Das Subjekt gilt schon lange nicht mehr als Inbegriff der Innerlichkeit. Bereits Hegel griff gegen Kant auf die antike Überlieferung zurück, um zu zeigen, dass Subjektivität nicht einfach »da«, sondern Produkt eines komplexen Bildungsprozesses ist. Autoren wie Althusser, Foucault, Butler und Bourdieu haben diese Einsicht dann unter den Bedingungen des 20. Jahrhunderts wieder aufgenommen und weiter gedacht. Erst die empirischen Erkenntnisse der Ethnologie, Kulturwissenschaft, Ökonomie, Psychologie und Soziologie öffnen den Blick für die gesamte Bandbreite von Techniken der Subjektivierung: für Verfahren der Disziplinierung und Kontrolle, der Intelligenz- und Kompetenzprüfung, des Trainings und der Selbststeuerung.
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In: Die Natur der Gesellschaft: Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006. Teilbd. 1 u. 2, S. 3952-3961
"Über den im engeren Sinne sozialisatorischen Stellenwert des Konsums hinaus, der den Ausgangspunkt von Hellmanns Vortrag bildet, stellt sich überdies die Frage nach dem Beitrag des Konsums für den Wandel von Subjektivitätsformen. Hier geht es weniger um die auf Sozialisationsinstanzen bezogene Identitätsbildung konkreter Individuen, sondern um die Einflüsse des modernen Massenkonsums auf die Entstehung nachbürgerlicher Subjektivitätsvorstellungen. Auch dieser Effekt des zunehmenden Massenkonsums ist bereits von der Konsumkritik seit den 1950er Jahren bemerkt und als 'Ich-Schwäche', 'Konformismus' u.ä. verurteilt worden. Gegenüber solchen normativen Kritiken geht Dominik Schrages Vortrag davon aus, dass auch die konsumvermittelte Vergesellschaftung auf einen in seiner Eigenlogik positiv bestimmbaren Typ von Subjektivität angewiesen ist, für den die Motivation zu einer über die Deckung primärer Bedürfnisse hinausgehenden Teilnahme am Konsum ein wesentliches Moment darstellt." (Autorenreferat)
Marketingstrategien versehen ihre Adressaten mit einer "Corporate Identity", zivilgesellschaftliche Bewegungen verstehen sich als kollektive Akteure und Sportmannschaften setzen auf Teamgeist. Nicht nur Individuen, sondern auch Organisationen, Gemeinschaften, Teams, soziale Bewegungen und Städte werden zunehmend als Subjekte adressiert und formiert. Der Band versammelt erstmals interdisziplinäre Untersuchungen zur Entstehung kollektiver Subjekte. Die unterschiedlichen theoretischen und methodischen Zugänge ermöglichen neue Perspektiven auf Praktiken der Subjektivierung und halten Erkenntnisgewinne für die Organisations-, Netzwerk- und Bewegungsforschung bereit.
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Einleitung -- Die These der Subjektivierung von Arbeit -- Analytische Kontrastfolie: Taylor-Fordismus und industrielle Moderne -- Lohnarbeit bewirkt eine Subjektivierung -- Lohnarbeit wird subjektiviert -- Chancen und Risiken -- Reichweite -- Gesamtzusammenfassung.
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Long description: Was »macht« ein Subjekt? Die Doppeldeutigkeit dieser praxistheoretischen Frage ist beabsichtigt: Mit dem Subjekt wird etwas getan - aber es wird auch selbst aktiv. Indem es eine kulturelle Subjektform verkörpert, wird es nicht nur als zurechnungsfähiger Akteur anerkennbar, sondern beeinflusst auch seine Umgebung. Mit dem Begriffspaar »Selbst-Bildung« und »Subjektivierung« gerät somit zugleich das spannungsvolle Ineinander von Doing Subject und Doing Culture in den Blick. Die geistes- und gesellschaftswissenschaftlichen Beiträge dieses Bands eint das Anliegen, kulturelle Spielräume der Subjektivierung unabhängig von gängigen historischen Epocheneinteilungen auszuloten.; Biographical note: Thomas Alkemeyer (Prof. Dr. phil.) lehrt Soziologie, Sportsoziologie und Kulturwissenschaft an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Seine Forschungsschwerpunkte sind soziologische Praxistheorien, die Soziologie des Körpers und des Sports, Genealogien der Gegenwart sowie die kultursoziologische Subjektivierungsforschung. Gunilla Budde (Prof. Dr. phil.) lehrt deutsche und europäische Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Ihre Forschungsschwerpunkte sind das europäische Bürgertum, DDR, Bildungsgeschichte, Musikgeschichte und neue Politikgeschichte. Dagmar Freist (Prof. Dr. phil.) lehrt Europäische Geschichte der Frühen Neuzeit an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Öffentlichkeit und politische Kultur, religiöse Pluralisierung, Netzwerkforschung und Kulturtransfer sowie Praktiken der Subjektivierung in historischer und transkultureller Perspektive.
