Die Entwicklungen in der Soziologie der Bundesrepublik nach dem Ende des Dritten Reiches werden dargestellt und kritisch beurteilt. Dabei stehen die Vorgänge um die Gründung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie und um die Einflüsse der durch ihre Mitarbeit im Faschismus vorbelasteten Fachvertreter im Blickpunkt. Es wird nachgewiesen, daß in den 50er Jahren eine Soziologieprofession restauriert wurde, in der es nur wenige fortschrittliche, dafür aber zahlreiche konservative bis faschistische Traditionen gab. Diese Restauration vollzog sich unter Aufsicht und Anleitung der amerikanischen Besatzungsmacht und ermöglichte den zuvor totalitär eingebundenen Soziologen eine neue Herrschafts- und Machtposition an den Hochschulen. Im Kontext des Antikommunismus konnten diese dann den Kalten Krieg und den innenpolitischen Rechtsdruck nutzen, um den liberalen Kräften in der Soziologie, die sich um R. König und H. Plessner scharten, den "Bürgerkrieg" zu erklären.
Besonders in Zeiten des Umbruchs gewinnt eine alte Frage der soziologischen Theorie wieder vermehrt an Bedeutung: was hält eine Gesellschaft zusammen. Antworten darauf sind auf einer ganzen Bandbreite zu finden: vom Hobbschen Leviathan mit seinem staatlichen Zwangsapparat über normorientierte Lösungen bis hin zur Entstehung von Kooperation unter sogenannt rationalen Egoisten. Dies alles sind Idealkonstruktionen. Wir finden weder den allumfassenden Staat, noch das vollständig sozialisierte Individuum, das nur Normvorstellungen befolgt, noch den nur auf den eigenen Vorteil bedachten Nutzenmaximierer. Sie markieren lediglich die Pole in der Diskussion darüber, welche Kräfte die Gesellschaft zusammenhalten. Vertrauen kann als eine dieser Kräfte bezeichnet werden. Sowohl Vertrauen in sozialen Beziehungen wie Vertrauen in grössere Gebilde, in Systeme. Vertrauen kann verschiedene Funktionen haben. Vertrauen kann als stiller Hintergrund kooperative Beziehungen erhalten helfen, kann eine Lösung der Trittbrettfahrer-Problematik sein oder kann Leuten helfen, ihre Eigeninteressen mit denen anderer zu versöhnen. Vertrauen ermöglicht es Politikern, die nötige Zeit für Reformen zuerkannt zu erhalten. Trotz dem zentralen Stellenwert, dem Vertrauen zukommt, wird es von vielen Theoretikern nur wage erwähnt, wie das bereits Gambetta beschrieb: ".in the social sciences the importance of trust is often acknowledged but seldom examinated, and scholars tend to mention it in passing, to allude to it as a fundamental ingredient or lubricant, an unavoidable dimension of social interaction, only to move on to deal with less intractable matters." (Gambetta 1988: IX-X, in Preisendörfer 1995: 264) Obwohl also Vertrauen eine unabdingbare Voraussetzung für das Zusammenleben ist, durch das Unsicherheit abgebaut, Mehrdeutigkeit reduziert wird, ist eine genaue Analyse von vielen Theoretikern umgangen worden. In unserem Artikel wollen wir einige Soziologen zu Wort kommen lassen, die sich dieser Lücke mehr oder weniger explizit angenommen haben. Zum Einstieg werden wir das Thema etwas umreissen und versuchen, die soziologische von der ökonomischen Sichtweise abzugrenzen. Wir wollen sodann mit drei ausgewählten Vertretern drei verschiedene Strömungen neuerer soziologischer Theorie abdecken. Diese neueren Theorien können grob unterteilt werden in akteurzentrierte Ansätze, Praxistheorien und Systemtheorien. Als jeweilige Vertreter haben wir ausgewählt: Coleman als Vertreter eines akteurtheoretischen Ansatzes, Giddens mit seiner Praxistheorie und Luhmann als Systemtheoretiker. Bei akteurzentrierten Ansätzen gilt das Individuum als Urheber von Praxis. Die Praxistheorie liegt zwischen einem akteurzentrierten und einem systemtheoretischen Ansatz. Hier gelten die Individuen als Träger und Teilnehmer der Praxis, nicht als deren Urheber. Ebenfalls spielt das Zeitkonzept eine bedeutende Rolle. Soziale Verhältnisse perpetuieren sich und gehen nicht völlig in Interaktion auf. Der systemtheoretische Ansatz von Luhmann ist reine Makrotheorie, es gilt, Gesellschaft zu erklären. In Erweiterung von Parsons hat Luhmann kybernetische Dimensionen und kognitionsbiologische Ansätze eingeführt.
