Das Bruttoinlandsprodukt hat als Gradmesser für die gesellschaftliche Entwicklung ausgedient. Stattdessen existieren zahlreiche Wohlstandsindikatoren, die auch soziale und nachhaltige Aspekte miteinbeziehen. Bei deren Beurteilung ist wichtig, wie diese in aktuelle politische Debatten und Programme, wie die Strategie zur Nachhaltigen Entwicklung, eingebunden werden können.
Im Bildungsbereich muss die Illusion überwunden werden, dass ohne Leistungsdifferenzierung durch stärkere Eigenverantwortung, Leistungsvergleiche und Wettbewerb um (Förder-)Mittel ein nennenswerter Fortschritt erzielt werden kann. Von zentraler Bedeutung ist dabei eine verbesserte Informationspolitik, die Stärken und Schwächen der Anbieter im Bildungsmarkt transparent macht. Die Logik des Wettbewerbsföderalismus, dass sich aus verschiedenen Ansätzen die besten Lösungen herauskristallisieren und dann übernommen werden, würde von der abstrakten Idee endlich zur politischen Praxis. Eine Volkswirtschaft, die ihren Platz am oberen Ende der internationalen Einkommensskala behalten will, kann es sich nicht erlauben, überall nur gutes Mittelmaß zu stellen. Stattdessen muss es ihr Ziel sein, im internationalen Wettbewerb zumindest in ausgewählten Bereichen deutlich sichtbare Spitzenplätze zu besetzen. Es reicht aber nicht aus, sich auf eine schmale Bildungs- und Leistungselite zu beschränken. Nur ein breites Fundament von Kompetenzen bildet die stabile Basis für eine prosperierende Gesellschaft. Das Augenmerk der Bildungspolitik sollte daher auf fünf Aspekten liegen: Intensivierung der frühkindlichen Bildung, Verzahnung von Bildungs- und Integrationspolitik, mehr Durchlässigkeit im Schulsystem, mehr Transparenz, Autonomie und Wettbewerb bei Schulen und Hochschulen, Intensivierung des lebenslangen Lernens. Wohlstand durch Leistung - ob wir auch künftig die mit diesem Prinzip der globalisierten Wirtschaft verbundenen Chancen nutzen können, wird durch die Weichenstellungen im Bildungsbereich entschieden.
Die Zweifel wachsen, ob allein die Höhe und der Verlauf des Bruttoinlandsprodukts ausreichen, den Wohlstand einer Gesellschaft zu messen. Um diese Frage zu diskutieren, hatte der Deutsche Bundestag Anfang 2011 eine Enquete-Kommission eingerichtet, die im Frühjahr 2013 ihren Abschlussbericht vorgelegt hat. Dies nahmen die Akademie für Politische Bildung Tutzing und das ifo Institut zum Anlass, unter der Leitung von Dr. Wolfgang Quaisser, Akademie für Politische Bildung Tutzing, und Prof. Dr. Kai Carstensen, ifo Institut am 7. und 8. Juni 2013 eine Fachtagung zu organisieren, um die Ergebnisse zu diskutieren. Einige der dort vorgestellten Vorträge werden hier veröffentlicht.
Ist gesellschaftlicher Wohlstand ohne ökonomisches Wachstum möglich? Dieses Paper gibt einen Überblick über jüngere wissenschaftliche Veröffentlichungen zum Thema. Schwerpunkte sind Begründungen und Ausprägungen von Wachstumsskepsis, alternative Wohlstandsindikatoren und Alternativen zur Wachstumsökonomie. Deutlich wird dabei ein Manko an makroökonomisch fundierten Modellen einer Postwachstumsökonomie, die Prognosen über die sozioökonomischen Auswirkungen eines Wachstumsverzichts erlauben würden. Nennenswerte Ausnahmen sind der multidisziplinär geprägte Degrowth-Ansatz sowie Peter Victors LowGrow-Modell. Beiden gemein ist die Forderung nach Verkürzung der Arbeitszeit verbunden mit einer Umverteilung von Arbeit. Die Beantwortung der Frage, ob und wie eine Demokratie bei schrumpfender Wirtschaft funktionieren könnte, erfordert weitere Forschung. ; Can there be prosperity without economic growth? This paper provides an overview of the relevant publications of the last decade dealing with this question. Surveyed issues include the reasons for and characteristics of growth-skepticism; alternative welfare indicators; and alternatives to growth economics. Among other things, it is found that there is a lack of macroeconomic models for a post-growth economy that would allow forecasts of the socio-economic impact of low growth. Exceptions are the multidisciplinary concept of 'degrowth' and Peter Victor's LowGrow model. Both advocate working time reduction combined with a redistribution of work. The paper concludes by pointing out a need for further research on how democracy can function with low economic growth, or without it.
