung in das Metadatenschema einzubinden." (Textauszug)
Der Verfasser gibt einleitend einen Überblick über die Entwicklung der deutschsprachigen sozialwissenschaftlichen Forschung über Jugendliche mit Migrationshintergrund seit den 1970er Jahren und beschreibt eine Entwicklung vom Defizit-Paradigma über das Differenz-Paradigma zu biografischen und sozialkonstruktiven Ansätzen. Vor diesem Hintergrund werden anhand ausgewählter Studien neue Paradigmen der Migrationsforschung vorgestellt und daraufhin befragt, welches Bild von Jugendlichen mit Migrationshintergrund ihnen zugrunde liegt. Solche Paradigmen thematisieren die Zugehörigkeitsthematik, Bildung als Strategie der Identitätstransformation und Selbstpositionierung, soziale Ungleichheit und Machtbeziehungen. Der Beitrag macht deutlich, dass die in früheren Forschungsansätzen auffindbaren Essentialisierungen von Kultur einer breiteren sozialwissenschaftlichen Perspektive gewichen sind. (ICE2). Die Untersuchung bezieht sich auf den Zeitraum 1970 bis 2007.
Mit der Zunahme formaler Organisationen in der Industriegesellschaft wächst auch das Ausmaß der entsprechenden Buchführung über soziales Verhalten. Als "prozeß-produziert" gelten dabei jene Daten, die als "Nebenprodukte" der Tätigkeit formaler Organisationen anfallen, die also nicht nur zu wissenschaftlichen oder statistischen Zwecken erhoben werden. Angesichts der Tatsache, daß diese prozeß-produzierten Daten auch in der sozialwissenschaftlichen Forschung zunehmend an Bedeutung gewinnen, ist es unerläßlich, den Abbildungscharakter der administrativen Buchführung näher zu analysieren. Nur wenn die Entstehungszusammenhänge bekannt sind, ist es möglich, Verzerrungen und Fehler aufzudecken und zu berücksichtigen. Die Verf. untersuchen die Abbildungstiefe administrativer Buchführungen am Beispiel von Formularen, die bei Verwaltungsstellen im Raume Köln verwendet werden. Die Ergebnisse dieser Abbildungsanalyse werden mit einer Analyse der verschiedenen Verwaltungsklientele verbunden, so daß ein mengenmäßiges Gerüst der administrativen Buchführung sichtbar wird. Unter anderem wird die Qualität der administrativen Buchführung aus der Sicht des Verwaltungspersonals untersucht (Befragung). Die Folgerungen, die aus den vorgestellten Befunden gezogen werden, beziehen sich auf neue Möglichkeiten der sozialwissenschaftlichen Nutzung administrativ gewonnener Daten. Unerläßlich aber ist die Entwicklung einer quantitativen Quellenkritik. (JL)
Der Aufsatz formuliert die theoretische und methodologische Bedeutung des Kategorienbegriffs für das Verständnis der Erziehungswissenschaft und im Allgemeinen für die sozialwissenschaftliche Forschung. Der rege und vielfältige, aber unbestimmte Gebrauch des Begriffs der Kategorie führt zu praktischen wie theoretischen Problemen für die (qualitative) empirische Forschung. Die Folgen für die Forschung als auch für die (sozial-)pädagogische Praxis werden in dem Beitrag anhand einer Untersuchung zu Geschlecht in der stationären Jugendhilfe verdeutlicht. Unter Bezugnahme auf Jacques Derridas Dekonstruktion und Judith Butlers Heteronormativitätskritik wird eine kategorienreflektierende Perspektive für die (qualitative) Methodologie und Methodik eröffnet.
