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Der neue Max-Planck-Präsident Patrick Cramer über Nachholbedarf bei der Postdoc-Förderung, Deutschlands Standortschwächen, die Verantwortung gegenüber der Gesellschaft – und notwendige Veränderungen aus eigener Kraft.
Patrick Cramer ist Biochemiker und Molekularbiologe und seit 22. Juni 2023 Präsident der Max-Planck-Gesellschaft. Fotos: Christoph Mukherjeee/MPG.
Herr Cramer, können Sie in wenigen Sätzen beschreiben, was für Sie die Mission der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) ausmacht?
Die MPG betreibt Grundlagenforschung auf international höchstem Niveau und steht dazu mit der ganzen Welt in Kontakt. Sie rekrutiert von überall her die besten Talente, vor allem gibt sie den Forschenden die größtmögliche Freiheit und finanzielle Sicherheit, damit sie auch riskante Forschungsprojekte über einen langen Zeitraum durchführen und so bahnbrechende Ergebnisse erzielen können.
Ich behaupte, das hätte schon Adolf Harnack so ähnlich formuliert, und der war der erste Präsident des MPG-Vorläufers Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft vor mehr als 100 Jahren.
Ja, das ist ein altes Credo, dass herausragende Forscherpersönlichkeiten der Dreh- und Angelpunkt unseres Erfolgs sind, dass wir Personen fördern und deren Ideen – und nicht Forschungsprogramme. Aber natürlich ist im Laufe der Jahrzehnte vieles dazugekommen, und noch mehr haben wir jetzt vor. Lassen sie mich mit einer Sache anfangen, die mir persönlich wichtig ist: Wir wollen uns als Forschungsgesellschaft weiter öffnen. Dazu gehört, unsere Karrierewege zu reformieren, wir wollen unsere jungen Forscher noch besser fördern, ihnen neue Optionen und Perspektiven ermöglichen.
Das hört sich natürlich erstmal gut an mitten in der Debatte um die Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetz. Aber was heißt das konkret?
Wir werden ein interdisziplinäres Postdoc-Programm etablieren, um die Phase zwischen der Promotion und dem Eintritt in die unabhängige Forschung zu füllen. Wir wollen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessern. Wir wollen unsere Forschungsnetzwerke und Standorte weiterentwickeln, wir wollen die Digitalisierung vorantreiben und als Forschungsgesellschaft unsere Verantwortung für eine demokratische Gesellschaft wahrnehmen. Dazu gehört, über unser bisheriges Verständnis von Wissenschaftskommunikation hinauszugehen. Wir haben sehr viele Expertinnen und Experten in unseren Reihen, die wir ermutigen wollen, zu aktuellen und gesellschaftspolitisch relevanten Themen ihre Stimme zu erheben. Und wir wollen zeigen, dass bei uns alle willkommen sind: alle Nationalitäten, alle Geschlechter – alle, die zu unseren Zielen beitragen wollen und unsere Werte teilen.
Patrick Cramer, Jahrgang 1969, studierte in Stuttgart und Heidelberg, er war Doktorand am Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL) in Grenoble und Postdoc an der Stanford University. 2001 erhielt er eine Tenure-Track-Professur für Biochemie an der LMU München. Zwischen 2004 und 2013 leitete er als das LMU-Genzentrum, bevor er 2014 als Direktor der Abteilung "Molekularbiologie" am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen startete. Von 2022 an fungierte er als geschäftsführender Direktor des neu gegründeten MPI für Multidisziplinäre Naturwissenschaften. Im Juni 2022 wurde er zum Präsidenten der MPG und Nachfolger von Martin Stratmann gewählt.
Wenn Sie junge Forscher möglichst früh in die unabhängige Forschung begleiten wollen, wenn sie sich explizit neue Optionen und Perspektiven für Postdocs auf die Fahnen schreiben – verabschieden sie sich damit nicht endgültig von genau jenem Grundprinzip der Max-Planck-Gesellschaft, das Sie am Anfang beschrieben haben und das den Namen Harnacks trägt? Die Institute wurden traditionell um die von Ihnen erwähnten herausragenden Forschungspersönlichkeiten gebaut, damit die sich als Direktoren voll ausleben konnten – die maximale Freiheit, aber die maximale Freiheit nur für die Chefs.
Das kommt darauf an, wie Sie das Harnack-Prinzip definieren. Von der Ausgangslage vor dem Zweiten Weltkrieg, als ein Institut der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft von einem Direktor – und ich benutze bewusst nur die männliche Form – geleitet wurde, haben wir uns inzwischen weit entfernt. Seit Jahrzehnten gibt es Direktorien oder Kollegien an der Spitze der Institute, und fast ebenso lange gibt es Nachwuchsgruppenleitungen, die ebenfalls unabhängig agieren können.
Wenn Sie die Postdocs in Max-Planck-Instituten fragen, werden viele davon auch heute noch sagen, dass sie abhängen vom Willen und Goodwill der Direktoren.
Ich glaube, diese Einschätzung stimmt in der Regel so nicht, und man muss unterscheiden. Wenn jemand eine Promotion anstrebt, geht es gar nicht anders, dann braucht es einen Mentor oder eine Mentorin, mit der er oder sie das Promotionsprojekt erarbeitet. Da braucht es Betreuung, das ist ein Beginn in Abhängigkeit, aber dann schwimmen sich die jungen Leute zunehmend frei. Genau das habe ich auf meiner Tour gesehen und gehört. Ich habe in den vergangenen Wochen alle 84 Max-Planck-Institute bereist, ich habe mit sehr vielen Doktoranden und Postdocs in separaten Runden gesprochen, und überall haben die jungen Leute eigentlich dasselbe gesagt: dass sie unter dem Strich überwiegend sehr zufrieden sind mit ihrer Arbeitssituation, mit den Entfaltungsmöglichkeiten, die sie haben. Natürlich gibt es arbeitsrechtlich betrachtet immer jemanden, der ihnen gegenüber weisungsbefugt ist. Doch ist die Kultur an den allermeisten Instituten inzwischen so, dass die jungen Leute sich in einer recht großen Freiheit entfalten können und trotzdem natürlich zu gemeinschaftlichen Forschungszwecken beitragen.
"Meine wichtigste Botschaft lautet: Ich nehme diese Ergebnisse ernst."
Dass die die große Mehrheit, 83 Prozent, der Postdocs angeben, zumindest einigermaßen glücklich zu sein, gehörte auch zu den Ergebnissen einer neuen Umfrage von PostdocNet, der Interessenvertretung der Postdoktorandinnen und -doktoranden der MPG. Gleichzeitig berichtete aber auch mehr als die Hälfte der befragten Postdocs, leichte depressive Symptome zu haben, kaum weniger klagten über leichte Angstzustände, und mehr als ein Fünftel zeigten laut Umfrage Anzeichen einer mittelschweren bis schweren klinischen Depression. Wie passt das zusammen?
Als die Studie herauskam, war ich zwar noch nicht MPG-Präsident, aber ich habe trotzdem gleich die Vertreter unseres PostdocNet angeschrieben und sie bei meinen Institutsbesuchen getroffen. Wir haben vereinbart, dass wir uns, sobald ich im Amt bin und die Sommerpause vorbei ist, zusammensetzen und noch einmal in Ruhe über die Ergebnisse sprechen – und über das, was wir tun können, um die Situation weiter zu verbessern. Meine wichtigste Botschaft lautet: Ich nehme diese Ergebnisse ernst, wobei ich nicht weiß, wie groß das Problem tatsächlich ist, da nur jeder vierte Postdoc in der MPG an der Umfrage teilgenommen hat.
Was bedeutet das?
Ich will mit dem Positiven anfangen. 76 Prozent der Befragten können sich vorstellen oder haben fest vor, in der Wissenschaft zu bleiben. Das ist ein erstaunlich hoher Wert, den Sie anderswo sicher nicht so finden würden. Das heißt: Wer als Postdoc zu uns in die MPG kommt, will Wissenschaft, und das auf Dauer. Das ist doch großartig, und das verpflichtet uns, mit diesen hochmotivierten Talenten sorgsam umzugehen. Wir müssen ihnen Karrierewege innerhalb und außerhalb der MPG aufzeigen, und zwar weit über die Option einer Professur hinaus.
Wenn ich Sie richtig verstehe, entstehen die Depressionen und die Ängste dann dadurch, dass die hochfliegenden Pläne vieler Postdocs irgendwann auf die real existierende MPG-Wirklichkeit treffen?
Nein, das sage ich nicht. Bevor ich MPG-Präsident wurde, habe ich ein sehr großes Institut in Göttingen geleitet mit rund 1000 Mitarbeitenden, und bei einer solchen Zahl gibt es immer einzelne Menschen, die medizinische Hilfe brauchen – nach persönlichen Schicksalsschlägen, nach Todesfällen in der Familie zum Beispiel. Und dann kam in den vergangenen Jahren die Corona-Pandemie hinzu. Ich muss gerade an eine Doktorandin denken, die aus ihrem Heimatland in den Tropen zu uns wechselte, mitten in den kalten, grauen Göttinger Winter hinein, und dann begann der Lockdown. Sie musste wie alle in ihrem Zimmer sitzen ohne Austausch mit anderen Menschen. Die PostdocNet-Umfrage reflektiert also möglicherweise ein Stückweit auch diese Vereinsamung, die gerade junge Menschen in dieser Zeit erlebt haben – kombiniert mit einer Zukunftsangst, die ich ganz grundsätzlich in der Generation beobachte angesichts von Klimakrise und einer veränderten internationalen Sicherheitslage. Insofern ist die seelische Lage vieler Doktoranden ein Spiegelbild dessen, was wir auch anderswo in der Gesellschaft sehen.
"Mein Ziel ist, dass von den Direktorinnen und Direktoren bis hin zu den Gruppenleitern alle, die Personalverantwortung tragen, sensibilisiert und achtsam sind."
Das klingt jetzt aber schon so, als würden Sie die Verantwortung der MPG für die Gesundheit ihrer Mitarbeiter herunterspielen.
Keineswegs! Aber diese Probleme sind ja auch in anderen Umfragen in den vergangenen Jahren zutage getreten. Haben wir schon gehandelt? Die Antwort ist: ja. In unserem Intranet, zu der alle Menschen mit einer MPG-Mailadresse Zugang haben, gibt es eine komplette und meines Erachtens sehr gut gemachte Seite zur körperlichen und seelischen Gesundheit. Ein sehr niedrigschwelliges Angebot bis hin zu einer Notfallnummer, die rund um die Uhr erreichbar ist, wenn man sich mal richtig schlecht fühlt. Dieses Element der Fürsorgepflicht gegenüber unseren Mitarbeitenden will ich weiter stärken. Mein Ziel ist, dass von den Direktorinnen und Direktoren bis hin zu den Gruppenleitern alle, die Personalverantwortung tragen, sensibilisiert und achtsam sind, dass sie Mitarbeiter, die Auffälligkeiten und Anzeichen einer Erkrankung zeigen, ansprechen und auf Hilfsangebote hinweisen.
Nur dass mitunter die Vorgesetzten genau das Problem und die Ursache von seelischen Problemen sein können. In den vergangenen Jahren sind mehrfach Fälle von mutmaßlichem Machtmissbrauch und Mobbing in der MPG an die Oberfläche gekommen.
Erstens: Wir müssen unsere jungen Leute gut behandeln. Zweitens: Dass das ganz überwiegend geschieht, habe ich auf meiner Reise gesehen. Wenn wir die MPG als Ganzes nehmen, haben wir über 24.000 Mitarbeitende und darunter mehr als 1000 Führungskräfte. Dass es einzelne Vorgesetzte gibt, die sich nicht korrekt verhalten, die ihre Macht missbrauchen, das wird sich leider nie ganz verhindern lassen. Aber ich halte es für unzulässig, aus wenigen Einzelfällen Rückschlüsse auf die Allgemeinheit zu ziehen.
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Sie sollten aber Rückschlüsse ziehen, indem Sie die Strukturen in der MPG anpassen.
Unsere Strukturen müssen wir immer anpassen, einfach weil sich auch die Welt um uns herum verändert. Als Forschungsgesellschaft haben wir hier eine Führungsrolle. Vergangene Woche erst habe ich ein dreistündiges Seminar geleitet für elf neu berufene Direktorinnen und Direktoren, die Mehrheit übrigens Frauen und aus dem Ausland. Letzteres ist wichtig in dem Zusammenhang: Unsere Mitarbeitenden kommen aus unterschiedlichen Kulturen und unterschiedlichen Teilen der Welt, auch deshalb müssen wir unsere Führungskräfte schulen. Mit zu den ersten Briefen, die ich als Max-Planck-Präsident unterschrieben habe, gehörte die Begrüßung neu eingestellter Forschungsgruppenleiter inklusive der dringlichen Einladung, an den entsprechenden Schulungen teilzunehmen. Zu diesen präventiven Maßnahmen gehören auch verpflichtende Umfragen an allen Instituten, die von unabhängigen Stellen durchgeführt werden und von allen Mitarbeitenden anonym beantwortet werden können. Es geht um die Bewertung von Arbeitsklima, Arbeitsumfeld, Arbeitsbedingungen und Vorgesetzten. Es gibt darüber hinaus auch die Möglichkeit, offen auf bestimmte Missstände und Sorgen hinzuweisen. Anlaufstellen dafür sind die Ombudspersonen, die wissenschaftlichen Fachbeiräte, die im Rahmen der Fachbeiratsbesuche in Abwesenheit der Führungskräfte mit Doktorandinnen und Doktoranden sowie den Postdocs sprechen. Wir haben zudem eine Anwaltskanzlei, die ebenfalls unabhängig von der MPG Beschwerden entgegennimmt und diese dann auf Wunsch auch erst einmal nur anonym an uns weitergibt. Und wenn dann konkrete Vorwürfe von Fehlverhalten auftreten, haben wir drittens transparente Regeln für standardisierte Verfahren entwickelt – inklusive externem Rat und ohne Einwirkung des Präsidenten, der bei allen Untersuchungen und ihrer Bewertung bewusst außen vor bleibt.
"Die Phase nach der Promotion ist die Zeit im Leben, in der man für ein paar Jahre frei forschen kann – wenn man einen guten Chef hat. Und damit es in der Hinsicht weniger auf Glück ankommt, wollen wir eine Struktur schaffen."
Vorhin haben Sie angekündigt, die Karrierewege für Postdocs zu reformieren, ihnen neue Optionen und Perspektiven ermöglichen zu wollen – vor allem in Form eines neuen interdisziplinären Postdoc-Programms. Das klingt nach einem großen Rad: Es gibt 2.400 Postdocs in der MPG.
Wir haben erkannt, dass wir an der Stelle Nachholbedarf haben. Wir haben sehr gute Promotionsprogramme mit einer guten Betreuung und klaren Regeln. Doch nach der Promotion folgt eine Phase, in der vieles unklar ist. Dabei sind genau das die Jahre, in denen sich entscheidet, ob ein junger Mensch in der Wissenschaft bleibt oder etwas Anderes macht. Hier wollen wir ansetzen mit unserem neuen Programm, wir wollen Orientierung und einen klaren Rahmen bieten, ohne dass es zu einer Verschulung kommt. Das wäre auch widersinnig, denn die Phase nach der Promotion ist die Zeit im Leben, in der man mal für ein paar Jahre frei forschen kann. Zumindest kann sie das sein – wenn man einen guten Chef hat. Und damit es in der Hinsicht weniger als bislang auf Glück ankommt, wollen wir eine Struktur schaffen. Erstens: Jeder Postdoc soll neben seinem direkten Vorgesetzten einen zweiten Mentor, eine zweite Mentorin aus einem anderen Max-Planck-Institut erhalten. Das fördert die Interdisziplinarität, ermöglicht aber auch den so wichtigen Blick von draußen: Wie entwickeln sich die Postdocs? Erhalten sie die Unterstützung, die sie brauchen? Zweitens: Wir führen eine Mindestvertragslaufzeit ein. Mir wären drei Jahre am liebsten, und dann nochmal drei, aber es kann sein, Stichwort Wissenschaftszeitvertragsgesetz, dass wir bei zwei plus zwei Jahre landen.
Sie wollen also wie bisher sechs Jahre Postdoc-Befristung und dann erst den möglichen Einstieg in einen Tenure Track, der wiederum nur die Aussicht auf eine Dauerstelle enthält? Die Unterstützer von "#IchBinHanna" sehen in einem solchen Konzept eine Verschlimmbesserung der gegenwärtigen Lage.
Da verstehen Sie mich falsch. Das eine hat nichts mit dem Anderen zu tun. Das neue Postdoc-Programm für die sogenannte R2-Phase und unsere Tenure-Track-Auswahlverfahren für R3 sollen parallel laufen. Das heißt: Sie können sich jederzeit, wenn Sie soweit sind, aus dem Postdoc-Programm heraus dafür bewerben. Natürlich in transparenter Konkurrenz mit ausgezeichneten jungen Forschenden auch von außerhalb der MPG. Je nach Fächerkultur kann es sein, dass Sie dann nur für sechs oder neun Monate R2-Postdoc sind, in den Computerwissenschaften etwa, wo die guten Leute oft kurz nach der Promotion in Tenure-Track-Programme gehen. Während es in den Rechtswissenschaften oder in vielen geisteswissenschaftlichen Fächern, in denen die Leute erst Monografien schreiben müssen, um sich zu bewerben, mehrere Jahre dauern kann.
Und wozu dann die Unterteilung in zwei befristete Verträge?
Weil es in der Mitte des Programms eine Karriereberatung geben muss, um eine Entscheidung zu fällen, wie es weitergeht. Wir planen auch einen Workshop, zentral im Harnack-Haus in Berlin. Das Ziel ist, dass sie sich nach zwei oder drei Jahren Postdoc mit der Frage auseinandersetzen, wo genau sie ihre Zukunft sehen, auch außerhalb der akademischen Welt. Haben sie schon mal darüber nachgedacht, eine Firma zu gründen? Wie genau funktioniert das eigentlich? Oder wäre es eine Option, an eine internationale Einrichtung zu gehen? Welche kämen da überhaupt in Frage? Oder doch der Wechsel in die Wirtschaft?
Viele werden das Gefühl haben, Sie wollten sie loswerden.
Darum geht es nicht. Wir wollen aber, dass unsere Postdocs die vielen Optionen sehen und verstehen, die sie haben – innerhalb und außerhalb der MPG, innerhalb und außerhalb der Wissenschaft. Wir wollen sie mit Max-Planck-Alumni zusammenbringen, die von ihren Karrierewegen berichten und Rat geben können. So dass dann die zweite Vertragslaufzeit zu einem Sprungbrett wird: Für einige, die wissenschaftlich Talentiertesten, um sich auf ihren Einstieg in die Spitzenforschung vorzubereiten, über besagte R3-Stellen. Aber natürlich werden, wenn wir ehrlich sind, diejenigen, die in der akademischen Welt bleiben, immer in der Minderheit sein, und noch weniger werden ihre wissenschaftliche Laufbahn in der MPG durchleben. Und das ist gut und richtig, denn die Übrigen werden anderswo in der Gesellschaft und Wirtschaft gebraucht und erfolgreich sein.
"Wir wollen keinen Missbrauch, keine Kettenverträge, bis jemand 50 Jahre alt ist. Solche Fälle gab und gibt es, und die halte ich für unverantwortlich."
Ist das, was Sie da durch zusätzliches Mentoring und Workshop-Coachings erreichen wollen, nicht eigentlich ureigenste Aufgabe eines guten und engagierten akademischen Vorgesetzten? Gerade auch das Führen ehrlicher Gespräche über die langfristige wissenschaftliche Eignung von Postdocs?
Ich habe solche Gespräche immer mit all meinen Postdocs geführt, und dabei ist das Wichtigste, dass man sich als Vorgesetzter möglichst freimacht von seinen eigenen Interessen, die Leute einfach möglichst lang in den eigenen Projekten weiterforschen zu lassen. Erst recht, wenn man vielleicht längst weiß, dass es für den einen oder die andere höchste Zeit wäre, sich nach einer alternativen Karriereoption umzuschauen – bevor sie so alt sind, dass es immer schwieriger wird, außerhalb der Wissenschaft unterzukommen. Das ist unsere Verantwortung als Direktorinnen und Direktoren, als Gruppenleiterinnen und Gruppenleiter. Als MPG wollen wir künftig nur ein bisschen mehr nachhelfen, indem wir langjährige Verträge und die Zweiteilung in der Mitte zum Standard machen, damit es nicht mehr zu diesem Automatismus immer neuer Vertragsverlängerungen kommt. Wir wollen keinen Missbrauch, keine Kettenverträge, bis jemand 50 Jahre alt ist. Solche Fälle gab und gibt es, und die halte ich für unverantwortlich. Ganz unabhängig von dem, was in einem Wissenschaftszeitvertragsgesetz steht.
Ganz am Anfang unseres Gesprächs haben sie gesagt, die MPG betreibe Grundlagenforschung auf international höchstem Niveau und rekrutiere von überall her die besten Talente. Die aus Frankreich stammende Nobelpreisträgerin Emmanuelle Charpentier, seit 2015 bei Max Planck, sagte neulich der FAZ, dass sie zwar nirgends so lange gewesen sei wie in Deutschland – dass sie aber in der CRISPR-Forschung "nicht mehr wettbewerbsfähig" sei. Vor allem nicht gegenüber den USA und ganz besonders nicht, wenn es um die Rekrutierung des Personals gehe. Der dortige Enthusiasmus sei ansteckend. "Hier funktioniert das anders", fügte Charpentier hinzu, "und am Ende ist es zu spät, wenn das Schiff längst losgesegelt ist." Hört sich das für Sie auch so an, als würde sich Frau Charpentier per Zeitungsinterview von Max Planck wegbewerben?
Nein, ich kenne Emmanuelle Charpentier gut, und ich sehe nicht, dass sie ihre Kritik auf die MPG bezogen hat. Sie leidet unter der derzeitigen Situation wie wir alle in der deutschen Wissenschaft. Es ist sehr schwer, Fach- und Führungskräfte zu gewinnen, und in der Mitte Berlins, wo sie arbeitet, ist es nochmal schwieriger. Und wenn es darum geht eine neue Technik auch in die Anwendung zu bringen, mobilisieren die US-Amerikaner viel schneller viel mehr Geld. Wo sie sicher auch Recht hat: In den USA und in China entstehen gerade Monopolstrukturen in der Künstlichen Intelligenz. Wir haben zwar immer noch einige der absolut führenden KI-Forscher bei uns, werden in Europa aber durch die geltenden Regelungen beschränkt. Immerhin tut sich anderswo, in der Grünen Gentechnik, auf EU-Ebene nach 20 Jahren politischen Diskussionen etwas, wir könnten nach einer Liberalisierung der Vorgaben wieder Anschluss finden an den internationalen Wettbewerb.
Das ging mir zu schnell. Wenn Forschende wie Emmanuelle Charpentier die mangelnde Dynamik in Deutschland beklagen, beziehen sie sich nicht auch auf die wissenschaftlichen Institutionen? Hand aufs Herz: Ist die MPG in all ihrer Tradition und ihrem Stolz auf das Erreichte noch hungrig genug?
Und ob wir hungrig sind. Ich erlebe diese Neugier überall, wo ich hinkomme. Sie ist unsere Triebfeder. Ich habe bei meinen Institutsbesuchen gesehen, wie Liebgewonnenes aufgegeben wird, wie unsere Wissenschaftler bereit sind, den nächsten großen Schritt zu gehen, ihre Forschungsrichtung zu ändern. Als Präsident habe ich mir vorgenommen, durch die Berufungen, die ich vornehme, noch stärker als bislang neue Forschungsfelder zu erschließen. Und dabei will ich wegkommen von der Frage, die immer zuerst kommt.
Die da lautet?
"Wie wollt ihr das denn finanzieren?" Meine Antwort: Wir dürfen nicht beim Geld anfangen, sondern bei den Ideen. Wir müssen fragen, was jetzt in diesem Moment am dringendsten erforscht werden muss. Dann lande ich zum Beispiel bei der großen Frage nach der Interaktion von Menschen und Maschinen. Wie entstehen emergente Eigenschaften in Maschinen, die wir als Menschen nicht programmiert, nicht beabsichtigt haben? Wie lernen und verhalten sich Maschinen, wie verändern sie sich auch im Umgang mit uns Menschen, mit der Gesellschaft? Es gab noch nie eine Technologie, die so eng an den Kern des Menschseins herankam, und das ist nur ein Beispiel für ein riesiges Forschungsfeld an der Grenze zwischen Technik-, Geistes- und Sozialwissenschaft. Wenn wir diese tollen Ideen haben, müssen wir da entschieden reingehen, unabhängig von den finanziellen Wechselwirkungen.
"Wir werden als MPG unsere Bedürfnisse moderat, aber mit der nötigen Transparenz formulieren – und zugleich unsere Verantwortung für die Gesellschaft wahrnehmen."
Die aber ja nun einmal da sind. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) muss nächsten Jahr sparen. Zwar erhalten die MPG und die anderen außeruniversitären Forschungsgesellschaften ihren üblichen Budgetaufwuchs von drei Prozent, aber die politischen Widerstände gegen den zugrundeliegenden Pakt für Forschung und Innovation (PFI) nehmen offenbar zu. Sorgt Sie das?
Wir sind dankbar, dass wir Teil des Paktes sind. Und wir gehen davon aus, dass die Politik ihr Versprechen, ihn bis Ende des Jahrzehnts fortzusetzen, einhält. An der Stelle will ich, ohne Forderungen zu stellen, lediglich darauf hinweisen, dass die drei Prozent mittelfristig keinesfalls reichen werden, um den Status Quo zu halten angesichts von Inflation und der Explosion der Energiekosten. Ich hoffe, dass sich das in den kommenden Jahren, wenn die Preissteigerungen wieder niedriger werden, etwas ausgleicht. Unabhängig davon haben wir aber selbst Spielräume, die ich nutzen will: Ein Drittel unserer Direktorinnen und Direktoren wird bis 2030 ausscheiden, das gibt uns die Möglichkeit zu den Berufungen, von denen ich eben sprach. Wir können und werden also aus der Substanz heraus handeln. Aber natürlich gibt es Bereiche, wo wir ohne zusätzliches Geld nicht gestalten können. Wenn wir bei KI wirklich vorn dabeibleiben wollen, braucht es irgendwann ein deutsches oder europäisches Rechenzentrum, das eine Größenordnung größer ist als alles, was wir jetzt haben. Und wenn wir das mit der Nachhaltigkeit ernst nehmen und bis spätestens 2035 als Forschungsgesellschaft klimaneutral sein wollen, wird das nur über ein Sonderprogramm für die energetische Sanierung gehen. Das ist bei den Universitäten und den anderen Forschungsorganisationen nicht anders. Zugleich sollten wir als Wissenschaft aber moderat auftreten mit unseren Forderungen in der aktuellen Lage.
Warum?
Weil wir doch sehen, wie enorm belastet der Staatshaushalt ist nach der Corona-Pandemie und angesichts des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine. Und weil es nicht nur die Wissenschaft, sondern auch andere Bereiche unserer Gesellschaft gibt, die genauso dringend Unterstützung benötigen. Ich denke hier vor allem an den Bildungssektor. Darum werden wir als MPG unsere Bedürfnisse moderat, aber mit der nötigen Transparenz formulieren – und zugleich unsere Verantwortung für die Gesellschaft wahrnehmen.
Sie wollen Ihre Wissenschaftler ermutigen, sich mit ihrer Expertise stärker an gesellschaftlichen Debatten zu beteiligen. Haben Sie den Eindruck, dass die MPG ihre Kompetenz abseits der klassischen Wissenschaftsdiskurse unter Wert verkauft hat?
Es ist ja nicht so, dass wir uns in der Vergangenheit nie geäußert, dass wir die gesellschaftlich-politische Entwicklung nicht immer schon mitgeprägt hätten. Der erste Kontakt zwischen Israel und Deutschland nach dem Krieg entstand zwischen dem Weizmann-Institut und der Max-Planck-Gesellschaft: Otto Hahn reiste damals mit einer kleinen Delegation nach Israel. Auf dieser langen Tradition des gesellschaftlichen Engagements wollen wir aufbauen. Aber wir wollen schneller werden. Meine Idee ist, dass wir dafür je nach Thema einen unterschiedlichen Kreis von Expertinnen und Experten zusammenbringen. Bleiben wir beim Beispiel Israel und dem aktuellen Verfassungsstreit. Wir wollen jetzt Stellung beziehen und uns solidarisch zeigen mit unseren wissenschaftlichen Partnern vor Ort. Darum habe ich Max-Planck-Wissenschaftler eingeladen, die sich mit Israel auskennen, damit wir uns beraten können. Das ist ein Beispiel, wie wir rasch ein Meinungsbild erstellen können, ohne jedes Mal alle Wissenschaftlichen Mitglieder der MPG befragen zu müssen. Meine Aufgabe als Präsident wird sein, dieses Meinungsbild möglichst schnell in die Öffentlichkeit zu transportieren. Auf die Debatten, die dadurch entstehen, freue ich mich.
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Today marks the 50th anniversary of the military coup that overthrew the democratically elected government of Chilean President Salvador Allende and ushered in a particularly brutal and bloody dictatorship under Gen. Augusto Pinochet Ugarte, which lasted until 1990. The role of the CIA in preparing the conditions for the coup, as well as subsequent U.S. support for the dictatorship, contributed heavily to the perception in Latin America and beyond that Washington, despite its claims to champion democracy, preferred "friendly" authoritarian regimes over the possibility that non-aligned or democratically elected left-leaning governments could take power in regions that it considered to be within its sphere of influence. Investigations in the mid-1970s into the U.S. role in Chile also led to unprecedented legislation — sometimes enforced, sometimes not – designed to ensure greater Congressional oversight of U.S. covert operations and to curb U.S. military and other assistance to governments and armies that abuse fundamental human rights. To note the 50th anniversary, RS spoke with Peter Kornbluh, the veteran director of the Chilean Documentation Project of the non-governmental National Security Archive, whose work has resulted in the declassification of thousands of previously secret government documents related to U.S. relations with Chile from the 1960's through the Pinochet dictatorship. A prize-winning author, Kornbluh published "The Pinochet Files: A Declassified Dossier on Atrocity and Accountability," which the Los Angeles Times selected as a "best book" of 2003. As director of the NSA's Cuba Documentation Project, Kornbluh has also written several books on U.S.-Cuban relations. Kornbluh spoke with RS from Chile, where he is participating in the country's observance of today's anniversary. The following conversation has been edited for length and clarity. RS: You are the most distinguished researcher on the coup and, in particular, the U.S. role. Briefly, can you say what support the U.S. lent to the coup both before and after? Kornbluh: You know, it doesn't have to be me saying it. We can just simply quote Henry Kissinger briefing Richard Nixon five days after the coup. He [said], "The Chilean thing was getting consolidated." And Nixon expresses his slight preoccupation about whether the U.S. role is going to be exposed. Nixon says, "Our hand doesn't show on this, does it though?" Kissinger's response is a three-sentence summary of what the U.S. role was. First, he says, "We didn't do it." And he's referring to the fact that the United States was not on the ground 50 years ago today, with agents driving the tanks, supplying the intelligence, piloting the planes that bombed the [presidential] Moneda Palace. The United States did not stand side by side that day with the Chilean military as they destroyed Chile's long democratic tradition. And then Kissinger continues, "I mean, we helped them. Blank" — a word that is omitted, which you can fill in — "created the conditions as best as possible." And that's an accurate summary of what the U.S. role was. Starting almost the day after Allende's election [in 1970] but weeks before he actually was inaugurated as President of Chile, it was the U.S. goal and mission to foment a coup in Chile, to create what the CIA referred to as a "coup climate" and maximize the likelihood that Allende's model would be a model of failure. And if that also, at the same time, created the conditions, "as best as possible for a military coup," so be it. It was the political goal of Henry Kissinger and Richard Nixon to assure that Allende did not have a successful model of electoral socialist change that other countries in the world might want to emulate, and the United States [intervened] through both an invisible economic blockade, a cut off of multilateral credits, and a five-pronged covert operations effort that targeted the military. The U.S. funneled a bunch of money into El Mercurio, which was kind of, in those days, the Fox News of Chile, openly pushing for a coup against the Allende government. Those were the operations that helped, as the CIA itself put it, set the stage for the September 11,1973, coup. So it wasn't that the United States had a direct role on the ground here. It wasn't that the Chilean military were puppets of the United States of America. It was that the United States contributed to a set of conditions that would enhance the likelihood that there would be social pressure for the military to move, and the military did move. RS: What was the reaction by the Nixon-Kissinger government, if we can put it that way, in the years that followed the coup? Kornbluh: You can start with the hours that followed. Tomorrow will be September 12th, the 50th anniversary of Kissinger calling what was known as the Washington Special Action Group together and mobilizing everybody to help the Pinochet military regime consolidate. It's quite explicit. And as part of this gathering, one US. official says to Kissinger, "I guess our policy on Allende worked pretty well." And Kissinger jokes to everybody, "President Nixon is worried that we might want to send somebody to Allende's funeral." Kissinger says, "I told him we didn't plan to do that." And then another official in the meeting pipes up and says, "Only, of course, if you want to go, Secretary Kissinger." So they're joking around literally 24 hours after the coup about how successful they were. Nixon and Kissinger just after the coup are commiserating. They want the credit for having overthrown Allende, and they're commiserating about what Nixon calls the "liberal crap" in the U.S. newspapers, and Kissinger says the newspapers are "bleating" because Allende has been overthrown and has died. Nixon says, "isn't that something?" And Kissinger basically says they should be celebrating. And he tells Nixon, "In the Eisenhower period, we would be heroes." That conversation took place five days after the coup. By then, Kissinger had reconfigured U.S. policy almost overnight. It had been a policy to destabilize Allende's ability to govern. Almost overnight after the coup, the policy had a complete reversal. It's now a policy to help the new military regime consolidate, and that policy continues all the way through the first three years of the Pinochet regime. It was that first year when the spigots of economic aid and military support to Pinochet [began] opening, including helping Pinochet build what became the most sinister and repressive secret police agency in all of Latin America, the DINA [Dirección de Inteligencia Nacional]. That policy starts to change after the September 1976 act of terrorism in Washington DC that took the lives of Orlando Letelier and Ronni Moffitt. By the second term of the Reagan administration, the United States has had enough of Pinochet's megalomania, his terrorism. The United States eventually abandons him, but it's a long and incredible history. RS: You had congressional committees in the mid 1970s that expressed considerable shock about U.S. covert operations, and Chile was among the most important. Do you see Congress as assuming its responsibilities or failing to do so in regard to Pinochet's Chile? And how much of a precedent, if any at all, did that create or help create? Kornbluh: The scandal of Chile broke in September of 1974 in an article done by that intrepid reporter, Seymour Hersh, where he had gotten hold of secret testimony that CIA Director William Colby had given to the House Armed Services Committee in which he had discussed the whole destabilization program. The scandal was immediate. After the Hersh story ran, the U.S. Senate reconvenes. Frank Church was named head of another special committee, which became the famous Church committee, and Congress did its very first investigation of the CIA covert operations in general and a case study of Chile in particular. The House Committee under Congressman Otis Pike also started to look at Chile. That whole process was a lot less organized and a lot more chaotic. The Church committee reports really shook the foundations of Americans' perception of their own government. It became quite clear that their own government — in their name and without their knowledge — was intervening to overthrow a democratically elected government and bolstering a murderous, ruthless military regime. Congress moved very quickly, not just because of the Church Committee investigation but because of a moral reaction of disbelief that our government didn't give a damn about human rights violations and was continuing to embrace this murderous regime. It was because of Chile that heroic senators and congressmen — Edward Kennedy in the Senate, Congressman Tom Harkin from Iowa — got together and drafted the first human rights amendments to U.S. laws governing military and economic aid abroad. Those laws were inspired by and directed initially at Henry Kissinger, who was just basically — can I say kissing Pinochet's ass? Kissinger was telling his own staff not to say anything to him anymore about human rights. These laws were passed, and, for the first time, human rights became an institutionalized criterion of U.S. foreign policy. Congress stepped up and represented the values of the American people in pushing those laws forward.Some people here in Chile at the time of the coup, including a Methodist minister named Joe Eldridge, luckily got out. He returned to Washington so outraged that the United States was supporting the atrocities that were taking place that he founded the Washington Office on Latin America, and, with Amnesty International, almost single handedly created the modern human rights movement in Washington as we know it today. He sought to create a different U.S. foreign policy, one that better reflected the values of the American people.RS: As you look back, this was Congress's high point, and it drew certain lessons from there, some of which have stuck, not necessarily all. But how has this affected long-term U.S.-Latin American relations? The U.S. intervention covert intervention there and its support for Pinochet, what kind of effect do you think it's had on U.S.-Latin American relations over the past 50 years? Kornbluh: The U.S. role in Chile became a horrendous stain on any credible argument that the United States supported democracy, opposed military dictatorships, opposed human rights violations — all the things that the United States supposedly wanted to claim that it stood for. And even though presidents later, starting with Carter, have stood for those things, and the United States still is supposed to stand for those things, the history of the U.S. role in Chile has made it very difficult for that argument, even 50 years later, to be credibly presented. One way to understand what the United States did in Chile is to compare it today to what Russia is doing to Ukraine. The Russian intervention in Ukraine was essentially inspired by the same issues that Henry Kissinger and Richard Nixon feared with the election of Allende. [Ukrainian President Volodymyr] Zelensky had been popularly elected. Ukraine was turning to the West. [Russian President Vladimir] Putin saw that as an affront to his hegemony in the region. In the case of Chile, it's not an open war, but it was a similar type of effort to control the region, to undermine a model that might change the broader influence of the United States if other countries emulated Allende's electoral model of change. We're not really talking about the past. So many countries, including the United States of America, are facing the deterioration of democratic institutions and the onslaught and threat of authoritarian rule not just in the United States and Chile, but also in Spain, Sweden, Italy, etc. You have a situation where democracy and its meaning are slipping, and the forces of dictatorial rule are growing. Chile is a reminder of the extreme dangers to all of us if that process continues. Chileans have already lived through it once. They don't want to live through it again. That's why the resounding slogan at the official ceremony today from Chilean President Gabriel Boric was "nunca mas." Never again.