Die Recherche beschäftigt sich mit einem Teilbereich der Studienreformen in Deutschland: der Einführung von sozialwissenschaftlichen Bachelor- und Masterstudiengängen insbesondere mit den Kernfächern Soziologie und Politikwissenschaften. Ziel der Studie ist es, die aktuellen Veränderungen im sozialwissenschaftlichen und insbesondere im soziologischen Studienangebot zu dokumentieren und einer ersten vorläufigen Bewertung zu unterziehen. ; Peer Reviewed
Die vier wesentlichen Anliegen dieses Buches sind: 1.) eine Aufarbeitung der Grundzüge von System- und Evolutionstheorien und ihrer geschichtlichen Entwicklung, die auf ihre gesellschaftstheoretischen Bestände zielt; 2.) eine Problematisierung des wechselseitigen Abgrenzungsverhältnisses von Natur- und Technik- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften, die in eine Rekapitulation von Fragen des gesellschaftswissenschaftlichen Theorietransfers mündet; 3.) eine kritische Würdigung der Soziologie Luhmanns vor dem Hintergrund konkurrierender theoretischer Paradigmata (Kritische Theorie, Dialektischer Materialismus), die sich vor allem auf ihre Konzipierung der Verhältnisse von menschlicher Population und sozialen Systemen, von sozialen Systemen und (Welt-) Gesellschaft sowie von sozialen Systemen und ihrer ökologischen Umwelt konzentriert; und 4.) eine Erkundung von Möglichkeiten integrativer Theorieentwicklung, zielend auf die thermodynamische Offenheit und kommunikative Geschlossenheit menschlicher Gesellschaften in ihrem Verhältnis zur ökologischen Umwelt.
Der Aufsatz setzt sich mit dem tiefgreifenden, aber gänzlich unabgeschlossenen, Wandelder sozialwissenschaftlichen Technikforschung in den vergangenen zwei Jahrzehnten auseinander. In durchaus autobiographisch gefärbter Form wird auf unterschiedliche Versuche verwiesen, technische Artefakte und Netze aus ihrer "Veranderung" als nicht-soziale Gegebenheiten herauszuholen und soziologisch einzugemeinden. Drei Faktoren werden dafür verantwortlich gemacht, dass sich Soziologen gezwungen sahen, ihre Diskurse für diese Problematik zu öffnen: die Ankunft der Computer, die Konkurrenz durch populäre Medien und die gesellschaftstheoretischen Ansprüche, die von einer unorthodoxen Wissenschafts- und Technikforschung vorgetragen worden sind. Die zukünftige Entwicklung dieses Forschungsfelds, so die abschließende These, wird sich entlang der grundlegenden Kontroverse zwischen evolutionsbiologisch inspirierten Auffassungen - "Naturalisierung der Geschichte" - und kulturwissenschaftlich inspirierten Auffassungen - "Historialisierung der Natur" - abspielen. Vom Verlauf dieser Kontroverse wird auch abhängen, welche Theorieeffekte die sozialwissenschaftliche Technikforschung in der gesellschaftlichen Praxis haben wird und mit welcher Politik der Expertise sich Technikforscher konfrontiert sehen. ; Version: Preprint (WZB Discussion Paper) ; Technology – The Other of Society? Looking Back on 20 Years of Social Studies on Urban and Other Artefacts. This essay examines marked, if entirely inconclusive, changes in the landscape of social studies of technology over the past two decades. Admittedly colored autobiographically, it points to various attempts to overcome the "otherness" imposed on technical artefacts and networks by sociologists and to bring them back into the social realm. Three factors are made responsible for the fact that students of technology had to open their discourse for this problematic: the advent of computers, the competition from popular media, and the claims to high social theory advanced by unorthodox science and technology studies. The future development of the field, thus the closing argument, will hinge on the outcome of a fundamental controversy between approaches inspired by evolutionary biology - "naturalizing history" - and culturalist approaches - "historializing nature". What kind of theory effects of social studies of science and technology will find their way into social practice will depend on the course this controversy will take. And so will the politics of expertise practitioners of science and technology studies will see themselves confronted with.