Die Stiglitz-Kommission hat Empfehlungen zur Weiterentwicklung der statistischen Berichterstattung vorgelegt und das Bruttoinlandsprodukt als nicht ausreichend für die Messung der Wirtschaftsleistung, der Lebensqualität und der Nachhaltigkeit bewertet. Tatsächlich gibt es auch in der Bevölkerung ein Unbehagen in Hinblick auf die amtliche Statistik. Allerdings sind Zufriedenheitsindikatoren als alternative Zielwerte für die Politik kritisch zu beurteilen.
Das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz wird bald 50 Jahre alt. Neue Herausforderungen erfordern eine Wirtschaftspolitik, die weit über die Ziele des Gesetzes hinausweist. Sie muss wirtschaftliches Wachstum und Stabilität mit den Zielen fiskalischer, sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit auf nationaler und europäischer Ebene verbinden. Der Autor gibt einen Über blick über solche umfassenden Zielsysteme und leitet daraus ab, wie eine derart erweiterte wirtschaftspolitische Agenda in ein Wohlstands- und Nachhaltigkeitsgesetz eingefasst werden kann. ; The German Act to Promote Economic Stability and Growth will soon be 50 years old. New challenges require an economic policy which transcends the aims of this law. The new policy has to combine economic growth and stability with fiscal, social and ecological sustainability, both at the national and European levels. The author provides an overview on such comprehensive target systems and puts forward ideas on how to integrate the enlarged economic policy agenda into an Act to Promote Welfare and Sustainability.
2012 hat die Bundesregierung eine Demografiestrategie formuliert und einen entsprechenden Gipfel organisiert. Der Strategie fehlt allerdings eine Leitlinie, die angesichts der nach 2020 zu erwartenden demografischen Probleme sehr dringend benötigt würde. Vor allem müssen institutionelle Reformen, die eine bessere Bildung der Bevölkerung zum Ziel haben, durchgeführt werden. Dann kann die Produktivität gesteigert werden, was für stabiles Pro-Kopf-Einkommen und eine sichere Finanzierung der 'alten' Bevölkerung entscheidend ist. ; How can Germany maintain its high standard of living as its workforce decreases in number and there are ever fewer skilled workers available? The economic challenge associated with demographic change is to achieve a productivity increase large enough to prevent a decline in the principal indicator of prosperity - per capita GDP. Does the demographic strategy pursued by Germany in 2012 reflect this central challenge? Only to a certain extent. The core message of this paper is that qualification - in the form of lifelong learning - is a central driver of increased productivity and is, by extension, the sustainable solution for Germany.