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Alexander Dugin on Eurasianism, the Geopolitics of Land and Sea, and a Russian Theory of Multipolarity
IR has long been regarded as an Anglo-American social science. Recently, the discipline has started to look beyond America and England, to China (Theory Talk #51, Theory Talk #45), India (Theory Talk #63, Theory Talk #42), Africa (Theory Talk #57, Theory Talk #10) and elsewhere for non-Western perspectives on international affairs and IR theory. However, IR theorists have paid little attention to Russian perspectives on the discipline and practice of international relations. We offer an exciting peek into Russian geopolitical theory through an interview with the controversial Russian geopolitical thinker Alexander Dugin, founder of the International Eurasian Movement and allegedly an important influence on Putin's foreign policy. In this Talk, Dugin—among others—discusses his Theory of a Multipolar World, offers a staunch critique of western and liberal IR, and lays out Russia's unique contribution to the landscape of IR theory.
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What, according to you, is the central challenge or principle debate within IR and what would be your position within this debate or towards that challenge?
The field of IR is extremely interesting and multidimensional. In general, the discipline is much more promising than many think. I think that there is a stereometry today in IR, in which we can distinguish a few axes right away.
The first, most traditional axis is realism – the English school – liberalism.
If the debates here are exhausted on an academic level, then on the level of politicians, the media, and journalists, all the arguments and methods appear new and unprecedented each time. Today, liberalism in IR dominates mass consciousness, and realist arguments, already partially forgotten on the level of mass discourse, could seem rather novel. On the other hand, the nuanced English school, researched thoroughly in academic circles, might look like a "revelation" to the general public. But for this to happen, a broad illumination of the symmetry between liberals and realists is needed for the English school to acquire significance and disclose its full potential. This is impossible under the radical domination of liberalism in IR. For that reason, I predict a new wave of realists and neorealists in this sphere, who, being pretty much forgotten and almost marginalized, can full well make themselves and their agenda known. This would, it seems to me, produce a vitalizing effect and diversify the palette of mass and social debates, which are today becoming monotone and auto-referential.
The second axis is bourgeois versions of IR (realism, the English school, and liberalism all together) vs. Marxism in IR. In popular and even academic discourse, this theme is entirely discarded, although the popularity of Wallerstein (Theory Talk #13) and other versions of world-systems theory shows a degree of interest in this critical version of classical, positivistic IR theories.
The third axis is post-positivism in all its varieties vs. positivism in all its varieties (including Marxism). IR scholars might have gotten the impression that postmodern attacks came to an end, having been successfully repelled by 'critical realism', but in my opinion it is not at all so. From moderate constructivism and normativism to extreme post-structuralism, post-positivistic theories carry a colossal deconstructive and correspondingly scientific potential, which has not yet even begun to be understood. It seemed to some that postmodernism is a cheerful game. It isn't. It is a new post-ontology, and it fundamentally affects the entire epistemological structure of IR. In my opinion, this axis remains very important and fundamental.
The fourth axis is the challenge of the sociology of international relations, which we can call 'Hobson's challenge'. In my opinion, in his critique of euro-centrism in IR, John M. Hobson laid the foundation for an entirely new approach to the whole problematic by proposing to consider the structural significance of the "euro-centric" factor as dominant and clarifying its racist element. Once we make euro-centrism a variable and move away from the universalistic racism of the West, on which all systems of IR are built, including the majority of post-positivistic systems (after all, postmodernity is an exclusively Western phenomenon!), we get, theoretically for now, an entirely different discipline—and not just one, it seems. If we take into account differences among cultures, there can be as many systems of IR as there are cultures. I consider this axis extremely important.
The fifth axis, outlined in less detail than the previous one, is the Theory of a Multipolar World vs. everything else. The Theory of a Multipolar World was developed in Russia, a country that no one ever took seriously during the entire establishment of IR as a discipline—hence the fully explainable skepticism toward the Theory of a Multipolar World.
The sixth axis is IR vs. geopolitics. Geopolitics is usually regarded as secondary in the context of IR. But gradually, the epistemological potential of geopolitics is becoming more and more obvious, despite or perhaps partially because of the criticism against it. We have only to ask ourselves about the structure of any geopolitical concept to discover the huge potential contained in its methodology, which takes us to the very complex and semantically saturated theme of the philosophy and ontology of space.
If we now superimpose these axes onto one another, we get an extremely complex and highly interesting theoretical field. At the same time, only one axis, the first one, is considered normative among the public, and that with the almost total and uni-dimensional dominance of IR liberalism. All the wealth, 'scientific democracy', and gnoseological pluralism of the other axes are inaccessible to the broad public, robbing and partly deceiving it. I call this domination of liberalism among the public the 'third totalitarianism', but that is a separate issue.
How did you arrive at where you currently are in your thinking about IR?
I began with Eurasianism, from which I came to geopolitics (the Eurasianist Petr Savitskii quoted the British geopolitician Halford Mackinder) and remained for a long time in that framework, developing the theme of the dualism of Land and Sea and applying it to the actual situation That is how the Eurasian school of geopolitics arose, which became not simply the dominant, but the only school in contemporary Russia. As a professor at Moscow State University, for six years I was head of the department of the Sociology of International Relations, which forced me to become professionally familiar with the classical theories of IR, the main authors, approaches, and schools. Because I have long been interested in postmodernism in philosophy (I wrote the book Post-philosophy on the subject), I paid special attention to post-positivism in IR. That is how I came to IR critical theory, neo-Gramscianism, and the sociology of IR (John Hobson, Steve Hobden, etc.). I came to the Theory of a Multipolar World, which I eventually developed myself, precisely through superimposing geopolitical dualism, Carl Schmitt's theory of the Grossraum, and John Hobson's critique of Western racism and the euro-centrism of IR.
In your opinion, what would a student need in order to become a specialist in IR?
In our interdisciplinary time, I think that what is most important is familiarity with philosophy and sociology, led by a paradigmatic method: the analysis of the types of societies, cultures, and structures of thought along the line Pre-Modernity – Modernity – Post-Modernity. If one learns to trace semantic shifts in these three epistemological and ontological domains, it will help one to become familiar with any popular theories of IR today. Barry Buzan's (Theory Talk #35) theory of international systems is an example of such a generalizing and very useful schematization. Today an IR specialist must certainly be familiar with deconstruction and use it at least in its elementary form. Otherwise, there is a great danger of overlooking what is most important.
Another very important competence is history and political science. Political science provides generalizing, simplifying material, and history puts schemas in their context. I would only put competence in the domain of economics and political economy in third place, although today no problem in IR can be considered without reference to the economic significance of processes and interactions. Finally, I would earnestly recommend to students of IR to become familiar, as a priority, with geopolitics and its methods. These methods are much simpler than theories of IR, but their significance is much deeper. At first, geopolitical simplifications produce an instantaneous effect: complex and entangled processes of world politics are rendered transparent and comprehensible in the blink of an eye. But to sort out how this effect is achieved, a long and serious study of geopolitics is required, exceeding by far the superficiality that limits critical geopolitics (Ó Tuathail et. al.): they stand at the beginning of the decipherment of geopolitics and its full-fledged deconstruction, but they regard themselves as its champions. They do so prematurely.
What does it entail to think of global power relations through a spatial lens ('Myslit prostranstvom')?
This is the most important thing. The entire philosophical theme of Modernity is built on the dominance of time. Kant already puts time on the side of the subject (and space on the side of the body, continuing the ideas of Descartes and even Plato), while Husserl and Heidegger identify the subject with time altogether. Modernity thinks with time, with becoming. But since the past and future are rejected as ontological entities, thought of time is transformed into thought of the instant, of that which is here and now. This is the basis for the ephemeral understanding of being. To think spatially means to locate Being outside the present, to arrange it in space, to give space an ontological status. Whatever was impressed in space is preserved in it. Whatever will ripen in space is already contained in it. This is the basis for the political geography of Friedrich Ratzel and subsequent geopoliticians. Wagner's Parsifal ends with the words of Gurnemanz: 'now time has become space'. This is a proclamation of the triumph of geopolitics. To think spatially means to think in an entirely different way [topika]. I think that postmodernity has already partly arrived at this perspective, but has stopped at the threshold, whereas to cross the line it is necessary to break radically with the entire axiomatic of Modernity, to really step over Modernity, and not to imitate this passage while remaining in Modernity and its tempolatry. Russian people are spaces [Russkie lyudi prostranstva], which is why we have so much of it. The secret of Russian identity is concealed in space. To think spatially means to think 'Russian-ly', in Russian.
Geopolitics is argued to be very popular in Russia nowadays. Is geopolitics a new thing, from the post-Cold War period, or not? And if not, how does current geopolitical thinking differ from earlier Soviet (or even pre-soviet) geopolitics?
It is an entirely new form of political thought. I introduced geopolitics to Russia at the end of the 80s, and since then it has become extremely popular. I tried to find some traces of geopolitics in Russian history, but besides Vandam, Semyonov-Tyan-Shansky, and a few short articles by Savitskii, there was nothing. In the USSR, any allusion to geopolitics was punished in the harshest way (see the 'affair of the geopoliticians' of the economic geographer Vladimir Eduardovich Den and his group). At the start of the 90s, my efforts and the efforts of my followers and associates in geopolitics (=Eurasianism) filled the worldview vacuum that formed after the end of Soviet ideology. At first, this was adopted without reserve by the military (The Military Academy of the General Staff of the Armed Forces of Russia), especially under Igor Rodionov. Then, geopolitics began to penetrate into all social strata. Today, this discipline is taught in the majority of Russian universities. So, there was no Soviet or pre-Soviet geopolitics. There is only the contemporary Eurasian school, which took shape at the end of the 80s. Foundations of Geopolitics was the first programmatic text of this school, although I had published most of texts in that book earlier, and some of them were circulated as texts in government circles. Recently, in 2012, I released two new textbooks: Geopolitics and The Geopolitics of Russia, which together with The War of Continents are the results of work in this field, along four axes.
In your book International Relations, not yet published in English, you set out your Theory of a Multipolar World as a distinct IR theory. What are the basic components of the Theory of a Multipolar World—and how is it different from classical realism?
In order to be understood and not get into the details, I can say that the Theory of a Multipolar World seriously and axiomatically adopts Samuel Huntington's thesis about the plurality of civilizations. Russia has its own author, who claimed the same thing more than a hundred years ago: Nikolay Danilevsky, and then the Eurasianists. However, everything starts from precisely this point: civilization is not one, but many. Western civilization's pretension to universalism is a form of the will to domination and an authoritarian discourse. It can be taken into account but not believed. It is nothing other than a strategy of suppression and hegemony. The following point follows: we must move from thinking in terms of one civilization (the racism of euro-centric versions of IR) to a pluralism of subjects. However, unlike realists, who take as the subject of their theory nation-states, which are themselves products of the European, bourgeois, modern understanding of the Political, the Theory of a Multipolar World proposes to take civilizations as subjects. Not states, but civilizations. I call them 'large politeiai', or civilizations, corresponding to Carl Schmitt's 'large spaces'. As soon as we take these civilizations—'large politeiai'—as subjects, we can then apply to them the full system of premises of realism: anarchy in the international system, sovereignty, the rationality of egoistic behavior, etc. But within these 'politeiai', by contrast, a principle more resembling liberalism, with its pacifism and integration, operates, only with the difference that here we are not talking about a 'planetary' or 'global' world, but about an intra-civilizational one; not about global integration, but about regional integration, strictly within the context of civilizational borders. Post-positivism, in turn, helps here for the deconstruction of the authoritarian discourse of the West, which masks its private interests by 'universal values', and also for the reconstruction of civilizational identity, including with the help of technological means: civilizational elites, civilizational media, civilizational economic algorithms and corporations, etc. That is the general picture.
Your theory of multipolarity is directed against the intellectual, political, and social hegemony of the West. At the same time, while drawing on the tools of neo-Marxist analysis and critical theory, it does not oppose Western hegemony 'from the left', as those approaches do, but on the basis of traditionalism (Rene Guenon, Julius Evola), cultural anthropology, and Heideggerian phenomenology, or 'from the right'. Do you think that such an approach can appeal to Anglo-American IR practitioners, or is it designed to appeal mainly to non-Western theorists and practitioners? In short, what can IR theorists in the West learn from the theory of multipolarity?
According to Hobson's entirely correct analysis, the West is based on a fundamental sort of racism. There is no difference between Lewis Morgan's evolutionistic racism (with his model of savagery, barbarism, civilization) and Hitler's biological racism. Today the same racism is asserted without a link to race, but on the basis of the technological modes and degrees of modernization and progress of societies (as always, the criterion "like in the West" is the general measure). Western man is a complete racist down to his bones, generalizing his ethnocentrism to megalomaniacal proportions. Something tells me that he is impossible to change. Even radical critiques of Western hegemony are themselves deeply infected by the racist virus of universalism, as Edward Said showed with the example of 'orientalism', proving that the anticolonial struggle is a form of that very colonialism and euro-centrism. So the Theory of a Multipolar World will hardly find adherents in the Western world, unless perhaps among those scholars who are seriously able to carry out a deconstruction of Western identity, and such deconstruction assumes the rejection of both Right (nationalistic) and Left (universalistic and progressivist) clichés. The racism of the West always acquires diverse forms. Today its main form is liberalism, and anti-liberal theories (most on the Left) are plagued by the same universalism, while Right anti-liberalisms have been discredited. That is why I appeal not to the first political theory (liberalism), nor the second (communism, socialism), nor to the third (fascism, Nazism), but to something I call the Fourth Political Theory (or 4PT), based on a radical deconstruction of the subject of Modernity and the application of Martin Heidegger's existential analytic method.
Traditionalists are brought in for the profound critique of Western Modernity, for establishing the plurality of civilizations, and for rehabilitating non-Western (pre-modern) cultures. In Russia and Asian countries, the Theory of a Multipolar World is grasped easily and naturally; in the West, it encounters a fully understandable and fully expected hostility, an unwillingness to study it carefully, and coarse slander. But there are always exceptions.
What is the Fourth Political Theory (4PT) and how is it related to the Theory of a Multipolar World and to your criticism of the prevailing theoretical approaches in the field of IR?
I spoke a little about this in the response to the previous question. The Fourth Political Theory is important for getting away from the strict dominance of modernity in the sphere of the Political, for the relativization of the West and its re-regionalization. The West measures the entire history of Modernity in terms of the struggle of three political ideologies for supremacy (liberalism, socialism, and nationalism). But since the West does not even for a moment call into question the fact that it thinks for all humanity, it evaluates other cultures and civilizations in the same way, without considering that in the best case the parallels to these three ideologies are pure simulacra, while most often there simply are no parallels. If liberalism won the competition of the three ideologies in the West at the end of the 20th century, that does not yet mean that this ideology is really universal on a world scale. It isn't at all. This episode of the Western political history of modernity may be the fate of the West, but not the fate of the world. So other principles of the political are needed, beyond liberalism, which claims global domination (=the third totalitarianism), and its failed alternatives (communism and fascism), which are historically just as Western and modern as liberalism. This explains the necessity of introducing a Fourth Political Theory as a political frame for the correct basis of a Theory of a Multipolar World. The Fourth Political Theory is the direct and necessary correlate of the Theory of a Multipolar World in the domain of political theory.
Is IR an American social science? Is Russian IR as an academic field a reproduction of IR as an American academic field? If not, how is IR in Russia specifically Russian?
IR is a Western scientific discipline, and as such it has a prescriptive, normative vector. It not only studies the West's dominance, it also produces, secures, defends, and propagandizes it. IR is undoubtedly an imperious authoritarian discourse of Western civilization, in relation to itself and all other areas of the planet. Today the US is the core of the West, so naturally in the 20th century IR became more and more American as the US moved toward that status (it began as an English science). It is the same with geopolitics, which migrated from London to Washington and New York together with the function of a global naval Empire. As with all other sciences, IR is a form of imperious violence, embodying the will to power in the will to knowledge (as Michel Foucault explained). IR in Russia remains purely Western, with one detail: in the USSR, IR as such was not studied. Marxism in IR did not correspond to Soviet reality, where after Stalin a practical form of realism (not grounded theoretically and never acknowledged) played a big role—only external observers, like the classical realist E.H. Carr, understood the realist essence of Stalinism in IR. So IR was altogether blocked. The first textbooks started to appear only in the 90s and in the fashion of the day they were all liberal. That is how it has remained until now. The peculiarity of IR in Russia today lies in the fact that there is no longer anything Russian there; liberalism dominates entirely, a correct account of realism is lacking, and post-positivism is almost entirely disregarded. The result is a truncated, aggressively liberal and extremely antiquated version of IR as a discipline. I try to fight that. I recently released an IR textbook with balanced (I hope) proportions, but it is too early to judge the result.
Stephen Walt argued in a September article in Foreign Policy that Russia 'is nowhere near as threatening as the old Soviet Union', in part because Russia 'no longer boasts an ideology that can rally supporters worldwide'. Do you agree with Walt's assessment?
There is something to that. Today, Russia thinks of itself as a nation-state. Putin is a realist; nothing more. Walt is right about that. But the Theory of a Multipolar World and the Fourth Political Theory, as well as Eurasianism, are outlines of a much broader and large-scale ideology, directed against Western hegemony and challenging liberalism, globalization, and American strategic dominance. Of course, Russia as a nation-state is no competition for the West. But as the bridgehead of the Theory of a Multipolar World and the Fourth Political Theory, it changes its significance. Russian policies in the post-Soviet space and Russia's courage in forming non-Western alliances are indicators. For now, Putin is testing this conceptual potential very gingerly. But the toughening of relations with the West and most likely the internal crises of globalization will at some point force a more careful and serious turn toward the creation of global alternative alliances. Nevertheless, we already observe such unions: The Shanghai Cooperation Organization, BRICS, the Eurasian Union—and they require a new ideology. Not one like Marxism, any universalism is excluded, but also not simple realist maneuvers of regional hegemons. Liberalism is a global challenge. The response to it should also be global. Does Putin understand this? Honestly, I don't know. Sometimes it seems he does, and sometimes it seems he doesn't.
Vladimir Putin recently characterized the contemporary world order as follows: 'We have entered a period of differing interpretations and deliberate silences in world politics. International law has been forced to retreat over and over by the onslaught of legal nihilism. Objectivity and justice have been sacrificed on the altar of political expediency. Arbitrary interpretations and biased assessments have replaced legal norms. At the same time, total control of the global mass media has made it possible when desired to portray white as black and black as white'. Do you agree with this assessment? If so, what is required as a response to this international situation?
These are true, but rather naïve words. Putin is just indignant that the West establishes rules in its own interests, changes them when necessary, and interprets allegedly 'universal norms' in its own favor. But the issue is that this is the structure of the will to power and the very organization of logo-phallo-phono-centric discourse. Objectivity and justice are not possible so long as speech is a monologue. The West does not know and does not recognize the other. But this means that everything will continue until this other wins back the right to recognition. And that is a long road. The point of the Theory of a Multipolar World is that there are no rules established by some one player. Rules must be established by centers of real power. The state today is too small for that; hence the conclusion that civilizations should be these centers. Let there be an Atlantic objectivity and Western justice. A Eurasian objectivity and Russian justice will counter them. And the Chinese world or Pax Sinica [world/peace: same word in Russian] will look different than the Islamic one. Black and white are not objective evaluations. They depend on the structure of the world order: what is black and what is white is determined by one who has enough power to determine it.
How does your approach help us understand Russia's actions on the world stage better than other IR approaches do? What are IR analyses of Russia missing that do not operate with the conceptual apparatus of multipolarity?
Interesting question. Russia's behavior internationally is determined today by the following factors:
First, historical inertia, accumulating the power of precedents (the Theory of a Multipolar World thinks that the past exists as a structure; consequently, this factor is taken into account from many sides and in detail, while the 'tempocentrism' (Steve Hobden, John Hobson) of classical IR theories drops this from sight. We have to pay attention to this especially taking into consideration the fact that Russia is in many ways still a traditional society and belongs to the 'imperial system' of IR.) There are, besides, Soviet inertia and stable motives ('Stalinism in IR');
Second, the projective logic of opposition to the West, stemming from the most practical, pragmatic, and realist motivations (in the spirit of Caesarism, analyzed by neo-Gramscians) will necessarily lead Russia (even despite the will of its leaders) to a systemic confrontation with American hegemony and globalization, and then the Theory of a Multipolar World will really be needed (classical IR models, paying no attention to the Theory of a Multipolar World, drop from sight the possible future; i.e., they rob themselves of predictive potential because of purely ideological prejudices and self-imposed fears).
But if an opponent underestimates you, you have more chances to land an unexpected blow. So I am not too disturbed by the underestimation of the Theory of a Multipolar World among IR theorists.
In the western world, the divide between academia and policy is often either lamented ('ivory tower') or, in light of the ideal of academic independence, deemed absent. This concerns a broader debate regarding the relations between power, knowledge and geopolitics. How are academic-policy relations in Russia with regards to IR and is this the ideal picture according to you?
I think that in our case both positions have been taken to their extreme. On one hand, today's authorities in Russia do not pay the slightest attention to scholars, dispatching them to an airless and sterile space. On the other hand, Soviet habits became the basis for servility and conformism, preserved in a situation when the authorities for the first time demand nothing from intellectuals, except for one thing: that they not meddle in socio-political processes. So the situation with science is both comical and sorrowful. Conformist scholars follow the authorities, but the authorities don't need this, since they do not so much go anywhere in particular as react to facts that carry themselves out.
If your IR theory isn't based on politically and philosophically liberal principles, and if it criticizes those principles not from the left but from the right, using the language of large spaces or Grossraum, is it a fascist theory of international relations? Are scholars who characterize your thought as 'neo-fascism', like Andreas Umland and Anton Shekhovstov, partially correct? If not, why is that characterization misleading?
Accusations of fascism are simply a figure of speech in the coarse political propaganda peculiar to contemporary liberalism as the third totalitarianism. Karl Popper laid the basis for this in his book The Open Society and its Enemies, where he reduced the critique of liberalism from the right to fascism, Hitler, and Auschwitz, and the criticism of liberalism from the left to Stalin and the GULAG. The reality is somewhat more complex, but George Soros, who finances Umland and Shekhovstov and is an ardent follower of Popper, is content with reduced versions of politics. If I were a fascist, I would say so. But I am a representative of Eurasianism and the author of the Fourth Political Theory. At the same time, I am a consistent and radical anti-racist and opponent of the nation-state project (i.e. an anti-nationalist). Eurasianism has no relation to fascism. And the Fourth Political Theory emphasizes that while it is anti-liberal, it is simultaneously anti-communist and anti-fascist. I think it isn't possible to be clearer, but the propaganda army of the 'third totalitarianism' disagrees and no arguments will convince it. 1984 should be sought today not where many think: not in the USSR, not in the Third Reich, but in the Soros Fund and the 'Brave New World'. Incidentally, Huxley proved to be more correct than Orwell. I cannot forbid others from calling me a fascist, although I am not one, though ultimately this reflects badly not so much on me as on the accusers themselves: fighting an imaginary threat, the accuser misses a real one. The more stupid, mendacious, and straightforward a liberal is, the simpler it is to fight with him.
Does technological change in warfare and in civil government challenge the geopolitical premises of classical divisions between spaces (Mackinder's view or Spykman's) heartland-rimland-offshore continents)? And, more broadly perhaps, does history have a linear or a cyclical pattern, according to you?
Technological development does not at all abolish the principles of classical geopolitics, simply because Land and Sea are not substances, but concepts. Land is a centripetal model of order, with a clearly expressed and constant axis. Sea is a field, without a hard center, of processuality, atomism, and the possibility of numerous bifurcations. In a certain sense, air (and hence also aviation) is aeronautics. And even the word astronaut contains in itself the root 'nautos', from the Greek word for ship. Water, air, outer space—these are all versions of increasingly diffused Sea. Land in this situation remains unchanged. Sea strategy is diversified; land strategy remains on the whole constant. It is possible that this is the reason for the victory of Land over Sea in the last decade; after all, capitalism and technical progress are typical attributes of Sea. But taking into consideration the fundamental character of the balance between Leviathan and Behemoth, the proportions can switch at any moment; the soaring Titan can be thrown down into the abyss, like Atlantis, while the reason for the victory of thalassocracy becomes the source of its downfall. Land remains unchanged as the geographic axis of history. There is Land and Sea even on the internet and in the virtual world: they are axes and algorithms of thematization, association and separation, groupings of resources and protocols. The Chinese internet is terrestrial; the Western one, nautical.
You have translated a great number of foreign philosophical and geopolitical works into Russian. How important is knowledge transaction for the formation of your ideas?
I recently completed the first release of my book Noomachy, which is entirely devoted precisely to the Logoi of various civilizations, and hence to the circulation of ideas. I am convinced that each civilization has its own particular Logos. To grasp it and to find parallels, analogies, and dissonances in one's own Logos is utterly fascinating and interesting. That is why I am sincerely interested in the most varied cultures, from North American to Australian, Arabic to Latin American, Polynesian to Scandinavian. All the Logoi are different and it is not possible to establish a hierarchy among them. So it remains for us only to become familiar with them. Henry Corbin, the French philosopher and Protestant who studied Iranian Shiism his entire life, said of himself 'We are Shiites'. He wasn't a Shiite in the religious sense, but without feeling himself a Shiite, he would not be able to penetrate into the depths of the Iranian Logos. That is how I felt, working on Noomachy or translating philosophical texts or poetry from other languages: in particular, while learning Pierce and James, Emerson and Thoreau, Poe and Pound I experienced myself as 'we are Americans'. And in the volume devoted to China and Japan, as 'we are Buddhists'. That is the greatest wealth of the Logos of various cultures: both those like ours and those entirely unlike ours. And these Logoi are at war; hence, Noomachy, the war of the intellect. It is not linear and not primitive. It is a great war. It creates that which we call the 'human', the entire depth and complexity of which we most often underestimate.
Final question. You call yourself the 'last philosopher of empire'. What is Eurasanism and how does it relate to the global pivot of power distributions?
Eurasianism is a developed worldview, to which I dedicated a few books and a countless number of articles and interviews. In principle, it lies at the basis of the Theory of a Multipolar World and the Fourth Political Theory, combined with geopolitics, and it resonates with Traditionalism. Eurasianism's main thought is plural anthropology, the rejection of universalism. The meaning of Empire for me is that there exists not one Empire, but at minimum two, and even more. In the same way, civilization is never singular; there is always some other civilization that determines its borders. Schmitt called this the Pluriverse and considered it the main characteristic of the Political. The Eurasian Empire is the political and strategic unification of Turan, a geographic axis of history in opposition to the civilization of the Sea or the Atlanticist Empire. Today, the USA is this Atlanticist Empire. Kenneth Waltz, in the context of neorealism in IR, conceptualized the balance of two poles. The analysis is very accurate, although he erred about the stability of a bipolar world and the duration of the USSR. But on the whole he is right: there is a global balance of Empires in the world, not nation-States, the majority of which cannot claim sovereignty, which remains nominal (Stephen Krasner's (Theory Talk #21) 'global hypocrisy'). For precisely that reason, I am a philosopher of Empire, as is almost every American intellectual, whether he knows it or not. The difference is only that he thinks of himself as a philosopher of the only Empire, while I think of myself as the philosopher of one of the Empires, the Eurasian one. I am more humble and more democratic. That is the whole difference.
Alexander Dugin is a Russian philosopher, the author of over thirty books on topics including the sociology of the imagination, structural sociology, ethnosociology, geopolitical theory, international relations theory, and political theory, including four books on the German philosopher Martin Heidegger. His most recent books, only available in Russian at the moment, are Ukraine: My War and the multi-volume Noomachia: Wars of the Intellect. Books translated into English include The Fourth Political Theory, Putin vs. Putin: Vladimir Putin Viewed From the Right, and Martin Heidegger: The Philosophy of Another Beginning.
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Who is Alexander Dugin? Interview with Theory Talks editor Michael Millerman (YouTube) TheFourth Political Theory website (English): Evrazia.tv (Russian) Evrazia.tv (English) Geopolitics.ru (English version) InternationalEurasian Movement (English version) Centerfor Conservative Studies (Russian)
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Cass Sunstein has a lovely New York Times essay that tries to give us back the word "Liberal." I hope it works. "Liberal" from "Libertas" means, at bottom, freedom. In the 19th century, "liberals" were devoted to personal, economic, and increasing social freedom from government restraint. "Conservatives" wanted to maintain aristocratic privileges, and government interventions in the traditional way of doing things. The debate was not so obvious. Conservatives defended their view of aristocratic power in a noblesse-oblige concern for little people that the unfettered free market might leave behind, in a way quite reminiscent of today's elites who think they should run the government in the name of the downtrodden (or "nudge" them, if I can poke a little fun at Sunstein's earlier work). But by the 1970s, the labels had flipped. "Liberals" were advocates of big-state interventionism, in a big tent that included communists and marxists. It became a synonym of "left." "Conservatives" became a strange alliance of free market economics and social conservatism. The word "classical liberal" or "libertarian" started to be used to refer to heirs of the enlightenment "liberal" tradition, broadly emphasizing individual liberty and limited rule of law government in both economic and social spheres. But broadly, "liberal" came to mean more government intervention and Democrat, while "conservative" came to mean less state intervention and Republican, at least in rhetoric. But a new force has come to the fore. The heirs of the far-left marxists and communists are now, .. what shall we call them.. perhaps "censorious totalitarian progressives." Sunstein calls them "post liberals." The old alliance between center-left and far left is tearing apart, and Oct 7 was a wake up call for many who had skated over the division. Largely, then, I read Sunstein's article as a declaration of divorce. They are not us, they are not "liberals." And many of you who call yourselves "conservatives," "free marketers" or even "libertarians" should join us to fight the forces of illiberalism left and right, even if by now you probably completely gave up on the New York Times and read the Free Press instead. Rhetoric: Sunstein is brilliantly misleading. He writes what liberalism "is" or what liberals "believe," as if the word were already defined his way. It is not, and the second part of this post quotes another NYT essay with a quite different conception of "liberal." This is an essay about what liberal should mean. I salute that. It's interesting that Sunstein wants to rescue the traditional meaning of "liberal," rather than shade words in current use. "Classical liberal," is mostly the same thing, but currently shades a bit more free market than he'd like. "Neoliberal" is an insult but really describes most of his views. People have turned insults around to proud self-identifiers before. "Libertarian," probably has less room for the state and conservativism than Sunstein, and most people confuse "libertarian" with "anarchist." It's interesting he never mentions the word. Well, let's rescue "liberal." Here are some excerpts of Sunstein's 37 theses. I reorganized into topics. What is "liberalism"? 1. Liberals believe in six things: freedom, human rights, pluralism, security, the rule of law and democracy....6. The rule of law is central to liberalism. ...It calls for law that is prospective, allowing people to plan, rather than retroactive, defeating people's expectations. It requires conformity between law on the books and law in the world. It calls for rights to a hearing (due process of law)....Liberalism requires law evenly applied, not "show me the man, and I'll find the crime." It requires a legal system in which each of us is not guilty of "Three Felonies a Day," unprotected unless we are trouble to those in power. 10. Liberals believe that freedom of speech is essential to self-government....11. Liberals connect their opposition to censorship to their commitment to free and fair elections, which cannot exist if people are unable to speak as they wish. ...They agree with ... "the principle of free thought — not free thought for those who agree with us but freedom for the thought that we hate." It's freedom, individual dignity, equality before the law and the state. Economics On economic matters, "liberalism" starts with the basic values of the laissez-faire tradition, because the right to transact freely is one of the most basic freedoms there is:15. Liberals prize free markets, insisting that they provide an important means by which people exercise their agency. Liberals abhor monopolies, public or private, on the ground that they are highly likely to compromise freedom and reduce economic growth. At the same time, liberals know that unregulated markets can fail, such as when workers or consumers lack information or when consumption of energy produces environmental harm.On the latter point, Sunstein later acknowledges room for a variety of opinion on just how effective government remedies are for such "failures" of "unregulated markets." I'm a free marketer not because markets are perfect but because governments are usually worse. A point we can respectfully debate with fact and logic.16. Liberals believe in the right to private property. But nothing in liberalism forbids a progressive income tax or is inconsistent with large-scale redistribution from rich to poor. Liberals can and do disagree about the progressive income tax and on whether and when redistribution is a good idea. Many liberals admire Lyndon Johnson's Great Society; many liberals do not.I endorse this as well, which you may find surprising. Economics really has nothing to say about non-distorting transfers. Economists can only point out incentives, and disincentives. Redistribution tends to come with bad incentives. "Liberals" can and do argue about how bad the disincentives are, and if the purported benefits of redistribution are worth it. Cass allows liberals (formerly "conservatives") who "do not" admire extensive federal government social programs, because of their disincentives. Me.17. Many liberals are enthusiastic about the contemporary administrative state; many liberals reject itI also agree. I'm one of those who largely rejects it, but it's a matter of degree on disincentives, government competence, and the severity of the problems being addressed. "Liberals" can productively debate this matter of degree. Liberalism is a framework for debate, not an answer to these economic questions. Integrating ConservativismIntegrating "conservative" into "liberal" is one of Sunstein's charms, and I agree. He is also trying to find a common ground in the "center," that tussles gently on the size of government while respecting America's founding enlightenment values, and unites many across the current partisan divide. 2...Those who consider themselves to be leftists may or may not qualify as liberals. You can be, at once, a liberal, as understood here, and a conservative; you can be a leftist and illiberal. 22. A liberal might think that Ronald Reagan was a great president and that Franklin Delano Roosevelt was an abomination; a liberal might think that Roosevelt was a great president and that Reagan was an abomination. "Conserativism" properly means conserving many of the traditions of our society, rather than burning it down once a generation striving for utopia, and having it dissolve into tyranny. Sunstein's "liberalism" is conservative 24. Liberals favor and recognize the need for a robust civil society, including a wide range of private associations that may include people who do not embrace liberalism. They believe in the importance of social norms, including norms of civility, considerateness, charity and self-restraint. They do not want to censor any antiliberals or postliberals, even though some antiliberals or postliberals would not return the favor. On this count, they turn the other cheek. Liberals have antiliberal and postliberal friends.26. .. if people want the government to act in illiberal ways — by, for example, censoring speech, violating the rights of religious believers, preventing certain people from voting, entrenching racial inequality, taking private property without just compensation, mandating a particular kind of prayer in schools or endorsing a particular set of religious convictions — liberals will stand in opposition.The latter includes, finally, a bit of trends on the right that "liberals" do not approve of, and they don't. 28. Some people (mostly on the right) think that liberals oppose traditions or treat traditions cavalierly and that liberalism should be rejected for that reason. In their view, liberals are disrespectful of traditions and want to destroy them. Nothing could be further from the truth. Consider just a few inherited ideals, norms and concepts that liberals have defended, often successfully, in the face of focused attack for decades: republican self-government; checks and balances; freedom of speech; freedom of religion; freedom from unreasonable searches and seizures; due process of law; equal protection; private property.29. Liberals do not think it adequate to say that an ideal has been in place for a long time. As Oliver Wendell Holmes Jr. put it: "It is revolting to have no better reason for a rule of law than that so it was laid down in the time of Henry IV. It is still more revolting if the grounds upon which it was laid down have vanished long since and the rule simply persists from blind imitation of the past." Still, liberals agree that if an ideal has been with us for a long time, there might be a lot to say in its favor.A lover of freedom can also admire rule of law, tradition, and custom. Why do we have private property? A illiberal, like many college students fresh to the world, might start from basic philosophical principles, and state that all of the earth's bounty should be shared equally, and head out to the ramparts to seize power. As a philosophical principle, it can sound reasonable. But our society and its laws, traditions, and customs, has thousands of years of experience built up. A village had common fields. People over-grazed them. Putting up fences and allocating rights led to a more prosperous village. The tradition of property rights, and their quite detailed specification and limitation that evolved in our common law, responding to this experience, along with well-educated citizens' conception of right and virtue, the moral sense of property right that they learn from their forebears, can summarize thousands of years of history, without us needing to remember each case. This thought is what led me in the past to characterize myself as an empirical, conservative, rule-of-law, constitutional and pax-Americana (save that one for later) libertarian, back when the word "liberal" meant something else. But, as Holmes points out, a vibrant society must see that some of this laws and traditions are wrong, or ineffective, and thoughtfully reform them. Property rights once extended to people, after all. Most of all, the 1970s "liberal" but now "illiberal" view has been that government defines the purpose and meaning of life and society, be it religious purity, socialist utopia, or now the vanguard of the elite ruling on behalf of the pyramid of intersectional victimization. The role of the government is to mold society to that quest. "Conservatives" have thought that the purpose of life and society is defined by individuals, families, churches, communities, scholars, arts, culture, private institutions of civil society, via lively reasoned debate; society can accommodate great variety in these views, and the government's purpose is just to enforce simple rules, and keep the debate peaceful, not to define and lead us to the promised land. I read Sunstein, correctly, to restore the word "liberal" to this later view, though it had largely drifted to the former. Who isn't liberal? The progressive leftWho isn't a "liberal," to Sunstein? If you've been around university campuses lately, you know how much today's "progressives" ("post-liberals") have turned politics into a tribal, warlike affair. This is who Sunstein is really unhappy with, and to whom this essay is a declaration of divorce: 5. ...liberals ... do not like tribalism. ... They are uncomfortable with discussions that start, "I am an X, and you are a Y,"... Skeptical of identity politics, liberals insist that each of us has many different identities and that it is usually best to focus on the merits of issues, not on one or another identity.I would add, liberals evaluate arguments by logic and evidence, not who makes the argument. Liberals accept an enlightenment idea that anything true can be discovered and understood by anyone. Truth is not just listening to "lived experience." 18. Liberals abhor the idea that life or politics is a conflict between friends and enemies.23. Liberals think that those on the left are illiberal if they are not (for example) committed to freedom of speech and viewpoint diversity. They do not like the idea of orthodoxy, including on university campuses or social media platforms. Ad of course, 30. Liberals like laughter. They are anti-anti-laughter.Old joke from my graduate school days: "How many Berkeley marxist progressives does it take to screw in a light bulb?" Answer: "I don't think that kind of humor is appropriate." ****In case you think everyone agrees on this new definition of "liberal," the essay has a link below it to another one by Pamela Paul, "Progressives aren't liberal." Paul's essay also covers some of the history of how the word was used, but in the end uses it in a quite different way from Sunstein. In the 1960s and 70s, the left proudly used the word in self-description. In the 1980s, Ronald Reagan, who often prefaced [liberal] with a damning "tax and spend," may have been the most effective of bashers. ...Newt Gingrich's political organization GOPAC sent out a memo, "Language: A Key Mechanism of Control," urging fellow Republicans to use the word as a slur.It worked. Even Democrats began avoiding the dread label. In a presidential primary debate in 2007, Hillary Clinton called herself instead a "modern progressive." She avoided the term "liberal" again in 2016.I think Clinton was trying to position herself to the right of what "liberal" had become by 2016. "Progressive" has come to mean something else. But I may be wrong. Never Trump conservatives tout their bona fides as liberals in the classical, 19th century sense of the word, in part to distinguish themselves from hard-right Trumpists. Others use "liberal" and "progressive" interchangeably, even as what progressivism means in practice today is often anything but liberal — or even progressive, for that matter.In the last sentence she is right. Sunstein is not, as he appears, describing a word as it is widely used today, but a word as it is slowly becoming used, and as he would like it to be used. liberal values, many of them products of the Enlightenment, include individual liberty, freedom of speech, scientific inquiry, separation of church and state, due process, racial equality, women's rights, human rights and democracy.Here you start to think she's got the same basic big tent as Sunstein. But not so -- this essay is testament to the enduring sense of the "liberal" word as describing the big-government left, just please not quite so insane as the campus progressives: Unlike "classical liberals" (i.e., usually conservatives), liberals do not see government as the problem, but rather as a means to help the people it serves. Liberals fiercely defend Social Security, Medicare, Medicaid, Obamacare, the Voting Rights Act and the National Labor Relations Act. They believe government has a duty to regulate commerce for the benefit of its citizens. They tend to be suspicious of large corporations and their tendency to thwart the interests of workers and consumers.Sunstein had room for disagreement on these "fierce" defenses, or at least room for reasoned argument rather than profession of essential belief before you can enter the debate. "Tout their bona fides" above also does not have quite the reach-across-the aisle non partisan flair of Sunstein's essay. I don't think Paul welcomes never-Trump classical liberals in her tent. For Paul, the divorce between "liberal" and "progressive" is real, as for many other "liberals" since the October 7 wake up: Whereas liberals hold to a vision of racial integration, progressives have increasingly supported forms of racial distinction and separation, and demanded equity in outcome rather than equality of opportunity. Whereas most liberals want to advance equality between the sexes, many progressives seem fixated on reframing gender stereotypes as "gender identity" and denying sex differences wherever they confer rights or protections expressly for women. And whereas liberals tend to aspire toward a universalist ideal, in which diverse people come together across shared interests, progressives seem increasingly wedded to an identitarian approach that emphasizes tribalism over the attainment of common ground.It is progressives — not liberals — who argue that "speech is violence" and that words cause harm. These values are the driving force behind progressive efforts to shut down public discourse, disrupt speeches, tear down posters, censor students and deplatform those with whom they disagree.Divisions became sharper after the Oct. 7 Hamas attack, when many progressives did not just express support for the Palestinian cause but, in some cases, even defended the attacks as a response to colonialism, and opposed retaliation as a form of genocide. This brings us to the most troubling characteristic of contemporary progressivism. Whereas liberals tend to pride themselves on acceptance, many progressives have applied various purity tests to others on the left, and according to one recent study on the schism between progressives and liberals, are more likely than liberals to apply public censure to divergent views. This intolerance manifests as a professed preference for avoiding others with different values, a stance entirely antithetical to liberal values.Yes. But no Republicans, please. Unlike Sunstein, Paul's "Liberalism" remains unabashedly partisan. I hope Sunstein's version of the word prevails. In any case, it is nice to see the division between the Woodstock Liberals, previously fellow travelers, from the extreme progressive left, and it is nice to see this word drift back to where it belongs. This is an optimistic post for the future of our country. Happy Thanksgiving. Update: I just ran across Tyler Cowen's Classical Liberals vs. The New Right. Excellent. And I forgot to plug my own "Understanding the Left," which I still think is a great essay though nobody seems to have read it.
