Transitional justice
In: Handbuch Transformationsforschung, S. 749-754
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In: Handbuch Transformationsforschung, S. 749-754
In: Nach Krieg, Gewalt und Repression: vom schwierigen Umgang mit der Vergangenheit, S. 21-37
Der Begriff "transitional justice" steht für Bemühungen, das vergangene Unrecht während Diktaturen oder gewaltsamen Konflikten aufzuarbeiten, um den Übergang zu einer friedlichen Zukunft zu ermöglichen. Dabei wird angenommen, dass die Phase der Transition eng mit dem Streben nach Gerechtigkeit verbunden sein muss und dass nur ein klarer Bruch mit der Vergangenheit zukünftige Verbrechen verhindern kann. Dieser grundlegende Ansatz fächert sich in der Praxis in eine Reihe von Zielen auf, die von der historischen Aufklärung von Verbrechen, der Identifizierung und moralischen oder strafrechtlichen Verurteilung der Verantwortlichen, der Prävention zukünftiger Straftaten bis hin zur Wiederherstellung der Würde der Opfer sowie zur Ermutigung zur Aussöhnung und friedlichen Koexistenz reichen. Im vorliegenden Beitrag wird die semantische und konzeptionelle Basis dieses Modells erläutert und seine sich wandelnde Bedeutung aufgezeigt. Ausgehend von der bundesdeutschen Nachkriegserfahrung wird zunächst der Begriff der Aufarbeitung kritisch diskutiert. Auf eine Darstellung der internationalen Verbreitung des Konzeptes in den 1980er und 1990er Jahren folgt schließlich eine genauere Betrachtung gegenwärtiger Ansätze und ihrer normativen Ansprüche an Wahrheit, Gerechtigkeit und Versöhnung. Damit wird "transitional justice" vor allem im Hinblick auf die aktuell sichtbaren Möglichkeiten und Grenzen der Umsetzung diskutiert. (ICI2)
In: Zivile Konfliktbearbeitung: vom Anspruch zur Wirklichkeit, S. 107-121
Kein Frieden ohne Wahrheitskommission oder Kriegsverbrechertribunal. Die Formel klingt einfach und fand in den meisten Friedensprozessen der letzten Dekade ihre Anwendung. Mit ihr wurde ein Konzept bekannt, das heute integraler Bestandteil von international geförderten Friedens- und Demokratisierungsprozessen ist: Transitional Justice. Der Beitrag erläutert zunächst das Konzept von Transitional Justice und geht dann auf Dilemmata und Herausforderungen ein, die mit diesem Konzept in der Praxis verbunden sind. Des Weiteren fragt der Beitrag nach der Rolle der internationalen Akteure bei der Entwicklung und Umsetzung von Transitional-Justice-Maßnahmen. Das Fazit stellt Überlegungen zur Anpassung und Weiterentwicklung des Konzepts der Transitional Justice an. (ICA2)
In: Kausalität der Gewalt: kulturwissenschaftliche Konfliktforschung an den Grenzen von Ursache und Wirkung, S. 209-238
Die Verfasser legen ihren Fokus auf Transitional Justice (TJ). Es geht um die Frage des Umgangs mit Vergangenheit und mit einer Geschichte massiver kollektiver Gewalt in Nachkriegsgesellschaften. Zentral sind hier Maßnahmen der Wiederherstellung von Gerechtigkeit und Rechtssicherheit, Maßnahmen zur Wahrheitsfindung und Neugestaltung sozialer Beziehungen. Es wird auf die historische Entwicklung, auf Grenzen und Möglichkeiten sowie Ambivalenzen der TJ näher eingegangen und beleuchtet, wie menschliche Grundbedürfnisse als dialogischer Referenzrahmen für Konfliktlösung, Wiederaufbau und Versöhnung ins Zentrum gerückt werden müssen. (ICB2)
In: Mit Sicherheit unsicher?: Debatten zu Krieg und Frieden in den internationalen Beziehungen, S. 313-345
"Transitional Justice ist seit den 1990er Jahren fast gleichbedeutend mit dem Anliegen geworden, den Opfern Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Gegenüber den Nürnberger Prozessen, bei denen Opfer noch nicht einmal als Zeugen aufgetreten sind, ist dies ein starker Wandel, für den eine Erklärung gefunden werden soll. Dafür wird auf eine neoinstitutionalistische Forschungsperspektive zurückgegriffen. Das im Artikel vorgetragene Argument lautet im Kern: Der Wandel von Transitional Justice hin zu einer stärkeren Inklusion von Opfern ist Folge einer expandierenden rationalistischen Weltkultur, in der ein Modell von Opferschaft entsteht, das primär über internationale Organisationen und Nichtregierungsorganisationen weltweit verbreitet wird. Diese globale Opferschaft entfaltet sich erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs durch die globale Diffusion von Menschenrechten, den Wandel in der wissenschaftlichen Konzeption traumatischer Erfahrungen und das advokatorische Handelns von (I)NGOs, sodass ein normativer Druck auf nationale Transitional Justice-Prozesse entsteht, Opfer zum Mittelpunkt der Vergangenheitsaufarbeitung zu machen." (Autorenreferat)
