In: Differenz und Integration: die Zukunft moderner Gesellschaften ; Verhandlungen des 28. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie im Oktober 1996 in Dresden ; Band 2: Sektionen, Arbeitsgruppen, Foren, Fedor-Stepun-Tagung, S. 475-477
"Wie 'multilateral' ist Amerika wirklich? Wie lässt sich die gegenwärtige Form des Multilateralismus in der amerikanischen Außenpolitik unter Barack H. Obama erklären? Diese beiden Fragen stehen im Mittelpunkt des vorliegenden Beitrages und sollen anhand von drei Schritten erörtert werden: Zunächst wird der Begriff 'Multilateralismus' definiert. In einem zweiten Schritt werden die innenpolitischen Determinanten des amerikanischen Multilateralismus dargelegt, um in einem dritten Schritt dann die außenpolitischen Handlungsperspektiven der Obama-Administration zu erörtern. Entsprechend dieser Gliederung wird die These vertreten, dass das fortdauernde ambivalente Verhältnis der USA zum Multilateralismus in erster Linie innenpolitisch erklärt werden kann." (Autorenreferat)
Der Begriff "Christliche Rechte" ("Christian Right") bezeichnet eine in den Vereinigten Staaten von Amerika Ende der 1970er Jahre entstandene religiöse, politische und soziale Bewegung, welche die Überzeugungen und Anliegen all jener Christinnen und Christen öffentlich vertritt und gesellschaftlich einklagt, die die theologischen und kulturellen Reformschübe der Moderne vorwiegend als Gefährdung und Verfallserscheinung interpretieren. Die Christliche Rechte stellt in den Vereinigten Staaten von Amerika nach wie vor einen ernst zu nehmenden religiösen und gesellschaftlichen Machtfaktor dar. Dennoch wäre es grob vereinfachend und falsch, Religion in den Vereinigten Staaten vorrangig oder gar ausschließlich in ihrer rechtskonservativen oder gar fundamentalistischen Variante wahrzunehmen. Es gibt in der US-amerikanischen Gesellschaft nämlich nicht nur eine fast unüberschaubare Fülle christlicher Denominationen, sondern auch fast alle großen und kleinen nichtchristlichen Religionen dieser Welt. Vor allem in den letzten drei Jahrzehnten haben sich die USA von einer fast ausschließlich christlichen zu einer religiös pluralistischen Gesellschaft gewandelt. (ICF2)
"Vier maßgebliche Überlegungen sprechen dafür, die Wiederherstellung und Pflege guter Beziehungen zu den USA als vordringlichste Priorität zu verstehen: Erstens sind die Vereinigten Staaten ein integraler Teil der westlichen Zivilisation; die politische, wirtschaftliche und kulturelle Einheit des Westens steht und fällt mit Amerika. Zweitens wird Amerika auf mittlere Sicht und selbst langfristig die stärkste Weltmacht sein. Drittens lehren alle bisherigen Erfahrungen, dass das wünschenswerte Zusammenwachsen Europas am besten gelingt, wenn es die Europäer gleichzeitig verstehen, Amerika an der Einigung des alten Kontinents zu interessieren. Und viertens sollte es sich ein großes Land dreimal überlegen, ein Bündnis leichthin verrotten zu lassen, das ein halbes Jahrhundert hindurch der Dreh- und Angelpunkt seiner Außenpolitik gewesen ist." (Autorenreferat)
Der Beitrag zur internationalen Politik bzw. Weltordnung, geprägt durch die Führungsrolle der USA, diskutiert die Rolle des neokonservativen Amerikas in der Weltpolitik. Dabei wird der Frage nachgegangen, ob es Faktoren gibt, die dafür sprechen, Amerika als 'Empire' zu charakterisieren. Dazu geht der Autor zunächst auf den Empire-Begriff als Konzept der internationalen Ordnungsbildung ein. Auf dieser Grundlage wird anschließend die These erörtert, dass die aktuelle Politik der USA durch einen moralischen Realismus geprägt ist, der aber in der jetzigen Form große Risiken sowohl für die USA selber als auch für das internationale System birgt. So ist mit Morgenthau anzunehmen, dass die USA (1) ihre relative Macht im internationalen System völlig falsch einschätzen und dadurch Fehler begehen, (2) zu stark auf die Politik militärischer Stärke setzen, (3) von einem verfehlten, auf einem falschen idealistischen Denken aufruhenden Missionsbewusstsein angetrieben werden und (4) Möglichkeiten zu Verhandlungen und kompromissorientierten Lösungen verweigern oder aussetzen. (ICG2)