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Lernen - Wenn Sie dieses Wort lesen, was schießt Ihnen durch den Kopf? Der letzte VHS-Kurs in südostasiatischer Kampfkunst oder doch eher zähe Stunden vor dem Mathebuch? Egal welches Bild Sie jetzt gerade im Kopf haben, eines ist sicher: Wie gelernt wird, hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Wer heute Gitarre lernen möchte, schaut sich Videos auf Youtube an und lädt sich die Noten im Internet herunter. Wer eine Sprache lernen möchte, benutzt Sprachlernapps und vernetzt sich mit anderen Menschen über das Internet. Wir lernen aber auch ungewollt: Auf Instagram weckt ein Post über den Ameisenigel unser Interesse, wir folgen dem Link und einige Artikel (und viele Stunden) später sind wir auf einmal Experten für Kloakentiere. Während sich also das Lernverhalten im Privaten stark gewandelt hat, scheint dies in Schulen in Baden-Württemberg nur langsam anzukommen. Hier lernen meist noch alle gemeinsam mit der gleichen Stelle im Englischbuch. Wen es nicht interessiert, der bekommt unter Umständen eine schlechte Note. Wer schon weiter ist, soll sich zurückhalten, und dass die Darstellung der Entdeckung Amerikas in dem Buch nicht mehr ganz zeitgemäß ist, geht neben dem Streit um das offene Fenster unter. Zugegeben, diese Schilderungen sind natürlich überspitzt, jedoch lassen sich die Vorteile des Lernens durch und mit Social Media schlecht von der Hand weisen: Stets aktuelle und an die individuellen Interessen angepasste Informationen warten dort auf die Rezipienten und laden zur Interaktion ein. Doch natürlich hat die zögernde Haltung der Schulen und des Ministeriums in Baden-Württemberg Gründe. Aufgrund datenschutzrechtlicher Bestimmungen ist die Nutzung von Social Media im schulischen Kontext nur sehr eingeschränkt zulässig (s.u.). Hieraus resultiert, dass die Beschäftigung mit Social Media im Rahmen des Unterrichts zwar möglich ist, der eigentliche Einsatz zur Unterstützung von Lernprozessen jedoch nicht. Die entsprechende 2013 veröffentlichte Handreichung wurde kontrovers diskutiert (s.u.). Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, wie Social Media im Kontext des Unterrichts in Baden-Württemberg bearbeitet werden kann und welche konkreten Vor- und Nachteile sich hieraus ergeben. Hierfür soll zunächst kurz auf "Social Media" bzw. "Social Network Sites" eingegangen werden, um sich dann die aktuelle rechtliche Situation für Schulen in Baden-Württemberg etwas genauer anzuschauen. Anschließend sollen Einsatzmöglichkeiten von Social Media und deren Risiken im Kontext des Unterrichts beleuchtet werden, um zu diskutieren, welche der aufgezeigten Möglichkeiten in Baden-Württemberg zulässig wären und welche Vor- und Nachteile sich hieraus ergeben. Social Media Seit einiger Zeit ist der Begriff "Social Media" populär, um Plattformen wie Facebook oder Instagram zu beschreiben. Jedoch lässt sich bei Durchsicht der Literatur feststellen, dass es keine einheitliche Definition dieses Begriffes gibt. Erschwerend kommt hinzu, dass einige Autor:innen auch Begriffe wie "social network" o.ä. nutzen, um solche Plattformen zu beschreiben. Die Definition von Ellison and Boyd beispielsweise lautet:"A Social network site is a networked communication plattform in witch participants have uniquely identifable profiles that consist of user-supplied content, content provided by other users, and/or system-level data; can publicly articulate connections that can be viewed and transversed by others; and can consume, produce and/or interact with streams of user generated content provided by their connections on the site." (Ellison & Boyd, 2014, S. 158)Hierbei sprechen sie bewusst von "social network sites", da der Begriff "social network" auch einen Vorgang beschreiben könne, der offline stattfindet (vgl. ebd.). In dieser Arbeit wird der Einfachheit halber und weil dieser Begriff im deutschsprachigen Raum am verbreitetsten scheint der Begriff "Social Media" synonym zu "social network sites" verwendet. Kennzeichnend für social network sites oder auch Social Media ist nach Ellison und Boyd, dass sowohl Inhalte, die von anderen Usern oder der Plattform selbst bereitgestellt werden, passiv konsumiert werden, als auch aktiv produziert und verbreitet werden können.Hierbei werden Kontakte zu anderen meist öffentlich angezeigt (z.B. in der Freundesliste), wodurch andere sich wiederum mit diesen Freunden und den von ihnen produzierten und geteilten Inhalten verbinden und interagieren können. Hierbei können diese Verbindungen auch asymmetrisch sein (z.B. wird einer Person gefolgt, diese folgt jedoch nicht "zurück"). Durch Tagging kann sich hierbei ein breites Netzwerk ergeben, bei dem Inhalte nach bestimmten Themen eingeordnet und gefunden werden können (vgl. ebd., S.153 ff.). Wichtig ist hierbei zu betonen, dass diese Definition längst nicht mehr nur auf Plattformen wie Facebook oder Instagram zutrifft, sondern auch auf Online Gaming Plattformen und Ähnliches. Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Grenzen zwischen Social Media und "normalen" Internetseiten immer mehr verschwimmen. Die Nutzung dieser Medien ist sowohl mit Chancen als auch Risiken verbunden (s.u.). Häufig ist mit dieser Erkenntnis die Forderung verbunden, Social Media und die dahinterstehenden Mechanismen Schüler:innen in der Schule näherzubringen, um ihre Medienkompetenz zu fördern, sie vor den Risiken zu schützen oder sich zumindest der Risiken bewusst zu sein. Zudem könnte Social Media ein geeignetes Tool sein, um Kommunikationsprozesse in der Schule zu erleichtern. Um die Frage, wie die Nutzung von Social Media in der Schule aussehen sollte, spinnt sich jedoch eine Diskussion, die im Folgenden näher beleuchtet werden soll. Hierfür wird sich nun zunächst der Frage gewidmet, wie sich derzeit die rechtliche Situation in Baden-Württemberg in Bezug auf Social Media in der Schule darstellt.Einsatz von Social Media in Schulen in Baden-Württemberg - rechtliche Lage Auf Basis des Ergebnisberichtes der Innenministerkonferenz vom 4. April 2012, die unter anderem Empfehlungen für die Verwendung von Social Media durch öffentliche Stellen gab, wurde 2013 vom Ministerium für Kultus, Jugend und Sport BW die Handreichung "Der Einsatz von 'Sozialen Medien' an Schulen" veröffentlicht (vgl. Ministerium für Kultus, Jugend und Sport BW, 2013, S. 2). Hierin wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Kommunikation über Soziale Netzwerke, wie beispielsweise Facebook oder Twitter, zwischen Schüler:innen und Lehrkräften sowie zwischen Lehrkräften aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht erlaubt sei (vgl. ebd., S. 1).Grund hierfür sei, dass die Verarbeitung von personenbezogenen Daten im Rahmen der Schule unzulässig sei, wenn der Server des Anbieters außerhalb des europäischen Wirtschaftsraumes liegt oder ein Zugriff außerhalb dieser Zone möglich ist (vgl. ebd.). Bei "Fanpages" von Schulen auf Facebook sei die rechtliche Lage noch nicht umfassend geklärt. Das Ministerium empfiehlt in dem Papier, auf herkömmliche Homepages auszuweichen, und betont, dass bei der Nutzung der Fanpages auf die Veröffentlichung personenbezogener Daten oder Bilder von Schüler:innen verzichtet werden müsse.Ebenso unzulässig sei das Installieren von "Social Plugins" wie z.B. der "Like-Button" auf Facebook (vgl. ebd., S. 2). Erlaubt hingegen sei grundsätzlich das Behandeln des Themas "soziale Medien im Unterricht" und in diesem Zuge auch eine Nutzung bereits bestehender Accounts der Schüler:innen als Anschauungsmaterial. Hierbei müsse jedoch eine Freiwilligkeit der Schüler:innen sichergestellt sein (vgl. ebd.).Nach Veröffentlichung des Papiers kam Kritik auf. So beklagten Lehrende, dass Social Media oft das unkomplizierteste Werkzeug sei, um mit Schüler:innen in Kontakt zu treten, da sie diese im Alltag verwenden würden und andere Kommunikationswege wie beispielsweise E-Mail nicht genutzt würden (vgl. Trenkamp 2013, o.S.). Auch Stimmen von Lehrpersonen aus anderen Bundesländern wurden laut, welche die Vorteile der Kommunikation über Social Media als niedrigschwelliges Kommunikationsmittel gerade für Schüler:innen in prekären Lebensverhältnissen hervorhoben (vgl. Feynberg 2013, o.S.).Der Schweizer Medienpädagoge Philippe Wampfler sieht es gar als Paradox an, Schüler:innen vor den Gefahren der Sozialen Medien beschützen zu wollen, indem man sie aus der Schule verbannt (vgl. Wampfler, 2014, S. 126f.). Jedoch gab es auch Stimmen, die Zustimmung zu dem Papier äußerten (vgl. Breining, 2013, o.S.). Im Folgenden soll nun näher beleuchtet werden, wie Social Media im Kontext des Unterrichts überhaupt genutzt werden könnte und welche Chancen und Risiken dies mit sich bringen kann.Möglichkeiten und Chancen des Einsatzes von Social Media im UnterrichtDer Schweizer Medienpädagoge Philippe Wampfler sieht grundsätzlich zwei Möglichkeiten, Social Media im Unterricht einzusetzen: "[…] einerseits als Teil einer grundlegenden Vermittlung von Medienkompetenz […], andererseits als Hilfestellung für Lernprozesse" (Wampfler, 2016, S. 109). Im Folgenden soll sich zur näheren Betrachtung an dieser Unterteilung orientiert werden, auch wenn diese zwei Bereiche sicherlich nicht ganz trennscharf voneinander abzugrenzen sind und einige didaktisch-methodische Konzepte sich beiden Kategorien zuordnen lassen würden. Auch können im Rahmen dieser Arbeit nur einige Möglichkeiten vorgestellt werden. Die folgende Aufzählung erhebt somit keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Weitere, teilweise sehr viel detaillierte Vorschläge für den Einsatz finden sich hier hier und in weiteren Artikeln auf diesem Blog.Hilfestellung für LernprozesseKommunikationEin recht offensichtlicher Einsatz von Social Media im Kontext des Unterrichts ist die Kommunikation zwischen Lehrer:innen und Schüler:innen über die entsprechenden Plattformen. Inhalte der Kommunikation könnten hierbei Hausaufgaben, Verspätungen o.ä. sein. Schüler:innen sind über Social Media meist schneller zu erreichen als über die herkömmliche E-Mail, da sie diese auch privat nutzen (vgl. Wampfler, 2014, S. 127). Wie oben bereits erwähnt, kann dies gerade bei Schüler:innen aus prekären Lebensverhältnissen ein gutes Hilfsmittel darstellen, da die Kommunikation so recht spontan und niedrigschwellig vonstattengehen kann (vgl. Feynberg, 2013, o.S.).WissensmanagementNeben der Kommunikation zwischen Schüler:innen und Lehrer:innen sieht Wampfler in Social Media auch ein geeignetes Werkzeug für Wissensmanagement von Lehrer:innen. Mit Wissensmanagement meint er den Prozess, wie neue Informationen gefunden, gesammelt, strukturiert und schließlich verarbeitet werden. (vgl. ebd., S. 99) So könnten bestimmte Tools genutzt werden, um relevante Artikel auf Social Media zu sammeln und zu strukturieren. Blogs und Wikis könnten dazu genutzt werden, Ideen und Unterrichtspläne zu veröffentlichen. Vorteil hierbei sei, dass die Inhalte fortlaufend aktualisiert werden könnten. Auch zur Vernetzung von Wissen seien Soziale Medien geeignet (vgl. ebd. S. 100).KollaborationEine weitere Möglichkeit, Social Media zu nutzen, besteht darin, in Teams über Social Media zu arbeiten. So kann beispielsweise über Google Docs gemeinsam an Dokumenten geschrieben werden. Auch auf Blogs und in Wikis kann Wissen vernetzt, diskutiert und gemeinsam erarbeitet werden. Ebenso stellt die Videotelefonie ein geeignetes Werkzeug da, um ohne Fahrtwege gemeinsam an einem Projekt zu arbeiten. (vgl. Wampfler, 2016, S. 100f.) Dies sind Tools (von den genannten oder anderen Anbietern), die während der Corona-Pandemie im Online-Unterricht genutzt wurden und somit auch allgemeine Verbreitung gefunden haben, sodass bei vielen Schüler:innen zumindest ein grobes Wissen über die Nutzung dieser Werkzeuge vorhanden sein dürfte.Weitere EinsatzmöglichkeitenWie schon in den vorherigen Abschnitten angeklungen, lässt sich Social Media nicht nur für einzelne Aufgaben in eigens dafür vorgesehenen Fächern nutzen. Denkbar wäre es, den Gebrauch von Social Media fächerübergreifend zu etablieren und nicht nur in einem eigens dafür eingerichteten Schulfach. (vgl. ebd. S. 109) Besonders anbieten würden sich hierfür laut Wampfler Projektlernen oder andere selbstgesteuerte Lernphasen. Geeignet seien offene Arbeitsaufträge, die die Schüler:innen dann in Form von Lernjournalen bearbeiten. Hieraus würden Lehrer:innen dann wieder Kernideen entnehmen, aus denen sie dann neue Arbeitsaufträge erstellen. Die Lernjournale könnten beispielsweise durch Blogs ersetzt werden, bei denen auch Mitschüler:innen kommentieren und verlinken könnten, sodass ein Wissensnetzwerk entstehe (vgl. ebd., S. 110).Auch der Einsatz eines Backchannels, also eine Möglichkeit für Schüler:innen, per Endgerät still Fragen zu stellen, sei eine Option, Social Media im Unterricht zu etablieren. Dies hätte den Vorteil, dass eventuell auch stillere Schüler:innen sich zu Wort melden würden (vgl. ebd., S. 111). Entscheidend bei allen Einsatzmöglichkeiten sei aber immer auch die Medienreflexion. So müsse immer gefragt werden, an welcher Stelle der Medieneinsatz sinnvoll sei und ob eventuell auch Mechanismen aus der digitalen Welt in die Offline-Welt übertragen werden könnten (soziale Netzwerke knüpfen, individuelles Lernen usw.) (vgl. ebd. S. 112).Vermittlung von MedienkompetenzWie oben erwähnt, nennt Wampfler die Vermittlung von Medienkompetenz als ein Ziel der Nutzung von Social Media im Kontext des Unterrichts. Da es den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde, an dieser Stelle den Medienkompetenzbegriff ausführlich darzustellen (näheres hier), wird sich im Folgenden an der Definition Baackes und den dort genannten vier Aufgabenfeldern Medienkritik, Mediennutzung, Medienkunde und Mediengestaltung orientiert. Auch wenn diese Definition und Unterteilung in der Vergangenheit kritisiert und weiterentwickelt wurde (vgl. bspw. Vollbrecht 2001, S. 52ff.), bietet sie dennoch eine grobe Kategorisierung, die für die Zwecke dieser Arbeit ausreichend erscheint.MedienkritikNach Baacke umfasst Medienkritik eine analytische, eine reflexive und eine ethische Dimension. Es sollen also gesellschaftliche Prozesse und ihre Folgen im Zusammenhang mit den Medien erkannt werden, dieses Wissen auf sich selbst angewendet und sozial verantwortet werden können (vgl. Baacke, 1996, S. 120). Im Zusammenhang mit Social Media scheinen hier vor allem zwei Punkte relevant zu sein. Erstens wird es durch die Masse an Informationen, die über Social Media geteilt wird, immer schwieriger, Fakten von Unwahrheiten oder Meinungen zu unterscheiden. Gerade im Zusammenhang mit Verschwörungstheorien scheint es sinnvoll, Schüler:innen zu vermitteln, wie sie seriöse von unseriösen Quellen unterscheiden können.Wampfler schlägt hier vor, auf der einen Seite auf herkömmliche Quellenkunde zu setzen (also die Frage danach, wer Urheber:in ist, auf welcher Seite die Information veröffentlicht wurde usw.) und auf der anderen Seite im Unterricht digitale Werkzeuge näherzubringen, die bei der Überprüfung helfen können (z.B. Google Bildersuche) (vgl. Wampfler, 2014, S. 131). Denkbar ist hierbei, dies nicht nur theoretisch aufzuzeigen, sondern auch durch praktische Übungen (reicht in den Bereich der Mediennutzung und Medienkunde hinein) im Unterricht auszuprobieren.Zweitens scheint es wichtig, Interessen der Social Media-Betreiber:innen und anderer beteiligter Akteur:innen zu kennen. Nach bekanntgewordenen Fällen wie "Cambridge Analytica" und der Diskussion um den "Filterblaseneffekt" ist klar, dass Algorithmen einen großen Einfluss auf Individuen, aber auch die ganze Gesellschaft haben können. Auch hier kann im Unterricht auf der einen Seite theoretisch aufgeklärt, aber auch praktische Erfahrung gesammelt werden, die dann gemeinsam reflektiert werden sollte.MedienkundeDie Medienkunde umfasst eine informative und eine instrumentell-qualifikatorische Dimension. Die informative Dimension beinhaltet Wissen über das Medium an sich (also z.B. Was sind soziale Medien), während die instrumentell-qualifikatorische Dimension die Fähigkeit bezeichnet, ein Mediengerät bedienen zu können (vgl. Baacke 1996, S. 120). In der heutigen Zeit ist davon auszugehen, dass viele Schüler:innen ein grundlegendes Verständnis davon haben werden, wie Social Media zu bedienen sind. Einzelne Funktionen oder wichtige Einstellungen z.B. zum Datenschutz werden jedoch vermutlich nicht bekannt sein. Gerade in der Primarstufe könnten altersgerechte und praktische Anleitungen hilfreich sein, um einen sicheren Umgang zu gewährleisten.MediennutzungBei der Mediennutzung geht es sowohl um die rezeptive als auch die interaktive Nutzung des Mediums (vgl. Baacke 1996, S. 120). Neben der recht offensichtlichen Rolle des Users als Rezipient scheint hier die interaktive Nutzung in Bezug auf das Lernen interessant. Wampfler betont in diesem Zusammenhang, wie wichtig Netzwerke in der heutigen Zeit sind. Als wichtige Kompetenz nennt er das Erstellen von sogenannten "Persönlichen Lernnetzwerken" (PLN). Hiermit ist gemeint, sich ein Netzwerk an Wissensquellen und Austausch mit anderen aufzubauen.Diese Beschreibung geht zurück auf Howard Rheingold, der den Begriff "Personal Learning Network" in seinem Buch "Net Smart" popularisierte. Im Idealfall würden, laut Wampfler, Lernprozesse durch das PLN vollständig individualisiert und reflektiert (vgl. ebd., S. 102). PLN würden durch die Vernetzung zu Anderen soziales Kapital bedeuten und somit zu eigenen Lernprozessen außerhalb der Institution Schule befähigen und seien somit eine Schlüsselkompetenz für das weitere Leben (vgl. ebd. f.).Diese speziell auf das Lernen ausgerichtete Mediennutzung ist vermutlich eine Art der Nutzung Sozialer Medien, die viele Schüler:innen nicht kennen, daher kann es sinnvoll sein, die Erstellung eines PLN bereits im Unterricht einzuüben. Hierfür wäre es hilfreich, die Nutzung von Social Media regelmäßig im Unterricht zu implementieren und so im Lauf der Zeit Schüler:innen die Möglichkeit zu geben, Netzwerke zu erstellen.MediengestaltungHier unterteilt Baacke in die innovative (Veränderung und Weiterentwicklung des Mediensystems) und die kreative (ästhetische Weiterentwicklung) Dimension. In Bezug auf Social Media würde dies bedeuten, im Unterricht auch darauf einzugehen, wie Social Media Sites erstellt und gestaltet werden können. Dies könnte beispielsweise geschehen, indem eigene Blogs erstellt und so grundlegende Funktionen nähergebracht werden. Hierbei könnte beispielsweise auch auf Gestaltungsregeln von Blogbeiträgen o.ä. hingewiesen werden. Diese Grundlagen würden Schüler:innen dazu befähigen, von diesem Punkt aus eigenständig zu experimentieren und neue Ideen zu entwickeln. Sicherlich ist auch denkbar, im Rahmen des Informatikunterrichts tiefer in das Programmieren einzusteigen und somit das Verständnis für das Programmieren z.B. einer App oder Website zu erhöhen.Risiken und beachtenswerte Punkte beim Einsatz von Social Media im UnterrichtNeben den Möglichkeiten, Social Media im Unterricht einzusetzen, und den damit einhergehenden Chancen bestehen jedoch auch Risiken, auf die nachfolgend näher eingegangen werden soll. Auch hier stellt diese Arbeit keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es werden lediglich einige Punkte exemplarisch herausgegriffen.Lehrpersonen auf Social MediaDie Kommunikation mit Schüler:innen über Social Media kann, wie oben bereits erläutert, einige Vorteile mit sich bringen. Jedoch gilt es hierbei einiges zu beachten. Zunächst einmal stellt sich die Frage, ob Lehrpersonen in ihrer beruflichen Rolle überhaupt auf Social Media vertreten und mit Schüler:innen "befreundet" (oder je nach Plattform auch "abonniert") sein sollten. Die hier lauernde Problematik ist die der Vermischung von Privatem und Beruflichen.Dies kann einerseits für Lehrer:innen unangenehm sein, wenn Schüler:innen private Inhalte einsehen können, die Lehrer:innen lieber unter Verschluss gehalten hätten, oder es sogar zu Mobbing von Seiten der Schüler:innen kommt (vgl. z.B. o. A. 2021, o.S.). Eine größere Gefahr besteht hierbei jedoch für die Schüler:innen selbst. Zum einen kann von Seiten der Lehrpersonen in ihre Privatsphäre eingedrungen werden, wenn unbeabsichtigt Inhalte einsehbar sind, die sie nicht mit der Lehrperson teilen möchten, zum anderen besteht durch die Vermischung von Privatem und Beruflichem die Gefahr des Missbrauchs.Beim sogenannten "Cybergrooming" werden Kinder und Jugendliche über Soziale Plattformen manipuliert mit dem Ziel einer sexuell motivierten Straftat. Im privaten Chat auf Social Media können Grenzen verschwimmen. Die Kommunikation zwischen Lehrer:in und Schüler:in gestaltet sich wie ein Gespräch unter Freund:innen. Gepostete Bilder können Anlass zu übergriffigen Kommentaren sein. Auch wenn Missbrauch auch in der Offline-Welt stattfindet, scheint Social Media eine erhöhte Gefahr oder zumindest eine zusätzliche Gelegenheit für Täter:innen darzustellen.Philippe Wampfler empfiehlt trotz der Risiken eine Social Media-Präsenz für Lehrpersonen ausdrücklich, mit der Begründung, dass eine gute Aufklärung seitens der Lehrkräfte über Social Media nur stattfinden könne, wenn diese sich selbst mit dem Medium auskennen würden (vgl. Wampfler 2016, S. 92). Wie diese Präsenz auf Social Media aussähe und ob diese auch zur Kommunikation mit Schüler:innen genutzt werde, bleibe der Lehrkraft selbst überlassen. Jedoch sei es wichtig, diese Entscheidung bewusst zu treffen und je nach gewählter Variante bestimmte Regeln einzuhalten.So sollte die Präsenz auf Sozialen Netzwerken grundsätzlich zurückhaltend gestaltet sein. Zudem sollte von Anfang an ein Ziel formuliert werden, vor dessen Hintergrund das Profil angelegt wird (vgl. ebd., S. 93). Gründe für Lehrer:innen, auf Social Media präsent zu sein, könnten beispielsweise die bereits oben genannte Aneignung von Kompetenzen, Wissensmanagement, Vernetzung, Begleitung des Unterrichts oder auch Publikation von Unterrichtsmaterialen sein (ebd.).In jedem Fall stelle sich für Lehrkräfte die Frage, inwiefern sie ihre private und berufliche Internetpräsenz vermischen sollten. Hierbei stellt Wampfler vier Möglichkeiten zur Auswahl. Einerseits könnten Lehrer:innen ihr privates und berufliches Profil komplett miteinander verbinden. Hier müsse darauf geachtet werden, dass das private Profil immer auch kompatibel mit dem beruflichen Kontext bleibe und erfordere daher ein starkes Bewusstsein. Vorteil hierbei sei, dass der Auftritt bei guter Ausführung besonders authentisch wirke.Eine weitere Möglichkeit sei, zwei Profile anzulegen: Eines für den beruflichen und ein anderes für den privaten Kontext. Dies sei zwar mit etwas Mehrarbeit verbunden, jedoch sei eine klare Abgrenzung einfacher möglich. Auch die Trennung von Netzwerken sei denkbar, sodass für den schulischen Kontext beispielsweise nur Facebook und für die private Nutzung nur Twitter verwendet würde. Eine vierte Möglichkeit sei die vollkommene Abstinenz von Social Media. Diese empfiehlt Wampfler aus den oben genannten Gründen nicht (vgl. ebd. S. 95f.).Eine Möglichkeit, die er an dieser Stelle außen vor lässt, ist die der ausschließlich privaten Nutzung von Social Media, die jedoch ebenso legitim erscheint vor dem Hintergrund, dass Lehrkräfte damit dem Problem der Vermischung von Privatem und Öffentlichem aus dem Weg gehen und trotzdem Kompetenzen in dem Bereich Social Media sammeln könnten. Falls sich dafür entschieden wurde, über Social Media mit Schüler:innen zu kommunizieren, sollten in Absprache mit allen Beteiligten vorher festgelegte Regeln eingehalten werden, die sowohl für die Schulleitung und Lehrer:innen als auch die Schüler:innen und Eltern transparent gemacht werden sollten (vgl. ebd. S. 96).DatenschutzEin weiteres Risiko des Einsatzes von Social Media im Kontext des Unterrichts stellt die Verletzung des Datenschutzes dar. Wenn Social Media selbstverständlich im Unterricht genutzt würde, wären Schüler:innen gezwungen, sich auf den entsprechenden Plattformen anzumelden. Die Server der meisten gebräuchlichen Anbieter sind jedoch in den USA verortet. Die dort geltenden Datenschutzstandards sind nicht mit europäischen Recht vereinbar. Auch die AGBs stehen nicht mit dem deutschen Datenschutzrecht im Einklang.Zudem lässt sich die Frage stellen, wie ein kritisches Hinterfragen der Datenschutzregelungen möglich ist, wenn Social Media in der Schule zum alltäglichen Gebrauch gehört. Denkbar wäre jedoch hier, Plattformen wie Moodle o.ä. zu nutzen, deren Server in Deutschland liegen und die mit dem deutschen und europäischen Datenschutz vereinbar sind. Ebenfalls können Schüler:innen über die Datenschutzproblematik aufgeklärt werden, der heute fast niemand mehr entgehen kann. Jugendliche brauchen hierfür, wie Wampfler es ausdrückt: "(…) nicht nur Anleitungen, sondern Visionen" (Wampfler 2014, S. 107).Neurowissenschaftliche KomponenteAn dieser Stelle sollen kurz Bedenken aufgeführt werden, die sich eher grundsätzlich gegen den Einsatz von digitalen Medien im Unterricht richten, die jedoch auch im Umgang mit Social Media als beachtenswert erscheinen. Es gibt Stimmen, die sich entschieden gegen den Einsatz digitaler Medien im Unterricht aussprechen. Ein prominenter Vertreter ist hier der Neurowissenschaftler und Psychiater Manfred Spitzer.Er führt viele Gründe gegen das digitale Lernen an, die an dieser Stelle nicht alle diskutiert werden können. In Bezug auf Social Media scheint vor allem die verkürzte Aufmerksamkeitsspanne durch die regelmäßige Nutzung digitaler Medien relevant (vgl. Spitzer 2019, S. 117). Durch die Fülle an Reizen und Informationen und den hohen Aufforderungscharakter Sozialer Medien fällt es häufig schwer, sich auf eine Aufgabe zu konzentrieren. Spitzer argumentiert, der Einsatz von digitalen Medien im Unterricht sei daher kontraproduktiv. Er vertritt die These, dass das regelmäßige Multitasking, welches durch digitale Medien provoziert werde, zu dauerhaften Störungen der gerichteten Aufmerksamkeit führe (vgl. ebd., S. 115).Dadurch, dass Soziale Medien häufig so gestaltet sind, dass sie die Aufmerksamkeit der User:innen möglichst lange auf sich ziehen, besteht womöglich zudem die Gefahr einer "Sucht". Dies ist bisher nur in Bezug auf Online-Gaming eine offizielle Diagnose und wird in der Literatur kontrovers diskutiert (vgl. Winkler, Dörsing, Rief, Shen, & Glombiewski 2013, S. 326f.).Nachdem hier ein kurzer Einblick in die Möglichkeiten und Risiken der Nutzung von Social Media im Kontext des Unterrichts gegeben wurde, soll sich im Folgenden der Frage gewidmet werden, welche dieser Einsatzmöglichkeiten in Baden-Württemberg zulässig wären und welche Vor- und Nachteile sich hieraus ergeben.Was ist in Baden-Württemberg möglich? – Vor- und NachteileOben wurden die Einsatzmöglichkeiten nach "Hilfestellung für Lernprozesse" und "Vermittlung von Medienkompetenz" unterteilt. Social Media als Hilfestellung für Lernprozesse sind in Baden-Württemberg nur begrenzt nutzbar. Als Kommunikationsmittel ist Social Media in diesem Bundesland auszuschließen. Hiermit geht einerseits die Chance verloren, gerade Kindern und Jugendlichen aus prekären Lebensverhältnissen ein niedrigschwelliges Kommunikationsangebot zu bieten. Als Vorteil ergibt sich hier, dass weder Schüler:innen noch Lehrer:innen dazu gezwungen sind, Social Media zu nutzen und sich somit der problematischen Datenschutzlage auszusetzen.Als privates Wissensmanagementsystem können Lehrer:innen Social Media in Baden-Württemberg durchaus nutzen, solang hierbei keine personenbezogenen Daten von Kolleg:innen oder Schüler:innen preisgegeben werden müssen. Im Unterricht können Schüler:innen auf diese Möglichkeit der Social Media-Nutzung auch hingewiesen werden, ein aktives Einüben dieser Praxis, scheint jedoch nicht praktikabel, da dies eine intensive Social Media-Nutzung im Unterricht voraussetzen würde. Ähnliches gilt für das Erstellen eines Persönlichen Lernnetzwerkes, welches aktiv in den Unterricht miteingebunden werden müsste.Die Möglichkeit der Kollaboration über gängige Social Media-Plattformen gibt es in Baden-Württemberg zwar nicht (außer Schüler:innen entscheiden sich privat, dies zu tun), jedoch können hierfür datenschutzrechtlich unbedenkliche Plattformen wie z.B. "Moodle" oder "Big Blue Button" genutzt werden. Der Vorteil hierbei ist selbstredend die Einhaltung des Datenschutzes und dass Schüler:innen in sicherem Rahmen Funktionen wie Videotelefonie oder geteilte Dokumente im Kontext des gemeinsamen Arbeitens kennenlernen können. Nachteilig könnte sein, dass die Tools und Programme zunächst neu installiert und kennengelernt werden müssen.Hierbei stellen diese "sicheren" Plattformen nach der oben genannten Definition von Ellison und Boyd streng genommen keine bzw. nur eingeschränkt "social media sites" im herkömmlichen Sinne dar, da die Vernetzungsmöglichkeiten nur sehr begrenzt bestehen. Dies betrifft auch ein "fächerübergreifendes Social Media Konzept". Dies ist aufgrund des Datenschutzes nur mit bestimmten Programmen möglich und bietet somit einen sicheren, aber nicht annähernd so komplexen Rahmen, wie die gängigen Social Media Netzwerke.Im Bereich der Medienkompetenz lässt sich feststellen, dass Medienkritik im Unterricht in Baden-Württemberg sicherlich über Gespräche über Social Media und einzelne Profile als Anschauungsmaterial vermittelt werden kann. Hierbei kann vor allem die analytische und ethische Komponente berücksichtigt werden. Das Reflektieren über die eigene Nutzung muss ohnehin von Schüler:innen selbst vollzogen werden. Bei einer direkteren Begleitung auf Social Media wäre es jedoch der Lehrperson eventuell möglich, gezieltere Reflexionsanregungen zu geben.Die Medienkunde scheint von der rechtlichen Situation in Baden-Württemberg nur wenig beeinträchtigt zu sein. Viele Schüler:innen wissen bereits, wie sie die Endgeräte bedienen und was Social Media ist. Im Zweifel könnte dies jedoch auch im Unterricht vermittelt werden, ohne dass der Datenschutz verletzt würde. Die Mediennutzung kann im Unterricht in Baden-Württemberg zwar theoretisch besprochen und an Beispielen auch aufgezeigt werden, jedoch scheint ein intensives Einüben einer gezielten Nutzung von Social Media für das Lernen schwierig, da die gängigen Plattformen nur begrenzt zur Verfügung stehen.Bei dem Vermitteln der Social Media-Gestaltung ergeben sich durch die Gesetzgebung in Baden-Württemberg eingeschränkte Möglichkeiten. Hier ist es denkbar, datenschutzkonforme Blogs zu Hilfe zu nehmen, um die Möglichkeiten und Regeln der Gestaltung zu vermitteln. Natürlich ist auch das Erlernen von Programmierung im Rahmen des Unterrichts möglich.Durch die eingeschränkte Nutzung von Social Media im Kontext des Unterrichts wird einigen Risiken vorgebeugt. Auf der Hand liegt der Schutz der personenbezogenen Daten, aber auch die Gefahr des Verschwimmens von Grenzen und des Missbrauchs von Schüler:innen über Social Media sinkt, wenn es Lehrer:innen verboten ist, über diesen Weg mit Schüler:innen zu kommunizieren. Was die Störung der gerichteten Aufmerksamkeit durch Social Media angeht, kann noch nicht sicher gesagt werden, ob eine Vermeidung von Social Media in der Schule oder das intensive Einüben der Nutzung dieser Plattformen in der Schule unter Anleitung eine geeignete Maßnahme darstellt.FazitDiese Arbeit beschäftigte sich mit der Frage, welche Möglichkeiten des Umgangs mit und Einsatzes von Social Media im Kontext des Unterrichts bestehen, inwiefern sie in Baden-Württemberg rechtlich umgesetzt werden dürfen und welche Vor- und Nachteile sich hieraus ergeben. Hierfür wurde zunächst kurz der Begriff "Social Media" näher beleuchtet. Im anschließenden Kapitel wurde die rechtliche Situation in Bezug auf den Einsatz von Social Media in Baden-Württemberg erläutert und dann auf die grundsätzlichen Möglichkeiten und Risiken des Einsatzes von und der Beschäftigung mit Social Media eingegangen. Schließlich wurde aufgrund der gesammelten Informationen analysiert, welche der genannten Möglichkeiten in Baden-Württemberg zulässig erscheinen und welche Vor- und Nachteile sich hieraus ergeben.Die Analyse ergab, dass an Schulen in Baden-Württemberg Social Media eingeschränkt sowohl als Hilfsmittel für Lernprozesse als auch mit dem Ziel der Förderung der Medienkompetenz eingesetzt werden kann. Die größte Einschränkung, die sich hierbei ergibt, ist, dass die herkömmlichen und weit verbreiteten Social Media-Netzwerke nicht aktiv und als alltägliches "Arbeitswerkzeug" in den Unterricht eingebunden werden können.Überraschend war jedoch zu sehen, dass die Möglichkeit besteht, dass Schüler:innen und Lehrer:innen bestehende Social Media-Profile freiwillig zu Lernzwecken nutzen und somit der "Einsatz" von Social Media nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist. Die Begründung für die Beschränkungen ist die Einhaltung des Datenschutzes, hieraus ergeben sich weitere Vorteile. So sinkt die Gefahr des Missbrauchs von Schüler:innen durch Lehrpersonen über Social Media und es besteht möglicherweise ein geringeres Ablenkungspotenzial durch Soziale Medien im Unterricht.Eine Frage, die sich im Verlauf dieser Arbeit immer wieder aufdrängte, ist, ob zur Vermittlung von Medienkompetenz ein intensiver und alltäglicher Gebrauch der herkömmlichen Social Media-Netzwerke notwendig ist. Letztendlich kann diese Arbeit diese Frage nicht klären. Hier finden sich in der Literatur stark widersprüchliche Stimmen und es bedarf sicherlich weiterer Forschung auf diesem Gebiet.Bei Durchsicht der Literatur war zudem auffällig, dass sich nur wenige Konzepte finden, wie Social Media überhaupt sinnvoll in den Unterricht integriert werden könnte. Auch hier besteht weiterhin Forschungsbedarf bzw. eventuell eine höhere Sensibilisierung für das Thema "Lernen und Social Media", welches in Zukunft sicherlich weiter an Bedeutung gewinnen wird.LiteraturBaacke, D. (1996). Medienkompetenz: Begrifflichkeit und sozialer Wandel. In A. Rein (Ed.), Theorie und Praxis der Erwachsenenbildung. Medienkompetenz als Schlüsselbegriff (pp. 112–124). Bad Heilbrunn: Klinkhardt-Verlag.Breining, T. (2013, July 24). Lehrer loben das Facebook Verbot. Stuttgarter Zeitung, o.S. Retrieved September 15, 2022, from https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.schulen-in-baden-wuerttemberg-lehrer-loben-das-facebook-verbot.e757ac6b-83d1-46b5-8dc6-34315930083a.html.Ellison, N. B., & Boyd, D. M. (2014). Socially through social network sites. In W. H. Dutton (Ed.), The Oxford handbook of internet studies (pp. 151–172). Oxford: Oxford Univ. Pr.Feynberg, L. (2013, October 24). Facebook lohnt sich. die Zeit, o.S. Retrieved September 04, 2022, from https://www.zeit.de/gesellschaft/schule/2013-10/lehrer-schueler-facebook/komplettansicht.Ministerium für Kultus, Jugend und Sport BW (2013). Der Einsatz von "Sozialen Netzwerken" an Schulen. 