In: Gerechtigkeit: multidisziplinäre Annäherungen an einen vieldeutigen Begriff, S. 111-126
In: Geschlechterverhältnisse, Frieden und Konflikt: feministische Denkanstöße für die Friedens- und Konfliktforschung, S. 135-149
Die Verfasserinnen untersuchen die geschlechtsspezifischen Dimensionen von Transitional Justice (TJ). Sie gehen der Frage nach, in wie weit TJ-Konzepte Geschlechterverhältnisse beeinflussen und normieren, um dann kritisch zu beleuchten, ob diese Konzepte potenziell zu mehr Geschlechtergerechtigkeit führen können. Die Verfasserinnen betonen, dass die Inklusion von geschlechtsspezifischer und sexualisierter Gewalt in Verfahren von Strafgerichtshöfen und Wahrheitskommissionen prinzipiell eine positive Errungenschaft ist, gleichzeitig aber die Gefahr birgt, Frauen auf bestimmte Weiblichkeitsstereotype von Friedlichkeit zu reduzieren, als Opfer zu stigmatisieren und nicht als politisch Handelnde wahrzunehmen. Die Anerkennung der von TJ-Konzepten angesprochenen Konflikten ist von Hierarchien, Normen und Wahrnehmungen bezüglich der Geschlechterbeziehungen geprägt, was dazu führt, dass sexualisierte Verbrechen gegen Frauen in den Vordergrund rücken und strukturelle Gewaltdimensionen außen vor bleiben. (ICE2)
In: Die politischen Systeme der baltischen Staaten: eine Einführung, S. 97-115
"Die baltischen Staaten werden oft als Beispiel für einen progressiven und zukunftsorientierten potskommunistischen Transformationsprozess genannt. Allerdings mussten sich auch diese drei Staaten in großem Maße der Vergangenheitsbewältigung widmen, was zum Teil zu spürbaren gesellschaftlichen Spannungen und gelegentlich sogar zur Lähmung des politischen Systems führte. Das Ausmaß des vergangenen Unrechts, mit dem sich die Länder auseinander setzen müssen, ist in der Tat umfassend: stalinistischer Terror und Deportationen sowohl 1941 als auch in den späten 1940er Jahren, weitere politische Repressionen nach 1956, Enteignungen und Eigentumsrückgabe, Staatsbürgerschaftskonflikte, Streitigkeiten über die historische Vergangenheit sowie internationale Konflikte mit Russland über die Interpretation vergangener Ereignisse. All diese Themen werden in der Literatur unter dem Begriff 'retrospective justice' zusammengefasst, was auch unterschiedliche Forderungen nach Gerechtigkeit im Rahmen der Vergangenheitsbewältigung umfasst. Dieses Kapitel wird sich vorrangig mit den Lustrationsprozessen befassen, also mit jener Form der Vergangenheitsbewältigung, in der es um den Umgang mit ehemaligen sowjetischen Sicherheitsdienstmitarbeitern oder hochrangigen Mitgliedern der Kommunistischen Partei geht. Die baltischen Staaten haben im Laufe der Jahre unterschiedliche Ansätze verfolgt. Im Folgenden werden vier Lustrationsansätze betrachtet, die in Estland, Lettland und Litauen zu unterschiedlichen Zeitpunkten verfolgt wurden. Die Bandbreite reicht dabei von freiwillig-symbolischen Maßnahmen bis zur strafrechtlichen Verfolgung. Zudem wird gezeigt, dass der gesamte Bereich der Vergangenheitspolitik (engl. 'transitional justice') zunehmend umstrittener wurde, sodass einzelne Fälle sogar bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gelangten. Obwohl seit dem Beginn der Unabhängigkeit der baltischen Staaten bereits 20 Jahre vergangen sind, dauert die Suche nach Personen mit Verwicklungen zum sowjetischen Sicherheitsapparat und deren Bestrafung immer noch an. Dies trifft vor allem auf Litauen zu, das zugleich auch die härtesten Maßnahmen anwandte. In Estland ist im Gegensatz dazu die Debatte weitgehend abgeklungen, obwohl einzelne Verfahren noch nicht zum Abschluss gebracht wurden." (Textauszug)