Der Aufsatz setzt sich mit dem tiefgreifenden, aber gänzlich unabgeschlossenen, Wandel der sozialwissenschaftlichen Technikforschung in den vergangenen zwei Jahrzehnten auseinander. In durchaus autobiographisch gefärbter Form wird auf unterschiedliche Versuche verwiesen, technische Artefakte und Netze aus ihrer Veranderung als nicht-soziale Gegebenheiten herauszuholen und soziologisch einzugemeinden. Drei Faktoren werden dafür verantwortlich gemacht, dass sich Soziologen gezwungen sahen, ihre Diskurse für diese Problematik zu öffnen: die Ankunft der Computer, die Konkurrenz durch populäre Medien und die gesellschaftstheoretischen Ansprüche, die von einer unorthodoxen Wissenschaftsund Technikforschung vorgetragen worden sind. Die zukünftige Entwicklung dieses Forschungsfelds, so die abschließende These, wird sich entlang der grundlegenden Kontroverse zwischen evolutionsbiologisch inspirierten Auffassungen - Naturalisierung der Geschichte - und kulturwissenschaftlich inspirierten Auffassungen - Historialisierung der Natur - abspielen. Vom Verlauf dieser Kontroverse wird auch abhängen, welche Theorieeffekte die sozialwissenschaftliche Technikforschung in der gesellschaftlichen Praxis haben wird und mit welcher Politik der Expertise sich Technikforscher konfrontiert sehen. ; This essay examines marked, if entirely inconclusive, changes in the landscape of social studies of technology over the past two decades. Admittedly colored autobiographically, it points to various attempts to overcome the otherness imposed on technical artefacts and networks by sociologists and to bring them back into the social realm. Three factors are made responsible for the fact that students of technology had to open their discourse for this problematic: the advent of computers, the competition from popular media, and the claims to high social theory advanced by unorthodox science and technology studies. The future development of the field, thus the closing argument, will hinge on the outcome of a fundamental controversy between approaches inspired by evolutionary biology - naturalizing history - and culturalist approaches - historializing nature. What kind of theory effects of social studies of science and technology will find their way into social practice will depend on the course this controversy will take. And so will the politics of expertise practitioners of science and technology studies will see themselves confronted with.
Qualitative Methodologien, die einen zunehmend zentralen Platz in der sozialwissenschaftlichen Forschung einnehmen, müssen sich auch mit dem Stellenwert historischer Informationen in sog. "oralen" Gesellschaften beschäftigen. Diese Informationen beinhalten notwendig Erinnertes, das teilweise fragmentarisch ist, teilweise bewusst verzerrt wird vor dem Hintergrund z.B. von Machtverhältnissen und -beziehungen, die verändert/gestört oder erhalten werden sollen. Der folgende Text beschäftigt sich mit den spezifischen Problemen und Herausforderungen, die mit einer so verstandenen "historischen Soziologie" einhergehen: Forschende in diesem Feld müssen nicht nur erinnerte Ereignisse festhalten und deuten, sie müssen auch eventueller Interessenskonflikte gewahr sein, die aus den Beziehungen der Informant(inn)en/Expert(inn)en zu/in ihren Gesellschaften resultieren. Hierzu werden verschiedene Beispiele aus Somalia (Ostafrika) hinzugezogen, die verdeutlichen sollen, wie und warum Befragte historische "Daten" manipulieren (können), wenn sie davon ausgehen, dass die von ihnen gegebenen Informationen niedergeschrieben und veröffentlicht werden (z.B. kann ein Motiv sein, eigene Ansprüche auf Ressourcen und/oder jeweils gewünschte ökonomische oder sozial-politische Ergebnisse zu unterstreichen). Hiervon ausgehend werden Wege vorgeschlagen, die helfen sollen, die Reliabilität der erhobenen Informationen zu verbessern. URN: urn:nbn:de:0114-fqs0103219 ; With qualitative methodology now taking center stage in social sciences research, historical information in oral societies that pervasively relies on remembered categories could be sometimes fragmentary, biased, and willfully mis-located to effect a preferred relationship that may disturb or sustain currently desired power relations among groups of people. This paper will attempt to examine specific problems and challenges that pertain to the role of the historical sociologist who must not only record and interpret recalled events, but must also beware of possible "conflicts of ...