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In a December 8 story that seems to have received little attention in western press coverage of Israel's expanding military campaign in Gaza was this nugget of information: Israel's military expects combat operations to continue until the end of January, "followed by a three-to-nine-month lower grade insurgency." Reported by the Jerusalem Post, an English daily whose correspondents appear to have good ties to the Israel Defense Forces, this prediction likely rang alarm bells in the Biden administration. The White House is well aware of Prime Minister Benjamin Netanyahu's promise to do whatever it takes to "destroy" Hamas. But beyond doubting that this goal is feasible, US officials likely have concluded that Israel is not capable of pursuing its campaign in Gaza without killing many more Palestinian civilians, or is not ready to do so. With the threat of disease and starvation growing as Gazans flee to the south in a nearly hopeless search for safety, the prospect of a major crisis in US-Israel relations is growing. Thus while Israeli leaders applauded the White House's veto of last week's United Nations Security Council resolution calling for an immediate ceasefire, they know that the Biden administration supports a wider political and diplomatic approach that Israel's current government—as Netanyahu has stated—totally rejects.On December 12, President Joe Biden showed clear dissatisfaction with the Israeli government and Netanyahu. In remarks to donors, Biden reportedly said that Israel is losing support around the world because of how it is conducting the Gaza war. He also reportedly said that Netanyahu "has to change" and that the Prime Minister rejects the two-state solution on which the president has staked his approach to the Palestinian-Israeli conflict. This gap between the US and Israeli positions on the Gaza crisis is partly a consequence of the contradictory signals that the White House sent Israel in the first weeks following Hamas's October 7 assault. In addition to Biden's "bear hug" of Netanyahu—a leader for whom he has little love—US officials, including the President, signaled a kind of muddled ambivalence when it came to pressing Israel to limit the ferocity of its bombing campaign.In addition to Biden's "bear hug" of Netanyahu—a leader for whom he has little love—US officials, including the President, signaled a kind of muddled ambivalence when it came to pressing Israel to limit the ferocity of its bombing campaign.Still, it seemed that the November 24-December 1 truce might open the door to a wider diplomatic initiative led by the United States and backed by its Arab allies. But the efforts of the White House to prevent the resumption of hostilities failed for many reasons, not least of which was Israel's determination to "finish the job." Fearing the worst, the White House secured a promise from Israel that it would take new measures to limit civilian casualties. Secretary of State Antony Blinken's December 7 statement, however, that "there does remain a gap between…the intent to protect civilians and the actual results that we're seeing on the ground" underscored the administration's unhappiness with Israel's ensuing assault on southern Gaza. And it pointed to a far bigger problem, namely the White House's failure so far to secure an Israeli approval of a postwar plan for Gaza that involves the Palestinian Authority. For Washington, Netanyahu's singular and relentless focus on military tactics represents a strategic nightmare.National Rage and Political EvasionThere are at least two related reasons why Netanyahu's government has steadfastly avoided any hint of an ultimate political strategy toward Gaza.First, there is the impact of the continuing hostage crisis on the Israeli public. The vivid testimonies coming from some of the 105 hostages who were freed during the humanitarian pause have filled Israel's media, magnifying the outrage generated by the October 7 atrocities. Shocking accounts of Hamas's use of sexual violence against women and men has steeled the resolve of Israelis to support the war. That it took some two months for UN agencies and other international groups to clearly condemn the reported assaults and to call for investigations has only reinforced Israelis' view that they should circle the wagons and defy international pressures for a ceasefire. With the furious public fixated on revenge, Israel's government has felt no pressure to articulate any agenda beyond destroying Hamas.Second, by creating a five-member war cabinet—including opposition leaders Benny Gantz and Gadi Eisenkot, a former general whose son was killed on December 7 in Gaza—Netanyahu has restricted decision-making to a small group that has only one game plan for which he, of course, is the chief spokesman. But while this arrangement may allow Netanyahu to survive another day or week, or perhaps months, it has not prevented ultra-hardline members of the larger cabinet to issue calls for expelling Palestinians from Gaza. The Prime Minister's spokesman has denied that Israel has any such intentions. But in light of the war cabinet's reluctance to address the "day after" question—not to mention the reality that some 1.8 million Gazans have fled their homes—Arab officials have expressed growing fears that Israel is pursuing a new Nakba. That Vice President Kamala Harris has warned that "under no circumstances" will the United States tolerate the forced relocation of Palestinians from Gaza suggests that the Biden administration shares these worries.Against the background of Israel's expanding operations in northern and southern Gaza, the administration has been trying to mobilize regional support for a plan to place postwar Gaza under the control of a "revitalized" Palestinian Authority.Indeed, against the background of Israel's expanding operations in northern and southern Gaza, the administration has been trying to mobilize regional support for a plan to place postwar Gaza under the control of a "revitalized" Palestinian Authority (PA) so that, in Blinken's words, "we can get on the path to a just, lasting and secure peace for Israelis and Palestinians." Seeing such an effort as a step toward some kind of Palestinian statehood (a goal that President Biden has repeatedly endorsed over the past six weeks), Netanyahu has categorically rejected any notion of putting Gaza under the PA's supervision. Yet his failure to clarify the ultimate goal of Israel's military campaign is feeding concerns in Israel that despite explicit reassurances of staunch US support for the military campaign—most recently telegraphed in the White House's decision to bypass Congress in resupplying Israel with 14,000 rounds of tank munitions—the United States and Israel are on a collision course.The Government Should "Stop Playing Politics" Concerns over such a clash have prompted calls from Israeli opinion leaders for Netanyahu's government to articulate a "day after" agenda. While as might be predicted, some of these calls have come from the left or center left, more conservative figures have chimed in. Writing in the Jerusalem Post on December 8, one such commentator, Yaakov Katz, reminded his readers that in addition to warnings from Harris and Blinken, Secretary of Defense Lloyd Austin III cautioned Israel that by pursuing military operations killing thousands of civilians, Israel may drive Gazans into the hands of Hamas and thus courting "strategic defeat." According to Katz, such US statements demonstrate that "while the US has held off on calling for a comprehensive cease fire…there is no doubt in Jerusalem that such a call is growing closer"—and with it, a potential clash over the fundamental question of where Gaza will fit into a revived peace process. To avoid or at least minimize this clash, Katz argued that "Israel needs to put forward a plant for the 'day after' that "includes some sort of diplomatic engagement with the Palestinian Authority." At the same time, Katz contended that Americans need to undergo their own transformation by not creating unrealistic expectations about a two-state solution in the absence of "an Anwar Sadat-like leader on the Palestinian side."Katz apparently does not feel that Netanyahu can be trusted to prevent such a clash, as the Prime Minister is only "playing politics." But given the still-enormous gap between US and Israeli positions on the future of Palestinians in both Gaza and the West Bank, it is difficult to imagine how the author's call for Israel to "coordinate with the US" on devising a common plan would amount to little more than an exercise in kicking the can down the road. This, of course, is what the author advocates. But it is far from clear that the Biden administration ultimately will be prepared to put a band aid on what is a deepening diplomatic wound between the United States and Israel.Despite or perhaps because of these clashing visions, it appears that Israel's war cabinet has concluded that it is time to begin fashioning some kind of diplomatic-political strategy. Commenting on the subject, one Israeli analyst noted that while Netanyahu recently has formed a committee to decide on strategies for postwar Gaza, "devising a feasible plan that can gain acceptance in this current government will be a significant challenge."For Israel, the United States, and the region, the other important "day after" could be on the morning following new elections and the subsequent formation of a new Israeli government. That is putting it mildly. Giving a committee the task of settling on strategies for Gaza after the war feels more like a bureaucratic evasion than a serious effort to come to grips with another fundamental strategic question at hand. It may well be that this Israeli government will not be able to seriously address this challenge. For Israel, the United States, and the region, the other important "day after" could be on the morning following new elections and the subsequent formation of a new Israeli government. But the lasting tremors of October 7 could produce a government that is as far right as the current one. Regardless of when this other day after happens, it is clear that the United States and Israel are at loggerheads.An Endless Insurgency?However real, the brewing conflict between the United States and Israel has been obscured by a basic contradiction in the Biden administration's approach to the Gaza conflict. On the one hand, it seems evident that the administration expects Israel to deal Hamas a decisive military blow that will make it possible, with the backing of Arab states and the international community, to pursue new efforts to broker Palestinian-Israeli peace. On the other hand, the calamitous effects of Israel's military campaign on Gaza's civilian population have created a diplomatic dilemma for the administration that it cannot tolerate much longer. Thus it is possible that sooner rather than later the White House will support a revised ceasefire plan at the United Nations.It is precisely this prospect that has impelled Israel to accelerate its military operations in the hope that it can dismantle Hamas's military and political infrastructure before US patience runs out. Yet, even if it achieves this goal, Israel may face a Hamas insurgency that could last months, if not years. It is hard to imagine how this expectation can be squared with any serious strategy for addressing the political future of Gaza. Moreover, as several analysts have argued, while Israeli leaders hope that Gazans will blame Hamas's leaders for the current catastrophe as much as if not more than they blame Israel, the continuing onslaught may spur many more young Gazans to join Hamas, thus spawning a guerilla campaign that could have Israeli soldiers fighting and dying in an endless battle. Such an outcome would represent a victory for Hamas or whatever group succeeds it, especially if it unfolds in the maelstrom of a wider regional war.While Israeli leaders hope that Gazans will blame Hamas's leaders for the current catastrophe as much as if not more than they blame Israel, the continuing onslaught may spur many more young Gazans to join Hamas.For the United States and its Arab allies, the possibility of this unwarranted scenario is as real as it is unacceptable. To avoid it, the Biden administration might try to fashion a diplomatic achievement, perhaps by brokering a breakthrough in Israeli-Saudi relations. It may be that the prospect of normalizing ties with Saudi Arabia will shake up Israel's traumatized polity in ways that open the door for the kind of solutions not currently on the horizon. But if there is going to be an Abraham Accords Round Two—one that is about real peacemaking rather than the joys of celebrating Chanukah in Dubai—President Biden will have to back an Israeli-Palestinian game plan that may cause unprecedented tensions in the US-Israeli strategic partnership.This article has been republished with permission from Arab Center Washington DC.
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In the last year or so there have been two books published on Althusser and Spinoza. Juan Domingo Sánchez Estop's Althusser et Spinoza: Detours et Retours and now Jean Matthys Althusser lecteur de Spinoza: Genèse et enjeux d'une éthico-politique de la théorie. This is perhaps not surprising, after all Althusser confessed to being a Spinozist famously in 1972, but I would argue that there are still some surprises to be found in terms of this combination. First, and most fundamentally, it is surprising to see two full length studies on Althusser and Spinoza since as much as the name and concepts of Spinoza played fundamental or pivotal roles in Althusser's thought, underlying his own concepts of structural, or immanent, causality, symptomatic reading, and ideology, Althusser wrote very little on Spinoza. I have often thought that the Althusser Spinoza connection exists more in its effects, in what it made possible in the writing of Macherey and Balibar, to name just two proximate effects, rather than in Althusser's thought. Estop and Matthys both contest such an interpretation, arguing for a Spinozism that is more immanent and more consistent in Althusser's works than the few times he is mentioned by name. That is not the only surprise. As I mentioned in my review of Estop's book, it is perhaps surprising that Althusser once stated in an interview that "the Tractatus Theologico-Politicus is the Capital of Spinoza, because Spinoza is preoccupied above all with history and politics." One would think that Althusser, who drew from the Ethics in terms of his theory of ideology and immanent causality, would focus more on the Ethics and Capital, two works that are systematic and complete. However, Althusser's invocation of the TTP suggests that it is less Spinoza's system than his particular intervention in a specific conjuncture that matters. To this point Matthys adds another somewhat surprising, even paradoxical consideration, that Spinoza is less a foundation of Althusser's thought than the critical destruction of any such foundation. As Matthys writes, "With respect to Althusser the principle political virtue of spinozism is found paradoxically in its radical critique of any foundation, of any purity of knowledge, and of any originary and transcendental position which supposed to guarantee political action in its course, its end and means, and to reassure its subjects of a form of self-identity in action, supported by an instance of definitive and overwhelming truth. The paradox is doubled in that, if is precisely in not founding, in not delimiting a priori a philosophical guarantee of a true politics that spinozism can produce its properly political effects, it only seems to be able to free political practice from its imaginary guarantees by investing in the most literally "dogmatic" position in the kampflatz which is the fortress of metaphysics."For Althusser Spinoza is a question of theory of its conditions and limits. Matthys argues that this not only makes it possible to read a trajectory through Althusser's thought in which the question of theoretical practice is central, but it also distinguishes Althusser from the two primary orientations to Spinoza today, a rationalist and structuralist orientation in Lordon and a vitalist and ontological orientation that can be found in Deleuze and Negri. Althusser (and to some extent Macherey and Balibar) would represent a third orientation. It might be easy to call this orientation epistemological, since it would seem to be primarily concerned with knowledge, and the division between ideology and science, but I think that misses the way in which the question of knowledge is thoroughly implicated with that of practice in the works of Althusser. Matthys uses the phrase the "ethico-political of theory" to express this third orientation. With respect to the former, the trajectory of Althusser's thought, the formulation "without origin or end" is familiar to any reader of Althusser, and he made this idea central to his understanding of not only Marx's idea of history, as a process without origin or end, but his understanding of philosophy. Origin and end remained for Althusser fundamentally theological questions taken up by philosophy, but fundamentally alien to it. As Althusser writes in Philosophy for Nonphilosophers, "Philosophy inherited this question of questions, the question of the Origin of the World, which is the question of the World, humanity and God." This is a latter text, written in the late sixties and early seventies, but published posthumously. Matthys demonstrates that the question of the origin can be found at the origin of Althusser's thought, from his early text on Hegel onward. Althusser is not so much searching for an origin, a foundation, in the sense of an archimedean point, but trying to think without origin and guarantee. Spinoza in some sense resolves the question of origin by splitting it into two. We begin at once with imagination, with our immediate knowledge, which is necessarily distorted and inadequate. This immediate knowledge is necessary ideological. However, as Matthys argues, the illusions of ideology are also allusions, they always allude to the very social conditions that they conceal and efface, which is to say that there is the condition of knowledge in our misrecognition. Or as Spinoza puts it, habemus enim ideam veram, we have a true idea. For Althusser this true idea is tied to practice, which is to say that truth must be produced from ideological conditions. We are always at once in our imaginary and ideological apprehension of the world and in our practical engagement with it. The question of knowledge is how to turn the latter against the former, to locate the orientation of a practical dimension in ideology. As Spinoza describes such a production in the Treatise on the Emendation of the Intellect, "But just as men, in the beginning, were able to make the easiest things with the tools they were born with (however laboriously and imperfectly), and once these had been made, made other, more difficult things with less labor and more perfectly, and so, proceeding gradually from the simplest works to tools, and from tools to other works and tools, reached the point where they accomplished so many and so difficult things with little labor, in the same way the intellect, by its inborn power, makes intellectual tools for itself, by which it acquires other powers ... until it reaches the pinnacle of wisdom." (This is a passage that is essential to Macherey's reading, I also write about it here)This probably won't be the cover but speaking of Spinozaand tools, Spinoza and Marx. I thought I would throw in a plug for my forthcoming book. As Matthys argues this idea of knowledge as a kind of production is what connects Marx and Spinoza. As Matthys writes, "That to read, to know, is always to produce: this is the first lesson that Althusser retains from Spinoza, projecting it to Marx and applying it to his own reading of Marx." Althusser's "symptomatic reading" is situated in between the theory of reading put forward by Spinoza in the Tractatus Theologico-Politicus and Marx's practice of reading political economy. Matthys juxtaposes this practice of producing knowledge, a practice that always begins with its specific and determined position, with ideology that begins with the subject. Reading, the production of knowledge, what Althusser calls science, is infinitely productive, capable of new knowledge because it begins from its finite position; in contrast to this ideology is infinitely repetitive and limited because it believes that it can immediately grasp everything. Two things are most striking about Matthys book. First, even though it is exhaustive in its survey of Althusser's writing, begin with the thesis on Hegel from 1947, it is unapologetically a book about what could be considered "peak" Althusser, the period between 1965-1972 when the concepts of symptomatic reading, structural causality, theoretical practice, and ideological interpellation where developed. This is the period in which Althusser is most influenced by Spinoza, thinking through in his own way, the Spinoza/Marx conjunction. This is also the period that came under the most criticism, as ahistorical, functionalist, determinist, etc., or, in terms of Althusser's own self-criticism, as theoreticist. Theoreticism as Althusser defined is reducing all of the demarcations between Marxism and political economy, as well as between Marx and the young Marx to a distinction between "truth and error," overlooking the social, historical, and political dimensions of Marx's transformation. This brings us to the second aspect of Matthys book, Matthys argues that what Althusser dismissed as too rational and theoretical has, at its core, a hidden ethico-political dimension. This is perhaps surprising. What does the critic of humanism have to say about ethics, that human, all too human of disciplines. Althusser's interest in Spinoza never seemed to touch on the title of his most important book. As André Tosel argued in his Du Matérialisme de Spinoza, "the Althusser of Spinoza has lost all ethico-political dimensions." It is hard to see immediately what the ethical dimension to Althusser's theoretical interventions are, and it is hard not to agree with Tosel. Tosel proves to be quite important to the final section of the book, however, not in terms of his criticism but in terms of important points of overlap between Althusser and Tosel. (Matthys is also the also the author of a great series of essays on Tosel). In some sense it is Tosel who provides the concepts to make sense of the ethical dimension of Althusser's theoretical interventions. As I have argued, here, and elsewhere, Tosel argues for a "finite communism," that is in sharp contrast to capital's dreams of endless accumulation as well as Marxist ideas of a thoroughly rational mastery of the productive forces. Matthys argues that Althusser can be understood as a thinker of finitude. That the very idea of theoretical practice was to think the limited efficacy of theory as practice, to situate it within other practices. As Matthys writes, "Practice in the Althusserian sense would be from this point of view analogous to the Spinozist mode, in the sense that it cannot be conceived by itself, but it can only exist, produce effect and be known in that it is articulated differently with different instances of the field." Finitude is understood here not as some particular relation to death, an all too human definition, but to be finite is to exist in and through relations with other finite things. Similarly, Althusser's famous statement about the lonely hour of the last instance is a statement about the finitude of Marxism as a theory. It will always be necessary to think the causality of the structure through its effects, to recognize the overdetermination of any essence or any essential contradiction. As Matthys writes,"Thinker of the limit, certainly, but if one prefers: a thinker of finitude. Because if Althusser tries to think the limit between marxism and its outside, between science and ideology, between materialism and idealism, it means that this line of demarcation necessarily through the heart of Marxism itself." Althusser's demarcations are not divisions accomplished once and for all, as in the epistemic break, but are produced again and again, and that finitude, that incomplete status, is precisely what makes them productive, creating new knowledge. I feel like I could go on and on about this book, but blogposts are definitely finite and limited in what they can do, so it seems necessary to conclude. The merits of Matthys book are multiple. To begin with the last, Matthys puts two of the most important Marxist philosophers of the second half of the twentieth century, Althusser and Tosel, in dialogue, using one to expand the insights of the other. Second, it is a thorough study of the "Spinoza effect" in Althusser's thought, how much Althusser was transformed by his engagement with Spinoza. Spinoza cannot be reduced to the few citations in Lire le Capital and Elements of Self-Criticism, but is immanent in its effects throughout Althusser. Matthys, like Estop referred to above, as well as Morfino, Montag, Sharp, Stolze, etc. recognizes that Althusser is as much a Spinozist as a Marxist. Thus, all of Althusser's deviations of the sixties, deviations labelled "theoreticism," "structuralism," "functionalism," have to be understood as not just fidelity to Marx and Spinoza, but ultimately as conditions for new theoretical production.
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Mit der Verabschiedung der Agenda 2030 wurden im Jahr 2015 siebzehn Ziele für eine nachhaltige Entwicklung, die sogenannten Sustainable Development Goals (SDGs), festgelegt. Da die SDGs auf alle Ebenen der Regierung anwendbar sind, bilden diese Ziele auch für Kommunen einen wichtigen Rahmen zur Orientierung. Eine nachhaltige Entwicklung gewinnt somit auch auf kommunaler Ebene zunehmend an Bedeutung. Dies zeigt sich unter anderem anhand des Engagements, das in vielen Kommunen zu erkennen ist. Durch die SDGs haben auch Kommunen einen strategischen Orientierungsrahmen und können konkrete Ziele und Maßnahmen leichter festlegen. Nachhaltigkeit kann somit vor Ort wirkungsvoller in die Realität umgesetzt werden.Effektiver Klimaschutz und Nachhaltigkeitsmanagement auf kommunaler Ebene ist essenziell. Neben dem notwendigen Beitrag zur nationalen und internationalen nachhaltigen Entwicklung können Kommunen klare Vorteile aus einer Nachhaltigkeitsstrategie ziehen: Beispielsweise können Gebäude energieeffizienter gebaut und genutzt und das Verkehrssystem kann effizienter und umweltfreundlicher gestaltet werden und gleichzeitig die CO2-Belastung und Verkehrsdichte im urbanen Raum reduzieren. Was zum Klimaschutz beiträgt, kann demnach gleichzeitig die Attraktivität von Kommunen steigern. Des Weiteren schützen sich Kommunen so vor Wetterextremen und können sich an den Klimawandel anpassen.Nach wie vor bestehen Unterschiede. Während einige Kommunen bereits seit mehreren Jahrzehnten an einer möglichst nachhaltigen Stadtentwicklung arbeiten und bereits viele Erfahrungen sammeln und Erkenntnisse gewinnen konnten, haben andere Städte vergleichsweise spät damit begonnen. Weiterhin schlagen Kommunen teils sehr unterschiedliche Wege ein, um die festgelegten Nachhaltigkeitsziele zu verwirklichen. Dies kann beispielsweise an den örtlichen Gegebenheiten oder an unterschiedlichen Ziel- und Schwerpunktsetzungen liegen. Übergeordnet stellen sich die Fragen, wieso gerade auf kommunaler Ebene viel für den Klimaschutz und Nachhaltigkeit getan werden muss und seit wann dies konkrete Formen annimmt.Ziel dieser Ausarbeitung ist es, zwei europäische Großstädte bezüglich ihrer bisherigen Nachhaltigkeitsentwicklung zu untersuchen. Die Schwerpunktsetzung liegt dabei sowohl beim Bereich Mobilität als auch bei ausgewählten Maßnahmen im Bereich einer nachhaltigen Stadtplanung. Weitere Aspekte werden bei Bedarf hinzugezogen. Ein Vergleich zwischen beiden Städten soll anschließend erfolgen. Bei diesem Vergleich müssen die Besonderheiten der jeweiligen Stadt berücksichtigt werden. Auch wenn nicht alle Parameter berücksichtigt werden können und ein direkter Vergleich möglicherweise nicht in allen Bereichen zielführend ist, können dadurch Erkenntnisse, beispielsweise bezüglich des Fortschritts der jeweiligen Stadt, gewonnen werden.Bei den zu untersuchenden Kommunen handelt es sich um Kopenhagen und München. Beide Städte weisen unterschiedliche Ausgangslagen, Besonderheiten und geografische Gegebenheiten auf, was darauf schließen lässt, dass divergente Befunde auftreten. Dies macht einen Vergleich interessanter und aufschlussreicher als beispielsweise einen Vergleich auf nationaler Ebene. Es handelt sich um internationale Städte innerhalb der Europäischen Union. Weiterhin sind beide Städte Großstädte, die ihre jeweilige Region prägen. Trotz der verschiedenen Gegebenheiten werden dabei exemplarisch ähnliche Bereiche beleuchtet. Dies soll die Vergleichbarkeit gewährleisten. Neben der Mobilität werden die Bereiche der Energieversorgung und Extremwetter- beziehungsweise Klimaanpassung beleuchtet.Bevor die Kommunen untersucht werden, werden im Vorgriff die für diese Ausarbeitung notwendigen Grundlagen thematisiert. Hier werden zentrale Elemente untersucht, zum Beispiel, wie Nachhaltigkeit definiert wird, welche Rolle eine nachhaltige Stadt spielt, was eine nachhaltige Stadt ausmacht und wie der urbane Raum überhaupt zentral für internationale Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsbestrebungen werden konnte. Da es sich hierbei um zentrale Aspekte handelt, die es auf dem Weg zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung zu verstehen gilt, fällt dieser Teil verhältnismäßig umfangreich aus.GrundlagenIn diesem Kapitel werden relevante Grundlagen betrachtet. Dazu gehört neben Grundbegriffen und Faktoren, die sich auf nachhaltige Mobilität und Stadtplanung beziehen, ein kurzer Überblick, der beschreibt, wie das Thema Nachhaltigkeit historisch betrachtet für die kommunale Ebene relevant wurde. Darüber hinaus muss der Begriff Nachhaltigkeit vorab definiert werden, womit nachfolgend begonnen wird.Begriff NachhaltigkeitDer Begriff Nachhaltigkeit existiert seit mehr als drei Jahrhunderten und wurde ursprünglich in der Forstwirtschaft verwendet. Nachhaltigkeit stammt aus einem Bereich, in dem ressourcenschonendendes Wirtschaften äußerst relevant ist. Bezeichnend für das damalige Verständnis von Nachhaltigkeit ist die Vorgabe, innerhalb eines Jahres nicht mehr Holz zu fällen, als in derselben Zeitspanne nachwachsen kann (vgl. Weinsziehr/Verhoog/Bruckner 2014, S. 3). Die Forstwirtschaft arbeitete demzufolge dann nachhaltig, wenn der Verbrauch der Ressourcen und somit die Abholzung die Menge des nachwachsenden Holzes nicht übersteigt. Die heutige Auffassung von Nachhaltigkeit ist mit diesem Ursprungsgedanken eng verknüpft. Dies zeigt sich auch anhand der folgenden Definition:"Nachhaltigkeit oder nachhaltige Entwicklung bedeutet, die Bedürfnisse der Gegenwart so zu befriedigen, dass die Möglichkeiten zukünftiger Generationen nicht eingeschränkt werden" (vgl. Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung 2023c, o.S.).In der heutigen Zeit bezieht sich der Begriff Nachhaltigkeit jedoch auf alle Wirtschaftsbereiche und beinhaltet einen weiteren Aspekt, die sogenannte "Triple Bottom Line" (TBL), welche drei Dimensionen einer nachhaltigen Entwicklung benennt (vgl. Weinsziehr/Verhoog/Bruckner 2014, S. 3f.): Die wirtschaftliche Effizienz, die soziale Gerechtigkeit und die ökologische Tragfähigkeit müssen gleichberechtigt betrachtet werden, und möglichst alle politischen Entscheidungen sollten Nachhaltigkeit als Grundlage beinhalten (vgl. Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung 2023c, o.S.).Der Begriff Nachhaltigkeit wird heute teilweise inflationär verwendet (vgl. Aden 2012, S. 15). Im weiteren Verlauf dieser Arbeit spielt vor allem das Verständnis einer nachhaltigen Entwicklung eine Rolle, was wie folgt definiert werden kann:"Politik und menschliches Verhalten sollen sich an der langfristigen Erhaltung der Lebensgrundlagen orientieren" (ebd., S. 15).Nachhaltige Stadt: Eine ArbeitsdefinitionEs gilt, eine adäquate Arbeitsdefinition von Nachhaltigkeit im Sinne einer nachhaltigen Stadtentwicklung zu formulieren. Ziel dieser Arbeit ist es, vor allem den Bereich Mobilität innerhalb von München und Kopenhagen zu beleuchten. Nachhaltigkeit im weiteren Verlauf bezieht sich somit vermehrt auf eine ressourcenschonende und emissionsarme Verkehrsplanung. Neben der Verkehrsplanung sind jedoch weitere Elemente interessant. Eine in der Gesamtheit nachhaltige Stadt lässt sich wie folgt definieren:" […] ein gut ausgebautes Netz des Öffentlichen Personennahverkehrs, eine regelmäßige Müllentsorgung sowie architektonische Innovationen, die es der städtischen Bevölkerung erlauben, einen nachhaltigen Lebensstil zu pflegen" (Bildung für nachhaltige Entwicklung 2023, o.S.).Ein nachhaltiger Lebensstil wiederum bedeutet, dass Menschen durch ihren eigenen Lebensstil und den Verbrauch ihrer Ressourcen nachfolgenden Generationen dieselben Möglichkeiten bieten (vgl. Aachener Stiftung Kathy Beys 2015, o.S.). Eine nachhaltige Stadt ist gleichzeitig eine für ihre Bewohner:innen ansprechende Stadt, die eine saubere Umwelt, ein intaktes Verkehrssystem, erschwingliche Energie und ein gutes gesellschaftliches Miteinander gewährleistet (vgl. Dütz 2017, S. 15).Eine nachhaltige Stadtentwicklung kann somit eine Vielzahl verschiedener Themenbereiche beinhalten (vgl. Firmhofer 2018, S. 10). Aufgeteilt in zwei Oberbereiche muss sich eine Stadt bezogen auf die städtische Infrastruktur und auf das städtische Leben verändern. Die städtische Infrastruktur beinhaltet zum Beispiel das Transportwesen sowie die Energie- und Wasserversorgung. Das städtische Leben enthält unter anderem wohnliche, arbeitstechnische, soziale und kulturelle Elemente (vgl. ebd., S. 10). Der Begriff Stadtentwicklung selbst bezeichnet"die Steuerung der Gesamtentwicklung von Städten und Gemeinden und erfordert eine integrierte und zukunftsgerichtete Herangehensweise, die durch Stadtplanung […] umgesetzt wird" (Koch/Krellenberg 2021, S. 19).Folgende Handlungsfelder sind besonders relevant für eine nachhaltige Stadtentwicklung: Die Dekarbonisierung, die Förderung möglichst umweltfreundlicher Mobilität, das Ziel einer baulich und räumlich kompakten sowie sozial durchmischten Stadt, die Klimawandelanpassung und die Bekämpfung von Armut (vgl. ebd., S. 22).Diese Eingrenzung dient als Fokus dieser Ausarbeitung. Das Augenmerk liegt neben der städtischen Verkehrsinfrastruktur auf weiteren ausgewählten Aspekten, beispielsweise auf der Energieversorgung und baulichen Maßnahmen. Diese Aspekte werden hinsichtlich der Frage betrachtet, ob und in welchem Maße die städtische Bevölkerung dadurch einen nachhaltigen Lebensstil erreichen kann. Somit ist ebenso das städtische Leben relevant.Entwicklung nachhaltiger KlimaschutzzieleUm zu verstehen, wie sich ein Nachhaltigkeitskonzept auf kommunaler Ebene entwickeln konnte, wird ein historischer Überblick gegeben, der die Entwicklung nachhaltiger Klimaschutzziele von der globalen bis hin zur kommunalen Ebene zusammenfasst. Dabei werden vor allem relevante Eckpunkte benannt.Im Jahr 1997 wurde das Kyoto-Protokoll beschlossen und trat acht Jahre später in Kraft. Durch diese Vereinbarung verpflichteten sich die meisten Industriestaaten inklusive der damaligen EU-Mitgliedsstaaten dazu, die Emissionen von bestimmten Treibhausgasen innerhalb von vier Jahren um mindestens fünf Prozent, verglichen mit dem Jahr 1990, zu senken (vgl. Eppler 2023, o.S.).Im Jahr 2000 verständigten sich die Vereinten Nationen (UN) auf die Millennium Development Goals (MDGs) (vgl. Koch/Krellenberg 2021, S. 6). Durch diese Erklärung verpflichteten sich die Staats- und Regierungschefs der jeweiligen Staaten neben der Bekämpfung von Armut, Hunger und Krankheiten auch gegen Umweltzerstörung vorzugehen. Um die Fortschritte messbar zu machen, wurden Zielvorgaben für das Jahr 2015 formuliert (vgl. Weltgesundheitsorganisation 2018, o.S.). Der Fokus lag auf der supranationalen, also auf der überstaatlichen Ebene. Eine nachhaltige Stadtentwicklung stand nicht im Fokus, war durch einige Zielformulierungen dennoch indirekt betroffen (vgl. Koch/Krellenberg 2021, S. 6).Im Jahr 2009 fand die Weltklimakonferenz in Kopenhagen statt. Das Ziel, die Erderwärmung auf weniger als zwei Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu begrenzen, wurde als Absichtsziel erklärt, jedoch fehlten verpflichtende Regelungen (vgl. Schellnhuber u. a. 2010, S. 5). Der festgelegte Wert von zwei Grad Celsius kommt durch die Wissenschaft zustande. Diese geht davon aus, dass dieser Wert nicht überschritten werden darf, um drastische Konsequenzen zu vermeiden (vgl. Buhofer 2018, S. 83).Mit dem Pariser Klimaabkommen wurde das Zwei-Grad-Celsius-Ziel festgelegt (vgl. Edenhofer/Jakob 2017, S. 39). Dieses Mal handelt es sich um ein völkerrechtlich bindendes Abkommen, welches das Kyoto-Protokoll ablöste und zur Erreichung der Eckpunkte verstärkt die kommunale Ebene miteinbezieht (vgl. Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg 2023, o.S.). Weitere Ziele des Pariser Klimaabkommens, das Ende 2016 in Kraft trat, sind die Senkung von Emissionen und die Klimawandelanpassung (vgl. Watjer 2023, o.S.). Nationale Klimaschutzkonzepte sind in der Regel als Folge des Pariser Klimaabkommens entstanden (vgl. ebd. 2023, o.S.). Die Vereinten Nationen brachten im Jahr 2015 die Agenda 2030 auf den Weg, die klare Ziele für eine nachhaltige Entwicklung benennt (vgl. Koch/Krellenberg 2021, S. 7).Agenda 2030 und die Sustainable Development Goals"Transforming our world" (Koch/Krellenberg 2021, S. 6) - diese Formulierung verdeutlicht die ambitionierten Ziele, die mit der Agenda 2030 durch die Ziele für nachhaltige Entwicklung, die Sustainable Development Goals (SDGs) festgelegt wurden. Die Agenda 2030 ist für alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen gültig. Kern der Agenda ist das Ziel einer nachhaltigen globalen Entwicklung auf allen dazugehörigen Ebenen, was durch die 17 Ziele erreicht werden soll (vgl. Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung 2023a, o.S.). Diese Ziele ergänzen sich gegenseitig, haben den gleichen Stellenwert und beinhalten jeweils zwischen acht und zwölf Unterziele (vgl. Koch/Krellenberg 2021, S. 9). Auch wenn die Agenda 2030 von allen UN-Mitgliedsstaaten beschlossen wurde, ist diese rechtlich nicht bindend, was ebenfalls für die SDGs gilt (vgl. ebd. 2021, S. 12).Im Vergleich zu den MDG-Zielen sind die SDG-Zielsetzungen umfangreich formuliert und mit SDG-Ziel elf wird erstmals die regionale und lokale Ebene in den Blickpunkt genommen. Dieses Ziel betrachtet ausdrücklich die Entwicklung von Städten und Gemeinden mit dem Anspruch, diese neben einer nachhaltigen Gestaltung sicherer, inklusiver und widerstandsfähig zu gestalten (vgl. Koch/Krellenberg 2021, S. 7f.).Nachfolgend werden die wichtigsten Unterziele dargestellt. Neben der Sicherung von bezahlbarem Wohnraum soll das Verkehrssystem nachhaltig, sicher, zugänglich und bezahlbar ausgebaut werden (vgl. Vereinte Nationen 2023b, S. 24). Siedlungspläne sollen auf eine nachhaltige Entwicklung ausgerichtet werden (vgl. ebd., S. 24). Ziel hierbei ist es, die Verstädterung bis 2030 nachhaltiger und inklusiver zu organisieren. Ebenfalls bis 2030 soll die Zahl der durch Klimakatastrophen bedingten Todesfälle und Betroffenen deutlich gesenkt werden (vgl. Koch/Krellenberg 2021, S. 10). Von Städten ausgehende schädliche Umweltauswirkungen sollen verringert, die Luftqualität verbessert und Grünflächen als öffentliche Räume geschaffen und inklusiv, also für alle Menschen, zugänglich gemacht werden (vgl. Vereinte Nationen 2023b, S. 24).Weitere SDGs lassen sich nur durch städtische Maßnahmen verwirklichen und sind daher eng mit der urbanen Entwicklung verbunden. Ein Beispiel ist SDG 7, das auf nachhaltige beziehungsweise erneuerbare Energien fokussiert ist und nicht entkoppelt von der zukünftigen Energieversorgung in den Städten betrachtet werden kann (vgl. Koch/Krellenberg 2021, S. 11).Durch die Festlegung dieser Ziele ist Nachhaltigkeit ein zentraler Aspekt der Städteplanung und -entwicklung. Städte stehen somit spätestens seit der Agenda 2030 auch formell vor großen Herausforderungen und Transformationsprozessen. Die Zuspitzung von Umweltkatastrophen und Extremwetterereignissen zeigt, dass Städte darüber hinaus dazu gezwungen sind, Klimaanpassungsmaßnahmen und eine nachhaltige Stadtentwicklung zügig umzusetzen.Klimaschutz in der Europäischen Union, in Deutschland und in DänemarkWas haben diese internationalen Abkommen bewirkt? Da München und Kopenhagen im Fokus dieser Ausarbeitung stehen, müssen diese Städte betreffende Beschlüsse bezüglich der gesetzten Ziele einer nachhaltigen Stadtentwicklung auf weiteren Ebenen betrachtet werden. Trotz der Ähnlichkeit der festgelegten Klimaschutzprogramme in der EU, in Dänemark und in Deutschland, werden diese separat zusammengefasst. Im Jahr 2007 betrug der Anteil der EU an globalen CO2-Emissionen ein Sechstel und der Anteil der Treibhausgasemissionen der Industrieländer ein Fünftel (vgl. Dröge 2007, S. 2). Dies untermauert den Handlungsbedarf.Das Klimaschutzprogramm der aktuellen Fassung des deutschen Klimaschutzgesetzes hat an den ehrgeizigen Zielen nichts geändert. Nach wie vor soll Deutschland bis 2045 treibhausgasneutral sein und den Ausstoß von Treibhausgasen bereits bis 2030 um 65 Prozent gesenkt haben (vgl. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung 2023, o.S.).Dänemark hat eine Klimastrategie vorgelegt und sich das Ziel gesetzt, eine Vorreiterrolle einzunehmen. Bis 2030 will Dänemark seine Treibhausgasemissionen um 70 Prozent senken. Klimaneutralität soll bis 2050 erreicht sein (vgl. Außenministerium Dänemark 2020, S. 27). Ebenso will Dänemark dazu beitragen, die globalen Anstrengungen voranzutreiben. Hierfür soll mit anderen Ländern und mit nichtstaatlichen Akteur:innen zusammengearbeitet werden (vgl. Außenministerium Dänemark 2020, S. 6).Auf EU-Ebene sind die Zielsetzungen ähnlich, was sich durch den "Green Deal" der EU zeigt. Demzufolge sollen die Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 Prozent reduziert werden, bis 2050 soll Treibhausgasneutralität herrschen (vgl. Europäische Kommission 2023, o.S.). Ziel ist es, durch diesen europäischen "Grünen Deal" der erste klimaneutrale Kontinent zu werden und dementsprechend die Verpflichtungen umzusetzen, die sich aus dem Pariser Klimaabkommen ergeben (vgl. Europarat 2023, o.S.). Folglich sind die Ziele von Deutschland und Dänemark bezüglich der Erreichung und der Höhe der Einsparungen teilweise höher angesetzt, als auf EU-Ebene beschlossen.Nachhaltige StadtentwicklungEs stellt sich die Frage, aus welchen Gründen gerade der urbane Raum eine zentrale Größe für Nachhaltigkeitsziele einnimmt. Aktuelle Berichte, Daten und Prognosen können dabei helfen, diese Frage zu beantworten.Relevanz einer nachhaltigen StadtentwicklungDer jüngste SDG-Fortschrittsbericht wurde im Mai 2023 veröffentlicht. Die Vereinten Nationen kommen darin zu dem Ergebnis, dass über die Hälfte der Weltbevölkerung momentan in städtischen Gebieten lebt. Dieser Anteil könnte bis 2050 auf etwa 70 Prozent steigen (vgl. Vereinte Nationen 2023a, S. 34). Verglichen mit dem Jahr 2020 wird die urbane Bevölkerung in Mitteleuropa und somit auch in Deutschland und Dänemark im Jahr 2050 um acht Prozent steigen (vgl. Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung 2023b, S. 4).Im Vergleich zu anderen Kontinenten stellt dies einen geringen Anstieg dar. So wird die städtische Bevölkerung in Nordafrika im gleichen Referenzzeitraum voraussichtlich um 79 Prozent steigen (vgl. ebd. 2023b, S. 4). Zwei Aspekte dürfen jedoch nicht unbeachtet bleiben: Zum einem ist es eine globale Herausforderung, diesem Anstieg gerecht zu werden. Die Auswirkungen werden für viele mittelbar und unmittelbar spürbar sein. Weiterhin stehen bei einem Bevölkerungsanstieg von acht Prozent auch dicht besiedelte mitteleuropäische Städte vor einer Vielzahl an Aufgaben, was sich auch für Städte wie München und Kopenhagen bemerkbar machen wird. Beispielsweise lebten bereits im Jahr 2017 drei von vier Menschen in Deutschland innerhalb von Städten (vgl. Dütz 2017, S. 14). Dementsprechend sind auch europäische Städte zentral, was die Implementierung der Klimaschutzziele angeht (vgl. ebd., S. 13).Städte verbrauchen mit knapp 80 Prozent bereits heute einen Großteil der weltweiten Energie und Ressourcen, beispielsweise durch die großen Abfallmengen, das Heizen und den Schadstoßausstoß der vielen Fahrzeuge (vgl. Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung 2023d, o.S.). Gleichzeitig sind Städte für bis zu 76 Prozent der CO2-Emissionen weltweit verantwortlich (vgl. Climate Service Center Germany 2015, S. 1). Städte gehören somit zu den Hauptverursachern des Klimawandels, was durch folgende Worte deutlich wird:"Der Klimanotstand ist auch ein Notstand der Stadt" (Chatterton 2019, S. 275).Durch den prognostizierten Bevölkerungsanstieg wird die Relevanz von Städten bezogen auf die Realisierung von Klimaschutzzielen weiter steigen. Nicht zuletzt, da Städte bereits heute für den Großteil der CO2-Emissionen und des Energieverbrauchs verantwortlich sind. Städte nehmen eine zentrale Rolle in der Verwirklichung einer nachhaltigen Zukunft ein. Gleichzeitig sind gerade Städte durch den Klimawandel in erhöhtem Maße gefährdet (vgl. Climate Service Center Germany 2015, S. 1f.). Auch aus Gründen des Selbstschutzes sind Städte daher gezwungen, Strategien und Maßnahmen zur Klimaanpassung zu entwickeln. Nur so kann der urbane Raum dem Klimanotstand gerecht werden. Entwicklung einer nachhaltigen und klimaneutralen Stadt"Wie lässt sich die Entwicklung der Städte so steuern, dass diese den notwendigen Beitrag zu einer globalen nachhaltigen Entwicklung leisten können?" (Koch & Krellenberg 2021, S. 2).Diese zentrale Frage stellt sich in diesem Kapitel. Konkret wird der Frage nachgegangen, wie eine Stadtentwicklung aussehen muss, um notwendige Nachhaltigkeitsziele hinreichend zu erfüllen und den Erfordernissen einer nachhaltigen Stadt gerecht zu werden.Der aktuelle SDG-Fortschrittsbericht bilanziert die Hälfte der Zeit seit Inkrafttreten der SDG-Ziele. Die Halbzeitbilanz der Agenda 2030 liest sich bezogen auf die Fortschritte einer städtischen Nachhaltigkeitsentwicklung insgesamt ernüchternd: Lediglich die Hälfte der städtischen Bevölkerung hatte im Jahr 2022 annehmbaren Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln, auch die Luftverschmutzung und der Mangel an Freiflächen sind anhaltende Probleme in Städten (vgl. Vereinte Nationen 2023a, S. 34).Gleichzeitig hält der Bericht fest, dass in Ländern mit hohem Einkommen viel für die Bekämpfung der Luftverschmutzung getan wurde, was dennoch nicht ausreichend ist. Darüber hinaus wird angemerkt, dass es sich bei der Luftverschmutzung um kein rein städtisches Problem handelt (vgl. ebd., S. 35). Allerdings muss sich gerade der Autoverkehr in der Stadt ändern. Paul Chatterton spielt dabei auf ein neues Mobilitätsparadigma an und fordert eine autofreie Stadt, da nur dies dem Klima wirklich gerecht werden und soziale Ungleichheit reduzieren kann (vgl. Chatterton 2019, S. 278).Ebenso muss der Aspekt berücksichtigt werden, dass Menschen in Großstädten häufig verschiedene Verkehrsmittel nutzen, um an ihr Ziel zu kommen (vgl. Kallenbach 2021, S. 33). Selbst wenn klimafreundliche Mobilität zur Verfügung steht, wird diese somit nicht ausschließlich genutzt. Hieran anknüpfend stellt sich die Frage, wie sich dies ändern lässt. Hierfür besteht bereits eine Vielzahl an Lösungsvorschlägen, unter anderem die Abkehr von der Vorstellung einer autogerechten Stadt, die effizientere Nutzung der vorhandenen Infrastruktur, die Verbesserung des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) zur Schaffung einer wirklichen Alternative oder eine kilometerabhängige Gebühr für die Nutzung von Straßen (vgl. Edenhofer/Jakob 2017, S. 101f. ).Ein Großteil des Energiebedarfs in Städten kommt durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe, den Transport und die Heizung beziehungsweise Kühlung von Gebäuden zustande (vgl. Climate Service Center Germany 2015, S. 2). Sollen die Einsparziele gelingen, so ist eine Verkehrswende unumgänglich (vgl. Jakob 2023, S. 1). Gleichzeitig stehen durch den Klimawandel auch städtische Verkehrssysteme vor enormen Herausforderungen. Gerade in urbanen Gebieten hängen viele Infrastrukturnetze, die zum Funktionieren des städtischen Systems beitragen, mit dem Verkehrssystem zusammen (vgl. Climate Service Center Germany 2015, S. 6).Dabei bestehen mehrere Möglichkeiten, städtische Verkehrsnetze zu verbessern und gleichzeitig zukunftsfähig und nachhaltig zu gestalten: Die Fokussierung auf Fußgänger und nicht-motorisierten Verkehr sowie auf den ÖPNV kann einige Vorteile, wie zum Beispiel eine Reduzierung von Emissionen und wirtschaftlichen Wohlstand, bieten (vgl. ebd. 2015, S. 6). Die Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs und anderer emissionsarmer Infrastrukturen kann darüber hinaus zu Energieeinsparungen, Zeitersparnis und einer besseren Luftqualität beitragen (vgl. ebd., S. 6). Die Zukunftsgestaltung der städtischen Verkehrsinfrastruktur spielt daher in mehrfacher Hinsicht eine zentrale Rolle. Neben dem Verkehrsbereich sind weitere Sektoren, unter anderem das Abfallsystem und der Umgang mit Gebäuden entscheidend (vgl. ebd. 2015, S. 2).Der Energiesektor ist enorm wichtig, da hier das größte Potential für eine Reduzierung von Emissionen liegt. Parallel mit einer steigenden Energienachfrage, beispielsweise in Strom oder Brennstoffen, werden Treibhausgasemissionen ansteigen. Gerade Städte sind dazu gezwungen, den Energiebedarf zu senken, die Energieerzeugung sowie den -verbrauch effizienter zu gestalten, auf erneuerbare Energiequellen umzusteigen und gleichzeitig eine sichere Versorgung zu gewährleisten (vgl. Climate Service Center Germany 2015, S. 6).Im weiteren Verlauf werden nun die Städte Kopenhagen und München in Bezug auf ihre Anstrengungen untersucht. Fokus dabei bleibt der Bereich Verkehr und Mobilität. Ebenso wird exemplarisch der Bereich der Extremwetteranpassung sowie, für den Bereich der Energieversorgung, die kommunale Wärmeplanung untersucht.KopenhagenKopenhagen ist Sitz des dänischen Königshauses (vgl. Heidenreich 2019, o.S.). Die Stadt liegt auf der Insel Seeland (vgl. Britannica 2023, o.S.) und ist an der Meerenge Öresund gelegen, welche die Ost- und die Nordsee miteinander verbindet (vgl. Heidenreich 2019, o.S.). Gegründet wurde die Stadt im frühen zehnten Jahrhundert, seit 1445 ist Kopenhagen Dänemarks Hauptstadt (vgl. Britannica 2023, o.S.). Die Einwohnerzahl Kopenhagens ist in den letzten zehn Jahren um knapp 100.000 Einwohner:innen gewachsen Mit aktuell etwa 653.000 Einwohner:innen ist Kopenhagen die größte Stadt Dänemarks (vgl. Dyvik 2023, o.S.). Sie hat eine Fläche von ungefähr 88 Quadratkilometern, ist damit vergleichsweise klein und liegt 24 Meter über dem Meeresspiegel (vgl. Kallenbach 2021, S. 34).Grundlegende Informationen und BesonderheitenDie Stadt Kopenhagen hat eine bewegte Geschichte. Beispielsweise wurde die Stadt im Laufe der Jahrhunderte mehrmals von Großfeuern zerstört, war sehr umkämpft und im Zweiten Weltkrieg von deutschen Soldaten besetzt (vgl. Findeisen/Husum 2008, S. 146ff.). Damals blieb die Stadt jedoch überwiegend unbeschädigt, was sich auch heute im Stadtbild bemerkbar macht. Ein Beispiel hierfür ist Schloss Rosenborg (vgl. Heidenreich 2019, o.S.). Im Jahr 1996 wurde die Stadt zur Kulturhauptstadt ernannt (vgl. Findeisen/Husum 2008, S. 149).Das Klima in Kopenhagen ist mild und gemäßigt. Die durchschnittliche Jahrestemperatur beträgt 8,9 Grad Celsius (vgl. climate-data.org 2023, o.S.). In Kopenhagen fällt insgesamt viel Regen. Selbst in den trockenen Monaten ist die Niederschlagsmenge erheblich (vgl. ebd. 2023, o.S.). Aufgrund der Lage am Meer können Sturmfluten zu Überschwemmungen mit gravierenden Auswirkungen führen. Dieser Gefahr und der sich daraus ergebenden Notwendigkeit zu handeln, ist sich auch die Stadtverwaltung Kopenhagens bewusst (vgl. Stadtverwaltung Kopenhagen 2023, o.S.).Verkehr und MobilitätBetrachtet man die Verkehrsplanung Kopenhagens, so muss zwingend auf die Fahrradinfrastruktur eingegangen werden. Der Autoverkehr sowie der ÖPNV dürfen dennoch nicht außer Acht gelassen werden. Ziel dieser Betrachtung ist es, Aufschlüsse über die Beweggründe und konkreten Vorgehensweisen der Verkehrsplanung und -infrastruktur in Kopenhagen zu erhalten. Dabei soll eine Bestandsaufnahme der aktuellen Situation erfolgen.Regelmäßig liegt Kopenhagen auf dem ersten Platz der weltweit besten Fahrradstädte und dennoch wurden im Jahr 2021 knapp ein Drittel aller Fahrten mit dem Auto bewältigt (vgl. Kallenbach 2021, S. 5). In den 1950er und 1960er Jahren war die Verkehrsplanung auf das Auto ausgerichtet, was zu einer deutlichen Verringerung der Radfahrenden in den darauffolgenden Jahrzehnten führte. Während 1949 an der Nørrebrogade, einer zentralen Hauptstraße in Kopenhagen, an einem Tag durchschnittlich mehr als 62.000 Radfahrende gezählt wurden, waren es im Jahr 1978 nur etwa 8.000 (vgl. ebd. 2021, S. 5f.).In den 1970er Jahren kam es zu umfangreichen Fahrradprotesten und Forderungen nach mehr Fahrradwegen. Trotz der damals bereits vorhandenen Relevanz war der Umweltaspekt jedoch nicht ausschlaggebend. Vielmehr stand die Verkehrssicherheit für die Radfahrenden im Fokus der Fahrradproteste (vgl. ebd., S. 30f.). Im Jahr 2019 gab die deutliche Mehrheit aller Fahradfahrenden in Kopenhagen an, aufgrund der Zeitersparnis gegenüber anderen Verkehrsmitteln (46 Prozent) und aus praktischen Aspekten (55 Prozent) mit dem Fahrrad zu fahren. Ein deutlich geringerer Anteil von 16 Prozent gab Umweltschutzaspekte als Beweggrund an (vgl. ebd., S. 31). Ein weiterer Faktor war die Ölkrise in den 1970er Jahren, welche die Notwendigkeit alternativer Verkehrsmittel untermauerte und in der Folge die Anzahl der Fahrradfahrenden in Kopenhagen stark anstiegen ließ (vgl. Kallenbach 2021, S. 35).Trotz dieser Faktoren sind gerade die nicht-diskursiven, also die bereits vorhandenen Faktoren wesentlich für den Weg Kopenhagens zur Fahrradmetropole und für die Umsetzung entsprechender Maßnahmen. Zum einem sind es geographisch vorteilhafte Gegebenheiten, die Kopenhagen vorteilhaft für den Fahrradverkehr machen, was durch die geringe Größe und die flache Lage der Stadt sichtbar wird (vgl. Kallenbach 2021, S. 34). Dadurch bedingt ist auch die Geschichte Kopenhagens, in welcher der Radverkehr einen relevanten Teil einnimmt (vgl. ebd. 2021, S. 36). Der Sicherheitsaspekt beim Fahrradfahren ist sehr relevant. In Kopenhagen setzte man dementsprechend bereits früh auf vom Autoverkehr separierte Fahrradwege, was parallel zu einem Anstieg der Fahrradfahrenden führte (vgl. Søholt 2014, S. 1f.).Ein weiterer Faktor ist die ununterbrochene politische Richtung hinsichtlich der Mobilität in Kopenhagen, die durch Sozialdemokrat:innen und linke Parteien seit den 1970er Jahren besteht. Diese Kontinuität wirkte sich ebenso auf Investitionen für den Fahrradverkehr und die Fahrradinfrastruktur aus (vgl. Kallenbach 2021, S. 36f.). Zusammengesetzt aus solchen Faktoren konnte sich in Kopenhagen eine Kultur des Fahrradfahrens herausbilden. Neben den Umweltschutzaspekten ist Kopenhagen dadurch attraktiver für Menschen, aber auch für Unternehmen geworden (vgl. Søholt 2014, S. 1).Auch negative Effekte können auftreten. Beispielsweise kommt es vermehrt zu Staus auf den stark befahrenen Fahrradwegen. Die Stadt reagiert darauf mit dem Ausbau der Fahrradspuren und dementsprechend der Verkleinerung von Fahrbahnen für Autos (vgl. Søholt 2014, S. 2). Auch das Sperren von Straßen für den Autoverkehr wird in Erwägung gezogen. Ziel dabei ist es, mehr Platz für die Radfahrenden und den ÖPNV zu schaffen (vgl. ebd., S. 2). Kopenhagen versucht weiterhin umweltfreundliche Kraftstoffe und den Anteil von Elektroautos, auch unter den Taxen der Stadt, voranzutreiben (vgl. Stadt Kopenhagen 2020, S. 41).Der Klimaschutzplan der Stadt benennt den Bereich der Mobilität als eine von vier zentralen Säulen (vgl. Stadt Kopenhagen 2020, S. 13). Im Bericht aus dem Jahr 2020 wird festgestellt, dass CO2-Emissionen nach wie vor deutlich reduziert werden müssen. So sind trotz der Bemühungen und einiger Erfolge die Kohlenstoffemissionen im PKW-Bereich zwischen 2012 und 2018 um zehn Prozent gestiegen (vgl. ebd. 2020, S. 39f.). Parallel mit dem Bevölkerungsanstieg ist die Zahl der Autobesitzer:innen gestiegen. Dennoch sind die Pro-Kopf Emissionen im Straßenverkehr von 2010 bis 2018 um 16 Prozent gesunken (vgl. ebd. 2020, S. 41).Kopenhagen eröffnete im Herbst 2019 den "Cityring" und baut diesen nach und nach aus. Der damit verbundene Ausbau der U-Bahn soll die verschiedenen Stadteile an den öffentlichen Nahverkehr anbinden und effiziente öffentliche Verkehrsmittel gewährleisten (vgl. Stadt Kopenhagen 2019, S. 26). Langfristig soll der Ausbau immer weiter vorangetrieben werden, um auch während der Rushhour eine attraktive Alternative zum Autoverkehr darzustellen (vgl. ebd., S. 26).Die Stadt Kopenhagen zeigt, wie Mobilität in einer nachhaltigen Stadt der Zukunft aussehen kann. Im gleichen Zug müssen dabei jedoch die vorteilhaften Gegebenheiten berücksichtigt werden, beispielsweise die flache Lage und die geringe Größe der Stadt. Aus diesem Grund muss in größeren und hügligeren Städten beispielsweise der ÖPNV als Alternative gedacht werden und mit ähnlicher Entschlossenheit verbessert werden.Dennoch gibt es Faktoren aus Kopenhagen, die eine grüne Mobilität begünstigen und theoretisch in jeder Stadt umsetzbar sind. Ein Beispiel ist die politische Kontinuität bezogen auf die Förderung des Fahrradverkehrs. Umwelt- und Klimaschutz muss nicht zwingend die ausschlaggebende Motivation für den Beginn einer Verkehrswende sein. Trotz aller positiven Aspekte und der Vorreiterrolle der Fahrradstadt Kopenhagen wurden auch im Jahr 2021 noch einige Fahrten mit dem Auto zurückgelegt.Die dauerhafte Förderung der Alternative Fahrrad konnte das enorme Wachstum des Autoverkehrs jedoch eindämmen. Es liegt auf der Hand, dass durch die Verkleinerung beziehungsweise Sperrung von Fahrbahnen und Straßen für den Autoverkehr auch strittige Debatten entstehen können. Die Stadt Kopenhagen verfolgt jedoch den klaren Plan, das Rad und den ÖPNV als Mobilitätsmittel der Wahl weiter voranzutreiben. Bereits zur Mitte des vergangenen Jahrzehnts nutzen 45 Prozent der Einwohner:innen Kopenhagens das Fahrrad für den Schul- beziehungsweise Arbeitsweg (vgl. Diehn 2015, o.S.). Dennoch halten aktuelle Ergebnisse fest, dass die Anstrengungen bei weitem nicht genügen.Weitere Maßnahmen und HerausforderungenZiel dieses Kapitels ist es, weitere Maßnahmen in Kopenhagen zu untersuchen. Aufgrund des Umfangs handelt es sich dabei jedoch um Beispiele, die kompakt dargestellt werden. Dabei werden Beispiele aus dem Bereich der Extremwetteranpassung und der kommunalen Wärmeplanung untersucht. Mit der Stadt München wird ähnlich vorgegangen, die Kategorien werden gleich gewählt. Ziel dabei ist festzustellen, welche Anstrengungen in der jeweiligen Kommune unternommen werden, um Nachhaltigkeitsziele voranzubringen.Durch die örtlichen Gegebenheiten muss Kopenhagen Extremwetterereignisse bewältigen, die sich durch den Klimawandel verstärken. So gab es in der dänischen Hauptstadt allein zwischen 2010 und 2015 sechs Starkregenereignisse, die Straßen und Gebäudekeller überfluteten und für einen enormen finanziellen Schaden sorgten (vgl. Kruse 2016, S. 669). Dementsprechend ist vor allem die Anpassung der Stadt an solche Starkregenereignisse ein wichtiger Bestandteil, der im Klimaanpassungsplan festgehalten ist.Um das Überflutungsrisiko zu verringern und dieser Herausforderung gerecht zu werden, arbeitet die Stadt an der Verwirklichung fünf zentraler Aspekte. Dazu zählen Maßnahmen, die einen Beitrag zur Verringerung des Überflutungsrisikos leisten können, zum Beispiel eine qualitative und quantitative Erhöhung des städtischen Grünflächenbereichs (vgl. ebd. 2016, S. 669f.).Ein konkretes Beispiel ist der Kopenhagener Ortsteil Skt. Kjelds Kvarter, der nach und nach in einen klimagerechten Stadtraum der Zukunft umgewandelt werden soll. Zum einem soll sich die Natur in diesem Quartier weiter ausbreiten, gleichzeitig wird die Regulierung von Regenwasser verbessert (vgl. Technik- und Umweltverwaltung Kopenhagen 2023, o.S.). Konkret dienen die Grünflächen als Versickerungsbecken, wodurch das Wasser unabhängig von der Kanalisation zum Hafenbecken geleitet wird. Hierfür wurde auch die Straßenführung angepasst (vgl. Kruse 2016, S. 270). Neben der Risikoreduzierung durch Extremwetterereignisse wird die Stadt durch solche Projekte nachhaltiger. Zugunsten von Grünflächen wird die Verkehrsinfrastruktur verändert und der Natur wird mehr Raum innerhalb der Stadt gegeben.Die Gefährdung der Stadt durch Extremwetterereignisse soll durch weitere Maßnahamen reduziert werden. Dazu zählen beispielsweise die Bereitstellung von Pumpen und die Ausrüstung von Kellern, um gegen Überschwemmungen vorbereitet zu sein. Gleichzeitig macht der Klimaanpassungsplan deutlich, dass die Entwicklung eines grünen Wachstums gewünscht ist und parallel zur Klimaanpassung vollzogen wird (vgl. Stadtverwaltung Kopenhagen 2011, S. 5). So sollen Grün- und Freiflächen verbessert und ergänzt werden. Dort wo gebaut wird, ist dies entsprechend zu berücksichtigen (vgl. ebd. 2011, S. 12).Neben dem Schutz vor Extremwetterereignissen sollen diese grünen Maßnahmen dazu führen, den Energieverbrauch der Stadt zu senken, die Luftqualität zu verbessern und die Lärmbelästigung zu bekämpfen. Durch die Schaffung von Freiflächen kann beispielsweise die Temperatur gemäßigt und für Luftzirkulation gesorgt werden (vgl. ebd. 2011, S. 12).Kopenhagen benennt in seinem aktuellen Klimaschutzplan neben der Mobilität drei weitere Bereiche: Den Energieverbrauch, die Energieproduktion und Initiativen der Stadtverwaltung (vgl. Stadt Kopenhagen 2020, S. 13). Laut eigenen Worten will sich Kopenhagen, neben der Konzentration auf den öffentlichen Verkehr, auf den Energieausstoß, die kohlenstoffneutrale Fernwärme und Maßnahmen zur Verringerung von Kohlenstoffemissionen fokussieren (vgl. Stadt Kopenhagen 2019, S. 25).2014 wurde Kopenhagen von einem unabhängigen und internationalen Expertenteam zur Umwelthauptstadt ernannt. Es gibt eine Reihe von Kriterien, die hierfür erfüllt sein müssen. Neben dem Nahverkehr wird die Luftqualität, der Anteil sowie die Qualität des grünen Stadtgebietes und der Umgang mit dem Klimawandel berücksichtigt (vgl. Diehn 2015, o.S.).Dementsprechend wurden früh weitere Anstrengungen unternommen. Gerade das weit ausgebaute Fernwärmenetz Kopenhagens muss hierbei erwähnt werden. Dieses versorgt den Großteil der Gebäude und trägt damit maßgeblich zur Einsparung von C02-Emissionen in Kopenhagen bei (vgl. Burckhardt/Tappe/Rehrmann 2022, o.S.). Gleichzeitig bieten sich auch Vorteile für die dortigen Bewohner:innen: Die Preise werden staatlich kontrolliert und die Infrastruktur der Fernwärme ermöglicht einen einfachen und für Verbraucher:innen kostengünstigen Umstieg auf erneuerbare Energien, was ermöglicht, dass Kopenhagens Fernwärme bereits zu 80 Prozent aus erneuerbaren Energien erzeugt wird (vgl. ebd. 2022, o.S.).Das Fernwärmenetz der Stadt hat unter anderem mehrere Müllverbrennungsanlagen und Blockheizkraftwerke, die von verschiedenen Versorgungsunternehmen betrieben werden (vgl. Harrestrup/Svendsen 2014, S. 296). Dies gewährleistet die Nutzung von Abwärme als Heizquelle. Eine dieser Müllverbrennungsanliegen liegt nah am Zentrum Kopenhagens und trägt den Namen Amager Bakke. Das Dach der Müllverbrennungsanlage dient der Bevölkerung gleichzeitig als Skigebiet und steht somit sinnbildlich für die Innovation und entsprechende Nachhaltigkeitsbestrebungen innerhalb der Stadt (vgl. Kafsack 2023, o.S.).Um im Bereich Energie die gesetzten Ziele zu erreichen, setzt Kopenhagen auf eine Vielzahl weiterer Maßnahmen. Dazu zählt neben der Fernwärme der Einsatz erneuerbarer Energietechnologien und die entsprechende Förderung von Heizungspumpen, Erdwärme, Sonnenkollektoren und Windkraftanlagen. Auch Biomasse als Übergangstechnologie wird von der Stadt befürwortet (vgl. Stadt Kopenhagen 2019, S. 54).Kopenhagen wird häufig als grüne Stadt bezeichnet. Viele Maßnahmen der Stadt wurden bereits vor langer Zeit getroffen. Die Pläne der Stadt Kopenhagen sind weit vorangeschritten, äußerst detailliert und durchdacht. Um sich zukünftig besser vor Extremwetterereignissen schützen zu können, arbeitet die Stadt an verschiedenen Lösungen und setzt beispielsweise auf den Ausbau und die Entlastung der Kanalisation. Dass hierbei ebenfalls freie Grünflächen entstehen, ist nicht nur ein nützlicher Nebeneffekt, sondern gewolltes Ziel.Im Bereich der Energieversorgung muss vor allem die Fernwärme genannt werden. Diese wurde in Kopenhagen bereits sehr früh ausgebaut und versorgt dementsprechend fast alle Gebäude. Somit ist dies der wohl wichtigste Bereich der Energieversorgung und gleichzeitig das Hauptaugenmerk des Kopenhagener Klimaplans. Dennoch gibt es auch hier Verbesserungs- und Optimierungspotential. Auch Kritikpunkte sind berechtigt. Beispielsweise ist der Einsatz von Biomasse fraglich. Einen weiteren Rückschlag musste Kopenhagen kürzlich einstecken: Die Stadt gab bekannt, dass sie das Ziel der Klimaneutralität bis 2025 deutlich verfehlen wird (vgl. Wolff 2022, o.S.).MünchenMünchen wurde im Jahr 1158 erstmals urkundlich erwähnt und liegt am Fluss Isar, der im Stadtgebiet eine Länge von 13,7 Kilometern einnimmt (vgl. Stadt München 2023, o.S.). Die Stadt ist bereits seit Beginn des 16. Jahrhunderts die bayrische Landeshauptstadt (vgl. Stahleder 2023, o.S.). Heute hat München mehr als 1,5 Millionen Einwohner und kann damit einen deutlichen Bevölkerungsanstieg verbuchen (vgl. Statistisches Amt München 2023, o.S.). Verglichen mit dem Jahr 2004 stieg die Anzahl der Einwohner:innen um 300.000 Menschen (vgl. Münchner Stadtmuseum 2004, S. 155). München liegt etwa 519 Meter über dem Meeresspiegel und hat eine Fläche von mehr als 310 Quadratkilometern, wodurch die Stadt flächenmäßig zu den größten Städten Deutschlands gehört (vgl. Stadt München 2023, o.S.).Grundlegende Informationen und BesonderheitenAnlass der Gründung Münchens war ein Konflikt zwischen Herzog Heinrich dem Löwen und Bischof Otto I. von Freising (vgl. Scholz 2004, S. 20). Das Bevölkerungswachstum stieg rasch an, was bereits zur Mitte des 13. Jahrhunderts eine deutliche Vergrößerung der Stadt nötig machte (vgl. Scholz 2004, S. 22). Die Isar wurde in München bereits vor mehreren Jahrhunderten als Transportmittel für Waren genutzt und prägte daher die Entwicklung der Stadt maßgeblich (vgl. Scholz 2004, S. 31f.).Im Jahr 1795 begann eine neue Entwicklung. Die bisher genutzten Festigungsanlagen wurden aufgegeben und die dynamische, unbegrenzte Weiterentwicklung der Stadt konnte gelingen (vgl. Lehmbruch 2004, S. 38). Im Laufe der Jahrhunderte kam es zu mehreren Eingemeindungen (vgl. Münchner Stadtmuseum 2004, S. 155). Während des Zweiten Weltkriegs wurden 90 Prozent der historischen Altstadt Münchens zerstört und die Stadt verlor bis zum Ende des Krieges mehr als die Hälfte seiner Einwohner:innen (vgl. Stahleder 2023, o.S.).Münchens Grünanlagen nehmen etwa 13,4 Prozent der gesamten Stadtfläche ein. Den größten zusammenhängenden Teil bildet dabei der Englische Garten mit einer Größe von 374,13 Hektar (vgl. Stadt München 2023, o.S.). Die Jahresmitteltemperatur in München liegt im Durchschnitt bei 8,7 Grad Celsius und der Niederschlag beträgt circa 834 Millimeter im Jahr (vgl. Deutscher Wetterdienst 2023, o.S.). In jüngster Zeit hat München mit einigen Extremwetterereignissen zu kämpfen gehabt, unter anderem mit Starkregen (vgl. Handel 2023, o.S.) und Rekord-Hitzewellen (vgl. Harter 2023, o.S.). Verkehr und MobilitätMünchen arbeitet seit vielen Jahren an seiner Verkehrsstrategie. Der ursprüngliche Verkehrsentwicklungsplan wurde bereits im Jahr 2006 veröffentlicht. Im Sommer 2021 wurde ein neuer Entwurf bezüglich der zukünftigen Mobilitätsplanung beschlossen. Der Stadtrat setzte sich dabei ambitionierte Ziele: Der Verkehr im Stadtgebiet sollte demnach innerhalb von vier Jahren zu mindestens 80 Prozent durch abgasfreie Fahrzeuge beziehungsweise den ÖPNV oder den Fuß- und Radverkehr realisiert werden. Weiterhin soll der Verkehr in München bis 2035 vollständig klimaneutral sein (vgl. Landeshauptstadt München 2023c, o.S.). Der neue Mobilitätsplan der Stadt soll den zukünftigen Herausforderungen gerecht werden. Dazu zählt unter anderem die steigende Bevölkerungszahl und der somit zunehmende Mobilitätsbedarf sowie der Umwelt- und Gesundheitsschutz (vgl. Landeshauptstadt München 2023b, o.S.).Der motorisierte Individualverkehr nimmt in der bayrischen