"Europa kann nicht mit Amerika zur gemeinsamen Sicherheit verbündet sein, aber strategisch autonom handeln und in internationalen Krisen eine eigene Politik unkoordiniert mit der amerikanischen betreiben. Deutschland muss schon deshalb in der EU wie in der NATO für eine transatlantische Orientierung der europäischen Politik wirken. Deutschland wird wie Großbritannien, Italien oder die Türkei immer ein amerikanisches Gegengewicht auf der europäischen Waage brauchen. Die Erfahrung lehrt, dass die deutsche Außenpolitik reale Chancen und einen Fächer von Optionen hat, um deutsche Interessen, wenn diese konkret definiert werden, mit europäischen und amerikanischen zu vereinbaren und dabei auf eine sinnvolle gemeinsame Politik der Krisenbeherrschung und Konfliktbeendigung mit angemessenen Mitteln hinzuwirken. Eine nachhaltige, strategisch über längere Zeit angelegte Politik der atlantischen Partnerschaft mit einem Akteur Europa in der NATO wie bei den Vereinten Nationen würde Deutschland und Europa am besten dienen." (Autorenreferat)
In: Die neuen deutsch-amerikanischen Beziehungen: nationale Befindlichkeiten zwischen supranationalen Visionen und internationalen Realitäten, S. 29-39
"Werner Kremp erweitert vor dem Hintergrund der intensiven Landespartnerschaft zwischen dem Land Rheinland-Pfalz und dem US-Bundesstaat South Carolina den Blick auf die meist auf die Bundesebene reduzierten deutsch-amerikanischen Beziehungen um die Ebene der Länder, Kommunen und letztlich Individuen. Er gewährt damit Einsicht in die Rolle, die die USA in seinem eigenen - und, so seine implizite Annahme, in vielen anderen - deutsch-europäischen Herzen spielen. Der Autor plädiert dafür, die Mischung aus Bewunderung und Verwirrung, aus Unklarheit und Ärgernis, aus Staunen und Ablehnung, welche Amerika im Beobachter erregt, anzuerkennen, und nicht zu versuchen, diese stromlinienförmig zu kategorisieren." (Autorenreferat)
Das Amerikabild Adornos ist von Beginn an antiamerikanisch verzerrt wahrgenommen worden. Vor Hitler nach Amerika geflohen war ein brillanter Philosoph und Künstler mit linksradikalen Sympathien, ein hochbegabtes Multitalent, zurück kehrte 1949 ein vorsichtiger amerikanischer Staatsbürger, der sich eine Zukunft in Deutschland erst nach 1953 vorstellen konnte. In seinem Selbstverständnis war er von einem deutschen zu einem europäischen Philosophen geworden. Für Adorno war die wichtigste Exilerfahrung die "Erfahrung des Substanziellen demokratischer Formen", aber auch die Erfahrung des Anpassungsdrucks an die neue Gesellschaft, den er mit dem Diktum "das nicht Transferierbare zu transferieren" anspricht. (ICE2)
Die verbreitete Auffassung, erst auf der Amerikareise Max Webers sei es zur endgültigen Ausformulierung der Protestantismusthese gekommen, ist irrig. Tatsächlich festigt diese Reise aber Webers Vision von der universalen, unaufhaltsamen und schicksalhaften Rationalisierung aller Lebensbereiche. Weber erkennt, dass auch im "gläubigen" Amerika Säkularisierungsprozesse am Werk sind. Die gesellschaftlichen Auswirkungen des kapitalistischen "Geistes" sieht Weber in Amerika besonders deutlich, er diagnostiziert einen Prozess der Europäisierung und Bürokratisierung. Aus dem "stahlharten Gehäuse" des "siegreichen Kapitalismus" führt kein Tor zur politischen Freiheit des bürgerlichen Individuums. Weber konstatiert jedoch die ungeheure Kraft des Egalitarismus in der republikanischen Gesellschaft Amerikas. Auch sein Verständnis für die Bedeutung der "Rassenfrage" steigt. Insgesamt lässt sich sagen, dass Weber ein auch heute noch gültiges Bild von Amerika zeichnet. (ICE)