Ziel des Beitrags ist es, mit einer Einführung in die einschlägige Literatur auch die Entwicklung nachzuzeichnen, welche seit dem Aufbau der Bundeswehr in der sozialwissenschaftlichen Behandlung des Themas "Militär" genommen wurde. Dazu wird im ersten Abschnitt der Frage nachgegangen, ob es in der BRD eine Militärsoziologie gibt. Im zweiten Abschnitt wird die sozialwissenschaftliche Forschung innerhalb und außerhalb der Bundeswehr in den 60er Jahren beschrieben. Dabei wird festgestellt, daß in dieser Zeit einige beachtliche Werkstücke sozialwissenschaftlicher Militärforschung in der BRD entstanden sind, diese jedoch Einzelstücke geblieben sind. Anschließend werden Grundmaterialien zur Einführung in die sozialwissenschaftlich orientierte Militärforschung besprochen. (RW)
Die deutsche Gesellschaft für Soziologie führte im ersten Halbjahr 1974 eine Enquete zur Lage der soziologischen Forschung durch. Es konnten Informationen von über 150 Forschungseinrichtungen gewonnen werden. Das Ziel war die Erfassung und Analyse von Strukturproblemen der sozialwissenschaftlichen Forschung in drei Hauptbereichen: 1. den Einrichtungen der Hochschulen, 2. den wissenschaftlich verfassten Forschungsinstitutionen und 3. den kommerziellen, sowie verbands- und verwaltungseigenen Einrichtungen. Der Beitrag beschreibt die angegebenen externen und wissenschaftsinternen Schwierigkeiten, deren Gewicht allerdings in den einzelnen Typen von Forschungseinrichtungen sehr, zum Teil grundlegend, verschieden ist. Die strukturellen Schwächen und Entwicklungshemmnisse der Sozialwissenschaften liegen nicht in mangelnden Finanzierungsmöglichkeiten für interessante und gut konzipierte einzelne Forschungsprojekte. Förderung muss vielmehr dort ansetzen, wo die eigentlichen Engpässe liegen. Diese sind struktureller und infrastruktureller Natur und können nur durch unmittelbare kapazitätswirksame Maßnahmen ausgeweitet werden. (ICB2)
Welcher Stellenwert dem Einzelfall in der Sozialforschung zugebilligt wird, hängt davon ab, welches Verhältnis von Allgemeinem und Besonderem zugrunde gelegt wird. Wird das Allgemeine dem Besonderen gegenübergestellt, dann ist der Stellenwert der Fallanalyse der der Beschaffung von Hypothesen zu Beginn einer Forschung, die auf Generalisierung auf der Basis statistischer Repräsentativität angelegt ist (Hypothesengenerierungs-Modell). Umgekehrt und geradezu in einer Gegenbewegung zu dieser Position lassen sich Fallanalysen finden, in denen von allgemeinen Aussagen abgesehen wird. Es wird stattdessen die Auffassung vertreten, dass der Fall sich selbst expliziere (Sozialreportage-Modell). Zwischen diesen beiden Positionen kann eine weitere angesiedelt werden, die häufig in der sich als "qualitativ" bezeichnenden Sozialforschung verbreitet ist. Ihre Eigentümlichkeit besteht darin, dass zwar auf der einen Seite Material von Fällen erhoben wird, dieses jedoch aus der Sinnstrukturiertheit (dazu weiter unten) des jeweiligen Falles herausgelöst und unter Begriffe subsumiert wird, die nicht aus dem Material heraus entwickelt, sondern an dieses herangetragen wurden (Subsumtions-Modell). Diesen Positionen hinsichtlich der Bedeutung des Falls in der sozialwissenschaftlichen Forschung kann eine vierte gegenübergestellt werden. Dieser liegt die Auffassung zugrunde, dass in der Analyse der historischen Konkretion eines Falles das Verhältnis von Allgemeinem und Besonderem von vornherein thematisch ist. Es kommt dann darauf an, zu rekonstruieren, wie der Fall seine spezifische Wirklichkeit im Kontext allgemeiner Bedingungen konstruiert hat (Fallrekonstruktions-Modell). Diese Position wird in dem vorliegenden Beitrag näher betrachtet. Es werden sowohl die theoretischen Konzepte als auch die Methoden beleuchtet. Anschließend präsentiert der Autor ein Fallbeispiel. Zum Schluss wird der Unterschied von Fallrekonstruktion und Fallkontrastierung verdeutlicht. (ICD2)
