Die gegenwärtigen Probleme des Demokratisierungsprozesses in Rußland werden auf drei grundlegende Antinomien zurückgeführt: (1) Zivilgesellschaft - korporatistische Gesellschaft, (2) Demokratie - Autoritarismus und (3) neuer Föderalismus - regionaler Konföderalismus. Die Gruppeninteressen im heutigen Rußland tragen einen vorwiegend korporatistisch-egoistischen Charakter und behindern das Entstehen einer Zivilgesellschaft. Im Lande herrscht nicht eine demokratische, sondern eine autoritär geprägte ideologisch-politische Atmosphäre. Der Drang der Regionen hin zu einer vollständigen Souveränität begünstigt die allmähliche Transformation der föderativen in konföderative Beziehungen. (BIOst-Mrk)
Der Verfasser wirft einen kritischen Rückblick auf die El'cin-Ära und formuliert einige Erwartungen an die Politik seines Nachfolgers im Präsidentenamt. Der Autor kritisiert insbesondere den undemokratischen Verlauf des Privatisierungsprozesses und bemängelt das Fehlen vollständiger demokratischer Grundlagen des neuen russischen Staates. Die Kernfrage der zukünftigen Entwicklung Rußlands wird die Wahl eines geeigneten Modernisierungsmodells sein. Weitere Überlegungen des Autors betreffen die Änderung der Verfassung, Reformen des Rechtssystems, den Aufbau einer Zivilgesellschaft und die zukünftige Außenpolitik des Landes. (BIOst-Mrk)
Nach Ansicht des Verfassers stehen Rußland keinewegs mehr Jahrzehnte zur Schaffung einer Zivilgesellschaft, zur Modernisierung der Armee und der Wirtschaft und zur Herausbildung einer nationalen Selbstidentifikation zur Verfügung, da sonst der Abstand zu den Gesellschaften des Westens uneinholbar groß würde. Er fordert daher den Bruch mit dem gegenwärtig im Lande herrschenden "Kompradorenkapitalismus" und nimmt eine Beurteilung der Präsidentschaftskandidaten unter dem Gesichtspunkt ihrer Eignung für einen derartigen Paradigmenwechsel vor. In diesem Zusammenhang diskutiert er einige der möglichen politischen Entwicklungsvarianten. Wenngleich die Regionen im Präsidentschaftswahlkampf 2000 eine bedeutende Rolle spielen werden, wird der Wahlkampf nach Ansicht des Verfassers dennoch nicht von der Auseinandersetzung zwischen Zentrum und Peripherie geprägt werden. (BIOst-Mrk)
In dem Beitrag werden die in Lateinamerika nach der ersten Demokratisierungswelle sich stellenden Probleme des wirtschaftlichen Wachstums, der durch ein starkes Einkommensgefälle erschwerten Sozialpolitik, der Politik generell und der Herausbildung einer bürgerlichen Zivilgesellschaft untersucht. Der weitere Erfolg der Reformen in dieser Region hängt nach Ansicht des Autors in hohem Maße davon ab, inwieweit es den politischen Führungen nicht nur gelingt, ökonomisches Wachstum zu garantieren, sondern auch die bestehenden sozialen Unterschiede zu verringern, die Armut zu beseitigen und Fortschritte bei der Institutionalisierung demokratischer Formen zu erzielen. Dabei werden die Staaten im Hinblick auf ihre wirtschaftlichen und politischen Perspektiven ihren jeweiligen Voraussetzungen entsprechend verschiedenen Gruppen zugeordnet. (BIOst-Mrk)
Im ersten Teil seines Beitrags analysiert der Autor die schwierige geopolitische Lage Georgiens und das daraus entspringende politische Dilemma zwischen integrativen Interessen im Hinblick auf den Westen einerseits und der sich nicht zuletzt in den bestehenden Militärbasen verkörpernden Dominanz Rußlands in dieser Region andererseits. Die fortgesetzte militärische Präsenz Rußlands schadet nach Ansicht des Verfassers sowohl den politischen als auch den wirtschaftlichen Interessen Georgiens. Im zweiten Teil des Beitrags wird die gegenwärtige innenpolitische Lage in Georgien untersucht. Der Autor setzt sich kritisch mit der Politik von Staatspräsident Sevardnadze und der von ihm geführten Partei "Bund der Bürger Georgiens" auseinander, konstatiert das geradezu metastasenartige Anwachsen des Phänomens der Korruption unter Sevardnadze, beleuchtet die Entwicklung der ethnoterritorialen Konfliktherde Abchasien und Südossetien und erörtert die Perspektiven einer Zivilgesellschaft im gegenwärtigen Georgien. (BIOst-Mrk)
Der Beitrag gibt die Ergebnisse einer Diskussion wieder, zu der die Führung der Vereinigung "Unser Haus - Rußland" ("Nas dom - Rossija") russische Experten und Mitarbeiter der Konrad-Adenauer- Stiftung eingeladen hatte. In den Diskussionbeiträgen wird darauf hingewiesen, daß die Besetzung einflußreicher Positionen in der russischen Exekutive ohne die Beteiligung der Parteien erfolgt. Die Parteien spiegeln nicht, wie in der Demokatietheorie vorgesehen, die realen Interessen der Gesellschaft wider, sondern zwischen beiden besteht vielmehr ein tiefer Bruch. Die Entwicklung der politischen Strukturen erfolgt zudem eher unter Bezug auf einzelne politische Persönlichkeiten als auf der Basis von Parteiprogrammen. Während das russische System von der Exekutive geprägt wird, kommt der Zivilgesellschaft, und damit den Parteien, nur eine marginale Rolle zu. Der Einfluß der Parteien in den Regionen ist entsprechend schwach. (BIOst-Mrk)