Landeshauptstadt nach wie vor einen hohen Stellenwert ein und wurde 2017 von rund 24 Prozent der Münchner:innen in Anspruch genommen. Die Anzahl der täglich bewältigten Personenkilometer nahm ebenfalls zu, was durch den Anstieg der Bevölkerung und die Zunahme der täglichen Strecken erklärt wird (vgl. Landeshauptstadt München 2022, S. 107f.).Der ÖPNV wurde im Jahr 2017 von 24 Prozent der Münchner:innen genutzt, was verglichen mit dem Jahr 2008 ein leichter Anstieg ist. Verglichen mit dem Jahr 2008 wird das Fahrrad mit 18 Prozent von weniger Münchner:innen genutzt (vgl. ebd. 2022, S. 107f.). Die Stadt kommt in ihrem Nachhaltigkeitsbericht zu dem Ergebnis, dass die Entwicklung in Richtung ÖPNV und des Radverkehrs geht. Durch das starke Wachstum der Stadt und des Umlands kommt es jedoch zu einem Anstieg des Verkehrs insgesamt, was die eigentlich positive Entwicklung aufhebt (vgl. ebd. 2022, S. 107f.). Die Stadt München beschäftigt sich seit einiger Zeit mit sogenannten Radschnellverbindungen."Radschnellverbindungen sind hochwertige Verbindungen im Radverkehrsnetz (von Kommunen oder StadtUmlandRegionen), die wichtige Zielbereiche (zum Beispiel Stadtteilzentren, Wohn und Arbeitsplatzschwerpunkte, (Hoch)Schulen) mit hohen Potenzialen über größere Entfernungen verknüpfen und durchgängig ein sicheres und attraktives Befahren mit hohen Reisegeschwindigkeiten […] ermöglichen" (Landeshauptstadt München 2022, S. 109).Solche Strecken haben somit das Potential, einen nicht zu unterschätzenden Beitrag hin zur grünen Mobilität zu leisten. Radschnellwege können nicht nur für die Freizeit, sondern auch von Berufspendler:innen genutzt werden und sind daher eine Alternative zum Auto. Die Landeshauptstadt München hat bereits mehrere Machbarkeitsstudien in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse belegen, dass viele dieser Strecken, beispielsweise die Strecke zwischen der Innenstadt Münchens und Starnberg, technisch machbar und wirtschaftlich gewinnbringend sind (vgl. Landeshauptstadt München/Landratsamt München/Landratsamt Starnberg 2020, S. 29).Die lange Planung der Radschnellwege ist seit diesem Jahr in einer neuen Phase. Im Juni 2023 wurde mit dem Bau der ersten von insgesamt fünf Strecken begonnen, welche die Stadt München mit Unterschleißheim und Garching verbinden soll (vgl. Heudorfer 2023, o.S.). Gleichzeitig müssen die enorm hohen Kosten für den Bau solcher Strecken berücksichtigt werden. Dies ist der Grund, weshalb beispielsweise die Strecke zwischen München und Starnberg nicht realisiert wird (vgl. ebd. 2023, o.S.).München plant die Reduzierung des Autoverkehrs in seiner Altstadt. So soll mehr Platz für Fußgänger:innen, Radfahrende und den ÖPNV geschaffen werden. Die Stadt nennt eine Reihe an Maßnahmen, die das Ziel einer autofreien Altstadt realisieren sollen. Dazu zählen unter anderem das Errichten und die Erweiterung von Fußgängerzonen, die Neuregelung des Parkens, was auch das Erhöhen der Parkgebühren beinhaltet, die Verbesserung des Liefer- und Ladeverkehrs sowie das Erbauen eines breiten Radrings in der Altstadt (vgl. Landeshauptstadt München 2023a, o.S.).Ein Pilotprojekt diesbezüglich befindet sich in der zentral gelegenen Kolumbusstraße. Die Straße wurde für Fahrzeuge gesperrt und mit Rollrasen, Sitzmöglichkeiten und Hochbeeten ausgestattet (vgl. Stäbler 2023, o.S.). Das Projekt hat jedoch nicht nur Befürworter:innen. Der Verlust von knapp 40 Parkplätzen sowie der Lärm durch spielende Kinder wird kritisiert (vgl. ebd. 2023, o.S.).Der ÖPNV hat in München einen hohen Stellenwert. Bereits im Jahr 2010 lag München im Vergleich unter den besten deutschen Städten. Berücksichtigt wurde damals unter anderem die Fahrtdauer, die Informationslage und die Preise (vgl. Wagner 2010, o.S.). Eine ADAC-Studie zeigt, dass München im Jahr 2021 die teuerste Einzelfahrkarte unter 21 deutschen Großstädten mit mehr als 300.000 Einwohner:innen hatte. Die Münchner Monatskarte sowie die Wochenkarte hingegen war mit Abstand am günstigsten. Die Monatskarte kostete im Vergleich zu Hamburg knapp die Hälfte (vgl. ADAC 2021, o.S.). Dieser Aspekt muss hinsichtlich der Einführung des Deutschlandtickets und der damit verbundenen Preisentwicklung des ÖPNV neu bewertet werden, ist jedoch aufgrund der damals fehlenden Alternative des Deutschlandtickets nicht zu vernachlässigen.Langfristig plant München eine Bahnstrecke, die Stadt und Umland miteinander verbindet und das bereits vorhandene Schienennetz ergänzt. Dieses Projekt ist zuletzt aus finanziellen Gründen gescheitert, soll jedoch durch spezielle Buslinien kompensiert und nach Möglichkeit neu geprüft werden (vgl. Landeshauptstadt München 2023d, o.S.). Um die Kapazität des ÖPNV in München und Umland zu erhöhen, werden im Rahmen eines Programms verschiedene Maßnahmen umgesetzt. Dazu zählt unter anderem die Anbindung an den Flughafen und der Ausbau der Schieneninfrastruktur im Nordosten Münchens (vgl. Landeshauptstadt München 2023d, o.S.).Auch das U-Bahn- und Tramnetz soll durch die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) ausgebaut werden. Vorgesehen ist die Verlängerung beziehungsweise der Neubau verschiedener Strecken (vgl. ebd. 2023d, o.S.). Gleichzeitig wird auf die Problematik verwiesen, dass die Kapazitätsgrenze des Schienenverkehrs in München und der Region bereits erreicht ist (vgl. ebd., o.S.).Die bayrische Landeshauptstadt setzt sich selbst ambitionierte Ziele, was den Verkehr und die Mobilität betreffen. Bereits seit vielen Jahren wurde mit entsprechenden Planungen begonnen. Auf der Webseite der Landeshauptstadt finden sich viele Informationen und Vorhaben bezüglich der Verkehrsplanung. Der Ausbau des Fahrradverkehrs, vor allem die Planungen von Radschnellstrecken sind vielsprechend. Die Machbarkeitsstudien belegen das große Potential. Da jedoch erst vor einigen Monaten mit dem Bau der ersten Strecke begonnen wurde, muss München hier in relativ kurzer Zeit viel erreichen.Gleichzeitig kann somit nicht abschließend festgestellt werden, wie groß das Potential der Radschnellverbindungen in der Praxis ist. Der Zuwachs der Stadt München und des Umlands stellt die Landeshauptstadt vor Herausforderungen in doppelter Hinsicht. Obwohl der Anteil der Radfahrenden und der ÖPNV-Fahrenden deutlich zugenommen hat, steigt der Verkehr insgesamt. Gleichzeitig stellt die Stadt fest, dass der ÖPNV an der Kapazitätsgrenze ist. Dennoch müssen die positiven Aspekte betrachtet werden. Hierzu zählt unter anderem das Potential des Münchner ÖPNV und der verschiedenen Projekte. Auch wenn es von der Planung bis zur Umsetzung viele Jahre dauert, ist München sicherlich vielen Städten, vor allem im deutschen Städtevergleich, voraus, da die Planungen früh begonnen haben.Weitere Maßnahmen und HerausforderungenHier werden nun weitere Maßnahmen untersucht. Dabei wird, wie bei Kopenhagen, in exemplarischer Weise auf den Bereich der Extremwetter- beziehungsweise Klimawandelanpassung und den Bereich der kommunalen Wärmeplanung eingegangen. Gleichzeitig werden Herausforderungen, Chancen und Schwierigkeiten beleuchtet, die sich daraus ergeben.Die bayrische Landeshauptstadt hat im Jahr 2019 den Klimanotstand ausgerufen. Damit verbunden ist das Ziel der Klimaneutralität bis 2035 (vgl. Landeshauptstadt München 2023e, o.S.). Das Klima in der Stadt München weist aufgrund der dichten Bebauung spezifische Besonderheiten auf. Dazu zählt der sogenannte "Wärmeinseleffekt", der dazu führt, dass ein Temperaturunterschied im Vergleich zum Münchner Umland besteht (vgl. Landeshauptstadt München u. a. 2016, S. 8).Im Stadtgebiet ist es deshalb im Durchschnitt zwei bis drei Grad wärmer, wobei der Temperaturunterschied in der Nacht deutlich höher ausfällt: Im Vergleich zum Münchner Umland ist es nachts im Stadtgebiet Münchens bis zu zehn Grad wärmer, was durch den Klimawandel und den damit verbundenen Anstieg der Durchschnittstemperatur noch deutlich ansteigen wird (vgl. ebd. 2016, S. 8).Dementsprechend sieht das Klimaanpassungskonzept verschiedene Maßnahmen vor. Dazu zählt zum Beispiel der Ausbau der Dachbegrünung und Photovoltaikanlagen auf Gebäuden, die Verbesserung des Wärmeschutzes in der Gebäudeplanung und Förderprogramme für Klimaanpassungsmaßnahmen auf privaten Grundstücken (vgl. ebd. 2016, S. 40). In München gründeten sich einige Bewegungen, die sich für mehr Nachhaltigkeit einsetzen. Die Münchner Initiative Nachhaltigkeit (MIN) ist ein Beispiel dafür und setzt sich aus mehrheitlich zivilgesellschaftlichen Organisationen zusammen. Die Ziele der MIN orientieren sich an den SDGs (vgl. Münchner Initiative Nachhaltigkeit 2023, o.S.).Der Münchner Nachhaltigkeitsbericht liefert interessante Aufschlüsse. Der Anteil der erneuerbaren Energien im Gebiet der Stadtwerke München lag 2019 bei insgesamt 6,4 Prozent. Den größten Anteil hat dabei die Wasserkraft, gefolgt von Solar (vgl. Landeshauptstadt München 2022, S. 85). Ökostrom soll in den eigenen Stadtwerken langfristig betrachtet in ausreichender Menge erzeugt werden, um damit die Stadt München selbst versorgen zu können.Daraus ergibt sich für den Leiter der Stadtwerke die politische Aufgabe, die Energiewende voranzubringen (vgl. Hutter 2019, o.S.). Gerade die lokale Erzeugung von Ökostrom kann sich in einer dicht bebauten Stadt als schwierig herausstellen. Hier stellt sich die Frage, wie viel Potential München und das direkte Umland hat. Dabei kann es sich zum Beispiel um den Auf- und Ausbau umliegender Windräder oder Biomassekraftwerke handeln (vgl. ebd., o.S.).München setzt auf Tiefengeothermie und kann einen Anstieg in der Erzeugung und den Anteil der Tiefengeothermie am Fernwärmeverbrauch verbuchen. Jedoch lag der Anteil der Geothermie am Fernwärmeverbrauch im Jahr 2019 lediglich bei 3,8 Prozent (vgl. Landeshauptstadt München 2022, S. 86f.). Aktuell wird in München das größte Geothermiekraftwerk Europas erbaut. Somit ist davon auszugehen, dass der Anteil der Geothermie innerhalb der Fernwärmeversorgung in München weiter zunimmt und diese in der Konsequenz Schritt für Schritt nachhaltiger und regenerativ gestalten (vgl. Schneider 2022, o.S.). In München befinden sich momentan sechs Geothermieanlagen. Durch die Erweiterungen soll das Fernwärmenetz den Wärmebedarf Münchens bis 2040 klimaneutral abdecken (vgl. Stadtwerke München 2023a, o.S.).Die Methode der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK), also die gleichzeitige Gewinnung von mechanischer Energie und nutzbarer Wärme (vgl. Umweltbundesamt 2022, o.S.), wird von den Stadtwerken München genutzt und dient als eine Art Zwischenlösung, die intensiver genutzt wird, bis der Ausbau der Geothermieanlagen abgeschlossen ist (vgl. Stadtwerke München 2023b, o.S.). Die durch die Stromerzeugung der KWK-Methode gewonnene Abwärme wird in das Fernwärmenetz der Stadt München eingespeist. Die so erzeugte Fernwärme kann dementsprechend schon heute in einem beträchtlichen Maß umweltschonend bereitgestellt werden und ersetzt laut den Stadtwerken München bereits etwa 400 Millionen Liter Heizöl und spart pro Jahr eine Millionen Tonnen CO2 ein (vgl. ebd. 2023b, o.S.).Die Stromerzeugung selbst funktioniert mit Brennstoffen. Neben erneuerbaren Energien können dabei auch fossile Energieträger zum Einsatz kommen. Die Stadtwerke München selbst setzen sich das langfristige Ziel, fossile Brennstoffe abzulösen (vgl. ebd. 2023b, o.S.). Das Heizkraftwerk Süd der Stadtwerke München arbeitet beispielsweise mit der KWK-Methode. Die Stromerzeugung wird durch Erdgas gewährleistet (vgl. Stadtwerke München 2022, o.S.). Somit wird ein fossiler Brennstoff verwendet.Im deutschen Städtevergleich gilt München oft als Vorreiter, was Nachhaltigkeitsbemühungen betrifft. München hat 2019 den Klimanotstand ausgerufen und sich das Ziel gesetzt, bis 2035 klimaneutral zu werden. Das Ausrufen des Klimanotstands hat eher symbolischen Charakter. Dennoch wird die Dringlichkeit der Sache damit auch auf kommunaler Ebene betont.Bezüglich der Anpassung an Extremwetterereignisse finden sich viele Informationen der Stadt München. Dabei werden auch viele Maßnahmen genannt, die nach und nach umgesetzt werden sollen. Die Stadt ist sich der Relevanz des Themas bewusst. Durch das veränderte Stadtklima wird deutlich, wie wichtig die Anpassung an Extremwetterereignisse ist, um das Leben in der Stadt auch zukünftig zu sichern.Im Fall von München sind die Maßnahmen gegen Hitze besonders relevant. Hier hat München bereits Pilotprojekte und verschiedene Fördermaßnahmen in die Wege geleitet. Im Bereich der Energieversorgung muss vor allem die Tiefengeothermie benannt werden. München setzt verstärkt darauf und erkennt das große Potential. Gleichzeitig müssen die hohen Kosten und der damit verbundene Aufwand berücksichtigt werden.Aktuell kommen auch KWK-Werke zum Einsatz. Dies ermöglicht die umweltschonende Bereitstellung von Fernwärme. Der Einsatz mehrerer Geothermieanlagen kann dieses Potential jedoch beträchtlich steigern. Erdgas wird zur Erzeugung von Strom in München auch aktuell eingesetzt. Langfristig wollen die Stadtwerke jedoch ohne den Einsatz fossiler Brennstoffe arbeiten. Die Fernwärme Münchens ist weit ausgebaut und bietet hohes Potential. Dennoch zeigen erst die nächsten Jahre, wie nachhaltig und flächendeckend das Fernwärmenetz konkret ausgebaut werden kann.ErkenntnisseDie Einwohnerzahl Kopenhagens ist in den letzten Jahren gestiegen. Auch zukünftig muss die Stadt mit einem Bevölkerungswachstum rechnen. In München ist ebenso von einem Bevölkerungsanstieg auszugehen, was auch in den letzten Jahren der Fall war. Der Anstieg der Bevölkerung in Zahlen ist deutlich höher, was sich durch die größere Fläche der bayrischen Landeshauptstadt zumindest teilweise relativieren lässt. Im direkten Vergleich ist München mehr als drei Mal so groß wie Kopenhagen.Kopenhagen gilt als eine der besten Fahrradstädte weltweit. Dies führt neben den positiven Aspekten auch zu vollen Fahrradwegen. Die Stadt reagiert mit der Verbreiterung von Fahrradwegen und der Sperrung beziehungsweise Verkleinerung von Autofahrbahnen und ganzen Straßen. München geht diesbezüglich nicht so konsequent vor, hat jedoch ein vergleichbares Pilotprojekt gestartet, welches eine zentrale Straße zeitweise für den Autoverkehr gesperrt hat.Das Fahrrad als Verkehrsmittel konnte sich in Kopenhagen bereits früh etablieren. Ein zentraler Faktor, der für das Fahrrad in Kopenhagen spricht, ist unter anderem die Zeitersparnis. Eine Reihe nicht-diskursiver Faktoren spielen eine wichtige Rolle für die bedeutsame Rolle des Fahrrads in der dänischen Hauptstadt. Neben der flachen Lage und der geringen Größe zählt dazu auch der politische Wille und die Bereitschaft, das Fahrrad als Verkehrsmittel kontinuierlich zu fördern.In München wurde die Relevanz des Fahrrads ebenfalls erkannt. München kann im Vergleich jedoch auf keine derart ausgeprägte Fahrradkultur zurückblicken. Dennoch stellt sich heraus, dass das Fahrrad in München nicht unterschätzt wird. Die aktuellen Planungen und erste bauliche Maßnahmen der Radschnellverbindungen belegen, dass die Stadt den Radverkehr als Alternative zum Auto etablieren möchte.Dabei sollen, wie es in Kopenhagen bereits der Fall ist, nicht nur Freizeitradler:innen, sondern auch Berufspendler:innen angesprochen werden. Das Münchner Umland soll in den Bau der Radschnellverbindungen zu weiten Teilen integriert werden. Theoretisch könnte München auf diese Weise trotz der deutlich weiteren Distanzen die optimale Infrastruktur für das Fahrrad als grüne Alternative etablieren.Der Autoverkehr spielt in Kopenhagen nach wie vor eine Rolle. Trotz einiger Maßnahmen müssen die CO2-Emissionen weiter reduziert werden. Die Emissionen im PKW-Bereich sind bis vor fünf Jahren noch angestiegen. Auch in München ist der Autoverkehr relevant und wurde im Jahr 2017 von fast einem Viertel der Münchner:innen genutzt. Von der Stadt München werden verschiedene Maßnahmen benannt, die zu einer autofreien Altstadt führen sollen. Dabei soll ähnlich wie in Kopenhagen vorgegangen werden, unter anderem mit der Erweiterung von Fußgängerzonen. Kopenhagen scheint diesbezüglich jedoch weiter fortgeschritten zu sein. Bei der Verkleinerung von Fahrbahnen im Bereich des Autoverkehrs handelt es sich dort um dauerhafte Maßnahmen. In München beschränkt sich dies bislang auf Pilotprojekte und Vorhaben.Beide Städte haben ein gut ausgebautes ÖPNV-Netz. In München ist sich die Stadt der Tatsache bewusst, dass die aktuelle ÖPNV-Infrastruktur an seiner Kapazitätsgrenze angekommen ist. Aus diesem Grund plant München den Ausbau und setzt bereits einige Großprojekte, unter anderem die Erweiterung der Schieneninfrastruktur, in verschiedenen Stadteilen, um. Vor allem das Tramnetz hat sicherlich das Potential, für Münchner:innen eine dauerhafte Alternative zum Auto zu sein. Da das Hauptproblem augenscheinlich die Kapazitätsgrenze des bestehenden Schienennetzes ist, kommt es auf den zügigen und konsequenten Ausbau in den nächsten Jahren an.Kopenhagen hat im Vergleich bereits im Jahr 2019 eine Stadtlinie eröffnet, die immer weiter ausgebaut wird. Kopenhagen will die Attraktivität des ÖPNVs auch während der Rushhour gewährleisten. Dies lässt darauf schließen, dass einer der Hauptfaktoren auch hier die aktuelle Auslastung der vorhandenen öffentlichen Verkehrsmittel ist. In diesem Bereich haben beide Städte somit ähnliche Herausforderungen zu bewältigen. Beide Städte sind aktiv und scheinen den ÖPNV als dauerhaftes Verkehrsmittel fördern zu wollen.Kopenhagen liegt direkt am Meer und 24 Meter über dem Meeresspiegel. Ähnlich wie München sieht sich Kopenhagen mit Extremwetterereignissen konfrontiert. In Kopenhagen regnet es sehr häufig und durch die Lage am Meer und die geringe Höhe über dem Meeresspiegel sind Sturmfluten und Überschwemmungen keine Seltenheit. München hat ebenso mit Starkregen zu kämpfen, wobei Hitzewellen hier auch nicht zu unterschätzen sind. Beide Städte stellen verschiedene Maßnahmen vor, die zur Vermeidung negativer Folgen führen sollen. In der Umsetzung hat Kopenhagen bereits Erstaunliches erreicht, um sich vor Starkregen zu schützen. Beide Städte nehmen die durch den Klimawandel entstehenden Extremwetterereignisse und deren mögliche Folgen ernst und arbeiten an spezifischen Lösungen.Die Energieversorgung ist in beiden Städten ein zentraler Aspekt. Beide Städte nehmen hier in gewisser Weise Vorreiterrollen ein. Sowohl Kopenhagen als auch München fördern den Einsatz erneuerbarer Technologien in verschiedener Hinsicht. Das Fernwärmenetz in Kopenhagen ist bereits sehr gut ausgebaut. Gleichzeitig kann die Fernwärme Kopenhagens bereits zu 80 Prozent aus erneuerbaren Energien gewonnen werden. Die dänische Hauptstadt hat hier einige Vorzeigeprojekte, unter anderem die Müllverbrennungsanlage Amager Bakke.Die Stadt München setzt vermehrt auf Tiefengeothermie und treibt den Ausbau voran. Dies soll die Fernwärme nach und nach nachhaltiger machen. Bis 2040 soll das Fernwärmenetz in München somit klimaneutral arbeiten können. Die KWK-Methode wird in München eingesetzt und spart nennenswerte Mengen an CO2 ein. Fossile Brennstoffe kommen hier aber nach wie vor zum Einsatz. Dennoch hat auch München ein ausgefeiltes Konzept und ist vor allem im deutschen Vergleich weit vorangeschritten und hat bereits früh nach alternativen Wegen gesucht. Daher sind die Fortschritte Münchens in der Wärmeversorgung beachtlich. Im direkten Vergleich kann Kopenhagen jedoch mit noch mehr Innovation und aktuell größeren Fortschritten punkten.FazitEs wurde untersucht, wie eine nachhaltige Stadt gestaltet werden kann. Eine aktuelle Bestandsaufnahme zeigt, dass die Entwicklungen in Städten sehr unterschiedlich sind. Die Abkehr von der Vorstellung einer autogerechten Stadt scheint sinnvoll. Bereits vorhandene ÖPNV-Strukturen und weitere Alternativen zum motorisierten Individualverkehr müssen effizienter genutzt oder geschaffen werden. Der Energiesektor ist besonders relevant, da hier die größten Möglichkeiten hinsichtlich einer Reduzierung von Emissionen bestehen. Städte sollten daher Maßnahmen etablieren, um den Energiebedarf zu senken und auf regenerative Energien umsteigen zu können. In dieser Arbeit wurde bezogen auf den Bereich der Energie die kommunale Wärmeplanung berücksichtigt.Untersucht wurden die Bereiche des Verkehrs und der Mobilität, der Extremwetteranpassung und der kommunalen Wärmeplanung. München und Kopenhagen haben in den untersuchten Bereichen bereits eine Vielzahl an Maßnahmen und Vorhaben vorgestellt und initiiert. Dabei stellt sich heraus, dass die spezifischen Gegebenheiten in Städten stets berücksichtigt werden müssen. Diese unterschiedlichen Gegebenheiten führen dazu, dass ein Städtevergleich nicht in jedem Aspekt einer nachhaltigen Stadtentwicklung zielführend ist. München zeigt jedoch am Beispiel der geplanten Radschnellverbindungen, dass es auch Lösungen für suboptimale Gegebenheiten gibt, in diesem Fall für größere Distanzen beim Radverkehr.Beide Städte sind fortgeschritten, was den Bereich der nachhaltigen Mobilität betrifft. Hier stellt vor allem der erwartete Bevölkerungsanstieg eine Herausforderung dar, da dies zur weiteren Be- beziehungsweise Überlastung der bestehenden Verkehrsinfrastruktur und zur Zunahme des Verkehrs generell führen wird. Dementsprechend finden sich in beiden Städten Projekte, die auch teils in der Umsetzung und bezogen auf die Zukunft der nachhaltigen Mobilität vielversprechend sind. Hier bleiben jedoch die konkreten Fortschritte in den nächsten Jahren abzuwarten, was eine erneute Untersuchung zu einem späteren Zeitpunkt interessant macht. Die Vision beziehungsweise Utopie einer autofreien Stadt scheint für Kopenhagen einen Schritt näher zu sein. München zeigt jedoch, dass zumindest eine autofreie Altstadt in naher Zukunft nicht undenkbar ist.Die Anpassung an die Folgen des Klimawandels ist für beide Städte relevant. Kopenhagen hat hier eine Reihe innovativer Projekte bereits umgesetzt. München stellt viele Maßnahmen vor, die im Detail jedoch noch weiter vorangetrieben werden müssen.Bezogen auf die kommunale Wärmeplanung gehen beide Städte verschiedene Wege und haben bestimmte Visionen. Einen Beitrag zur Energiewende wollen beide Städte und deren ansässige Stadtwerke leisten. Die Fernwärme ist sowohl in Kopenhagen als auch in München der zentrale Faktor. Kopenhagen ist bezogen auf den Anteil erneuerbarer Energien und den Ausbau des Fernwärmenetzes weiter fortgeschritten als München. Ebenso bestehen in Kopenhagen innovative Ideen zur nachhaltigen Erzeugung von Fernwärme und zur Einbettung verschiedener Anlagen in die Kopenhagener Stadt und das Umland. München setzt auf die Nutzung von Geothermie, was zu einer sehr guten CO-2-Bilanz beitragen kann.In den untersuchten Bereichen weisen beide Städte Fortschritte auf. Kopenhagen hat zeitlich betrachtet deutlich früher mit dem Ausbau einer nachhaltigen Stadtentwicklung begonnen. Dementsprechend sind einige Pläne ausgereifter und es finden sich hinsichtlich der untersuchten Bereiche mehr konkrete Umsetzungen. München könnte hier jedoch in den nächsten Jahren ähnlich weit voranschreiten, was unter anderem hinsichtlich des Maßnahmenkatalogs deutlich wird. Auch aus diesem Grund wäre die Betrachtung zu einem späteren Zeitpunkt interessant und würde weitere Aufschlüsse liefern.Durch die Untersuchung der Verkehrsinfrastruktur und der kommunalen Wärmeplanung beider Städte wurden Schlüsselaspekte einer nachhaltigen Stadtentwicklung berücksichtigt. Dennoch muss betont werden, dass bei weitem nicht alle Aspekte einer nachhaltigen Stadt berücksichtigt und untersucht werden konnten. Dies würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Eine Untersuchung in weiteren Bereichen würde daher eine sinnvolle Ergänzung darstellen.LiteraturverzeichnisAachener Stiftung Kathy Beys (2015): Nachhaltiger Lebensstil (Aachener Stiftung Kathy Beys vom 16.12.2015) < https://www.nachhaltigkeit.info/artikel/nachhaltiger_lebensstil_1978.htm > (11.11.2023).ADAC (2021). 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Unterrichtseinheit zum Thema Kinderrechte und deren Untersuchung und Umsetzung in der Schule (Grundschule, Klassenstufen 3/4, 3-4 (Doppel-)Stunden)
Die Kinderrechte als über die Menschenrechte hinausgehende Bestimmungen sind sowohl international anerkannt als auch Teil des baden-württembergischen Bildungsplans für die Grundschule. Darüber hinaus stellt die Kenntnis über die eigenen Rechte eine bedeutsame Ressource für Kinder dar.
Die Vorstellung einer Unterrichtseinheit zur Heranführung an die Kinderrechte und deren Untersuchung und Umsetzung im schulischen Kontext für die Klassenstufen 3/4 der Grundschule ist Inhalt des folgenden Blogbeitrags:Auf eine theoretische Einführung zum Hintergrund der Kinderrechte folgt die Begründung der Relevanz der Thematik. Daran schließen didaktische Überlegungen zu Zeitpunkt, Thema und Inhalten sowie Intentionen an. Der Teil Aufbau der Unterrichtseinheit beinhaltet eine Beschreibung der vier (Doppel-)Stunden, inklusive Vorschlägen zur Abwandlung und Anpassung an andere Klassenstufen sowie Informationen zu Alternativen, die erwogen wurden.Im Anhang findet man neben den Unterrichtsskizzen (Übersicht) Materialien und Formulierungsideen für die vorgestellte Unterrichtseinheit auch eine ausführliche Liste zu empfehlenden Unterrichtsmaterials anderer Websites und Organisationen sowie ein umfangreiches Literaturverzeichnis mit sowohl Online- als auch Printliteratur, um Möglichkeiten zur weiteren Vertiefung, beispielsweise im Hinblick auf die Partizipation von Kindern in der Schule oder bezüglich des Zusammenhangs zwischen Kinderrechten und Demokratie, zu geben.Die im Blogbeitrag angegebenen Literaturangaben finden sich entweder im Literaturverzeichnis oder in der Liste mit zu empfehlendem Unterrichtsmaterial. Ein Abkürzungsverzeichnis am Ende des Blogbeitrags ist ebenfalls vorhanden.Theoretische Einführung
Überblick
Die Kinderrechte sind in der Konvention über die Rechte des Kindes, auch 'Kinderrechtskonvention' (kurz: KRK, englisch: Convention on the Rights of the Child, kurz: CRC), festgeschrieben und damit völkerrechtlich verbindlich (vgl. BMZ 2023). Die KRK wurde 1989 durch die Vereinten Nationen (kurz: VN, englisch: United Nations, kurz: UN) angenommen und ist 1990 in Kraft getreten (vgl. Gareis/Varwick 2014, S. 192, ausführlicher siehe Historischer Verlauf). Sie ist einer der meistratifizierten Menschenrechtsverträge (vgl. DIMR 2023b), nachdem sie von allen Ländern mit Ausnahme der USA ratifiziert wurde (vgl. United Nations Human Rights Office of the High Commissioner 2023, ausführlicher siehe Ratifizierung). In Deutschland gilt die KRK seit 1992 (vgl. Auswärtiges Amt 2023, ausführlicher siehe Deutschland).
Die KRK umfasst 54 Rechte, die sich in mehrere Kategorien differenzieren lassen (ausführlicher siehe Inhalt und Aufbau). Außerdem existieren drei Zusatzprotokolle, die allerdings nicht in gleicher Zahl ratifiziert sind wie die KRK selbst (vgl. United Nations Human Rights Office of the High Commissioner 2023). Zentrales Prinzip ist es, im "besten Interesse des Kindes" zu handeln (vgl. BMZ 2023). Als Kind gilt dabei "jeder Mensch, der das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, soweit die Volljährigkeit nach dem auf das Kind anzuwendenden Recht nicht früher eintritt" (Artikel 1 der UN-KRK, UN-Generalversammlung 1989, S. 9).
Kinder benötigen "besonderen Schutz, besondere Förderung und besondere, kindgerechte Beteiligungsformen" (vgl. Maywald 2010), da sie "in vielerlei Hinsicht besonders verletzbar" (Auswärtiges Amt 2023) und von Erwachsenen abhängig sind. Durch die KRK werden Kinder erstmals als eigenständige (Recht-)Subjekte anerkannt (vgl. DIMR2023a, ausführlicher siehe Historischer Verlauf).
Das sich im Anhang befindliche Literaturverzeichnis beinhaltet unter 'Primärliteratur' Angaben zu fünf online frei zugänglichen Versionen der KRK: deutsch, deutsch mit Zusatzprotokollen, deutsch kinderfreundliche Version, verschiedene Sprachen kinderfreundliche Version, englisch.
Historischer Verlauf
Lange Zeit wurden Kinder als den Erwachsenen unterlegen betrachtet und waren "rechtlich und faktisch nicht gleichgestellt" (Maywald 2010). Erst 1924 wurde vom Völkerbund, dem Vorläufer der VN, eine Kindercharta, die Genfer Erklärung über die Rechte des Kindes (englisch: 'Geneva Declaration'), verabschiedet. Sie war allerdings nicht rechtsverbindlich (vgl. bpb 2019). Ihre Überarbeitung durch die VN mündete 1959 in die Erklärung der Rechte des Kindes, die das Kind erstmals auf internationaler Ebene als Rechtsträger anerkannte und den Begriff des Kindeswohls definierte (vgl. Maywald 2010). Anlässlich des 'Jahres des Kindes' 1978 schlug die polnische Regierung vor, die Erklärung der Rechte des Kindes von 1959 in einen völkerrechtlich verbindlichen Vertrag umzuwandeln. Nach mehrjähriger Tätigkeit einer entsprechenden Arbeitsgruppe wurde am 20. November 1989 die heute gültige Kinderrechtskonvention einstimmig von der Generalversammlung der VN verabschiedet (vgl. bpb 2019). Dieses Datum gilt seither als der Tag der Kinderrechte (vgl. bpb 2017).
Die Links zur Genfer Erklärung über die Rechte des Kindes von 1924 und zur Erklärung der Rechte des Kindes von 1959 finden sich auch im angehängten Literaturverzeichnis unter 'Primärliteratur, Weitere Konventionen'.
Ratifizierung
Folgende Tabelle zeigt den Status der KRK und ihrer Zusatzprotokolle (Stand 2023). Die Daten entstammen einer interaktiven Karte des United Nations Human Rights Office of the High Commissioner.
"State Party" (ratifiziert)
"Signatory" (unterzeichnet)
"No Action" (nichts)
UN-Kinderrechtskonvention
196
1 (USA)
0
1. Zusatzprotokoll (Schutz vor Kinderhandel)
178
7
12
2. Zusatzprotokoll (Schutz in bewaffneten Konflikten)
173
7
17
3. Zusatzprotokoll (Individualbeschwerden)
50
16
132
Durch die freiwillige Handlung der Ratifizierung gehen die Staaten eine rechtlich bindende Verpflichtung ein (vgl. Würth/Simon 2012).
Stellenwert
Laut Maywald (2010) ist die KRK "insofern einmalig, als es die bisher größte Bandbreite fundamentaler Menschenrechte – ökonomische, soziale, kulturelle, zivile und politische – in einem einzigen Vertragswerk zusammenbindet." Die Relation zu den Menschenrechten ist dabei unzureichend bestimmt (vgl. Busen/Weiß 2023). Durch weitere Konventionen einen vergleichbaren Schutz erfahren Frauen, Wanderarbeiter*innen, Menschen mit Behinderungen sowie Gefolterte und Verschwundene (vgl. ebd.).
Inhalt und Aufbau
Die 54 Artikel der KRK lassen sich in drei Kategorien unterteilen: Schutzrechte, Förderrechte und Beteiligungsrechte (vgl. BMFSFJ 2023, BMZ 2023, DIMR2023a, Maywald 2010, Würth/Simon 2012).
Außerdem verfügt die KRK über vier Grundprinzipien: Nichtdiskriminierung, Kindeswohlvorrang, Recht auf Leben und Entwicklung sowie Beteiligung des Kindes und Berücksichtigung seiner Meinung (vgl. Auswärtiges Amt 2023, BMFSFJ 2023, BMZ 2023, Würth/Simon 2012). Sie sind in den Artikeln 2, 3, 6 und 12 festgehalten (vgl. DIMR 2023b), weswegen diese als die wichtigsten Artikel der KRK bezeichnet werden (vgl. Maywald 2010).
Schlussendlich umfasst die KRK vier Verfahrensregeln: die Verpflichtung der Staaten zur Bekanntmachung der Kinderrechte (Art. 42), die Einsetzung eines Ausschusses der VN für die Rechte des Kindes (Art. 43), die Berichtspflicht über die Maßnahmen zur Verwirklichung der Kinderrechte (Art. 44) sowie die Mitwirkungsmöglichkeiten von Nichtregierungsorganisationen (Art. 45) (vgl. Maywald 2010).
Die drei Zusatzprotokolle der KRK wurden im Anschluss an den 20. November 1989 verabschiedet.Fakultativprotokoll zur Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten: 12. Februar 2002Fakultativprotokoll über den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und Kinderpornografie: 18. Januar 2002Fakultativprotokoll: Individualbeschwerde-, Staatenbeschwerde- und Untersuchungsverfahren: 14. April 2014 (vgl. DIMR 2023b)
Umsetzung
Die KRK als völkerrechtliches Übereinkommen stellt "nicht Gesetzgebung im geläufigen Sinne, sondern Vertragsrecht" (Maywald 2010) dar, was lediglich Verpflichtungen der Vertragsstaaten begründet. Diese sogenannten Staatenpflichten sind bei menschenrechtlichen Verträgen die folgenden:Respektierungspflicht / duty to respect: "der Staat ist verpflichtet, Verletzungen der Rechte zu unterlassen"Schutzpflicht / duty to protect: "der Staat hat die Rechte vor Übergriffen von Seiten Dritter zu schützen"Gewährleistungspflicht / duty to fulfill: "der Staat hat für die volle Verwirklichung der Menschenrechte Sorge zu tragen" (Maywald 2010)
Darüber hinaus verpflichten sich die Vertragsstaaten zu internationaler Zusammenarbeit (vgl. Würth/Simon 2012).
Die konkrete Umsetzung der Kinderrechte wird durch die nationalen Gesetzgebungen der einzelnen Länder geregelt. Lediglich Artikel 2, 3, 6 und 12 (ausführlicher siehe Inhalt und Aufbau) als sogenannte unmittelbar anwendbare Rechte (englisch: self executing rights) sind davon ausgenommen (vgl. ebd).
In der Bundesrepublik Deutschland haben die Kinderrechte beispielsweise in Form des Gesetzes zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung und des Rechts aller Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr auf einen öffentlichen Betreuungsplatz Eingang in das Grundgesetz gefunden (vgl. bpb 2019).
Überprüfung
Die VN verfügen, wie in Artikel 43 der KRK gefordert (vgl. Maywald 2010), über einen 'Ausschuss für die Rechte des Kindes' (kurz: Kinderrechtsausschuss), der die Einhaltung der KRK überwacht und als Adressat für Individualbeschwerden dient (vgl. Auswärtiges Amt 2023).
In Deutschland erfolgt die Kontrolle der Umsetzung der Kinderrechte durch eine unabhängige Monitoring-Stelle, die beim Bundesfamilienministerium eingerichtet ist (vgl. bpb 2019).
Artikel 44 beschreibt weiterhin, dass die Vertragsstaaten regelmäßig über ihre Maßnahmen zur Verwirklichung der Kinderrechte zu berichten haben (vgl. Auswärtiges Amt 2023). Dies geschieht in Form von Staatenberichten, wodurch die KRK als "eher schwaches völkerrechtliches Instrument" (Gareis/Varwick 2010, S. 197) gilt. Der Fünfte und Sechste Staatenbericht der Bundesrepublik Deutschland wurde im April 2019 dem Kinderrechtsausschuss vorgelegt (vgl. Auswärtiges Amt 2023). Ein Link zum Download ist auch im Literaturverzeichnis dieses Blogbeitrags unter 'Primärliteratur' zu finden.
Deutschland
In Deutschland erlangte die KRK 1992 Gültigkeit (vgl. Auswärtiges Amt 2023) – zu Beginn allerdings mit Einschränkungen, nachdem nicht klar war, ob sie mit dem deutschen Ausländerrecht, konkret mit der Möglichkeit, minderjährige nicht-deutsche Staatsangehörige in ihre Herkunftsländer auszuweisen oder abzuschieben, kollidieren würde (vgl. bpb 2017). Die erklärten Vorbehalte wurden 2010 zurückgenommen (vgl. BMFSFJ 2023), wodurch die KRK verbindlich geltendes Recht wurde (vgl. DIMR 2023c).
