Anforderungen an eine nachhaltige Anreizregulierung der Netzentgelte für die deutsche Elektrizitätswirtschaft
In: Technik
Inhaltsangabe: Problemstellung: Die Marktstruktur der deutschen Elektrizitätswirtschaft im Jahr 2006 ist durch horizontale Konzentration auf der Erzeugungsebene und vertikale Integration über die verschiedenen Wertschöpfungsstufen gekennzeichnet. Durch die Fusionstätigkeit nach der Liberalisierung 1998 hat die Konzentration zugenommen. Die Zahl der überregionalen Verbundunternehmen hat sich durch Unternehmenszusammenschlüsse von acht auf vier reduziert. Der deutsche Strommarkt wird von RWE, E.ON, Vattenfall Europe und EnBW oligopolistisch beherrscht. Zusammen verfügen sie über 80 Prozent der deutschen Erzeugungskapazitäten für elektrische Energie. Zudem kontrollieren sie über vertikale Beteiligungen an regionalen Versorgern und lokalen Stadtwerken auch den Absatz von Elektrizität. Die Kombination aus dem privatwirtschaftlich verhandelten Netzzugang mit Ex-post-Kontrolle und der ausgeprägten vertikalen Verflechtung der Netzunternehmen führte zu Diskriminierungsanreizen der Netzbetreiber auf den nachgelagerten Ebenen. Der Gesetzgeber sah hierin die hauptsächliche Ursache für die hohen Netzzugangsentgelte und Strompreise sowie den fehlenden Wettbewerb zwischen etablierten Betreibern und neu in den Markt eintretenden Stromanbietern. Die niedrige Wettbewerbsintensität in Verbindung mit hohen Strompreisen veranlasste den Gesetzgeber, mit der Energierechtsnovelle vom 13. Juli 2005 den zukünftigen Verlauf einer disaggregierten Regulierung festzulegen. Dabei soll ausschließlich der Netzbetrieb reguliert werden. Der diskriminierungsfreie Zugang zur Netzinfrastruktur ist die Voraussetzung für Wettbewerb auf den anderen Stufen des Elektrizitätsmarktes. Drei Kernpunkte des neugeregelten Energiewirtschaftsrechts sind von besonders weitreichender Bedeutung. Der disaggregierte Regulierungsansatz unterscheidet die zu regulierenden Netzebenen von den wettbewerbsfähigen Stufen der Wertschöpfungskette. Das zum Jahr 2007 umzusetzende legal Unbundling, d.h. die gesetzlich verordnete Entflechtung der operationellen Organisationseinheiten Energieerzeugung, Übertragungs- und Verteilungsnetzbetrieb sowie Vertrieb für Unternehmen mit mehr als 100.000 Kunden, soll die Möglichkeit zur Quersubventionierung durch künstlich überhöhte Netznutzungsentgelte der bisher vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmen (EVUs) unterbinden. Ein zweiter Kernpunkt des neuen Energiewirtschaftsgesetzes ist die Einrichtung einer Marktaufsicht. Die Bundesnetzagentur soll die Netzbetreiber auf dem deutschen Energiemarkt überwachen und für ein angemessenes Preisniveau sorgen. Zur Ermöglichung einer solchen Aufsicht erlegt das Gesetz den Versorgungsunternehmen umfangreiche Veröffentlichungs-, Dokumentations-, Berichts- und Auskunftspflichten auf. Das Thema dieser Arbeit ist der dritte Punkt, die noch auszugestaltende Anreizregulierung der Netznutzungsentgelte. Diese Entgelte machen ca. ein Drittel des Strompreises aus. Im Energiewirtschaftsgesetz ist der gesetzliche Rahmen für eine anreizbasierte Entgeltregulierung vorgegeben. Die Bundesnetzagentur hat zum 1. Juli 2006 den Vorschlag eines möglichen Anreizregulierungssystems vorgelegt. Nach der abschließenden Festlegung der Kalkulationsmethoden für die Netznutzungspreise durch die Bundesregierung werden