Bereits zu Beginn der politischen und wirtschaftlichen Reformen in Rußland wurde das oberflächliche und widersprüchliche Verhältnis eines großen Teils der russischen Bevölkerung zu den Werten von Demokratie und Marktwirtschaft deutlich. Die Mehrheit der Bevölkerung verband die Demokratie nicht so sehr mit politischen Freiheiten, als vielmehr mit Vorstellungen von materiellem Wohlstand. Dieses instrumentelle Verhältnis zur Demokratie erschwert den Aufbau einer Zivilgesellschaft. Es besteht die Gefahr, daß die angesichts der bislang enttäuschenden Erfahrungen mit Demokratie und Marktwirtschaft in der russischen Bevölkerung entstandene politische Apathie andauert und der im demokratischen Sinne ungefestigte Zustand der russischen Gesellschaft dadurch perpetuiert wird. Eine größere Bereitschaft der russischen Bevölkerung zu autoritären Lösungen glaubt der Autor anhand der bisherigen Ergebnisse von Meinungsumfragen jedoch nicht erkennen zu können. (BIOst-Mrk)
Der Autor setzt sich kritisch mit dem Beitrag von Petr Svoik über die nationale Frage in Kasachstan ("Central'naja Azija", No. 3 (15), 1998) auseinander. Er hält Svoik einen eurozentrischen bzw. russozentrischen Blick auf die Geschichte der orientalischen Völker vor, der durch Vorurteile und unzureichende historische Kenntnisse geprägt ist. Die Ansicht, daß es sich bei den Kasachen um eine amorphe ethnische Gruppe mit lediglich tribalistischem Bewußtsein handle, hält er für ein nationales Stereotyp, das durch die geschichtsbildenden Kraft der Nomadenvölker widerlegt werde. Die Entstehung einer Zivilgesellschaft in Kasachstan wird nach Meinung des Autors nicht so sehr durch soziale Atavismen behindert, sondern vielmehr durch die fehlende Tradition eines politischen Pluralismus, die unzureichende Achtung fundamentaler Menschenrechte und das niedrige Niveau der politischen Kultur im Lande. In diesem Zusammenhang übt der Autor scharfe Kritik am undemokratischen Verhalten der politischen Elite Kasachstans. (BIOst-Mrk)
Der Verfasser beschreibt die präsidiale Herrschaft als verbreitetes Merkmal postsozialistischer Gesellschaften, das für sich betrachtet jedoch noch wenig über den wirklichen Demokratisierungsgrad aussagt. In praxi verbinden sich viele postsozialistische, präsidial verfaßte Staaten mit autoritären oder oligarchen Strukturen. Kuvaldin zitiert in diesem Zusammenhang die Thesen von Juan Jose Linz und Thomas A. Baylis. Hinsichtlich Rußlands kommt er zu folgendem Ergebnis: "Heutzutage verfügt Rußland über eine ganze Palette von Eigenschaften (präsidiales Regime, schwach ausgeprägtes Mehrparteiensystem, fehlende Achtung gegenüber den Bürgerrechten), die die Entwicklung zu einer Zivilgesellschaft sehr erschweren. Die Fachleute definieren sein politisches System als delegierte Demokratie, die, anders formuliert, zwar formal demokratischen Kriterien entspricht, in ihrer politischen Praxis jedoch eher an einen autoritären Staat erinnert. Als engste Verwandte solcher Herrschaftsform gelten der Cäsarismus, der Bonapartismus sowie der Caudilloismus. Keine sehr ehrenwerte Verwandtschaft." (FUB-Hfm)
Die Verfasserin, eine Expertin der Russischen Akademie der Wissenschaften für West- und Mitteleuropa, vergleicht die föderalistischen Strukturen und Traditionen Deutschlands sowie der Russischen Föderation. Im Unterschied zum historisch gewachsenen deutschen Föderalismus, der sich politisch wesentlich im Grundgesetz sowie dem Bundesrat, kulturell in einer stark ausgeprägten Regionalidentität ausdrücke, sei der russische Regionalismus erst zu Beginn der 1990er Jahre entstanden; die Autorin drückt sogar Zweifel daran aus, daß es das "Rußland der Regionen" bereits gebe, da die historischen Traditionen sowie die derzeitigen Voraussetzungen fehlten: "Auf die Schultern des Landes drücken das Zarenreich sowie die Jahre der sowjetischen Gleichmacherei. Wirtschaftlich dürfte das 'Rußland der Regionen' ebenfalls kaum effektiv sein, denn die Regionen ergänzen einander nicht, infolge ihrer allzu großen Differenzierung. Die Interessen sind derart unterschiedlich, daß sogar eine gemeinsame ökonomische Sprache fehlt. Ein Kulturregionalismus ist ohnehin nicht für die russische Tradition kennzeichnend, und Versuche seiner Implementierung könnten erfolgreich sein, aber ebenso gut auch fehlschlagen. Zu guter Letzt baut der heutige Regionalismus unmittelbar auf der Zivilgesellschaft auf, die aber derzeit in Rußland fehlt. Die demokratischen Einrichtungen beschränken sich auf die Föderationsebene (...)." Den gegenwärtigen Zustand könne man noch nicht als "Rußland der Regionen" bezeichnen, sondern mit mehr Berechtigung als das "Rußlands Moskaus und der regionalen Eliten". (FUB-Hfm)