Die KRK hat Auswirkungen auf die nationale Gesetzgebung der Bundesrepublik (ausführlicher siehe Umsetzung). Dennoch sind die Kinderrechte in Deutschland bisher kein eigener Teil des Grundgesetzes. Dies ist Gegenstand einer Debatte. Als Argumente für die Aufnahme werden genannt:die Stärkung des Bewusstseins für die Rechte von Kindern;die Verbesserung der Position von Kindern gegenüber dem Staat und im Konfliktfall gegenüber ihren Eltern;die Stärkung der elterlichen Verantwortung, die Rechte des Kindes zur Geltung bringen;die Förderung der Berücksichtigung von Kindesinteressen im politischen Raum sowie der damit einhergehende Ausdruck des hohen Rangs von Wohl und Rechten von Kindern (vgl. Maywald 2010).Außerdem können Kinder zum aktuellen Zeitpunkt, im Gegensatz zu anderen Grundrechtsträgern, ihre Rechte an vielen Stellen nicht selbst einfordern, da sie weiterhin als Objekte betrachtet werden (vgl. bpb 2017). Das Deutsche Institut für Menschenrechte spricht darüber hinaus davon, dass die Kinderrechte in Deutschland grundlegend "noch nicht ernst genommen und oftmals leichtfertig übergangen" werden (DIMR 2023a).Gegenstimmen einer Aufnahme der Kinderrechte in das Grundgesetz berufen sich darauf, dass dies nicht dazu führen würde, dass Kinder mehr Rechte erhielten (vgl. bpb 2023a). Eine Rechtsangleichung wird vom UN-Kinderrechtsausschuss empfohlen und entspricht einer Vorgabe der Grundrechte-Charta der EU (vgl. Maywald 2010).
In Bezug auf die Umsetzung der Kinderrechte in Deutschland werden von unterschiedlichen Seiten Forderungen gestellt. Sie beziehen sich unter anderem auf die Schaffung von Bildungsgerechtigkeit (vgl. Maywald 2010). Weiterhin verlangt wird die Erhebung von mehr kinderrechtsbasierten Daten zur Untersuchung der Wirkung politischer Maßnahmen, die gezielte Stärkung der Selbstorganisation von Kindern und Jugendlichen, insbesondere in öffentlichen Bildungseinrichtungen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, sowie, nach Vorbild anderer Vertragsstaaten, die Errichtung leicht zugänglicher Kinderrechtsinstitutionen und -stellen im direkten Lebensumfeld von Kindern (vgl. DIMR 2023a).Kinder selbst fordern laut der Bundeszentrale für politische Bildung ein Recht auf Taschengeld, das Recht zu wählen sowie ein Recht auf Arbeit, das sich auf die Aufwertung der sozialen Stellung von arbeitenden Kindern und so die Stärkung ihrer Verhandlungsmacht bezieht (vgl. bpb 2023a).Relevanz der Thematik
"Die Kinderrechte und die Geltung und grundlegende Einhaltung dieser Rechte in Deutschland sind eine bemerkenswerte Errungenschaft, die vielen Kindern wahrscheinlich gar nicht bewusst ist" (Bohlen 2021). Dieses von der Bundeszentrale für politische Bildung veröffentlichte Zitat fasst hervorragend zusammen, weswegen die Behandlung der Kinderechte im Unterricht von Relevanz ist:Die Kinderrechte bieten, wie bereits in der theoretischen Einführung beschrieben, bis dato nie dagewesene rechtliche Möglichkeiten für Kinder. Deren Einforderung durch Kinder kann allerdings nur geschehen, wenn sie über ihre Rechte im Bilde sind. Schule im allgemeinen und der Politik- beziehungsweise in der Primarstufe der Sachunterricht im besonderen hat den Auftrag, die Mündigkeit der Schüler*innen zu fördern (vgl. Detjen 2007, S. 211). Demnach obliegt Schule auch die Aufgabe, über die Kinderrechte zu informieren. Dies entspricht darüber hinaus dem "pädagogischen Blickwinkel" nach Kahlert (2010, S. 267), der Sachunterrichtsplanung als "begründungspflichtige Anforderung an professionelles Lehrerhandeln" (ebd., S. 264) mit mehreren, zu begründenden Dimensionen beschreibt (vgl. ebd., S. 267), indem folgende Leitfrage beantwortet wird: "Warum ist dies [der Inhalt, Anm. LS] sinnvoll für die Persönlichkeitsentwicklung des einzelnen Kindes?" (ebd.).
Im Kontext von Sachunterricht wird durch die Thematisierung von Kinderrechten weiterhin die Umsetzung sowohl der ersten als auch der zweiten Dimension der Allgemeinbildung nach Klafki (2005) erreicht, da nicht nur Selbstbestimmungs-, Mitbestimmungs- und Solidaritätsfähigkeit gefördert werden, sondern die Kinderrechte auch Gegenwarts- und Zukunftsbedeutung haben (vgl. ebd.). Ferner wird der Behandlung der epochaltypischen Schlüsselprobleme der Ungleichheit innerhalb von Gesellschaften und der internationalen Ungleichheit nachgekommen (vgl. ebd.). Der "kulturelle Stellenwert" als zweite Komponente der begründungspflichtigen "bildungstheoretischen Dimension" nach Kahlert (2010, S. 267) und der Frage danach, "welche Bedeutung es für das Zusammenleben heute und in Zukunft hat, wenn Kinder in der Schule diesem Inhalt begegnen" (ebd.), wird somit ebenfalls Rechnung getragen.
Auch der baden-württembergische Bildungsplan von 2016 für das Fach Sachunterricht fordert die Auseinandersetzung mit dem Thema Kinderrechte explizit. Im Bereich der inhaltsbezogenen Kompetenzen für die Klassenstufen 3/4 wird unter '3.2.1 Demokratie und Gesellschaft 3.2.1.4 Politik und Zeitgeschehen' Folgendes genannt:"DenkanstößeWie wird die aktive Umsetzung von Grund- und Kinderrechten in der Klasse und Schule gestaltet?Wie reagiert die Schule auf Missachtung der Kinderrechte im Schulalltag? [...]TeilkompetenzenDie Schülerinnen und Schüler können(1) zentrale ausgewählte Grund- und Kinderrechte beschreiben und auf konkrete Situationen in Deutschland und andere Länder übertragen(Ministerium für Jugend, Kultus und Sport Baden-Württemberg 2016, S. 36)
Außerdem wird mit der Thematisierung der Kinderrechte der prozessbezogenen Kompetenz '2.5 Reflektieren und sich positionieren' nachgekommen:"Die Schülerinnen und Schüler können[…] 2. Empathiefähigkeit entwickeln und Perspektivwechsel vornehmen (zum Beispiel […] in der Auseinandersetzung […] mit Grund- und Kinderrechten […])" (ebd., S. 12)
Im Bereich der Denkanstöße besonders betont wird die Umsetzung der Kinderrechte in der Schule. Vor diesem Hintergrund scheint die Forderung des Deutschen Instituts für Menschenrechte, insbesondere in Bildungseinrichtungen mehr Beteiligungsmöglichkeiten für Kinder zu schaffen (vgl. DIMR 2023a, ausführlicher siehe Theoretische Einführung, Deutschland), noch bedeutsamer.Didaktische Überlegungen
Zeitpunkt
Da die Grundrechte ebenfalls Teil des Bildungsplans sind (ausführlicher siehe Relevanz der Thematik), bietet es sich an, die Unterrichtseinheit zu Kinderrechten in zeitlicher Nähe zu einer Behandlung der Grundrechte durchzuführen.
Themen und Inhalte
Die Unterrichtseinheit beschäftigt sich mit der Umsetzung von Kinderrechten, zuvorderst im Kontext Schule. Dies begründet sich zum einen in der durch die Denkanstöße des baden-württembergischen Bildungsplans gelegten Basis (ausführlicher siehe Relevanz der Thematik). Zum anderen wird angestrebt, Schüler*innen die Kinderrechte als solche Rechte zu vermitteln, über die sie selbst verfügen und die sie in ihrem direkten Umfeld jederzeit einfordern können. Hintergrund bildet auch die Einschätzung des Deutschen Instituts für Menschenrechte, dass diese Möglichkeiten, insbesondere im Bildungskontext, bisher nicht in ausreichender Anzahl und Erreichbarkeit vorhanden sind (vgl. DIMR 2023a, ausführlicher siehe Theoretische Einführung, Deutschland). Partizipation ermöglicht darüber hinaus, die eigene Selbstwirksamkeit zu erfahren, was ein positives Selbstkonzept fördert. Eine Auseinandersetzung mit weiteren erwogenen Schwerpunkten der Unterrichtseinheit erfolgt im Teil Aufbau der Unterrichtseinheit, Erwogene Alternativen.Die Themen der ersten beiden Unterrichtsstunden sind als Fragen formuliert: 'Kinderrechte – Welche Rechte habe ich?', 'Kinderrechte – Wie können wir sie umsetzen?'. Daraus ergeben sich drei Vorteile: Erstens wird dem Unterrichtsprozess Geschlossenheit verliehen, da sich die Frage als roter Faden durch die Stunde zieht und die einzelnen Unterrichtssituationen miteinander verbindet (vgl. Tänzer 2010, 132). Zweitens ermöglicht eine Frage, den Unterricht weniger lehrkraftzentriert zu gestalten, da die Schüler*innen selbst Lösungen finden sollen (ebd.). Und drittens verlangt eine Frage nach einer Antwort, was motivationale Aspekte fördert und eine Ergebnissicherung einschließt. Die dritte und gegebenenfalls vierte Unterrichtsstunde sind mit 'Kinderrechte – Wir setzen sie um!' betitelt, was den produzierenden Charakter der Stunde verdeutlicht sowie durch das Personalpronomen 'Wir' den Klassenzusammenhalt fokussiert und einen Hinweis auf die Sozialform liefert.
Die KRK umfasst 54 Rechte, die nicht alle Inhalt des Unterrichts sein können und müssen. Im Bildungsplan wird die Formulierung "ausgewählte Grund- und Kinderrechte" (Ministerium für Jugend, Kultus und Sport Baden-Württemberg 2016, S. 36) genutzt. Die folgende Tabelle bietet eine Übersicht über diejenigen Kinderrechte, die vor dem Hintergrund einer ausführlichen Recherche und unter Beachtung der Adressat*innengerechtigkeit für die Unterrichtseinheit vorgeschlagen werden. Die Auswahl obliegt der Lehrkraft.Es wird empfohlen, die vier Grundprinzipien der KRK (Art. 2, 3, 6, 12) in jedem Fall zu thematisieren. Weiterhin ist es sinnvoll, darüber zu sprechen, dass die KRK Artikel beinhaltet, die die Umsetzung der Kinderrechte regeln (Art. 43-54). Schlussendlich wird im Verlauf der Unterrichtseinheit der Film "Kinderrechte raten" der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb 2022d) eingesetzt, weswegen es sich anbietet, auch die dort vorkommenden Kinderrechte vorab anzusprechen.Die Anzahl der weiteren Kinderrechte kann je nach Klassenstufe, -größe und -zusammensetzung variiert werden (ausführlicher siehe Ablauf der Unterrichtseinheit, Abwandlungen / Anpassung an andere Klassenstufen). Insbesondere im Zusammenhang mit Krieg und Flucht sollten die Vorerfahrungen und mögliche Traumata der Schüler*innen berücksichtigt werden. Sensibilität ist geboten.
Artikel
Offizielle Bezeichnung
Kinderfreundliche Bezeichnung (in Anlehnung an Deutsches Komitee für UINCEF 2023a, 2023h, BMFSJ 2018)
Inhaltliche Begründung (ausführlicher siehe Theoretische Einführung, Inhalt und Aufbau)
Didaktische Begründung
2
Achtung der Kinderrechte; Diskriminierungsverbot
Recht auf Gleichheit
4 Grundprinzipien / unmittelbar anwendbares Recht
3
Wohl des Kindes
Recht auf das Beste für jedes Kind
6
Recht auf Leben
Recht auf Leben
12
Berücksichtigung des Kindeswillens
Recht auf eine eigene Meinung und darauf, ernst genommen zu werden
13
Meinungs- und Informationsfreiheit
Beteiligungsrecht
Einteilung logo!: Öffentliche Rechte (vgl. BMFSJ 2018, S. 40)
16
Schutz der Privatsphäre und Ehre
Recht auf Privatsphäre
Schutzrecht
Einteilung logo!: Private Rechte (vgl. BMFSJ 2018, S. 33)
17
Zugang zu den Medien; Kinder- und Jugendschutz
Recht auf Medien
Beteiligungsrecht
Film bpb "Kinderrechte raten" (vgl. bpb 2022d)
22
Flüchtlingskinder
Recht auf besonderen Schutz und Hilfe für Flüchtlingskinder
Schutzrecht
Einteilung logo!: Schutz vor Ausbeutung und Gewalt (vgl. BMFSJ 2018, S. 52ff.)
23
Förderung behinderter Kinder
Recht auf besondere Förderung und Unterstützung für behinderte Kinder
Förderrecht
Poster UNICEF (vgl. Deutsches Komitee für UINCEF 2023g)
24
Gesundheitsvorsorge
Recht auf Gesundheit
Förderrecht
Einteilung logo!: Recht auf Fürsorge (vgl. BMFSJ 2018, S. 32)
27
Angemessene Lebensbedingungen; Unterhalt
Recht auf gute Lebensverhältnisse
Schutzrecht
Einteilung logo!: Recht auf Fürsorge (vgl. BMFSJ 2018, S. 30)
28
Recht auf Bildung; Schule; Berufsausbildung
Recht auf Bildung
Förderrecht
Film bpb "Kinderrechte raten" (vgl. bpb 2022d)
31
Beteiligung an Freizeit, kulturellem und künstlerischem Leben; staatliche Förderung
Recht auf Spiel und Freizeit
Förderrecht
Film bpb "Kinderrechte raten" (vgl. bpb 2022d)
32
Schutz vor wirtschaftlicher Ausbeutung
Recht auf Schutz vor ausbeuterischer Kinderarbeit
Schutzrecht
Einteilung logo!: Schutz vor Ausbeutung und Gewalt (vgl. BMFSJ 2018, S. 45)
38
Schutz bei bewaffneten Konflikten; Einziehung zu den Streitkräften
Recht auf Schutz im Krieg
Schutzrecht
Einteilung logo!: Schutz vor Ausbeutung und Gewalt (vgl. BMFSJ 2018, S. 50f.)
43-54
"Diese Artikel erklären, wie die Vereinten Nationen in Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen wie UNICEF dafür sorgen wollen, dass die Kinderrechte eingehalten werden." (UNICEF 2023a)
u.a. Verfahrensregeln (Art. 42-45)
Hinweise zu den didaktischen Begründungen:Das Buch "Die Rechte der Kinder. von logo!einfach erklärt" (BMFSJ 2018) beinhaltet eine sinnvolle Einteilung, die über die Einteilung in Schutz-, Förder- und Beteiligungsrechte hinausgeht. Das Poster "Kinderrechte" von UNICEF (Deutsches Komitee für UINCEF 2023g) umfasst mit dem 'Recht auf besondere Förderung und Unterstützung bei Behinderung' ein Kinderrecht, das grundlegend von Bedeutung und im schulischen Kontext vor dem Hintergrund des Inklusionsbestrebens im Bildungssystem besonders relevant erscheint.Der Film "Kinderrechte raten" der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb 2022d) kommt im Verlauf der Unterrichtseinheit zum Einsatz.
Intentionen
In dem 2013 veröffentlichten Perspektivrahmen Sachunterricht spricht die Gesellschaft für Didaktik des Sachunterrichts davon, dass Ausrichtung und Anliegen des Sachunterrichts […] als zu fördernde Kompetenzen und Kompetenzerwartungen" (GDSU 2013, S. 12) beschrieben werden können. Nach Weinert (2001, S. 27f.) sind Kompetenzen "die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können".
Die folgenden Ziele stellen Lernziele dar, die sich sowohl auf Inhalt als auch auf Methoden beziehen (vgl. Tänzer 2010, S. 104). Sie werden auch als Verhaltensdispositionen bezeichnet, was verdeutlichen soll, dass sie "nicht zwangsläufig beobachtbar" (ebd., S. 102) sind. Die Ziele sind nach Stunden sortiert und orientieren sich in ihrer Reihenfolge an deren Aufbau.
Erste (Doppel-)Stunde
Die Schüler*innen könnenBedürfnisse / Wünsche von Kindern erkennen und nennenBedürfnisse / Wünsche von Kindern priorisieren / gewichtenKinderrechte nennenBedürfnissen / Wünschen von Kindern entsprechende Kinderrechte zuordnenzwischen Bedürfnissen / Wünschen und Rechten von Kindern unterscheideneine Verbindung zwischen den Kinderrechten und dem eigenen Leben herstellen
Zweite (Doppel-)Stunde
Die Schüler*innen könnenbegründen, warum bestimmte Kinderrechte bedeutsam sinddie Umsetzung von Kinderrechten in der Schule beurteilenVorschläge zur Verbesserung der Umsetzung von Kinderrechten in der Schule machen
Dritte (Doppel-)Stunde
Die Schüler*innen könnenin einer Gruppe auswählen, welche Inhalte zu einem bestimmten Kinderrecht auf einem Plakat Platz finden sollenin einer Gruppe ein Plakat zu einem Kinderrecht gestaltenin einer Gruppe ein Plakat zu einem Kinderrecht präsentieren
Aufbau der Unterrichtseinheit
Die folgenden Ausführungen sind auch als Übersicht in tabellarischer Form verfügbar. Die Übersicht orientiert sich an klassischen Unterrichtsskizzen, um im Unterricht als Leitfaden genutzt werden zu können. (Sie befindet sich auch noch einmal im Anhang.)
Die Unterrichtseinheit besteht aus drei obligatorischen Stunden und einer fakultativen Stunde. Sie können je nach Vorwissen, Arbeitstempo etc. der Schüler*innen als Einzel- oder als Doppelstunden durchgeführt werden.
Erste (Doppel-)Stunde: Kinderrechte – Welche Rechte habe ich?
Die erste (Doppel-)Stunde mit dem Thema 'Kinderrechte – Welche Rechte habe ich?' dient dazu, die KRK kennenzulernen und ihren Nutzen und ihre Schwerpunkte zu verstehen. Außerdem werden "ausgewählte [...] Kinderrechte" (siehe didaktische Überlegungen, Thema und Inhalte) besprochen und eigene Ausgaben der KRK angefertigt.Dafür werden in einem ersten Schritt (Einstieg) Bedürfnisse / Wünsche von Kindern durch die Schüler*innen genannt. Als Sozial- und Sitzform wird ein Stuhlkreis empfohlen. Die Lehrkraft (LK) notiert die Bedürfnisse / Wünsche auf bunten Karten, die in die Mitte des Stuhlkreises gelegt werden. Dies bietet den Vorteil, dass die daraufhin folgende Diskussion zum Stellenwert der einzelnen Bedürfnisse / Wünsche durch Verschieben der Karten visualisiert werden kann. Sie soll zeigen, dass einige Bedürfnisse zentraler, umfassender oder weitreichender sind als andere. Von großer Bedeutung ist hierbei, dass kein Konsens innerhalb der Klasse erzielt werden muss. Kindern können unterschiedliche Dinge wichtig sein. Ein offener Austausch, während welchem jede Meinung gehört wird, dient der Horizonterweiterung oder der Festigung des eigenen Standpunkts. Es sollte darauf geachtet werden, zwischen den Bedürfnis-Karten ausreichend Platz zu lassen, um zur Verdeutlichung des Nutzens der Kinderrechte in der Phase der Erarbeitung Kinderrechte-Karten hinzulegen zu können (ausführlicher siehe unten). Die Bedürfnis-Karten sollten nicht vorher vorbereitet sein. Dies würde unter Umständen die Assoziationsfreiheit der Schüler*innen einschränken, da der Eindruck entstehen könnte, bestimmte, 'richtige' Bedürfnisse nennen zu müssen. Je nach Gesprächsverlauf kann die LK eine Frage dazu stellen, wie die genannten Bedürfnisse / Wünsche garantiert werden könnten, um damit zur nächsten Phase, der Hinführung, überzuleiten. (Eine Formulierungsidee hierzu findet sich im Anhang.)In der Phase der Hinführung informiert die LK die Schüler*innen über die KRK, genauer über ihre Entstehung, ihren Ratifizierungsstatus, ihren Umfang und die Umsetzung durch Staaten und Organisationen sowie ihre Überprüfung mittels Staatenberichten und dem Kinderrechtsausschuss der VN. (Auch hier kann eine Formulierungsidee im Anhang eingesehen werden.) Es bietet sich an, in diesem Zusammenhang die Artikel 1 und 2 der kinderfreundlichen Version der KRK (Deutsches Komitee für UNICEF 2023a) vorzulesen, um konkrete Einblicke zu gewähren, über die Existenz eines Gesetzestextes explizit für Kinder zu informieren sowie zu der Phase der Erarbeitung überzuleiten. Die kinderfreundliche Version der KRK kann hier sowohl online heruntergeladen als auch kostenfrei als Printausgabe bestellt werden. Im Anschluss an die Hinführung kann die KRK im Klassenzimmer platziert werden, um den Schüler*innen die Möglichkeit zu geben, ihre Rechte zu jeder Zeit nachlesen zu können.In der Phase der Erarbeitung werden die Schüler*innen dazu aufgefordert, mögliche Kinderrechte zu nennen. Diese werden in Form vorbereiteter Kinderrechte-Karten (Kopiervorlagen unter Material Unterrichtseinheit Kinderrechte im Anhang) den bereits im Stuhlkreis liegenden Bedürfnis-Karten zugeordnet. Gegebenenfalls können weitere Bedürfnis-Karten beschriftet werden. Als Differenzierung können an dieser Stelle Murmelphasen zu zweit eingebaut werden. Auf den Kinderrechte-Karten befindet sich eine kinderfreundliche Beschreibung des entsprechenden Kinderrechts (siehe didaktische Überlegungen, Thema und Inhalte) sowie eine Visualisierung, die eine Situation darstellt, in der das Kinderrecht zur Anwendung kommt / kommen sollte. Es wird empfohlen, die Kinderrechte-Karten auf weißes Papier zu drucken, um sie visuell gut von den bunten Bedürfnis-Karten unterscheiden zu können. Bei Nennung eines nicht vorbereiteten Kinderrechts kann dieses problemlos auf einem weiteren, weißen Blatt Papier notiert werden. Eine Diskussion über mögliche Visualisierungen regt die Auseinandersetzung mit dem Kinderrecht weiter an. Es sollte in jedem Fall auf die Exemplarität der ausgewählten Kinderechte eingegangen werden und ein Austausch über den Zusammenhang zwischen Bedürfnissen und Kinderrechten und somit den Nutzen der KRK stattfinden. (Eine Formulierungsidee findet sich im Anhang.) Weiterhin wichtig ist es, die Ausgestaltung der Kinderrechte gut zu erklären und alle aufkommenden Fragen zu beantworten, um die Etablierung von Fehlkonzepten, zum Beispiel in Bezug auf Kinderarbeit, zu vermeiden. Es kann dazu kommen, dass einigen Wünschen kein Kinderrecht zugeordnet werden kann. An dieser Stelle kann die LK, sofern dies nicht bereits ohne ihr Zutun geschieht, einen Austausch über die Gründe dafür – beispielsweise die Nichtauswahl des entsprechenden Kinderrechts oder die eingeschränkte Reichweite des Wunsches – anstoßen. Es bietet sich an, den Unterschied zwischen einem Recht und einem Wunsch explizit zu verdeutlichen (ausführlicher siehe Formulierungsideen).Zur Ergebnissicherung gestalten die Schüler*innen in Einzelarbeit ihre eigene Ausgabe der KRK. (Eine Kopiervorlage für die einzelnen Seiten findet sich unter Material Unterrichtseinheit Kinderrechte im Anhang.) Pro Kinderrecht soll eine Seite gestaltet werden. Die Anzahl der Kopien hängt demnach von Klassenstärke und Anzahl der ausgewählten Kinderrechte ab. Die gestalteten Seiten können anschließend mit einem Heftstreifen oder einem Faden gebunden werden. Die Anordnung der Kinderrechte innerhalb ihrer Konvention soll von den Schüler*innen selbst bestimmt werden, um zu bewirken, dass sie noch einmal individuell über die Bedeutsamkeit der entsprechenden Kinderrechte nachdenken. Logistisch empfiehlt sich die reguläre Sitzform. Währenddessen kann die LK die sortierten Bedürfnis- und Kinderrechte-Karten gut sichtbar im Klassenzimmer anbringen, um den Schüler*innen zu ermöglichen, sich die gemeinsame Erarbeitung jederzeit wieder ins Gedächtnis zu rufen.Sollte es Schüler*innen geben, die früher fertig werden als andere, kann auf geeignetes, kostenfreies Zusatzmaterial der Bundeszentrale für politische Bildung und / oder der Kinder-Nachrichtensendung logo! zum Thema Kinderrechte zurückgegriffen werden. (Hinweise dazu finden sich auch in der letzten Zeile der Übersicht über die Unterrichtseinheit. Außerdem sei auf die Liste mit zu empfehlendem Unterrichtsmaterial im Anhang verwiesen).
Zweite (Doppel-)Stunde: Kinderrechte – Wie können wir sie umsetzen?
Die zweite (Doppel-)Stunde beschäftigt sich mit dem Thema 'Kinderrechte – Wie können wir sie umsetzen?', wobei es sich um die Umsetzung in der Schule handelt (ausführlicher siehe didaktische Überlegungen, Thema und Inhalte).Zuvor werden die Inhalte der letzten (Doppel-)Stunde wiederholt. Ein Film der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb 2022b, 0:27-2:52) bereitet drei Kinderrechte so auf, dass sie durch die Betrachter*innen erraten werden können. Der Film muss dazu nicht in kompletter Länge gesehen werden, zumal insbesondere sein Schlussteil keinen sinnvollen Zusammenhang zur Unterrichtseinheit aufweist. In Anlehnung an Diskussionsvorschläge der Bundeszentrale für politische Bildung wird vorgeschlagen, im Anschluss an die Nennung des Kinderrechts noch einmal seine Bedeutsamkeit zu thematisieren. Außerdem bietet es sich unter Umständen an, ebenfalls wiederholend auf den Inhalt des Kinderrechts einzugehen. (Formulierungsideen finden sich im Anhang.) Um auch die weiteren, in der vorausgegangenen Stunde eingeführten Kinderrechte zu wiederholen, folgt eine Übertragung des Formats des Films auf die Klassenebene: Freiwillige Schüler*innen beschreiben ein Kinderrecht, ohne dessen Bezeichnung zu nennen, während die anderen raten. Die Diskussion über Inhalt und Bedeutsamkeit als etablierte Struktur und relevanter Teil, um das Verständnis zu sichern, mögliche Lücken zu ergänzen und Fehlvorstellungen zu korrigieren, schließt an. Als Sitzform wird der Kinositz vorgeschlagen. In dem zweiten Teil der Wiederholung kann das entsprechende Kind zur Beschreibung seines Kinderrechts vor die Klasse treten und mit Überblick über seine Mitschüler*innen Antworten entgegennehmen. Dieser Teil der Stunde bringt eine natürliche Differenzierung mit sich, solange alle Schüler*innen auf freiwilliger Basis die Rolle eines vortragenden oder eines zuhörenden und gegebenenfalls ratenden Kinds einnehmen.Die Phase der Erarbeitung beinhaltet eine Untersuchung und Diskussion der Umsetzung der Kinderrechte in der Schule. Dies kann, je nach Vorerfahrungen und regulärer Sitzform der Klasse, in Partner- oder Gruppenarbeit geschehen. Ein Arbeitsblatt, das vier Spalten umfasst und so neben der Möglichkeit der Verschriftlichung der Zustände auch Platz für das Notieren von Lösungsvorschlägen bietet, dient der Ergebnissicherung des Austausches. (Die Kopiervorlage des Arbeitsblatts befindet sich auch im Anhang unter Material Unterrichtseinheit Kinderrechte.) Entsprechend der Möglichkeiten der Einhaltung der Aufsichtspflicht kann erwogen werden, die Schüler*innengruppen im Schulgebäude oder auf dem Schulgelände Hinweise auf Kinderrechte finden zu lassen. Vermutlich wird beispielsweise das Recht auf Gesundheit eher bedacht, wenn die Kinder vor oder in der Mensa stehen. Auch hier empfiehlt es sich, Zusatzmaterial für schneller arbeitende Schüler*innen zur Verfügung zu stellen.Um die Ergebnisse vergleichen und einordnen und die Lösungsvorschläge diskutieren zu können, wird in der Phase der Ergebnissicherung im Stuhlkreis ein Austausch durch die LK moderiert. Sie hat an dieser Stelle außerdem die Möglichkeit, auf Kinderrechte hinzuweisen, die nicht genannt werden. Sollte die Idee nicht von der Klasse selbst kommen, kann die LK als eigenen Vorschlag die Plakatgestaltung einbringen, die in der kommenden, dritten (Doppel-)Stunde durchgeführt werden soll. Die weiteren Lösungsvorschläge können auf einem Plakat gesammelt und im Klassenzimmer angebracht werden, um in der vierten (Doppel-)Stunde darauf zurückgreifen zu können.
Dritte (Doppel-)Stunde: Kinderrechte – Wir setzen sie um!
(Doppel-)Stunde 3 'Kinderrechte – Wir setzen sie um!' beinhaltet die Gestaltung von Plakaten zu den Kinderrechten, um die Bekanntheit dieser in der Schule zu erhöhen.Für die Durchführung in Gruppen wird empfohlen, die Schüler*innen nach klasseneigenen Methoden einzuteilen und vorab über das Verhalten in Gruppen, wie beispielsweise die Rollenverteilung oder den Umgang miteinander, zu sprechen. Je nach Anzahl der "ausgewählten [...] Kinderrechte" (siehe didaktische Überlegungen, Thema und Inhalte), können die Gruppen unterschiedlich groß sein. Es kann sich auch auf einige zentrale Kinderrechte beschränkt werden. Die Zuordnung von Kinderrechten zu entsprechenden Gruppen kann per Zufallsprinzip oder beispielsweise anhand der von den Schüler*innen in der vorherigen, zweiten (Doppel-)Stunde in PA / GA gefundenen und geschilderten Kinderrechte erfolgen. Das bereits angesprochene Zusatzmaterial kann erneut für schneller arbeitende Schüler*innen zum Einsatz kommen. Eine weitere Möglichkeit ist, diese Schüler*innen andere Gruppen unterstützen zu lassen. Die kinderfreundliche Version der KRK und die sortierten Bedürfnis- und Kinderrechte-Karten im Klassenzimmer sowie die eigenen Ausgaben der KRK können als inhaltliche Stütze dienen. Es bietet sich darüber hinaus an, vorab zu klären, welche Inhalte die Plakate umfassen sollen, um eine möglichst hohe Informationsdichte und Einheitlichkeit aller Plakate zu gewährleisten.In der Phase der Ergebnissicherung werden die Plakate im Kinositz präsentiert, bevor sie gemeinsam im Schulhaus angebracht werden. Die LK stellt ebenfalls ein Plakat vor, was Informationen zu Hilfemöglichkeiten / Anlaufstellen beinhaltet, die bei Verletzung oder Missachtung der eigenen Kinderrechte oder der anderer aufgesucht beziehungsweise kontaktiert werden können. (Eine Plakatvorlage und Ideen zur Präsentation finden sich im Anhang unter Material Unterrichtseinheit Kinderrechte und Formulierungsideen.)
Vierte (Doppel-)Stunde: Kinderrechte – Wir setzen sie um!
Die vierte (Doppel-)Stunde ist fakultativ. Sie befasst sich ebenfalls mit dem Thema 'Kinderrechte – Wir setzen sie um!' und bietet Raum, die weiteren Lösungsvorschläge der Schüler*innen aus der Erarbeitungsphase der zweiten (Doppel-)Stunde anzugehen.Darüber hinaus könnten auch das Aufzeigen der Möglichkeit der Partizipation in einem Kinderparlament in der eigenen oder einer nahe gelegenen Stadt oder die Vorbereitung einer Teilnahme an der UNICEF-Aktion 'Wir reden mit!', die jedes Jahr am Tag der Kinderrechte (20.11) stattfindet (vgl. Deutsches Komitee für UNICEF 2023i), Inhalt sein. Zu der Planung und Durchführung eines eigenen Projekts können Informationsmaterialien bei der Bundeszentrale für politische Bildung eingesehen werden (vgl. Sander 2013).