Der Beitrag thematisiert die Frage, ob sich die moralischen Bezugspunkte sozialer Ungleichheit in den USA und Deutschland unterscheiden. Was wird in beiden Gesellschaften als gerecht akzeptiert und wie wird Ungleichheit legitimiert? Einführend werden zunächst normative und rationale Gerechtigkeitsideologien des Egalitarismus und Individualismus in ihren Grundzügen beschrieben. Im Anschluss werden die Ursachen bzw. die Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung der beiden Gerechtigkeitsideologien dargestellt, und zwar der religiöse Hintergrund von Kulturwerten in Form des Calvinismus und Pietismus. In diesem Zusammenhang wird aufgezeigt, wer von der jeweiligen primären Ideologie in den USA (Individualismus) und in Deutschland (Egalitarismus) profitiert und wer die Verlierer sind. Ergänzt werden die Ausführungen durch empirisches Datenmaterial einer Erhebung des International Social Survey von 1987, einer Befragung von insgesamt 3000 Amerikanern und Deutschen zur Bewertung sozialer Ungleichheit. Die Differenz in den Gerechtigkeitsideologien zwischen Amerika und Deutschland bringt nicht nur zum Ausdruck, dass typische nationale Einstellungsunterschiede vorliegen, sie berührt das System der sozialen Ungleichheit beider Gesellschaften in fundamentaler Weise. Amerika ist anders, weil der moralische Konsens die ungleiche Verteilung von Gütern toleriert und dem Individuum die Verantwortung für sein Wohlergehen und seine soziale Stellung selbst aufgibt. Weil Individualismus aber die primäre Gerechtigkeitsideologie der USA ist, besteht die Möglichkeit zu challenge beliefs: wer unterprivilegiert ist, darf nach dem egalisierenden Staat verlangen. In der deutschen Tradition ist dieser Rahmen etatistisch, egalitär und karitativ. In asymmetrischer Relation zu den USA sind es hier die besser Gestellten, die Dienstklassenangehörigen, die abweichend votieren, indem sie sich gegen staatliche Regulierung und Umverteilung aussprechen, obwohl gerade dies zum normativen Gehalt der primären Ideologie in Deutschland gehört. (ICG2)
Der Beitrag beschreibt die historische Entstehung und Entwicklung des religiösen Pluralismus in Amerika bzw. den USA. In einem ersten Schritt werden zunächst die Wurzeln des Pluralismus in Neuengland seit Mitte des 17. Jahrhunderts nachgezeichnet. Im Anschluss folgt die Darstellung des aufkommenden hegemonialen Protestantismus mit pluralistischen Unterströmungen im Zuge der irischen Einwanderungswelle im 18. Jahrhundert. Der dritte Schritt beleuchtet die Herauskristallisierung eines dreigeteilten Pluralismus von protestantischen, römisch-katholischen und jüdischen Bekenntnissen am Ende des 19. bzw. Anfang des 20. Jahrhunderts. Der vierte Schritt beleuchtet schließlich den expansiven Charakter des Pluralismus, der in den frühen 1920er Jahren einsetzt und auf die Einwanderer aus Lateinamerika, Asien und dem Nahen Osten mit ihren eigenen Religionen und Religionsstilen zurückzuführen ist. Die Ausführungen machen deutlich, dass Pluralismus im religiösen Leben Amerikas kein Novum darstellt. Doch die Denotationen von Pluralismus und die Art und Weise, in der Individuen wie auch Gemeinschaften auf dessen Vorhandensein reagiert haben, hat sich seit der Ankunft der ersten Europäer in jenen Landstrichen Nordamerikas, aus denen schließlich die Vereinigten Staaten von Amerika werden sollten, fortwährend gewandelt. (ICG2)
Der Einführungstext zu dem Sammelband 'Endstation Amerika. Sozialwissenschaftliche Innen- und Außenansichten' (2005) beschreibt zunächst den Untersuchungsgegenstand der Publikation, die Eigenschaften des amerikanischen Modells, die sich nicht selten zu einem Gegensatz von Vorbild und Feindbild verdichten. Dazu gehören die Aspekte (1) gesellschaftliche Dynamik und soziale Kälte, (2) Toleranz und Fundamentalismus sowie (3) Friedensmissionen und Kriegstreiberei. Im Anschluss werden die einzelnen Beiträge vorgestellt, die im Kontext eines Vergleichs zwischen den USA, Deutschland bzw. Europa folgende Themen erörtern: (1) die transatlantischen Beziehungen, (2) die Demokratisierung Westdeutschlands durch amerikanische Militärherrschaft, (3) Leben und Arbeiten, (4) Arbeitsmarkt, (5) soziale Gerechtigkeit, (6) Politik, (7) Wirtschaft, (8) Religiosität, (9) Hochschule und (10) Kultur. Abschließend wird die Frage aufgeworfen, inwieweit Amerika überhaupt mit anderen Ländern wie Deutschland vergleichbar ist, da es hier die Ambivalenz amerikanischer Eigenarten zu berücksichtigen gilt. (ICG2)