Im Rahmen des ersten Lockdowns während der COVID-19 Pandemie wurde verstärkt gefordert, die weit fortgeschrittene internationale Arbeitsteilung wieder teilweise zurückzufahren und Produktion in Zukunft wieder zu re-regionalisieren bzw. wieder nach Österreich zu bringen. Während diese Forderungen vor dem Hintergrund einer zum Teil schwierigen Versorgungslage mit medizinischem Equipment in einer globalen Pandemie verständlich sind, sind sie jedoch ökonomisch nicht zielführend. Die vorliegende Policy Note zeigt, dass Österreich zu den Gewinnern sowohl der Globalisierung als auch der europäischen Integration der vergangenen 30 Jahre zählt. So sind die Pro-Kopf-Einkommen in Österreich gemäß aktuellen Untersuchungen durch die EU-Mitgliedschaft allein um mehr als acht Prozent größer. Auf Basis aktueller Daten zur internationalen Wirtschaftsverflechtung ist darüber hinaus beobachtbar, dass Österreich zentral in internationalen Wertschöpfungsketten verankert ist. Zwar spielt die inländische Nachfrage für Österreichs Wirtschaft eine wichtige Rolle, dennoch ist die Bedeutung ausländischer Nachfrage für Österreich ebenso entscheidend: Rund ein Drittel der gesamten österreichischen Wirtschaftsleistung wird durch ausländische Endnachfrage bestimmt. Auf Branchenebene besitzen aber einzelne Branchen weitaus höhere Quoten. Dies gilt vor allem für die Industrie (z.B. die Kraftfahrzeugherstellung oder Metallerzeugung) aber auch einige Dienstleistungsbranchen (z.B. der Großhandel, der Transport und die Finanzbranche). Aus diesen Ergebnissen ergeben sich weitreichende Implikationen für die Wirtschaftspolitik bei der Bekämpfung der durch die COVID-19 Pandemie ausgelösten Wirtschaftskrise und darüber hinaus. (.)
Österreich weist im internationalen Vergleich eine hohe Abgabenquote auf. Im Jahr 2016 betrug diese 43,4 % des BIP. Damit liegt Österreich im Bereich jener Länder mit hohen Abgabenquoten wie etwa Finnland und Schweden. Lediglich in Frankreich, Dänemark und Belgien lag die Abgabenquote zuletzt noch etwas höher. Daneben ist die Abgabenbelastung aber in einer Reihe von europäischen Ländern deutlich niedriger als in Österreich. Deutschland zum Beispiel weist eine Abgabenquote von 40 % auf, der Schnitt der Europäischen Union liegt gemäß Statistik Austria ebenfalls bei 40 %. Dies belastet Österreich im internationalen Wettbewerb. Neben der absoluten Höhe der Abgabenbelastung spielt aber auch deren Struktur eine wesentliche Rolle für die Entwicklung einer Volkswirtschaft. Fasst man die Abgaben auf Einkommen und Sozialversicherungs- bzw. Lohnsummenabgaben gemäß OECD zusammen, dann liegt Österreich mit knapp 31 %des BIP sogar an erster Stelle unter den betrachteten Ländern. In diesem Zusammenhang wird in der politischen Diskussion u.a. eine Umschichtung der Finanzierung der sozialen Sicherung von den Lohnnebenkosten hin zu einer Wertschöpfungsabgabe vorgeschlagen, die nicht nur überwiegend Löhne und Gehälter belastet, sondern prinzipiell alle Bestandteile der Wertschöpfung, also auch Gewinne, Fremdkapitalzinsen etc. Auf den ersten Blick sind die ökonomischen Folgen einer solchen Reform uneindeutig, ob die Beschäftigung oder auch der private Konsum zulegen werden oder sogar geringer ausfallen könnten. Die vorliegende Policy Note zeigt auf Basis einer Simulation mit dem allgemeinen Gleichgewichtsmodell PuMA von EcoAustria, dass die aufkommensneutrale Einführung einer Wertschöpfungsabgabe zugunsten einer Senkung der Lohnnebenkosten zu einem mittel- bis langfristig geringeren BIP-Wachstum und auch kurzfristig zu recht deutlichen Einbußen bei den Investitionen führt Zudem ist mit einem Rückgang der Produktivität zu rechnen. Der private Konsum sinkt leicht und es sind trotz der relativen Vergünstigung des Faktors Arbeit im Vergleich zum Faktor Kapital keine wesentlichen Effekte auf Beschäftigung und Arbeitslosigkeit zu erwarten. Ohne positive Effekte auf dem Arbeitsmarkt und zugleich negativer Effekte auf Investitionen, Wachstum und Konsum ist die Maßnahme aus volkswirtschaftlicher Sicht abzulehnen.