Der vom Verwaltungsapparat der DDR erhobene Datenspeicher "Gesellschaftliches Arbeitsvermögen" (DS GAV) ist eine einzigartige Datenquelle für die 1980er Jahre, die eine Vielzahl von Einträgen zu soziodemographischen und sozioökonomischen Merkmalen, Qualifikation und Beschäftigung für mehr als 7 Millionen ehemalige DDR-Bürger umfasst. Der DS GAV wurde erhoben, um das Management des Humanvermögens in der Zentralverwaltungswirtschaft der DDR effizienter zu gestalten, um also eine kontrollierte Arbeitskraftallokation und Personalfluktuation zwischen Wirtschaftszweigen und Unternehmen zu garantieren; das Potenzial dieses Projekts wurde jedoch höchstwahrscheinlich niemals in hinlänglicher Weise ausgenutzt. Fünfzehn Jahre nach dem Zusammenbruch des ostdeutschen Staatssozialismus bietet der DS GAV eine Quelle für die quantifizierende historische Sozialforschung auf dem Weg zu einer Soziologie der DDR-Gesellschaft. Ein Jenaer Forschungsprojekt zu DDR-Eliten und Prozessen sozialer Differenzierung, Teil des Sonderforschungsbereichs 850, stützt sich u.a. auf diese Datenquelle. Die Verfasser diskutieren den historischen Hintergrund, die Datenaufbereitung, die Explorationsphase und erste soziologische Analysen auf der Basis des DS GAV. ; The Datenspeicher 'Gesellschaftliches Arbeitsvermögen' (Data Fund of Societal Work Power, DS GAV) of the GDR administration is a unique database from the 1980's that comprises a variety of entries on the socio-demographic and socio-economic traits, the qualification, and the employment of more than 7 million former inhabitants of the GDR. The DS GAV was built up and maintained in order to establish a more efficient human resource management in the centralized state economy of the GDR i.e., to guarantee controlled allocation of manpower and fluctuation of personnel between sectors and enterprises, but the potential of the project was most likely never used in a sufficient way. 15 years alter the collapse of state socialism in East Germany, the DS GAV serves as a source for quantitative historical social research towards a sociology of GDR society. A research project on GDR elites and processes of societal differentiation which is part of the Sonderforschungsbereich 580 (Collaborative Research Center), Jena, Germany, uses the DS GAV among other databases from GDR times. The paper discusses historical background, data handling, exploration and first sociological analyses based on the DS GAV.
Rezension zu: GERHARD WAGNER, Herausforderung Vielfalt. Plädoyer für eine kosmopolitische Soziologie. Konstanz: Universitätsverlag Konstanz 1999, 113 S.
Mit der Idee, den Staat nicht nur mit den Mitteln der juristischen Methode zu erfassen, sondern auch mit denen einer sozialen Staatslehre, hat Georg Jellinek der politischen Soziologie Max Webers entscheidende Anstöße gegeben. Ähnliches gilt für seinen Vorschlag, den Staat zu den gesellschaftlichen Gruppen in Beziehung zu setzen. Im Unterschied zur sozialen Staatslehre Jellineks behandelt die soziologische Staatslehre Webers jedoch auch Themen, die bei Jellinek nur in normwissenschaftlicher Perspektive erörtert werden: die Trias von Staatsgebiet, Staatsvolk und Staatsgewalt sowie die Verfassungen, Formen und Funktionen des Staates. Vor diesem Hintergrund werden die unterschiedlichen verfassungspolitischen Optionen beider Autoren beleuchtet, insbesondere das Verhältnis von parlamentarischer und plebiszitärer Herrschaft. Eine Neubewertung von Webers Vorschlägen zur Ausgestaltung des Präsidentenamts beschließt die Studie, die sich vor allem an Staatsrechtler, Politikwissenschaftler und Soziologen richtet. Der Verfasser hat zahlreiche Arbeiten zu Max Weber und zur historischen Soziologie des Staates veröffentlicht.
Die Autorin (eine der Initiatorinnen) stellt den Studienschwerpunkt "Global Social Work - Interkulturelle Soziale Arbeit" vor, der seit dem Sommersemester 2000 im Fachbereich soziale Arbeit an der Fachhochschule Bielefeld studiert werden kann. Das Studienangebot ist interdisziplinär ausgerichtet, so dass in den Einzelfächern der sozialen Arbeit (Methoden der sozialen Arbeit, Psychologie, Erziehungswissenschaften, Politikwissenschaften, Soziologie) Veranstaltungen zu diesem Thema angeboten werden. (DIPF/wi)
Biologische Prozesse werden auch von ökonomischen Rahmenbedingungen beeinflusst. Sozialpolitik, medizinische Versorgung, Lebensumstände und Ernährung haben eine Wirkung auf Gesundheit, Körpergröße und somit allgemein auf Wohlfahrt. Prof. John Komlos, Institut für Volkswirtschaftslehre an der Universität München, und Peter Kriwy, Institut für Soziologie an der Universität München, untersuchen anhand der Daten des Bundesgesundheitssurvey die Entwicklung der durchschnittlichen Körpergröße der Bevölkerung in Deutschland vor und nach der Wiedervereinigung.