Wenn die "Bürgergesellschaft" heute zu einem Zentralbegriff politischer Zielvorstellungen und Programme wird, dann handelt es sich zumeist um Ziele der Politik, um die Zukunft des Gemeinwesens und damit um eine Neubestimmung des Verhältnisses von Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Bürger. Als sehr verkürzt und zu undifferenziert ist nach Ansicht des Autors eine Sichtweise anzusehen, die lediglich den Staat und den Bürger als Adressaten und als zu aktivierende Elemente betrachtet. Die Akteure der Zivilgesellschaft sind hingegen mindestens vier Bereichen zuzurechnen: staatliche Institutionen auf Landes- und Kommunalebene, Nonprofit-Organisationen, Wirtschaftsunternehmen und Bürger. Der Autor diskutiert das staatliche Handeln in der Zivilgesellschaft und skizziert regionale Unterschiede im bürgerschaftlichen Engagement und deren Ursachen. Er umreißt ferner Notwendigkeiten, Möglichkeiten und Wege zur Aktivierung sozialwissenschaftlicher Forschung zum zivilgesellschaftlichen Engagement auf der Makro-, Meso- und der Mikroebene. (ICI2)
Das Verhältnis von Politikwissenschaft und der neuen Strömung Politikfeldanalyse (Policy-Forschung) wird dargestellt und anhand aktueller Diskussionen beurteilt. Die vergleichende Analyse kommt zu dem Ergebnis, "daß Politikfeldanalysen - bei einer realistischen Einschätzung ihrer Reichweite - zu einer sinnvollen Erweiterung politikwissenschaftlicher Fragestellungen beitragen können. Dies bezieht sich insbesondere auf die Ergänzung von Prozeß- und Institutionsanalysen durch problemorientierte, materiell-inhaltliche Fragestellungen, auf den Einbezug der kognitiven Dimension politischer Prozesse, schließlich auf die stärkere analytische Differenzierung, mit der gleichzeitig dem zeitlichen Ablauf politischer Prozesse besser als bislang entsprochen werden kann". Nachteilig werden bemerkt: Tendenzen zur Überkomplexität, Anwendung leerer Kategorien und Anpassung der Forschung an allgemeinpolitische Themen. (HA)
Ausgehend von der Bedeutung der praxisorientierten handlungsrelevanten Forschung für die Belange der Politikberatung im derzeitigen Stadium "grundlegender medienpolitischer Weichenstellungen", stellt die Autorin die beiden erkenntnisleitenden Interessen der Forschung dar, nämlich "ob" und "wie" Neue Medien eingeführt werden sollen. Sie stellt fest, daß Forschungen nach dem "ob", d.h. nach dem Wünschenswerten, mehr Restriktionen unterworfen sind. Die Autorin skizziert die Rahmenbedingungen sozialwissenschaftlicher Forschung in diesem Bereich und erläutert die jeweiligen Restriktionen. Im einzelnen beschäftigt sie sich mit Restriktionen in den Komplexen elektrotechnische Industrie, politisch-administratives System, Mediensystem und Forschung, wobei sie auf die Unterschiede zwischen Auftrags- und universitärer Forschung eingeht. Abschließend kritisiert sie vor dem Hintergrund der Bedeutung der Massenmedien für die Politik, daß die universitäre Forschung "ihren Forschungsspielraum trotz objektiver Forschungsmöglichkeiten kaum nutzt". Sie hofft, daß sich mehr Forscher im universitären Bereich dieser Möglichkeiten bewußt werden und "fundierte Untersuchungen zum medienpolitisch Wünschbaren" erarbeiten. (RE)