Über die Parteigrenzen hinweg sind sich die deutschen Politiker einig, dass die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands als rohstoffarmes Land durch einen hohen Bildungsgrad und den Reichtum an Humankapital mitbestimmt wird. Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass zu viele Vorschriften und regulierende staatliche Eingriffe dabei die positiven Wohlstandseffekte behindern können. In Deutschland haben die Bildungsreformen zwischen 2000 und 2010 dazu beigetragen, die Regulierungsdichte im Bildungsbereich deutlich zu verringern - mit positiven Folgen für Wohlstand und Beschäftigung.
In der Juniausgabe 2012 veröffentlichte der Wirtschaftsdienst einen Aufsatz mit dem Titel 'Regulierung, Bildung und Wohlstand - der IW-Regulierungsindex'. Enrico Schöbel und Lars Petersen setzen sich damit kritisch auseinander und Dominik H. Enste und Jochen Wicher erläutern ihren Standpunkt in einer Erwiderung. ; Enste and Wicher suggest that political regulation is always wealth-reducing. However, their analysis neglects various relevant determinants of the wealth indicator. Economic wealth cannot be estimated from the quantity of regulation, as quality and other aspects matter. Hence, political acumen is required. Enste and Wicher reply to criticism of the regulation index and the analysis of the impact of regulation on education. They argue that they neither ignore the positive effects of regulation (taken into account with the data on good governance indicators) nor demand a zero regulation policy. Instead, the main goal of the analysis is to provide an international comparison for 'better regulation'.
Steuern müssen sich aus den Aufgaben des Staates legitimieren. Ebenso hat jede Steuerreform an den Aufgaben des Staates anzusetzen und zu prüfen, was an staatlichen Aufgaben unverzichtbar ist und was der Staat nicht so gut kann. Steuern mindern Wohlstand, wenn der Nutzen oder der Produktionseffekt, den das öffentliche Gut stiftet, geringer ist als die Nutzenverluste oder Lasten, die den Individuen durch die Steuern auferlegt werden. Der Staat darf den Menschen nicht so viel abfordern, daß sie das Interesse an Produktion, Investition und Leistung verlieren. Eine statische Ergebnisgleichheit in den Einkommen kann nicht das Leitbild der Steuerpolitik sein. In Deutschland gibt es eine beachtliche vertikale Mobilität in der Einkommenspyramide: 75 vH der Haushalte mit abhängig Beschäftigten, die sich 1984 im unteren Fünftel der Einkommensverteilung befanden, waren 1994 in einem höheren Fünftel. Die Aufgabe einer an Verteilung interessierten Politik muß sein, diese vertikale Mobilität in einer offenen Gesellschaft zu fördern. Die politische Ausgangsthese, es gebe eine soziale Schieflage, ist durch Fakten nicht begründet. Eine Analyse der Daten des Sozioökonomischen Panels für den Zeitraum 1983-1993 ergibt, daß im früheren Bundesgebiet "die Einkommensverteilung in dem betrachteten Zeitraum nur geringfügig ungleicher geworden ist" (Sachverständigenrat). Auch ist nicht richtig, daß die Arbeitseinkommen in realer Rechnung nicht mehr gestiegen sind: Zieht man die durchschnittlichen Wochenverdienste der Facharbeiter im produzierenden Gewerbe Westdeutschlands heran, so lagen sie 1990 real und netto 9,3 vH über dem Niveau von 1980 und 1998 um 3,5 vH über dem Niveau von 1990. Die Politik muß im Steuersystem eine Antwort auf die weltwirtschaftlichen Veränderungen und den globalen Standortwettbewerb finden. Der Staat sieht sich einem eingeschränkten Bewegungsspielraum gegenüber, da bei Abwanderung von Sachkapital die Steuerbasis schrumpft, aber nicht nur die Steuerbasis aus Kapitaleinkommen. Denn bei Abwanderung von Sachkapital sinkt die Arbeitsproduktivität (oder sie entwickelt sich nicht so