Die Klimaforschung steht als politisch relevante Wissenschaft unter dem Druck, schnell Resultate zu liefern. - Und wo diese Resultate kontrovers sind, entsteht in der Öffentlichkeit rasch der Eindruck mangelnder Glaubwürdigkeit.Dieses Glaubwürdigkeitsproblem wurzelt einerseits in klassischen erkenntnis- und wissenschaftstheoretischen Schwierigkeiten wie Induktionsproblem, Unterbestimmtheitsthese und Theoriebeladenheit, andererseits in einer fehlgeleiteten Vorstellung von wertfreier Wissenschaft.Anna Leuschner zeigt: Nur wissenschaftlicher Pluralismus und intellektuelle Verantwortung der Wissenschaftler_innen können Wissenschaft glaubwürdig machen.
Die Beiträge des Bandes untersuchen das Verhältnis von Wissenschaft und Macht auf vier Ebenen: Sie befassen sich mit den Grundlagen wissenschaftlicher Selbstreflexion, den Verhältnissen im Betrieb der Wissenschaft, den Effekten von Wissenschaft in gesellschaftlicher Praxis und der Produktion von Wissen zwischen Wirtschaft und Politik. Inhalt: 1. GRUNDLAGEN WISSENSCHAFTLICHER SELBSTREFLEXION (Heit, Helmut: "Über den Wolken..." Zur Aktualität der Aristophanischen Wissenschaftskritik. - Palm, Kerstin: Disziplinen-Trouble oder: Vorschläge der gender Studies für eine Wissenschafts- und Machtkritik. - Jäger, Siegfried: Zum Objektivitätsanspruch der Naturwissenschaften aus diskursanalytischer Sicht. - Ernst, Thomas: Und die Wahrheit starb im Fußnoten-Massaker. Zur Sprache der Wissenschaft im Zeitalter ihrer Delegitimation. - Geden, Oliver: Wissenschaft als Politikersatz? Über blinde Flecken und unintendierte Nebenfolgen der qualitativ-empirischen Beforschung marginalisierter Lebenswelten. - Erzmann, Tobias: Der Paradigmenbegriff im Spannungsfeld zwischen Wissenschaft und Macht. Aspekte aus erziehungswissenschaftlicher Sicht. - Borrmann, Stefan: Machtaspekte bei der Entwicklung ethischer Standards für die Soziale Arbeit mit rechten Jugendcliquen). - 2. IM BETRIEB DER WISSENSCHAFT (Engler, Steffani: "Aufsteigen oder Aussteigen". Soziale Bedingungen von Karrieren in der Wissenschaft. - Schreiber, Christine: Karriereknick. Gregory Pincus und die Vorgeschichte der In-vitro-Fertilisation. - Forstner, Christian: Wissenschaftliche Theorien im Kontext politischer und innerwissenschaftlicher Macht. David J. Bohms (1917-1992) Interpretation der Quantenmechanik. - Gondermann, Thomas: Herbert Spencers "The study of sociology". Die Beziehung von sozialer Theoriebildung und biologischer Differenzbegründung. - Roth, Jürgen: Zum Geistesleben. Ausgewählte Glossen, Satiren und Essays). - 3. WISSENSCHAFT IN GESELLSCHAFTLICHER PRAXIS (Loeffelmeier, Rüdiger: Staatliche Macht und Schule. Zur Indienstnahme der Schule in unterschiedlichen politischen Systemen in Deutschland. - Schneider, Jan: Politikberatung und Regierungsmacht - über "Re-Etatisierung" zum "Neo-Dezisionismus"? Wandel von Expertise und Entscheidungsvorbereitung im deutschen Regierungssystem. - Wrochem, Oliver von: Indikatoren Wehrmachtsausstellungen. Überlegungen zum Verhältnis von Geschichtspolitik, Wissenschaft und Öffentlichkeit. - Meinecke, Thomas: ...
»Was ist [...] der Sinn der Wissenschaft als Beruf, da alle diese früheren Illusionen: >Weg zum wahren SeinWeg zur wahren KunstWeg zur wahren NaturWeg zum wahren GottWeg zum wahren GlückSie ist sinnlos, weil sie auf die allein für uns wichtige Frage: >Was sollen wir tun? Wie sollen wir leben?keine< Antwort gibt, und ob sie statt dessen nicht doch vielleicht dem, der die Frage richtig stellt, etwas leisten könnte.« (Aus dem Text).
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Dargelegt wird, wie wenig die Wissenschaften, insbesondere die Naturwissenschaften, zur Sicherheit unseres Leben beitragen, daß sie im Gegenteil Risiken erst schaffen. Technik und Naturwissenschaft sind zu einem wirtschaftlichen Unternehmen von großindustriellem Zuschnitt ohne Wahrheit und Aufklärung geworden. Die Eindeutigkeit wissenschaftlicher Aussagen ist der Einsicht in deren Entscheidungsbedingtheit, Methodenabhängigkeit, Kontextgebundenheit gewichen. Am Beispiel der Kernenergie, der Gentechnologie und der Bestimmung von Grenzwerten für chemische Substanzen wird deutlich gemacht, daß die Abhängigkeit von Wissenschaft sogar mit dem möglichen Risiko steigt. (GF)