Löser definiert Strukturelle Nichtangriffsfähigkeit (Stru NA) als "Friedenssicherung in einem System, das gegenseitige Bedrohung dadurch ausschließt, selbst unangreifbar zu sein und selber nicht angreifen zu können". Die bisherige Bedrohungsanalyse, daß der Warschauer Pakt im Gegensatz zur NATO strukturell und zahlenmäßig angriffsfähig ist, spielt im Falle einer Stru NA aufgrund der Überlegenheit der defensiven Option über die offensive keine Rolle mehr und bedarf daher keiner Beidseitigkeit. Zur Durchführung der Stru NA ist politischer Konsens im Bündnis gerade für die Bundesrepublik wesentlich; eine militärisch-strukturelle Durchführung ist auch partiell möglich. Unter Beachtung der langfristigen Ziele soll "schrittweise die Umstellung durch Grenzraumverteidigung in einem heimatgebundenen Reservistenkonzept unter 'Entmechanisierung' und Bildung von Reserve-Kampfverbänden und Milizen zum Schutz des Raumes begonnen werden". Diese Stärkung der nichtatomaren Selbstverteidigung macht die Ablösung der Abschreckungsstrategie durch Atomwaffen möglich. (WMM)
Mit dem Verweis auf sein Modell der 'Autonomen Abwehr', mit dem Nolte einen Ansatz zu "einem, im weiteren Sinne strukturell nicht offensivfähigen Abwehrkonzept" vorlegt, das "zugleich eine Abhaltestrategie entfaltet", argumentiert er für eine Politik des Strukturwandels. Das Konzept der 'Autonomen Abwehr' will einen Weg gesellschaftlichen Wandels beschreiten, hin zu einer Kriegsverhinderungsstrategie, "die nicht 'abschreckt', noch 'bedroht', noch mit 'Vergeltung' erpresserisch umgeht", sondern auf gesellschaftspolitische 'Behauptungsfähigkeit', die militärische Defensivfähigkeit impliziert, setzt. 'Autonome Abwehr', eine langfristige und daher auch langlebige Lösung, soll durch die funktionale "Verflechtung gewalthafter (Militär) mit gewaltfreien (Widerstand) Komponenten" ein Schritt zu einer Welt ohne Gewalt sein. Das Modell bedarf nicht der Beidseitigkeit, da schon Behauptungsfähigkeit autonomen Charakter hat, setzt jedoch voraus, daß der jeweilige 'Besitzstand' (Status quo) einvernehmlich festgeschrieben ist. (WMM)
Die strukturellen Grundlagen der gegenseitigen Bedrohung sind mit einem 'positiven Frieden' unvereinbar. "Positiver Frieden konstituiert sich ... aus dem Abbau von Bedrohung und der Schaffung für alle Beteiligten wertvoller Beziehungen, die keineswegs den Charakter eines Nullsummenspiels haben", d. h. Umstellung der militärischen Strukturen auf strukturelle Nichtangriffsfähigkeit vor allem bei der UdSSR und den USA, die deswegen nicht ihren Supermachtstatus verlieren würden. Das bisherige gradualistische Konzept muß durch unilaterales Handeln eines Landes, verbunden mit multilateralen Konsultationen, abgelöst werden, so daß ein Wandlungs- und Vertrauensprozeß folgt. Die Bundesrepublik als wesentliches NATO- Land könnte aufgrund ihrer Sperrminorität die Vorreiterrolle übernehmen. Leitender Gesichtspunkt für die Umstrukturierung militärischer Potentiale heißt Nichtbedrohung der anderen Seite, bedeutet deshalb aber auch Abbau von Angst einflößenden Feindbildern, d. h. einen sozialen Massenlernprozeß. (WMM)
In dem Beitrag wird das Konzept der Nichtangriffsfähigkeit analysiert. Zunächst werden der Hintergrund und die historische Entwicklung des Defensivgedankens nachgezeichnet. Dann wird beschrieben, wie sich strukturelle Nichtangriffsfähigkeit in der BRD sowie im östlichen und westlichen Ausland durchsetzte und sich dabei zur beiderseitigen Defensivdominanz wandelte. Die Faktoren, die schließlich das Durchsetzen defensivorientierter Konzepte ermöglichte, werden erörtert. Schließlich wird der mögliche Beitrag defensivdominanter Konzepte für ein erstes Abkommen der Verhandlungen über konventionelle Streitkräfte in Europa (VKSE) in Wien dargelegt. Die Analyse kommt zu dem Ergebnis, daß aus dem Übergangskonzept der strukturellen Nichtangriffsfähigkeit eine politikfähige Leitidee wurde, die sich insbesondere im Osten rasch durchsetzte und zum Zustandekommen wie auch zum erfolgreichen Verlauf neuer konventioneller Rüstungskontrollverhandlungen beigetragen hat. (RW)