günstig). Mit niedriger Arbeitsproduktivität werden die Lohn- und Beschäftigungschancen geringer. Auch dadurch schmilzt die Steuer- und Abgabenbasis. Geht es um die Leistungsbereitschaft der Menschen, so sind die Steuersätze für natürliche Personen zu senken. Eine rechtsformneutrale Unternehmen- oder Betriebsteuer mit einem diskutierten Steuersatz von etwa 25 vH für einbehaltene und ausgeschüttete Gewinne ist zur Stärkung der Investitionen zwar ein Schritt in die richtige Richtung. Aber die ausgeschütteten Gewinne würden zusätzlich mit dem hohen Steuersatz der Einkommensteuer belastet, was die Leistungsbereitschaft vieler Unternehmer in kleinen und mittelgroßen Betrieben nachteilig berührt. Daher ist auch der Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer zu senken, und die Steuersätze für Unternehmen und natürliche Personen dürfen nicht allzu weit auseinander liegen. Die Reform der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer sollte jetzt in einem Gesetz verabschiedet werden, aber in zwei bereits heute eindeutig festgelegten Stufen. Ab 2000 sollten die Unternehmensteuern auf einen Satz bei 25 vH gesenkt werden, in einer zweiten Stufe sollte der Spitzensteuersatz der Einkommensteuer auf unter 40 vH reduziert werden. Diese zweite Stufe, die etwa am 1. Januar 2002 in Kraft treten könnte, sollte jetzt verbindlich im Gesetz festgeschrieben werden. Der Staat darf die Zukunft nicht übermäßig belasten. Die Belastung zukünftiger Generationen muß in einer intertemporalen Rechnung bei den Entscheidungen schon heute berücksichtigt werden. Dies gilt für die höhere Zinslast aus der Staatsverschuldung und die damit einhergehende Manövrierunfähigkeit in den öffentlichen Haushalten der Zukunft wie auch für die Abgaben, mit denen die in der Zukunft arbeitenden Generationen die sozialen Sicherungssysteme finanzieren müssen. Notwendig sind institutionelle Schranken für das Ausgabengebaren und die Steuerpolitik des Staates. Im Grunde ist eine Norm für die Staatsquote nötig. Bei der Staatsverschuldung greifen die bisher eingeführten Schranken nur begrenzt. Am erfolgversprechendsten erscheint es, bei der Steuerhoheit anzusetzen und dafür Verfassungsschranken festzulegen.
Österreich weist im internationalen Vergleich eine hohe Abgabenbelastung auf. Im Jahr 2017 betrug die Abgabenquote 42,4 Prozent des BIP und damit deutlich mehr als im Durchschnitt der EU-Mitgliedstaaten mit 40,2 Prozent. Die vergleichsweise hohe Belastung betrifft sowohl die Körperschaftsteuer als auch insbesondere die Belastung des Faktors Arbeit mit Einkommensteuer und Lohnnebenkosten bzw. Dienstnehmerbeiträgen. Nachdem sich die Bundesregierung im Regierungsprogramm das Ziel der Reduktion der Abgabenquote auf 40 Prozent gesetzt hat, sollen im Rahmen der Regierungsklausur im Jänner 2019 weitere Schritte festgelegt werden. Im Vorfeld der Klausur wurden in der öffentlichen Debatte eine Senkung der Körperschaftsteuer und eine deutliche Entlastung des Faktors Arbeit gefordert. In der vorliegenden Policy Note werden Entlastungen bei diesen Abgaben untersucht. Die Analyse der volkswirtschaftlichen Effekte von EcoAustria mit dem Makromodell PuMA ("Public policy Model for Austria") zeigt, dass bereits im ersten Jahr nach einer Senkung der Körperschaftsteuer auf 19 Prozent das Bruttoinlandsprodukt um 0,1 Prozent höher ausfällt als ohne die Reform. Dies steigert sich im Zeitverlauf. Langfristig liegt das Bruttoinlandsprodukt 0, 7 Prozent höher. Dabei steigen die Investitionen besonders kräftig. Sie liegen im ersten Jahr nach der Reform um 2 Prozent höher. Damit verbunden ist auch ein Anstieg der Nettolöhne und der Beschäftigung. Die Nettolöhne liegen im ersten Jahr nach der Reform um 0,1 Prozent höher, langfristig sind es 0,8 Prozent. Hierbei