Netzbetreiber und Verbundunternehmen wichtige Entscheidungen hinsichtlich ihrer Kalkulationen und Investitionen treffen müssen. Schon jetzt sind die "Voraussetzungen für eine [...] konstante Entwicklung – stabile Märkte, regulatorische Konsistenz, Investitionssicherheit" – nicht mehr gegeben. Der deutsche Kraftwerkspark und die Energienetze sind veraltet und benötigen Investitionen. Die zukünftige Bedeutung der Energieträger Kohle, Gas und Kernkraft ist jedoch auf Grund politischer Unsicherheiten schwer abschätzbar. Die Unternehmen der Energiewirtschaft fordern Planungssicherheit und "einen "zuverlässigen Regulierungsrahmen [...], der neuen Investitionen sowohl in die Elektrizitätserzeugung als auch in die Elektrizitätsinfrastruktur förderlich ist". Will der Gesetzgeber Versorgungsengpässe vermeiden, muss er gerade auf Grund der hohen vertikalen Integration in Deutschland die anreizbasierte Regulierung der Netzentgelte ausreichend und weitsichtig gestalten. Gang der Untersuchung: Der deutsche Elektrizitätsmarkt steht vor tiefgreifenden Veränderungen. Nachdem die Entgelte für die Nutzung der Stromnetze traditionell verhandelt wurden, wird nun eine anreizorientierte Regulierung eingeführt, welche die Netzentgelte ex ante festlegt. Der deutsche Gesetzgeber erhofft sich dadurch ähnliche Erfolge wie sie andere europäische Länder erzielen konnten. In Deutschland existieren jedoch keinerlei Erfahrungen mit Anreizregulierungsregimen. Diese Arbeit stellt zunächst Ansätze und Instrumente der Anreizregulierung vor. Es wird gezeigt, welche theoretischen Möglichkeiten bei der Einführung einer Anreizregulierung für den deutschen Stromnetzbetrieb zur praktischen Anwendung kommen könnten. Ziel der Arbeit ist es, die Bewertung einzelner Ansätze zu ermöglichen. Dazu werden Kriterien für eine erfolgreiche Anreizregulierung innerhalb des deutschen Netzbetriebs definiert und in einem Bewertungsschema systematisiert. Dieses Schema wird genutzt, um erstens die vielfältigen theoretischen Möglichkeiten der Anreizregulierung vergleichbar zu machen, und zweitens die Wirkungen zu beschreiben, die die Umsetzung des im Juni 2006 vorgelegten Regulierungsvorschlags der Bundesnetzagentur auf die Netznutzungsentgelte in Deutschland tatsächlich hätte. Zum allgemeinen Verständnis führt das Kapitel II in die Strukturen und Besonderheiten der Elektrizitätswirtschaft ein. Dabei wird auf die besondere Stellung des Stromnetzes eingegangen und sukzessive das Thema der Arbeit, die Regulierung der Entgelte für die Netznutzung, herausgearbeitet. Das folgende Kapitel III erläutert zunächst den derzeitigen Status Quo nach dem 2005 novellierten Energiewirtschaftsgesetz sowie die gesetzlichen Anforderungen an eine Neuregulierung des Netzbetriebs. Hiernach werden detailliert fünf anreizorientierte Ansätze aus der Regulierungstheorie vorgestellt, die im Rahmen einer Anreizregulierung in Deutschland eingesetzt werden könnten. Auf Basis der in Kapitel II und III herausgearbeiteten Erkenntnisse über die praktischen Gegebenheiten und die theoretischen Regulierungsmöglichkeiten wird in Kapitel IV ein Bewertungsschema erstellt. In dieses Schema werden die ausgesuchten Regulierungsverfahren nach vier Kriterien eingeordnet und bewertet, und zwar hinsichtlich ihrer Einfachheit bei der Einführung und Umsetzung, der gesetzten Anreize zu Effizienzsteigerungen und Kostensenkungen, der Anreize