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Der Aufsatz thematisiert die affektive Arbeit von front line-Beschäftigten am Beispiel der österreichischen gelben Post. Seit der Privatisierung des Unternehmens stellt affektive Arbeit einen zentralen Bestandteil der neuen Kundenorientierung dar. Interviews zeigen das Spannungsverhältnis zwischen den betriebswirtschaftlichen Ansprüchen der Konzernleitung und dem Gefühlsmanagement, das am unteren Ende der Betriebshierarchie im Kundenkontakt zu leisten ist und sich in Kundenfreundlichkeit zeigen soll, aber auch mit Angst und Stressgefühlen verbunden ist. Dabei bilden Foucaults Konzept der Gouvernementalität und Connells Konzeption hegemonialer Männlichkeit die theoretische Basis für die Erforschung der Integration bislang weiblich konnotierter affektiver Praxen in den traditionell männlich dominierten Dienstleistungsbereich der Post. Wir erarbeiten daraus das Konzept der vergeschlechtlichten affektiven Subjektivierung und hinterfragen die Auswirkungen dieser Prozesse auf die Konstruktionen von Männlichkeit/en und Weiblichkeit/en, auf die Vergeschlechtlichung von Tätigkeiten und hinsichtlich neuer Formen von Über- und Unterordnung.
Im vorliegenden Band stehen nicht die Begriffe der Macht und des Diskurses im Vordergrund, sondern beide werden auf die Frage von Subjekten und Subjektivierungen hin ausgerichtet. Diese Fokussierung auf das Thema der Macht in der Diskursperspektive entlang des Themas Subjektivierung entspricht dem Forschungsprogramm Michel Foucaults. Wie die einzelnen Beiträge diese Untersuchungsperspektive aufnehmen, zeigen die Verfasser der vorliegenden Einleitung zum Sammelband Diskurs-Macht-Subjekt anhand eines kurzen Überblicks über die einzelnen Beiträge. (ICE2)
Der Beitrag beschäftigt sich mit dem Handlungsfeld der Beratung, eingelassen in wohlfahrtsstaatliche und sozialpolitische Rahmungen. Beratung auf dem Feld Sozialer Arbeit ist von Anfang an ein ambivalentes Phänomen, in dem staatliche Steuerung und individuelle Krisenintervention, affirmative Inklusionsforderungen und emanzipatorischer Widerstand ineinander greifen. Auch und gerade für Beratung ist damit die Doppelfunktion Sozialer Arbeit konstitutiv, zugleich 'Hilfe für Hilfsbedürftige' und 'Kontrolle abweichenden Verhaltens' zu sein. Dennoch unterscheidet sich diese 'Handlung auf Handlung' fundamental von anderen Weisen sozialarbeiterischen Einwirkens. Statt wie in Erziehung oder Betreuung greift Beratung nicht direkt auf die Lebensführung des Einzelnen zu und ein. Beratung kann lediglich die Selbstbeobachtung des Einzelnen irritieren und so dessen Bezug zu sich selbst und zu seiner (aktuellen) Lebenssituation modifizieren. Das Beratungsgeschehen ist somit als eine spezifische Form der Einwirkung auf Handlung zu verstehen, die auf indirekte Weise - über die Vermittlung und Verhandlung von Wissen - das Handeln und die Lebenssituation der Einzelnen zu affizieren sucht. Vor diesem Hintergrund wird im ersten Schritt Beratung als ein Ort der Wissensproduktion beschrieben. Im zweiten Schritt wird Beratung als ein Ort ausgewiesen, der (auf ganz bestimmte Weise) auf Handlung zielt. Dabei wird Beratung als ein Ort der Responsibilisierung und der Subjektivierung dargestellt. (ICG2)
In: Die Natur der Gesellschaft: Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006. Teilbd. 1 u. 2, S. 4818-4830