Eine Überprüfung der Bundeswehrstruktur ist nötig, denn: (1) Die Abschreckungsstrategie der NATO erfordert im Ernstfall den selbstzerstörerischen Ersteinsatz von Atomwaffen. (2) Der deutsche Bündnisbeitrag ist im heutigen Umfang nicht mehr tragbar. (3) Die gegenwärtige Verteidigungsstruktur blockiert Abrüstung. Alternative kann eine defensive Verteidigungsstruktur sein, die bei Beibehaltung der Vorneverteidigung und unter Einbeziehung des Territorialheeres die konventionelle Abwehrfähigkeit entscheidend erhöht. Sie kann zugleich Gegenstand von Ost-West-Verhandlungen sein und ermöglicht die Verminderung der Truppenstärken beider Seiten. - A. v. Bülow: MdB (SPD). (AuD-Hng)
"Ein Vergleich verschiedener Alternativkonzepte zeigt, daß der Begriff 'strukturelle Nichtangriffsfähigkeit' inhaltlich bisher nicht genügend ausgeführt ist. Eine Streitkräftestruktur, die unter völliger Absehung der geostrategischen Asymmetrien sowie der Potentiale und Fähigkeiten der anderen Seite 'eindeutig defensiv' wäre, gibt es nicht. Würde die Warschauer Vertragsorganisation (WVO) vollständig einseitig abrüsten, dann wäre der Westen selbst mit einer dem Afheldtschen Konzept entsprechenden Verteidigungsstruktur zu einer raumgreifenden Offensive in der Lage. Umgekehrt gilt, daß die NATO schon heute unter den Bedingungen der 'flexible response' nicht angriffsfähig ist, solange die WVO an ihrem jetzigen Konzept festhält. Der Vergleich macht deutlich, daß sich sehr wohl die konventionelle Stabilität in Europa durch Umrüstung grundlegend verbessern läßt. Schwer gepanzerte Verbände mit hoher Beweglichkeit sind eher offensivfähig als die Jägerkommandos und Raketenartillerietrupps in den Vorschlägen Afheldts und der Studiengruppe Alternative Sicherheitspolitik. Allerdings gibt es einerseits keine vollkommen nichtbedrohliche Militärkonzepte, und andererseits meint Stabilität mehr als die Konzentration auf den Faktor Beweglichkeit qua Offensivität. Auch diejenigen, die den Zielkonflikt zwischen Stabilität und militärischer Wirksamkeit für weniger bedeutsam halten, müssen sich dem Problem stellen, wie mit der Übergangsphase umzugehen ist, wenn eher reaktive und eher offensivfähige Strukturen nebeneinander stehen. Dieser Zielkonflikt läßt sich bei einseitiger Umrüstung wohl nicht vermeiden. Wem es wirklich um die Verbesserung konventioneller Stabilität in Europa geht, ohne daß die westliche Abwehrfähigkeit gravierend leidet, der kommt um kooperative Rüstungssteuerung im Zusammenhang mit der Umrüstung nicht herum. Die Forderung nach verhandelter Rüstungskontrolle ergibt sich aus der Struktur der militärischen und stabilitätspolitischen Probleme, die bei der Umrüstung auf alternative Verteidigungskonzepte entstehen. Ohne die Kooperation mit dem potentiellen Gegner, ohne die Einbindung der Veränderung der militärischen Strukturen in ein entspannungspolitisches Gesamtkonzept ist konventionelle Stabilität in Europa nicht zu erreichen. Verhandelte Rüstungskontrolle und einseitige Stabilisierung durch Umrüstung können sich gegenseitig ergänzen und befördern. Aufgabe der Rüstungskontrollvereinbarungen mit der WVO wäre es, die besonders zur Offensive geeigneten Verbände auf beiden Seiten zu reduzieren. Darüber hinaus dienen Gespräche mit der WVO dem Zweck, einvernehmlich Kriterien der Stabilisierung zu definieren, sich über die jeweiligen Bedrohtheitsvorstellungen zu verständigen, sie gegebenenfalls zu verändern sowie gemeinsam festzulegen, was hinlängliche Verteidigungsfähigkeit bedeutet. Verteidigungspolitik dagegen hätte die Aufgabe, die Umrüstung auf eher defensive Strukturen zu bewerkstelligen. Mit dieser Stabilisierung kann zunächst unabhängig von Rüstungskontrollergebnissen begonnen werden, soweit hierdurch eine hinlängliche Verteidigungsfähigkeit nicht gefährdet wird." (Autorenreferat)