Der Einführungstext zu dem Sammelband 'Endstation Amerika. Sozialwissenschaftliche Innen- und Außenansichten' (2005) beschreibt zunächst den Untersuchungsgegenstand der Publikation, die Eigenschaften des amerikanischen Modells, die sich nicht selten zu einem Gegensatz von Vorbild und Feindbild verdichten. Dazu gehören die Aspekte (1) gesellschaftliche Dynamik und soziale Kälte, (2) Toleranz und Fundamentalismus sowie (3) Friedensmissionen und Kriegstreiberei. Im Anschluss werden die einzelnen Beiträge vorgestellt, die im Kontext eines Vergleichs zwischen den USA, Deutschland bzw. Europa folgende Themen erörtern: (1) die transatlantischen Beziehungen, (2) die Demokratisierung Westdeutschlands durch amerikanische Militärherrschaft, (3) Leben und Arbeiten, (4) Arbeitsmarkt, (5) soziale Gerechtigkeit, (6) Politik, (7) Wirtschaft, (8) Religiosität, (9) Hochschule und (10) Kultur. Abschließend wird die Frage aufgeworfen, inwieweit Amerika überhaupt mit anderen Ländern wie Deutschland vergleichbar ist, da es hier die Ambivalenz amerikanischer Eigenarten zu berücksichtigen gilt. (ICG2).
Der Autor weist in seinem Vortrag darauf hin, dass der französische Antiamerikanismus nicht erst im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts entstanden ist, sondern eine längere, unter den aufeinanderfolgenden Schichten des kollektiven Gedächtnisses vergrabene Vorgeschichte hat. Diese fällt in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts und geht der Entstehung der englischen Kolonien als unabhängiger Nation lange voraus. Viele der negativen Bilder, die später mit den Vereinigten Staaten von Amerika verbunden werden, erscheinen zu dieser Zeit zum ersten Mal, wie der Autor anhand zahlreicher Beispiele aus Literatur und Politik zeigt. Der Antiamerikanismus, der um 1750 begann und seinen Höhepunkt in den 70er Jahren des 18. Jahrhunderts erreichte, weist dem Autor zufolge vor allem vier Merkmale auf: (1) Er entstand entgegen den Erwartungen, die das 18. Jahrhundert und die Aufklärung mit der "Neuen Welt" und neuen Ideen verbinden, auf dem Gebiet der Philosophie. (2) Der Antiamerikanismus verstand sich zunächst als eine strenge naturwissenschaftliche Richtung und nahm erst später politische und moralische Wesenszüge an. (3) Die spekulative und verallgemeinernde Diffamierung des Antiamerikanismus vollzog sich auf Kosten der Vielfalt der Bilder. (4) Die Aufklärer des 18. Jahrhunderts verstanden den Antiamerikanismus in erster Linie als Antikolonialismus. (ICI2)
Der Beitrag enthält einige kursorische Anmerkungen zum polnisch-amerikanischen Verhältnis in der Gegenwart und in der politischen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. Amerika ist in den Augen vieler Polen nicht nur ein "gelobtes Land", in dem man Geld verdienen und den Duft der "weiten Welt" atmen kann, sondern es ist auch ein Land, in dem fast jede polnische Familie einen Verwandten oder Bekannten hat, der Polen aus politischen, wirtschaftlichen oder beruflichen Gründen verlassen hat. Während Europa die Polen zumindest seit dem 18. Jahrhundert immer wieder enttäuschte, war ferner der Aufstieg der Vereinigten Staaten von Amerika in der Weltpolitik im 20. Jahrhundert eng mit Polens Wiedererlangung der eigenen Staatlichkeit verbunden. Trotz der geographischen Entfernung und der großen wirtschaftlichen und militärischen Unterschiede sowie der bis vor kurzem ausgeprägten Geringschätzung der Polen in den USA, die sich z.B. in den "polish jokes" ausdrückte, lassen sich einige strukturelle Analogien zwischen der amerikanischen und der polnischen politischen Tradition sowie zwischen den beiden Wirtschaftsmentalitäten erkennen, die vom Autor kurz skizziert werden. (ICI2)