Adorno im nahen Osten: von der akuten Relevanz einer Irrelevanz
In: Die Lebendigkeit der kritischen Gesellschaftstheorie: Dokumentation der Arbeitstagung aus Anlass des 100. Geburtstages von Theodor W. Adorno, 4.-6. Juli 2003 an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität, Frankfurt am Main, S. 287-297
Der Essay geht der Frage nach, inwieweit Adornos Denken für das heutige Israel und seine durch den sogenannten Nahostkonflikt determinierte Realität relevant ist. Zunächst wird - in Anlehnung an Adorno - moniert, dass der staatsoffiziell-ideologische Umgang mit dem Holocaust in Israel "Auschwitz zum instrumentellen Argument hat verkommen lassen". Dadurch wird eine "Grundstruktur der Moderne" verstellt, ein "Zentralmoment weltgeschichtlicher Monstrosität" in den Dienst eines Partikularinteresses gestellt bei gleichzeitiger Verkennung des Universalcharakters des Holocaust. Hier sieht der Autor Adornos ungebrochene Relevanz, die es der aus der Angst geborenen israelischen Partikularsicht verbietet sollte, sich einer "Erinnerungsindustrie" zu verschreiben. Er kommt darauf an, diese "kulturindustriell vermittelte Verblendung" ideologiekritisch nach und nach zu dekodieren, den Mut zum Blick auf den "Verhängniszusammenhang" von Shoah-Israel-Palästina zu öffnen: dies könnte eine dem Adorno'schen Denken verpflichtete Kritische Theorie leisten. (ICA2)