Zeitgeschichte in Europa - oder europäische Zeitgeschichte?
In: Aus Politik und Zeitgeschichte: APuZ, Heft 1/2, S. 18-26
ISSN: 2194-3621
Da die jüngst erlebte Geschichte ständig präsent ist, gibt es dominierende Erzähl- und Betrachtungsweisen, die sich vom erlebten und erinnerten Bereich der individuellen Geschichte bis auf die europäische Ebene verlagern können oder sie mitdenken - die Zeitgeschichte Europas. "Meistererzählungen" wird dies im Anschluss an die englischen "master narratives" genannt, denn diese prägen die Sichtweise auf Traditionsbildung und Geschichtspolitik. Während sich das "gedachte Europa" primär auf die Europaideen und -vorstellungen, also auf die Konstruktionen von Europa bezieht, richtet sich das "gelebte Europa" eher auf Methoden und Gegenstände der Kultur- und Sozialgeschichte und sucht nach Gemeinsamkeiten, Prägungen und Besonderheiten. Das "vereinbarte Europa" betrachtet demgegenüber den Rahmen der kodifizierten und verrechtlichten Stränge im europäischen Gemeinschaftsrecht. Aus dem Zusammenwirken dieser Erzählweisen können spezifische Themenfelder und Forschungsansätze zur europäischen Zeitgeschichte entstehen, die sich z.B. auf die Kriterien der Konstruktion Europas, seine Binnendifferenzierung und Grenzen, die Blockkonstruktion und Grenze im Kalten Krieg, die westeuropäische Integrationsforschung, die Anfänge einer vergleichenden europäischen Geschichte und auf die europäische Erinnerungskultur beziehen. (ICI2)