steigen die Nettolöhne in sämtlichen Bildungsgruppen, bei mittlerem und höherem Qualifikationsniveau fällt der Anstieg kräftiger aus. Bezogen auf heutige Nettoeinkommen entspricht das einem durchschnittlichen Anstieg um langfristig rund 260 Euro pro Jahr. Auch die Beschäftigung steigt mittel- bis langfristig. Langfristig liegt sie um gut 0,2 Prozent oder rund 10.000 Beschäftigte höher als ohne die Körperschaftsteuerreform. Mit höherer Beschäftigung und höheren Nettolöhnen steigt auch der Konsum privater Haushalte. Dieser fällt mittelfristig um 0, 7 Prozent höher aus als ohne die Reform, langfristig sind es gut 0,8 Prozent. Darüber hinaus kommt es durch die höhere Wirtschaftsleistung und den höheren privaten Konsum zu fiskalischen Rückflüssen, die einen Teil der Reform selbst finanzieren. Mittelfristig macht der Selbstfinanzierungsgrad bereits rund 40 Prozent aus, langfristig steigt dieser auf 55 Prozent. Bei einem Reformvolumen von ex-ante 2 Milliarden Euro würde unter Berücksichtigung der Selbstfinanzierung der Finanzierungsbedarf mittelfristig netto 1,2 Milliarden Euro und langfristig netto 900 Millionen Euro betragen. Vergleicht man die Wirkungen der Körperschaftsteuersenkung mit einer Senkung der Einkommensteuer und der Lohnnebenkosten bei entsprechendem Reformvolumen, so zeigt sich, dass die Senkung der Körperschaftsteuer die stärksten Effekte auf die privaten Investitionen besitzt, die Kapitalausstattung der Beschäftigten stärkt und über den Produktivitäts- und Beschäftigungsanstieg längerfristig das BIP am stärksten erhöht. Die Auswirkungen auf Beschäftigung und Nettolohnentwicklung, die kurzfristig geringer als bei den anderen Reformen sind, fallen längerfristig geringfügig schwächer aus als bei einer Senkung der Lohnnebenkosten. Eine Reduktion der Einkommensteuer wirkt am positivsten auf die Beschäftigung, den privaten Konsum und die Entwicklung der realen Nettolöhne. Dabei sind die kurzfristigen Wachstumseffekte merklich höher als bei einer Lohnnebenkostensenkung. Die Reduktion der Lohnnebenkosten weist wiederum die schwächsten Wachstums- und Produktivitätseffekte auf. Allerdings zeigt sich insbesondere bei der Beschäftigung von gering qualifizierten Personen der kräftigste Zuwachs. Auch der Selbstfinanzierungsgrad ist bei einer Lohnnebenkostensenkung am höchsten. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass die drei untersuchten Varianten einer Steuerreform mit unterschiedlichen ökonomischen Wirkungen verbunden sind. Eine Steuerreform sollte dementsprechend eine Senkung der Körperschaftsteuer und insbesondere auch die Entlastung des Faktors Arbeit vorsehen. Um den Finanzierungsbedarf der Reform richtig einzuschätzen, sollte dabei der Selbstfinanzierungsgrad der Reform berücksichtigt werden.
Dieser Beitrag untersucht Deutschland in der ersten Globalisierung in den Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg. Damals erlebte das Deutsche Reich eine massive Zunahme von Getreideimporten aus Amerika. Wir vergleichen Landkreise, die auf die importierten Getreidesorten spezialisiert waren, mit Kreisen, die andere landwirtschaftliche Güter hergestellt haben. Unsere Resultate zeigen, dass viele Arbeitskräfte die Kreise verlassen, in denen vom Handelsschock betroffene Produkte hergestellt wurden. Allerdings bleiben die in modernen Volkswirtschaften beobachteten negativen Effekte auf Einkommen pro Kopf und Sterblichkeit aus, auch eine politische Radikalisierung findet nicht statt. Unsere Ergebnisse legen nahe, dass die Migrationsbewegungen negative wirtschaftliche und in der Folge auch politische Auswirkungen abfedern. Damals verließen etwa viermal so viele Einwohner ihren Landkreis nach einem Handelsschock wie in vergleichbaren Situationen in den heutigen USA.