"In der Diskussion um 'Subjektivierung der Arbeit' wird eine verstärkte Aktivierung und Einbeziehung der Subjektivität der Arbeitskraft diagnostiziert, doch sind die Implikationen dieses Wandels ungeklärt. Ist 'Subjektivierung' als ein Übergang von Fremd- zur Selbstbestimmung zu verstehen, der aber zugleich mit einer erweiterten Verobjektivierung des 'Anderen' des Subjekts, seiner inneren Natur einhergeht? Oder aber bedeutet Subjektivierung auch die Emanzipation lebendiger Potentiale des Menschen? Um hierauf eine Antwort zu geben, muss zunächst die Frage nach dem 'Wesen' des Subjekts geklärt werden. In Anknüpfung an dialektische Subjektkonzeptionen wird im Vortrag argumentiert, dass neben dem gesellschaftlich geformten 'Vernunftsubjekt' auch ein inneres 'Natursubjekt', ein Subjekt des Lebens im Menschen postuliert werden muss. Erst durch Prozesse der Abgrenzung wie auch der Vermittlung zwischen diesen beiden Subjekten konstituiert sich das humane Subjekt. Die gegenwärtigen Tendenzen einer Subjektivierung der Arbeit sind als neue Stufe der Aktivierung dieser beiden Anteile des Subjekts und eine Neuordnung ihrer Interdependenzen anzusehen. Die hiermit verbundene zunehmende 'Entgrenzung von Arbeit' bedeutet vor allem eine Neubestimmung des 'Grenzlandes' zwischen den beiden Subjektpolen und es bilden sich hybride Subjekte (Reckwitz) wie etwa der 'Arbeitskraftunternehmer' (Voss) heraus. Damit werden in der Arbeitswelt ähnliche Tendenzen erkennbar, wie sie gegenwärtig auch auf anderen Ebenen unter den Begriffen der 'hybriden Kulturen', der 'Hybriden, Mischwesen aus Natur und Kultur' (Latour), der 'kosmopolitischen Hybride' (Wehling) usw. diskutiert werden. Paradigmatisch für den Hybridisierungsdiskurs war u.a. die Auseinandersetzung mit dem mexikanisch-amerikanischen Grenzraum. In dem Vortrag wird eine Spiegelung der dort erkennbaren Prozesse von Grenzziehung, Grenzöffnung und Vermischung in das Innere der Subjekte hinein vollzogen. Hinsichtlich MexAmericas ist umstritten, inwieweit die Hybridisierung als gelungene Synthese oder als weitere Verschiebung der 'Frontier' in der Tradition der Landnahme durch die 'Frontiersmen' (Turner) zu betrachten ist. So ist auch bezüglich der Phänomene einer Subjektivierung und Entgrenzung von Arbeit zu fragen, ob diese als Versöhnung der Gegensätze oder als eine neue Stufe der Kolonisierung der Natur des Subjekts durch ein inneres Frontiersubjekt zu begreifen sind." (Autorenreferat)
In: Die Natur der Gesellschaft: Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006. Teilbd. 1 u. 2, S. 4802-4809
"Subjektivität der Beschäftigten ist nicht eindimensional als Reaktion auf unternehmerische Vorgaben und Anforderungen, oder als marktliche Einverleibung von Kreativitätspotentialen zu fassen, sondern sie weist als 'Eigensinn' der Subjekte darüber hinaus. Sie hat eine emanzipatorische, auf das 'ganze Leben' bezogene Dimension. Das Phänomen der Subjektivierung verstanden als Eigensinn der arbeitenden Subjekte ist nicht etwas komplett Neues. Zum einen war Eigensinn (Selbständigkeit/ Selbstorganisation) der Subjekte immer notwendig, damit Arbeitsprozesse im Sinne der Kapitalverwertung überhaupt funktionieren konnten; zum anderen sind die Arbeitenden den Widersprüchen, die aus dem Produktionsprozess erwachsen, nie passiv ausgesetzt, sondern sie führen im Arbeitsalltag immer auch einen impliziten Kampf um die Aneignung ihrer Arbeit und ihrer Selbsttätigkeit. Neu ist, dass die Subjektivität der Beschäftigten zum Produktivitätsfaktor des unternehmerischen Handelns wird. Es gibt eine breite soziologische Debatte zur Subjektivierung, die allerdings einige markante Leerstellen enthält, die im Referat herausgearbeitet werden sollen. Es sind beispielsweise: a) die unterschiedlichen Ebenen, Triebkräfte und Formen der Subjektivierung von Arbeit empirisch weitgehend ungeklärt, b) die Kriterien des 'Eigensinns' der Subjekte und der eigensinnigen Subjektivierungsleistungen der Subjekte offen und c) die emanzipatorische, auf die Aneignung des 'ganzen Lebens' bezogene Dimension von Subjektivierungsprozessen ist mehr als unscharf. In arbeitspolitischer Perspektive stellt sich die Frage, ob die durch Vermarktlichungsprozesse in den Unternehmen induzierte Subjektivierung dem Selbständigkeitsbedürfnis der ArbeitnehmerInnen entgegenkommt und ob darin auf das 'ganze Leben' bezogene Aneignungschancen enthalten sind. Insbesondere die geschlechtersoziologische Perspektive macht Paradoxien deutlich, die im Referat diskutiert werden sollen." (Autorenreferat)