zur Sicherung der Versorgungsqualität, sowie ihrer fairen Verteilung von Gewinnen und finanziellen Risiken. Dieses Schema wird im Kapitel V zur Bewertung des von der Bundesnetzagentur vorgeschlagenen Regulierungskonzeptes aufgegriffen. Nach ausführlicher Analyse des Vorschlags werden die Regulierungselemente in das Anreizschema eingeordnet und bewertet. Zudem wird als Beispiel einer langjährig praktizierten Anreizregulierung der Netzbetrieb in Großbritannien herangezogen. Die dort gemachten Erfahrungen werden im zweiten Teil des Kapitels beschrieben. Abschließend erfolgt in Kapitel VI eine kurze, zusammenfassende Betrachtung. Inhaltsverzeichnis: INHALTSVERZEICHNISI ABBILDUNGSVERZEICHNISIII ABKÜRZUNGSVERZEICHNISIV 1.PROBLEMERLÄUTERUNG, ZIEL UND VORGEHENSWEISE1 1.1Problemstellung1 1.2Ziel und Vorgehensweise2 2.BESONDERHEITEN DER ELEKTRIZITÄTSWIRTSCHAFT5 2.1Die Struktur des Elektrizitätsmarktes5 2.2Besonderheiten des Elektrizitätsmarktes8 2.3Das Netz als natürliches Monopol9 2.4Netzzugang und Netznutzungsentgelte10 3.DIE EINFÜHRUNG EINER ANREIZORIENTIERTEN REGULIERUNG13 3.1Derzeitiger Status Quo und Gesetzeslage13 3.1.1Die Situation vor der Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes 200513 3.1.2Das novellierte Energiewirtschaftsgesetz von Juli 200516 3.1.3Die Entscheidung für eine Anreizregulierung21 3.2Die Anreizregulierung: Mechanismen und Ansätze23 3.2.1Price Cap-Regulierung23 3.2.2Total Revenue Cap-Regulierung29 3.2.3Weighted Average Revenue Cap-Regulierung31 3.2.4Yardstick-Regulierung33 3.2.5Sliding Scale-Regulierung36 3.3Zusammenfassung39 4.SCHEMA ZUR BEWERTUNG DER ANREIZREGULIERUNGS-ANSÄTZE.41 4.1Kriterien zur Bewertung der fünf Regulierungsansätze41 4.2Anreizwirkung und Zielerfüllung der fünf Regulierungsansätze43 4.2.1Price Cap-Regulierung43 4.2.2Total Revenue Cap-Regulierung49 4.2.3Weighted Average Revenue Cap-Regulierung51 4.2.4Yardstick-Regulierung54 4.2.5Sliding Scale-Regulierung57 4.2.6Zusammenfassung60 4.3Qualitätsregulierung als flankierende Maßnahme64 4.4Die Gefahr einer Regulierungsfalle68 4.5Zusammenfassung69 5.DIE ANREIZREGULIERUNG IN DER PRAXIS70 5.1Bewertung des Vorschlags der Bundesnetzagentur für eine Anreizregulierung der deutschen Stromnetzwirtschaft70 5.1.1Der Vorschlag der Bundesnetzagentur von Juni 200670 5.1.2Bewertung des Vorschlags nach den definierten Kriterien79 5.2Die Anreizregulierung in Großbritannien: Erfahrungen der britischen Regulierungsbehörde Ofgem86 5.3Zusammenfassung89 6.SCHLUSSBETRACHTUNG91 LITERATURVERZEICHNIS93 EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG100Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis: INHALTSVERZEICHNISI ABBILDUNGSVERZEICHNISIII ABKÜRZUNGSVERZEICHNISIV 1.PROBLEMERLÄUTERUNG, ZIEL UND VORGEHENSWEISE1 1.1Problemstellung1 1.2Ziel und Vorgehensweise2 2.BESONDERHEITEN DER ELEKTRIZITÄTSWIRTSCHAFT5 2.1Die Struktur des Elektrizitätsmarktes5 2.2Besonderheiten des Elektrizitätsmarktes8 2.3Das Netz als natürliches Monopol9 2.4Netzzugang und Netznutzungsentgelte10 3.DIE EINFÜHRUNG EINER ANREIZORIENTIERTEN REGULIERUNG13 3.1Derzeitiger Status Quo und Gesetzeslage13 3.1.1Die Situation vor der Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes 200513 3.1.2Das novellierte Energiewirtschaftsgesetz von Juli 200516 3.1.3Die Entscheidung für eine Anreizregulierung21 3.2Die Anreizregulierung: Mechanismen und Ansätze23 3.2.1Price Cap-Regulierung23 