In: Wirtschaft und Gesellschaft im Beruf: Daten, Hintergründe, Entwicklungen ; Fachzeitschr. als Unterrichtshilfe für Lehrer an beruflichen Schulen u. Fachlehrkräfte i. d. gymnasialen Sekundarstufe II, Band 14, Heft 4, S. 155-161
Der Artikel befaßt sich mit der britischen Haltung zum Europäischen Währungssystem (EWS) und mit den grundlegenden britischen Interessen bezüglich einer europäischen Währungsunion, die für Großbritanniens Mitgliedschaft in der Gemeinschaft von erheblicher Bedeutung ist. Die technischen Neuerungen des EWS werden in ihren Zielsetzungen vorgestellt. Die atlantischen und die europäischen Perspektiven über die britische Haltung werden erörtert. Dagegen wird die britische Angst vor einer deflatorischen Auswirkung des EWS gestellt. Im zweiten Teil wird der Zusammenhang der britischen EWS-Politik mit der freiwilligen staatlichen Einkommenspolitik, die im Sommer 1981 ihre schwerste Krise seit 1974 hatte, erörtert. Das EWS wird im Rahmen der Mitgliedschaft Großbritanniens in der EG betrachtet. Die inneren Widerstände in der Labour Party gegen den EWS werden diskutiert. Abschließend wird die britische Haltung gegenüber dem EWS mit früheren Haltungen Großbritanniens zu Projekten zum Aufbau einer europäischen Union verglichen. (RW)
"Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in den Ländern des RGW ein Währungssystem nach dem Vorbild der Sowjetunion eingeführt, das die nationalen Währungen zwangsläufig auf ihre reine Binnenfunktion reduzierte. Erklärtes Ziel der Mehrzahl der osteuropäischen Regierungen war es, die eigene Währung von den Einflüssen des Weltmarktes abzuschirmen. Die Währungen der RGW-Ländern sind daher nicht konvertierbar, das heißt, sie können nicht gegen Dollar, DM oder andere konvertierbare Währungen eingetauscht werden. Selbst innerhalb des östlichen Wirtschaftsverbundes ist ihre Gültigkeit begrenzt, sind sie ebenfalls nicht konvertibel und somit jeweils reine Binnenwährungen. Dieses noch heute gültige Gefüge von monetären Beziehungen der sozialistischen Staaten untereinander ist die Konsequenz eines überzentralisierten Systems von Planung und Management, das u.a. zu der willkürlichen Festsetzung von Wechselkuren für Handel und Tourismus, unabhängig von Markteinflüssen, geführt hat. Sowohl gegenüber den harten Fremdwährungen als auch gegenüber den anderen osteuropäischen Währungen gibt es keinen 'ökonomisch begründeten' Wechselkurs. Einige osteuropäische Währungen wurden daher von Anfang an im Verhältnis zu den anderen RGW-Währungen über-, andere unterbewertet. Noch heute ist dies eine Quelle permanenter Kontroversen zwischen mit währungspolitischen Angelegenheiten betrauten Regierungsbeamten der einzelnen sozialistischen Länder. Zugleich liegt hier die Hauptursache für das Entstehen eines sogenannten Schwarzmarkt-Wechselkurses innerhalb der RGW-Staaten. Bis heute haben sich die östlichen Planwirtschaften nicht in der Lage gezeigt, ihren Währungen die üblichen Marktfunktionen des Geldes einzuräumen bzw. eine Währung zu schaffen, deren Funktion besser auf ihre eigenen Wirtschaftsstrukturen zugeschnitten ist. Die von vielen Wissenschaftlern geforderten 'grundlegenden Reformen' der sozialistischen Volkswirtschaft werden sich indessen nicht ohne die gleichzeitige Einführung einer sich am internationalen Kapitalmarkt orientierten Währung und realistischer Marktpreise erfolgreich durchführen lassen." (Autorenreferat)
Durch die Nichtbeteiligung am Wechselkursmechanismus hat Großbritannien bereits beträchtlichen Schaden erlitten. In jüngster Zeit mehren sich zwar die Befürworter eines Beitritts, die Regierung sieht jedoch den Zeitpunkt dafür noch nicht gekommen. Neben der Zeitfrage ist auch die Frage, unter welchen Bedingungen Großbritannien dem EWS beitreten könnte, noch unbeantwortet. (KM)
Bei der Willensbildung in Großbritannien über einen Beitritt zum EWS kommt der Hauptwiderstand aus der offiziellen Politik beider großer Parteien. Politische und wirtschaftliche Argumente gegen den Beitritt sind nicht stichhaltig. Die Auswirkungen des EWS auf den Wechselkurs des Pfundes sind wesentliches Kriterium. Wegen der Gefahr von Spekulationen gegen das Pfund ist ein EWS-Beitritt vor den nächsten Wahlen unwahrscheinlich. Danach wird der Eintrittswechselkurs des Pfundes entscheidend sein. Die Mitgliedschaft der Weltwährungen Deutsche Mark und Pfund würde das EWS stärken, die Position des europäischen Währungsblocks gegenüber Yen und Dollar festigen und einen Schritt auf ein geordnetes Weltwährungssystem darstellen. (SWP-Bmt)