Die sozialwissenschaftliche Forschung über ethnische Minderheiten und Medien kann von unterschiedlichen theoretischen Perspektiven aus erfolgen, die sich in charakteristischen Schlüsselbegriffen manifestieren. So wird in manchen Untersuchungen der Begriff der "kulturellen Identität" ins Zentrum gestellt. Dagegen dient im vorliegenden Projekt der Begriff der "gesellschaftlichen Integration" als theoretischer Fokus. Um ihn als Forschungsinstrument weiter zu schärfen, wird er vom Autor unter Rückgriff auf die einschlägige Literatur analysiert und im Hinblick auf seine Tauglichkeit für die Zwecke des Forschungsvorhabens über Massenmedien und die Integration ethnischer Minderheiten in Deutschland geklärt. Der Schlüsselbegriff wird dazu in das Spannungsfeld polarer Eigenschaftsprofile gestellt und mögliche Anwendungsebenen und Indikatoren werden diskutiert. (ICI2)
In: Kultur und Gesellschaft: gemeinsamer Kongreß der Deutschen, der Österreichischen und der Schweizerischen Gesellschaft für Soziologie, Zürich 1988 ; Beiträge der Forschungskomitees, Sektionen und Ad-hoc-Gruppen, S. 327-330
In: Ideologie und gesellschaftliche Entwicklung in der DDR: achtzehnte Tagung zum Stand der DDR-Forschung in der Bundesrepublik Deutschland 28. bis 31. Mai 1985
Die praktische Politik in der DDR und anderen Ländern des "real existierenden Sozialismus" läßt keinen Zweifel daran, daß in der gesellschaftlichen Praxis alles unternommen wird, um dem politischen System genehme Verhaltensformen, Einstellungen und Wertungen bei allen Bürgern zu erreichen. Alle Gesellschaftswissenschaften spielen in diesem Prozeß eine große Rolle, eine herausragende neben der Philosophie jedoch die Soziologie. Innerhalb dieses Beitrags werden deshalb auch nicht die Gesellschaftswissenschaften in der DDR, sondern nur ein Teil davon diskutiert. An einigen Beispielen wird durch die Beschreibung von Verfahren der Entstehung von Forschungsthemen und -vorhaben ein Einblick in die Bedingungen sozialwissenschaftlicher Forschung gegeben. Die Existenzbedingungen der Gesellschaftswissenschaften werden vorgestellt. Ihre theoretische Grundlage ist der Marxismus-Leninismus in der Lesart der KPdSU und der SED. Forschungskonzeptionen müssen sich in Übereinstimmung mit der jeweiligen Parteilinie befinden. Konkrete Forschungsaufgaben werden nach Anhörung der wissenschaftlichen Leitinstitutionen durch "Zentrale Forschungspläne" geleitet und beaufsichtigt. Forschungsergebnisse tragen fast durchweg internen Charakter. Sicher haben die Gesellschaftswissenschaften in der DDR zu einer wirklichkeitsbezogeneren Sichtweise der SED-Führung beigetragen und auch auf anderen Ebenen für bessere Durchschaubarkeit von sozialen Prozessen gesorgt, aber Einfluß wurde ihnen nur da einigermaßen eingeräumt, wo ihre soziologischen Erkenntnisse nicht im Widerspruch zu den Interessen und Absichten der herrschenden Meinung standen. (SJ)
"Kundenorientierung" ist gegenwärtig in Management und Öffentlichkeit das populärste Unternehmensleitbild. Sowohl die Kunden- als auch die Marktorientierung bedeuten dabei für die Autoren eine "Absetzbewegung von den überkommenen Organisationsstrukturen": Beide positionieren die Beschäftigten zumindest virtuell und normativ an den Grenzen der Organisation zum Kunden bzw. zum Markt. Die Autoren analysieren dieses Leitbild als einen neuen "ambigen Organisationsmythos". Diese These wird an einem Beispiel aus der aktuellen Lohn- und Entgeltgestaltung illustriert. Anschließend wird derselbe Sachverhalt an der Differenz zwischen Produktionsökonomie und Kundenorientierung am Beispiel der Arbeit in Call-Centern untersucht. Die Ausführungen zeigen insgesamt, wie das schwammige Konzept "Kundenorientierung" eine umkämpfte Deutungs- und Legitimationsressource ist, die die bestehenden organisatorischen Dilemmata und Konflikte eher verschärft. (ICA)