3.2.2Total Revenue Cap-Regulierung29 3.2.3Weighted Average Revenue Cap-Regulierung31 3.2.4Yardstick-Regulierung33 3.2.5Sliding Scale-Regulierung36 3.3Zusammenfassung39 4.SCHEMA ZUR BEWERTUNG DER ANREIZREGULIERUNGS-ANSÄTZE.41 4.1Kriterien zur Bewertung der fünf Regulierungsansätze41 4.2Anreizwirkung und Zielerfüllung der fünf Regulierungsansätze43 4.2.1Price Cap-Regulierung43 4.2.2Total Revenue Cap-Regulierung49 4.2.3Weighted Average Revenue Cap-Regulierung51 4.2.4Yardstick-Regulierung54 4.2.5Sliding Scale-Regulierung57 4.2.6Zusammenfassung60 4.3Qualitätsregulierung als flankierende Maßnahme64 4.4Die Gefahr einer Regulierungsfalle68 4.5Zusammenfassung69 5.DIE ANREIZREGULIERUNG IN DER PRAXIS70 5.1Bewertung des Vorschlags der Bundesnetzagentur für eine Anreizregulierung der deutschen Stromnetzwirtschaft70 5.1.1Der Vorschlag der Bundesnetzagentur von Juni 200670 5.1.2Bewertung des Vorschlags nach den definierten Kriterien79 5.2Die Anreizregulierung in Großbritannien: Erfahrungen der britischen Regulierungsbehörde Ofgem86 5.3Zusammenfassung89 6.SCHLUSSBETRACHTUNG91 LITERATURVERZEICHNIS93 EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG100Textprobe:Textprobe: Kapitel 2.2, Besonderheiten des Elektrizitätsmarktes: Eine Besonderheit der Elektrizitätswirtschaft besteht in der Notwendigkeit eines leitungsgebundenen Transports von Strom. Elektrizität ist die Fähigkeit, elektrische Arbeit zu verrichten sowie Wärme und Licht zu produzieren. Sie beruht auf der Bewegung von unterschiedlichen elektrischen Ladungen (Elektronen) in einem elektrischen Leiter. Um elektrische Energie vom Kraftwerk zum Verbraucher zu transportieren, benötigt man ein spezielles, leitungsgebundenes Transportsystem. Eine zweite Besonderheit ist die fehlende Speicherbarkeit von elektrischer Energie. Rückgriffe auf gespeicherte Vorräte sind nicht möglich. Das macht den Markt relativ unelastisch. Die Erzeugungskapazität muss sich an der maximalen Spitzenlast ausrichten, um Kapazitätsausfälle zu vermeiden und die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Eine ausgeglichene Belastungsstruktur ist das primäre Ziel. Dies hatte die Entstehung von Verbundnetzen zur Folge, in denen durch Energieaustausch Lastschwankungen minimiert und Kraftwerke besser ausgenutzt werden können. Die dritte Besonderheit von Elektrizität ist ihre Homogenität und die damit einhergehende beschränkte Möglichkeit zu Produktdifferenzierung und Qualitätswettbewerb. .Aus Sicht des Verbrauchers ist die von ihm aus dem Netz entnommene elektrische Arbeit von Interesse. Dabei ist für ihn zunächst irrelevant, von welchem Anbieter bzw. aus welcher Primärquelle diese Strommenge stammt. Seit der Liberalisierung 1998 wird von Seiten der Unternehmen versucht, Elektrizität zu heterogenisieren und zu emotionalisieren. So werden einerseits die primären Energieträger beworben (regenerative Energieträger liefern .grünen. Strom), andererseits wird das Produkt Elektrizität zwecks Kundenbindung farbig belegt. Die Wechselquote unter Privathaushalten beträgt dennoch nur fünf Prozent. Dies kann damit erklärt werden, dass Strom .als Low-Interest-Produkt gilt, bei dem nur erhebliche Preisvorteile einen Anbieterwechsel auslösen. Industriekunden, für die bei der Wahl des Stromlieferanten der Preis stärker im Fokus steht, haben neue Verträge geschlossen (ca. 70 Prozent) oder einen neuen Lieferanten (ca. 30 Prozent) gewählt.