Abwandlungen / Anpassung an andere Klassenstufen
InsgesamtAnpassung der Anzahl der "ausgewählte[n] [...] Kinderrechte"
Erste (Doppel-)StundeEinstieg: Bedürfnisse mündlich, keine PriorisierungHinführung: Anpassung der InformationsmengeErarbeitungKinderrechte-Karten: keine Schrift, nur VisualisierungZusammenhang von Kinderrechten und Bedürfnissen mündlichErgebnissicherung: in zu gestaltenden Ausgaben der KRK ist kinderfreundlicher Titel des Kinderrechts / Schlagwort zur Verdeutlichung des Kinderrechts (z.B. Bildung, Gesundheit…) bereits vorhanden (von LK vor dem Kopieren auf Kopiervorlage notiert), Kinder malen ausschließlich dazu
Zweite (Doppel-)StundeErarbeitung: gemeinsamer Gang durch das Schulhaus / über das Schulgelände und Thematisierung der Kinderrechte vor Ort, kein ABErgebnissicherung: Sammeln von Lösungsvorschlägen im Plenum, LK notiert Vorschläge auf Plakat mit
Dritte (Doppel-)StundeGestaltung von Bildern zu Kinderrechten (anstatt von Plakaten): auch in EA möglich, freie Wahl des Kinderrechts möglichErgebnissicherung: keine Präsentation, Anbringen der Bilder unterhalb vorbereiteter Schriftzüge mit kinderfreundlichen Titeln der Kinderrechte (durch LK vorbereitet)
Vierte (Doppel-)StundeBereits angepasst an die Interessen der Schüler*innenAnpassung an Kapazitäten der Schüler*innen
Erwogene Alternativen
Alternative
Begründung für deren Ausschluss
Kinderrechte in aller Welt
- 'Kinder in aller Welt' eigenes Thema des baden-württembergischen Bildungsplans für Klassen 1/2 und 3/4: Standards für inhaltsbezogene Kompetenzen > Kultur und Gesellschaft (vgl. Ministerium für Kultus, Jugend und Sport 2016, S. 17, 35)- großer Vorbereitungs- und Zeitaufwand, um zu vermeiden, dass sich Stereotype / Generalisierungen / Machtgefälle (gebildet – ungebildet, reich – arm, modern – vormodern) etablieren und auf die Klassenebene übertragen werden
Fokus auf ein Recht im Besonderen
- wurde bereits in Blogbeitrag Kinderrechte unterrichten mit Astrid Lindgren (Reusch 2018) umgesetzt - Wahl eines Kinderrechts und somit Hervorhebung dieses Kinderrechts schwierig (wenn dann Recht auf Bildung (s. unten))
Umsetzung in Deutschland: Bildungs-ungerechtigkeit
- eher anspruchsvoll und umfangreich - von Bundeszentrale für politische Bildung für Klassen 5-8 empfohlen (vgl. Sander et al. 2013)
Debatte: Kinderrechte ins Grundgesetz
- aktuelle Thematik, Unterrichtseinheit könnte schnell inhaltlich überarbeitet werden müssen - Berücksichtigung des Kontroversitätsgebots (Beutelsbacher Konsens) schwierig
Abkürzungsverzeichnis
CRC = Convention on the Rights of the Child
BMFSFJ = Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
BMZ = Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
bpb = Bundeszentrale für politische Bildung
DIMR = Deutsches Institut für Menschenrechte
EA = Einzelarbeit
GA = GruppenarbeitGDSU = Gesellschaft für Didaktik des Sachunterrichts
KRK = Konvention über die Rechte des Kindes, kurz: Kinderrechtskonvention
LK = Lehrkraft
PA = Partnerarbeit
UN = United Nations (engl. für: Vereinte Nationen)
UNICEF = United Nations International Children's Emergency Fund
VN = Vereinte NationenAnhang
Übersicht Unterrichtseinheit Kinderrechte
Material Unterrichtseinheit Kinderrechte
Formulierungsideen Unterrichtseinheit KinderrechteListe zu empfehlendes Unterrichtsmaterial KinderrechteLiteraturverzeichnis Kinderrechte
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"Deutschlands wirtschaftliches und politisches Gewicht verpflichtet uns, im Verbund mit unseren europäischen und transatlantischen Partnern Verantwortung für die Sicherheit Europas zu übernehmen, um gemeinsam Menschenrechte, Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Völkerrecht zu verteidigen" (Angela Merkel: Bundesministerium der Verteidigung 2016, S. 6) Obwohl Angela Merkel nicht mehr Bundeskanzlerin ist, sind die Leitlinien, die im Weißbuch 2016 für die Außen- und Sicherheitspolitik Deutschlands festgelegt wurden, weiterhin elementar – oder nicht? Aber wie lässt sich ihre Aussage im Jahr 2022 verorten? Zeigt Deutschland Verantwortung für die EU, transnationale Partnerschaften und Völkerrecht? In diesem Beitrag soll das Verhältnis zwischen Deutschland und den Vereinten Nationen (VN) in den Blick genommen werden: Mit dem Wegfall des West-Ost-Konflikts, der Dekolonialisierung, dem Beitritt weiterer Staaten und der Veränderung des Krieges hin zu "Neuen Kriegen" (Hippler 2009, S. 3-8) ergeben sich neue Handlungsfelder und Herausforderungen, die die Vereinten Nationen in den Blick nehmen müssen.Je nach Ansicht fällt der größten Weltorganisation eine mehr oder weniger bedeutende Rolle in der internationalen Politik zu (vgl. Gareis & Varwick 2014, S. 295). Allerdings sind maßgeblich die Mitgliedsstaaten für das Gelingen der Vereinten Nationen und für die notwendigen Reformen zuständig, da sie als "klassische intergouvernementale Organisation" (ebd., S. 295) bezeichnet werden können.Die Forschungsfrage lautet daher, wie sich die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik international, im Rahmen der VN, verortet. Die deutsche Politik formuliert hierfür Ziele, die noch genauer zu untersuchen sind. Als eine Maßnahme, um die Zielerreichung zu gewährleisten, kann der MINUSMA-Einsatz in Mali angesehen werden, unter deutscher Beteiligung und von den Vereinten Nationen geführt. Es wird herausgearbeitet, inwiefern die deutsche Partizipation als Erfolg angesehen werden kann. Hierfür wird zuerst der theoretische Rahmen der Internationalen Beziehungen - der Grundzustand der Anarchie - erklärt und weitere Prämissen der VN, des VN-Peacekeepings, der historischen Rahmung der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik sowie der Einsatz selbst beschrieben, um am Ende zu einer elaborierten Aussage kommen zu können. 1. Theoretische Rahmung – Grundzustand AnarchieGareis und Varwick (2014, S. 67) konstatieren einen allgemeinen Anforderungswunsch an die VN, die eine 'Lücke' in der Ordnung der Internationalen Beziehungen füllen sollen. Aber von welcher 'Lücke' wird hier gesprochen? In der Politikwissenschaft gibt es verschiedene Ansätze, um die Beziehungen zwischen Staaten und das Wirken von internationalen Organisationen zu beschreiben. Die Prämisse bildet der Grundzustand von Anarchie, der wie folgt definiert werden kann: "Unter Anarchie wird in diesem Zusammenhang die für Kooperationschancen folgenreiche Struktur der Herrschaftslosigkeit bzw. der Nichtexistenz einer den Staaten übergeordneten, zentralen Autorität mit Handlungskompetenz verstanden" (Gareis & Varwick 2014, S. 67) Es gibt verschiedene Denkschulen, die den Grundzustand unterschiedlich gewichten und bewerten (vgl. Schimmelfennig, S. 63ff). Darunter sind zum Beispiel der Realismus, der Idealismus, der Institutionalismus und der Konstruktivismus zu nennen (vgl. Gareis & Varwick 2014, S. 71). Um das Verhältnis zwischen den VN und Deutschland erklären zu können, ist es hilfreich, zu überlegen, an welcher Denkschule sich die Sicherheits- und Außenpolitik Deutschlands (schwerpunkt- und situationsbezogen) orientiert. Die Ansätze sind in ihrer Gesamtheit in diesem Beitrag nicht zu würdigen, daher werden einzelne Hauptdifferenzen geklärt, um für die Beantwortung der Forschungsfrage eine Richtlinie geben zu können. Die Beschreibung erfolgt idealtypisch: Im Realismus ist der Grundzustand besonders präsent und hauptsächlich staatliche Akteure sind für die Internationalen Beziehungen verantwortlich. Die Staaten haben ein starkes Eigeninteresse, das sich aus der Unsicherheit des Grundzustandes speist, und handeln nach eigenen Machterhaltungsvorstellungen. "In dieser Sichtweise erfüllen internationale Organisationen lediglich aus der Souveränität und den Interessen ihrer Mitglieder abgeleitete Funktionen" (ebd., S. 68). Damit wären Handlungsfelder und Möglichkeiten eng an die Vorgaben der Staaten gekoppelt. Frieden wird als Sicherheit-Erhalten verstanden und bedeutet, dass die Nationalstaaten durch Machtsicherung ihre Souveränität gewährleisten können. (vgl. ebd., S. 68 & 71) Im Idealismus soll der anarchische Grundzustand durch "Kooperationsformen" (ebd., S. 68) geregelt werden. Die Friedenssicherung läuft über einen stetigen Prozess über eine "universelle Gemeinschaft" (ebd., S. 69), die für alle Vorteile bringen kann. Damit wäre das Ziel, Konflikte nicht mehr mit Gewalt lösen zu müssen, anders als im Realismus, wo Krieg als natürliche Form besteht, durch die normative Regelung des Grundzustandes möglich. Internationale Organisationen können mit ihren Regelungen die Realisierung von Frieden darstellen. Damit sind nicht nur Staaten als Akteure zu sehen und statt Machterhaltungsvorgaben ist das Handeln auf ein Gemeinwohl konzentriert. (vgl. ebd., S. 69 & 71) In der Tradition des Institutionalismus sind internationale Kooperationen deutlich wahrscheinlicher als im Realismus. Außerdem ist ihr Einfluss auf Staaten bedeutend höher einzuschätzen. Demnach helfen sie zum Beispiel, Informationen über andere Staaten zu sammeln und können so beim Aufbau von Vertrauen mitwirken. (vgl. ebd., S. 69f) Die "Interdependenz" (Schimmelfennig 2010, S. 93) zwischen den Staaten wird als hoch angesehen und bedarf internationaler Regelwerke, die die Kooperationsmöglichkeiten regulieren. In diesem Sinne sind Staaten an friedlichen Lösungen interessiert und halten Krieg für nicht gewinnbringend bzw. sehen Machtkonzentration als weniger produktiv an als das Streben nach Gewinnen. Dadurch ist der Grundzustand der Anarchie zwar nicht auflösbar, allerdings soll im Laufe der Zeit eine Zivilisierung stattfinden. (vgl. ebd., S. 90) Der Konstruktivismus sieht den Grundzustand der Anarchie nicht als gegeben, sondern als eine Konstruktion von Wirklichkeit an. Dadurch ist es möglich, diesen Zustand zu verändern / aufzuheben. Damit sind die Akteure selbst für den Grundzustand verantwortlich. (vgl. Gareis & Varwick 2014, S. 70) Damit lautet eine Kernhypothese des Konstruktivismus: "Je größer die Übereinstimmung der Ideen von internationalen Akteuren und je stärker damit Gemeinschaft zwischen ihnen ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit von Frieden und internationaler Kooperation" (Schimmelfennig 2010, S. 185) Es wären bspw. Staaten gemeint, die eine freundschaftliche Beziehung pflegen und unabhängig von Machtkonzentration Vertrauen aufbauen. (vgl. ebd., S. 184f) In den Denkschulen sind relativ konkrete Vorstellungen gegeben, wie eine internationale Organisation Einfluss und Machtkonzentration entwickeln kann oder sollte oder bereits beinhaltet. Die Vereinten Nationen können auf einen Blick als größte Organisation im internationalen Spektrum angesehen werden, denn sie haben aktuell 193 Mitgliedsstaaten (Stand 2022) (vgl. Die Vereinten Nationen im Überblick: Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen e. V., o. J.).2. Die Vereinten Nationen Bevor über die VN auf manche Aspekte schwerpunktmäßig eingegangen werden kann, ist knapp zu klären, was eine internationale Organisation wie die VN darstellt. Hierbei orientiert sich dieser Beitrag an Gareis und Varwicks (2014, S. 295) Konstruktion von einer "klassische[n] intergouvernementale[n] Organisation", deren Reformfähigkeit und Erfolge maßgeblich von den Mitgliedsstaaten abhängen – also auch von Deutschland. Es werden prinzipiell keine Souveränitätsrechte an die Organisation abgegeben, mit der Ausnahme, dass der Sicherheitsrat Zwangsmaßnahmen zur Friedenswahrung durchsetzen kann (vgl. ebd., S. 72).2.1 Grundlegende Kennzeichen der Vereinten Nationen Die Grundlagen der Vereinten Nationen können an zwei Hauptfaktoren exemplarisch aufgezeigt werden: Erstens ist der Friedensbegriff nicht nur als Abwesenheit von Krieg definiert, er schließt vielmehr das Wohlergehen der Menschen in den Staaten ein und geht somit über das Nationalstaats-Denken hinaus (positiver Friedensbegriff). Das zweite Konzept ist das System kollektiver Sicherheit, dadurch soll der erhöhte Druck, von allen Staaten bei einer Aggression automatisch angegriffen oder anderweitig verurteilt zu werden, die Friedensbedrohung reduzieren. (vgl. Gareis & Varwick 2014, S. 19-22 & 87-92) Dass das System der kollektiven Sicherheit nicht bedingt greift oder einigen Herausforderungen unterworfen ist, liegt bspw. an den neuen Kriegsformen (vgl. Hippler 2009, S. 3f). Gleichzeitig kann die aktuelle Invasion Russlands in die Ukraine (vgl. u.a. Russlands Angriff auf die Ukraine: Beckmann 2022) herangezogen werden, dass die Mechanismen bspw. für Supermächte weitere Schwierigkeiten in der Praxis aufzeigen (vgl. Gareis & Varwick 2014, S. 89f). 2.2 Generalversammlung und Sicherheitsrat – wichtigste Gremien der VN Die Vereinten Nationen sind mittlerweile zu einer undurchsichtigen Ansammlung an offiziellen und inoffiziellen Strukturen geworden und sind unter dem Begriff VN-System sehr weit zu fassen (vgl. Gareis & Varwick 2014, S. 21f). Allerdings sind nach wie vor zwei von sechs Hauptorganen hervorzuheben:In der Generalversammlung (GV) sitzen alle Mitgliedsstaaten und sind nach dem Prinzip der Gleichberechtigung mit jeweils einer Stimme ausgestattet. Hauptcharakteristikum ist, dass die Generalversammlung ein Forum für Gespräche bietet und somit als größtes Austauschforum auf der Welt bezeichnet werden kann. In sechs Hauptausschüssen vollzieht sich die meiste Arbeit der Generalversammlung, auf die hier nicht weiter eingegangen werden soll. Entscheidend ist der Unterschied zum Sicherheitsrat: Die GV hat keinen Sanktionskoffer parat und kann lediglich Empfehlungen aussprechen. (vgl. ebd., S. 45-47) Der Sicherheitsrat besteht aktuell aus 15 Mitgliedsstaaten, wobei zwischen ständigen und nichtständigen Mitgliedern differenziert werden muss. Die ständigen Mitglieder sind die sogenannten 'Big Five' und setzen sich aus Frankreich, Großbritannien, USA, Russland und China zusammen. Sie werden nicht wie die nichtständigen Mitgliedsstaaten von der Generalversammlung im Zwei-Jahres-Zyklus gewählt.Verkürzt dargestellt nimmt der Sicherheitsrat Aufgaben wie Friedensmissionen, Ausschüssen o. Ä. wahr. Die ständigen Mitgliedsstaaten haben historisch bedingt ein Veto-Recht, das eine große Rolle spielt und mehrfach zur Lähmung des SR führte. Der Sicherheitsrat ist das mächtigste Hauptorgan der Vereinten Nationen und ist berechtigt, zur Friedenssicherung weitreichende Sanktionen und militärische Maßnahmen zu ergreifen. (vgl. ebd., S. 47-49) 2.3 Das VN-Peacekeeping aus historischer Perspektive Die Geschichte der VN ist überaus vielschichtig und kann hier nur in den Grundzügen wiedergegeben werden. Im Jahr 1945 wurde die Charta von 51 Staaten unterzeichnet. In den ersten Jahren ihrer Arbeit (1945-1954) mussten organisatorische und strukturelle Systeme aufgebaut werden, die im West-Ost-Konflikt zugleich erste Einschränkungen erfuhren. Die erste große Herausforderung des kollektiven Sicherheitssystems betraf den Korea-Krieg: Nordkorea fiel 1950 in Südkorea ein und der Sicherheitsrat wurde durch Russland blockiert. Daraufhin entstand in der Generalversammlung die Uniting for Peace-Resolution, die Empfehlungen und militärische Interventionen beinhaltete, sollte der SR seiner Aufgabe, den Weltfrieden zu sichern, nicht nachkommen. Die erste inoffizielle Blauhelmmission stellt die UNTSO-Mission dar, die die Überwachung eines Waffenstillstandes 1948 zwischen Israel und arabischen Staaten beinhaltete. (vgl. ebd., S. 27-30 & 127) In den darauffolgenden 19 Jahren (1955-1974) verschob sich das Mächtegleichgewicht maßgeblich durch die Dekolonisation und die Entstehung unabhängiger Staaten im Süden. Hervorzuheben ist die Suez-Krise, in der der ägyptische Präsident Gamal Abdel Nasser 1956 den Suez-Kanal verstaatlichte. Großbritannien, Israel und Frankreich gingen ungeachtet der Ablehnung des SR militärisch dagegen vor, verhinderten gleichzeitig mit ihren Vetos eine Deeskalation der Lage. Auf Grundlage der Uniting for Peace-Resolution wurde wieder versucht, den Konflikt auszusetzen und einen Waffenstillstand einzufordern. Die GV beschloss daraufhin die Etablierung der United Nations Emergency Force (UNEF I), um zwischen den Konfliktparteien eine neutrale Zone aufzubauen. Die Blauhelme nahmen hier ein erweitertes Aufgabenspektrum wahr und erhielten bspw. Kontrolle über Hoheitsgebiet. "Damit wurde das wohl bedeutendste Friedenssicherungsinstrument der Vereinten Nationen, die Blauhelmeinsätze, ins Leben gerufen" (ebd., S. 31). (vgl. ebd., S. 27-30 & 128) Im "Nord-Süd-Konflikt (1975-1984)" (ebd., S. 32) versuchten die VN weiterhin, in einigen Konflikten aktiv mit Blauhelmeinsätzen zu vermitteln und zeigten sich angesichts der Invasion der Sowjetunion in Afghanistan (1979) als handlungsunfähig. (vgl. ebd., S. 32f) Die letzte Phase reicht bis heute und beginnt ab dem Jahr 1985. Die Annäherung der beiden Großmächte USA und Sowjetunion und der Zerfall der Sowjetunion ergab Handlungsspielraum im SR. Allerdings entzündete sich auch eine Reihe an neuen Konfliktherden: "Innerhalb von rund 25 Jahren stieg die Zahl der Friedensmissionen von 14 auf nunmehr 68" (ebd., S. 33). Nötige Reformen rückten zuletzt durch den USA geführten Irakkrieg und die Terroranschläge am 11. September vermehrt in den Fokus. (vgl. ebd., S. 33-35) 2.4 Typologisierung und Reformansätze Wie in der historischen Rahmung aufgezeigt, entstand das Peacekeeping, weil das kollektive Sicherheitssystem nicht funktionsfähig war. Die Blauhelmeinsätze sind praxisnahe Formen zur Sicherung des Friedens, die sich zwischen dem Souveränitätsanspruch und den Zielen der VN bewegen. Die Ausgestaltung der Friedensmissionen sind vielfältig: Die VN typologisieren die Einsätze in vier Generationen:In der ersten Generation sind Einsätze hauptsächlich "zur Beobachtung und Überwachung von bereits beschlossenen Friedens- bzw. Waffenstillstandsabkommen […]" (Gareis & Varwick 2014, S. 126) gemeint. Missionen der zweiten Generationen sind durch "ein erweitertes Aufgabenspektrum" (ebd.) ausgezeichnet und meinen Einsätze nach 1988. In der dritten Generation liegt der Fokus nicht nur auf Friedenserhaltung sondern auch auf dessen Erzwingung. Zum Schluss kommen in der vierten Generation nicht-militärische administrative Funktionen hinzu.Jede Generation erforderte Anpassungen und ein mühsames Lernen, sodass die Bilanz des VN-Peacekeeping sehr gemischt ausfällt. Neuere Bestrebungen zielen daher darauf ab, aus den vergangenen Fehlern zu lernen. Zum Beispiel soll das Peacekeeping nur noch mit realistischem Mandat stattfinden und die individuelle, komplexe Konfliktsituation angemessen darstellen. Außerdem ist zu gewährleisten, dass die Blauhelme gut ausgerüstet sind und unter den Aspekten eines robusten Mandats alle neuen Perspektiven der Friedenssicherung wahrnehmen können. Diese beinhalten vereinfacht dargestellt die Konfliktvermeidung, das Konfliktmanagement und die Konfliktnachsorge. (vgl. ebd., S. 124-151) Nachfolgend ist zu klären, inwiefern sich der MINUSMA-Einsatz darin einfügt und welche Rolle Deutschland in dem Entwicklungsprozess des VN-Peacekeeping und des Einsatzes spielt.3. United Nations Multidimensional Integrated Stabilization Mission in Mali (MINUSMA) Der MINUSMA-Einsatz der Vereinten Nationen ist als Peacekeeping-Mission der vierten Generation zu charakterisieren. 3.1 Strukturelle Rahmung des MINUSMA-Einsatzes Das Departement of Peacekeeping Operations (DPKO) ist für die Umsetzung und Planung der Blauhelmmissionen verantwortlich. Mit Stand 2022 sind insgesamt 15 Einsätze zu verzeichnen (DPKO: Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V., o. J.). Die Mission in Mali gehört zu den jüngsten Einsätzen und begann im April 2013 (vgl. Gareis & Varwick 2014, S. 141).Sie gründet sich auf die Resolution 2100 (vgl. Security Council Establishes Peacekeeping Force for Mali Effective 1 July: United Nations 2013) vom 25. April und die Resolution 2164 (vgl. Security Council: United Nations 2014) des Sicherheitsrates und hat multidimensional den Schutz der Zivilisten, die Gewährleistung der Menschenrechte, die Etablierung einer Staatsmacht, die Stabilisierung der Region durch den Aufbau eines Sicherheitsapparates und die Aufrechterhaltung der politischen Dialogfähigkeit und Konsultation als Aufgabe formuliert (vgl. MINUSMA Fact Sheet: United Nations 2022).Damit stehen auch militärische Interventionen zur Verfügung und es kann von einem robusten Mandat gesprochen werden, das lediglich als Ausnahme die aktive Terroristenbekämpfung ausschließt (vgl. Mali: Konopka 2022). Stand November 2021 befinden sich insgesamt 18.108 Menschen im Einsatz und davon sind 13.289 dem militärischen Personal zuzuordnen (vgl. MINUSMA Fact Sheet: United Nations 2022). Dazu kommen zivile Einsatzkräfte und bspw. Polizeiausbildende (vgl. ebd.).Die größten teilnehmenden Länder mit militärischem Personal sind mit 1440 Chad, mit 1119 Bangladesch, Ägypten mit 1072 und auf Platz 10 folgt Deutschland mit 531 Angehörigen (vgl. ebd.). Die Verluste an Menschenleben werden bisher auf 260 (Stand 2021) beziffert (vgl. ebd.). Die Finanzierung wird über die Generalversammlung jährlich geregelt und betrug zwischen 2021 und 2022 1.262.194.200 Dollar (vgl. ebd.).Neuere Zahlen der Bundeswehr (Stand Februar 2022) geben an, dass Deutschland mit über tausend Soldatinnen und Soldaten in Mali im Einsatz ist (vgl. Personalzahlen der Bundeswehr: Bundeswehr 2022). Die Zahl stellt sich als irreführend heraus, weil die Bundeswehr alle Beteiligten zusammenzählt, auch die, die bspw. in Nachbarländern an Schlüsselstellen der Infrastruktur beschäftigt sind (vgl. Mali: Konopka 2022).Die aktuelle Resolution der VN (2584) trat am 29. Juni 2021 in Kraft und ist bis zum 30. Juni 2022 gültig (vgl. Mali – MINUSMA: Bundeswehr 2022). Durch das Ablaufen des Mandats in diesem Jahr ist die Forschungsfrage darauffolgend auszuweiten, inwiefern Deutschland sich weiterhin an der Mission beteiligen wird. Zuerst sollte aber kurz auf die Situation Malis eingegangen werden, um zu klären, warum Deutschland und viele weitere Staaten überhaupt intervenieren. 3.2 Mali – eine von Gewalt geplagte Region Die gesamte Komplexität dieser Krisenregion kann hier nicht dargestellt werden. Allerdings sind einige Aspekte zu nennen, um die Verortung und die Herausforderungen des Peacekeepings zu verdeutlichen. In Nordmali begann 2012, um die politische Unabhängigkeit zu gewährleisten, ein gewaltsames Vorgehen gegen die malische Regierung. Als fragiles Bündnis kamen dschihadistische Kämpfende hinzu, die jedoch nach den ersten Eroberungen der nordmalischen Städte 2013 die Oberhand gewannen.Der Süden Malis war ebenfalls von einem Militärputsch geschwächt und die malische Regierung bat um internationale Hilfe. Frankreich folgte der Bitte und eröffnete die Operation Serval. Afrikanische Länder griffen unter der Mission AFISMA ein. Den alliierten Kräften gelang schnell die Rückeroberung der Städte im Norden. Allerdings ging daraus eine asymmetrische Kriegsführung hervor, die die vom Sicherheitsrat legitimierten Einsatztruppen besonders in den Fokus der Attacken der Dschihadisten stellt.Ein Friedensvertrag von 2015 umfasste bspw. nicht alle Konfliktparteien. Im Allgemeinen ist eine Verschlechterung der Gesamtsituation zu verzeichnen, da Dschihadisten mittlerweile versuchen, auch die Nachbarländer Niger und Burkina Faso zu destabilisieren und sich die Gewalt besonders um Zivilisten zentriert. (vgl. Mali: Konopka 2022) Im Zentrum dieses Kapitels soll die asymmetrische Kriegsführung, auch unter dem Aspekt der 'Neuen Kriege' bekannt, und somit die problematische Lage der Mission im Mittelpunkt stehen. Die Kernfrage ist bereits auf das weitere Engagement Deutschlands ausgeweitet worden und ist realitätsnah zu prüfen: In Afghanistan gelang keine Stabilisierung eines afghanischen Staates. Hier kam nach jahrzehntelangen erfolglosen Gefechten die Terrorgruppe Taliban 2021 an die Macht, als allen voran die USA den Rückzug aus der Krisenregion vollzogen (vgl. Nach 20 Jahren: bpb 2021). 4. Die deutsche Außenpolitik – Schwerpunktsetzung VN Die deutsche Sicherheits- und Außenpolitik ist sehr komplex und selbst ein kursorischer Überblick kann hier nicht geleistet werden. Durch die Darstellung diverser Aspekte ist jedoch eine Verortung möglich. 4.1 Historische Perspektive der deutschen Sicherheits- und Außenpolitik Deutschland blickt auf eine bewegte Geschichte zurück. Ab 1945 wurde die Bundesrepublik enormen Veränderungen durch die Besatzungsmächte unterworfen. Während die DDR unter der UdSSR keine wirklich eigene Außenpolitik entwickelte, gelang es Westdeutschland allmählich, politische Spielräume zurückzugewinnen und eigene Ziele zu vertreten (vgl. Gareis 2021, S. 57). In der Zeit vor der Wiedervereinigung sind einige "konstante Handlungsmuster" (ebd., S. 58) zu erkennen, die bis heute ihre Wichtigkeit beibehalten haben. Darunter sind besonders vier Punkte zu nennen:"die Westintegration, durch welche die Bundesrepublik ihren Platz in den europäischen und transatlantischen Strukturen fand und einnahm die Entspannungs- und Ostpolitik, durch die sie ihre friedens- und stabilitätspolitische Handlungsspielräume erweitern konnte die Offenheit für einen breit angelegten, globalen Multilateralismus mit dem Ziel einer verlässlichen rechtlichen Verregelung und Institutionalisierung des Internationalen Systems die selbstgewählte Kultur der Zurückhaltung in machtpolitischen, insbesondere militärischen Angelegenheiten" (ebd., S. 58) Hervorzuheben sind die anfänglichen Bemühungen der deutschen Außenpolitik, um Frankreich von ihrer skeptischen Sichtweise auf die Wiederbewaffnung und Wiederaufnahme der deutschen Souveränität nach dem Zweiten Weltkrieg abzubringen. Die Bemühungen mündeten bspw. 1963 im Élysée-Vertrag, der die enge Partnerschaft merklich vorantrieb und als "deutlicher […] Motor der europäischen Integration" (ebd., S. 65) zu sehen ist.Eine Verankerung in Internationale Beziehungen vollzog sich somit bereits früh mit den Bemühungen Deutschlands, sich in Europa und in die NATO zu integrieren. In den Zeiten vor der Wiedervereinigung konnte Deutschland dennoch nicht gänzlich zu seinem Selbstvertretungsanspruch finden. Die Integration in internationale Organisationen, die die Machtkonzentration des teilnehmenden Landes einschränken können, wurde zwar innenpolitisch heftig diskutiert, kollidierte jedoch mit realen Erweiterungen der Souveränitätsansprüche Deutschlands und formte somit die Erfahrung dieser Ordnungen.Der Multilateralismus ist eine logische Konstante, weil der Wunsch nach Regeln im Internationalen System die eigene Sicherheit erhöhen soll und im Falle Deutschlands auch politische Freiheiten bedeutete. Das Engagement kann als ernsthaft beschrieben werden, weil die Bemühungen auch mit der Erreichung der eigenen Staatssouveränität bspw. in den Vereinten Nationen und dem europäischen Einigungsprozess nicht nachließ – im Gegenteil intensiviert stattfindet. (vgl. ebd., S. 57f & 61-65 & 70f) 4.2 Deutschlands Außen- und Sicherheitspolitik im 21. Jahrhundert - Verortung Im 21. Jahrhundert sind eine neue Vielzahl an nicht-staatlichen Akteuren, weitere Unwägbarkeiten und multidimensionale Problemfelder mit einer höheren Unsicherheit im Internationalen System verbunden, die die Zuverlässigkeit von internationalen Partnern einschränkt. Diese Problematik wird bspw. u. a. durch das Erstarken des Rechtspopulismus, dem Rückgang liberal-demokratischer Regierungen seit 2005, der neuen Risikobewertung und Qualität des transnationalen Terrorismus begründet. (vgl. Gareis 2021, S. 89f) Als aktuelle Referenz kann das Weißbuch 2016 die Sicherheitsinteressen Deutschlands aufzeigen. Darin sind, bedingt bspw. durch die russische Aggression gegenüber der Ukraine, wieder vermehrt nationale Interessen vertreten, die den Schutz der Bürger*innen und die Integrität der Souveränität Deutschlands ins Blickfeld nehmen. Allerdings sind auch internationale Bestrebungen zur vertiefenden Weiterarbeit in der Entwicklungspolitik, dem Völkerrecht und der partnerschaftlichen Zusammenarbeit in allen wichtigen Internationalen Organisationen wie NATO, EU und VN zu nennen. (vgl. Gareis 2021, S. 105)4.2 Deutschland und die Vereinten Nationen Ein ernsthafter Beitrag zur strategischen (Neu-)Kalibrierung der Sicherheits- und Außenpolitik, die in ihren anfänglichen vier Konstanten (s.o.) auch Diskontinuitäten erfuhr, ist die Münchner Sicherheitskonferenz im Jahr 2014 hervorzuheben, in der das Engagement für internationale Organisationsformen, die einen supranationalen Ordnungsrahmen darstellen können - wie die EU, NATO und VN - verstärkt in den Mittelpunkt gestellt worden. Die Konstante der 'Zurückhaltung' bricht also weiter auf und zeigt das "Leitmotiv der aktiven Übernahme größerer Verantwortung für Frieden und Internationale Sicherheit in einem umfassenden Ansatz […]" (Gareis 2021, S. 92) auf. (vgl. ebd., S. 91f) Für Deutschland stellen die Vereinten Nationen das Höchstmaß für Multilateralismus und Institutionalismus dar. Bestrebungen in den VN waren von der Gründung an ein wichtiges Anliegen der Bundesrepublik, um auf die internationale Bühne zurückkehren zu können. Insgesamt kann das Engagement Deutschlands in den VN als hoch angesehen werden: Aktuell ist Deutschland der viertgrößte Beitragszahler, unterhält über 30 VN-Organe im Land und ist um einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat bemüht und mindestens durch die häufige Wiederwahl (zuletzt 2019/20 – damit zum sechsten Mal) und eindeutigen Wahlergebnissen um einen nichtständigen Sitz als international anerkannt zu bezeichnen. Das Interesse beider Akteure ist als interdependent zu bezeichnen: Die VN brauchen in diesen schwierigen Zeiten einflussreiche Staaten und Deutschland hingegen internationale Kooperationsmöglichkeiten in vielfältigen Ressorts. (vgl. ebd., S. 193f) Deutschland beteiligte sich gleich nach der Wiedervereinigung an VN-Peacekeeping-Einsätzen – allerdings mit unbewaffneten Zivilkräften. Anfang des 21. Jahrhunderts stellte Deutschland nicht nur zivile sondern auch militärische Einheiten zur Verfügung. Das Engagement kann in ihren Anfängen als bescheiden beschrieben werden. Insgesamt bevorzugt Deutschland vom VN-mandatierte Einsätze, die anschließend von der EU oder NATO ausgeführt werden. Der MINUSMA-Einsatz ist somit eine Ausnahme und der zweitgrößte Auslandseinsatz der Bundeswehr. Der afrikanische Raum ist aufgrund seiner Fluchtbewegungen zu einem wichtigen sicherheitspolitischen Raum geworden. (vgl. ebd., S. 203f) Allerdings sind die Gründe für den Einsatz in Mali weiter auszuführen, da die Argumentation möglicher Fluchtbewegungen Lücken aufweist. (vgl. Mali: Konopka 2020) 5. Deutschland und der MINUSMA-Einsatz In den vorherigen Kapiteln sind die Bezüge der deutschen Sicherheits- und Außenpolitik zu den Vereinten Nationen bereits angeschnitten worden. Als Nächstes ist der MINUSMA-Einsatz aus einer politischen Perspektive unter Einbezug der Ziele Deutschlands zu charakterisieren und ein Ausblick auf das Ergebnis dieser Intervention zu geben. Die Bewertung des Einsatzes ist entscheidend, um den deutschen Einsatz nachzuvollziehen. 5.1 Motive für die Beteiligung am MINUSMA-Einsatz Die Intervention und Beteiligung Deutschlands am MINUSMA-Einsatz scheint sich nicht auf die Bekämpfung von Fluchtursachen zu beschränken (vgl. Mali: Konopka 2020 & Kaim 2021, S. 31). Weitere Motive sind aus Kapitel 4 abzuleiten und könnten, kombiniert aus dem Wunsch humanitäre Hilfe leisten zu wollen und die Position der Vereinten Nationen - und sich selbst im Internationalen System und den Multilateralismus - zu stärken, eine Begründungslage bieten. Sie wirkt jedoch unpräzise und bedarf genauerer Beschreibungen: Wie bereits beschrieben, ist Frankreich bereits 2013 dem Hilfegesuch der malischen Regierung gefolgt und musste anhand der realen Bedingungen ihre Ziele anpassen: Deutschland sollte dem engen Bündnis- und EU-Partner unter die Arme greifen. Die Bundesregierung gab zunächst lediglich unbewaffneten Kapazitäten Platz, ehe das Mandat langsam auf aktuell 1100 Soldat*innen aufgestockt wurde.Deutschland schien dabei die Vertiefung der Kooperation von EU-Staaten wie Frankreich und den Niederlanden als geeignete Gelegenheit. Ebenfalls ließ der Friedensvertrag auf weitere Stabilität im Land hoffen. Außerhalb der Bemühungen um die Partnerschaft ist für den Autor Konopka die Bewerbung Deutschlands für den nichtständigen Sitz im Sicherheitsrat (2019/20) ausschlaggebend gewesen.Die anfängliche Konzentration auf die europäische Mission EUTM Mali ging mit einer deutlichen Ausweitung auf die VN-Peacekeeping-Mission über. Außerdem, so der Autor, wäre Deutschland in der Bringschuld gegenüber den Teilnehmenden gewesen, da die Bundesrepublik in weiteren Missionen kaum bis gar keine Präsenz vorzuweisen hatte (bspw. EUMAM RCA oder EUTM RCA). (vgl. Mali: Konopka 2020) Kaim (2021) von der Stiftung Wissenschaft und Politik spricht von einem typischen Muster der deutschen Auslandseinsatzbereitschaft, erst durch Bündnisanfragen Einsatzkräfte zu mobilisieren. Aus dieser Sicht ist primär der Versuch, einen "europäischen Fußabdruck" (ebd., S. 12) im internationalen System zu hinterlassen, anzusehen. Allerdings wird auch hervorgehoben, wie die Bewerbung um den nichtständigen Sitz im Sicherheitsrat eine Intensivierung der deutschen Sicherheits- und Außenpolitik in den VN und besonders im afrikanischen Raum beinhaltete. (vgl. ebd., S. 12-20) Dadurch sind sechs Hauptmotive auszumachen, davon greifen manche weniger als andere: 1. Die Bündnistreue zu Frankreich 2. Die Ausgangslage durch die Münchner Sicherheitskonferenz (2014) 3. Das erweiterte Engagement Deutschlands in den VN 4. Der Versuch, eine europäische Handlungsfähigkeit zu demonstrieren. 5. Die regionale Sicherheit in Mali zu gewährleisten 6. Terrorismusbekämpfung und die Eindämmung von Fluchtbewegungen (vgl. ebd., S. 27-31) Die Punkte 4, 5 und 6 sind als Hauptmotivlage nachrangig einzusortieren; Punkt 5 wird anhand der deutlichen Zunahme an Instabilität den MINUSMA-Einsatz generell und die deutsche Beteiligung gezielt infrage stellen. 5.2 Bewertung des Einsatzes Die bisherige Bewertung des Einsatzes ist auf Grundlage der festgestellten Motive zu leisten, die eine detaillierte Rahmengebung vorgeben. In die Bewertung fließen themenbedingt erste wichtige Aspekte für das Abschlusskapitel ein. 5.2.1 Die Bündnistreue zu Frankreich Die Unterschiede in der strategischen Bewertung des Einsatzes der beiden Länder zeigt deutlich auf: Während Frankreich mehr militärisches Engagement erwartet und die Terrorbekämpfung in den Fokus stellt, steht die Bundesregierung der Friedenssicherung unter VN-Mandat näher, die die Terroristenbekämpfung explizit ausschließt. Festzuhalten wäre, dass die unterschiedlichen Herangehensweisen in Mali zwischen Frankreich und Deutschland differente Zielvorstellungen aufweisen und das gemeinsame Handeln konterkarieren. (vgl. Kaim 2021, S. 27f) Daraus ist ebenso die Frage zu stellen, ob die Bundesregierung das auslaufende Mandat (vgl. Mali: Konopka 2020) ausweiten, beibehalten oder beenden wird. 5.2.2 Die Ausgangslage durch die Münchner Sicherheitskonferenz Deutschland ist bis heute im MINUSMA-Einsatz tätig (2013-2022) und ist dem Bündnis- und langjährigen EU-Partner Frankreich nachgekommen (vgl. Mali: Konopka 2020). Das Engagement ist bis jetzt ausgeweitet worden und von einer anfänglichen Symboltruppe stehen im direkten Einsatzgebiet in Mali ca. 500 (vgl. MINUSMA Fact Sheet: United Nations 2022) und im erweiterten Einsatz ca. 1000 Soldat*innen (vgl. Personalzahlen der Bundeswehr: Bundeswehr 2022).Die Steigerung der Fachkräfte im MINUSMA-Einsatz ist als Intensivierung zu werten (vgl. Kaim 2021, S. 28). Dies kann als Beleg für die vertiefende Arbeit international angesehen werden, wie es zuvor auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2014 skizziert wurde. Allerdings wären andere Erweiterungen der Tätigkeitsfelder im internationalen Raum und besonders in internationalen Organisationen denkbar und beinhalten nicht zwangsläufig die Intensivierung des MINUSMA-Einsatzes – gleichzeitig bietet das Einsatzgebiet ein robustes Mandat, also internationale Legitimierung, die für deutsche Auslandseinsätze mitentscheidend ist und einen multilateralen Raum, den die Sicherheits- und Außenpolitik favorisiert (vgl. ebd.).5.2.3 Das erweiterte Engagement Deutschlands in den VN Politisch und militärisch dürfte die Beteiligung Deutschlands am MINUSMA-Einsatz die Vereinten Nationen stärken (vgl. Kaim 2021, S. 28). Bei dieser Beteiligung ist mitunter auch deutlich, dass Deutschland nicht altruistisch, sondern auch im Sinne der im Kapitel 4.2 festgelegten Interdependenzen für den Erhalt der eigenen Sicherheit im Internationalen System handelt.Die Idee eines ständigen Sitzes im Sicherheitsrat gilt als unwahrscheinlich sowie der Reformvorschlag der 'Gruppe der Vier' (mit deutscher Beteiligung), der von den vielen Vorschlägen zur Veränderung des Sicherheitsrates zwar als angemessen erscheint, aber dennoch u. a. an den Veto-Mächten bisher scheiterte (vgl. Gareis & Varwick 2014, S. 308-311). Somit bleibt Deutschland lediglich die Kandidatur im SR als nichtständiges Mitglied, dem die Bundesregierung mit ähnlicher Argumentation und Engagement vermutlich in der nächstmöglichen Amtszeit nachkommen wird (vgl. Kaim 2021, S. 29). 5.2.4 Der Versuch, eine europäische Handlungsfähigkeit zu demonstrieren Die europäische Handlungsfähigkeit kann bereits unter Punkt 5.2.1 als inkonsequent bezeichnet werden. Außerdem sind europäische Kräfte an eigenen Missionen vor Ort gebunden und stellen im MINUSMA-Einsatz nicht die meisten Einsatzkräfte zur Verfügung (vgl. Kaim 2021, S. 29 & MINUSMA Fact Sheet: United Nations 2022). Von einer geschlossenen oder klaren europäischen Einheit kann nicht gesprochen werden, jedoch von einer klaren Beteiligung Deutschlands am Einsatz. 5.2.5 Die regionale Sicherheit in Mali zu gewährleisten Seit dem Friedensabkommen 2015 hat sich die Lage stetig verschlechtert und stellt die VN-Friedensmission insgesamt infrage. (vgl. Kaim 2021, S. 30) Weitere Problemfelder stellen gerade die Alleingänge der europäischen Länder an der MINUSMA-Mission dar, die bspw. auf die typischen Blauhelme und auf die VN-Farbgebung bei Fahrzeugen verzichten. Außerdem sind europäische Kräfte vornehmlich in als sicher geltende Einsätze gebunden und in anderen Stützpunkten als die restlichen Länder wie bspw. Ägypten untergebracht. (vgl. Mali: Konopka 2020) Das stellt die VN-geführte Friedensmission auch vor interne Probleme und kann die Handlungsfähigkeit sowie Moral der teilnehmenden Länder beeinträchtigen.5.2.6 Terrorismusbekämpfung und die Eindämmung von FluchtbewegungenDie Mission ist unter den Aspekten von Fluchtbewegungen bereits als vernachlässigbar (zumindest für Fluchtbewegungen nach Europa) klassifiziert worden (vgl. Kaim 2021, S. 30f). Außerdem wird wegen der Destabilisierung des Landes sogar mit weiteren Flüchtenden zu rechnen sein. Weiterhin ist die dynamische Situation in Mali undurchsichtig und schwer zu charakterisieren, inwiefern der Terrorismus Deutschland bedroht (vgl. ebd.) und inwiefern Dschihadisten mittlerweile als Hauptproblem angesehen werden können, wenn die malischen Sicherheitskräfte immer mehr in den Fokus von Korruption und Destabilisierung rücken (vgl. Mali: Konopka 2020). 5.3 Ausblick – Bleibt Deutschland im MINUSMA-Einsatz? Die Motive sowie deren Zielerreichung sind größtenteils als Fehlschlag zu werten und stellen als größten Erfolg die Arbeit in der internationalen Organisation, den Vereinten Nationen, heraus. (vgl. Kaim 2021, S. 31f) Dass nicht alle Ziele erreicht werden können, liegt mitunter an der multidimensionalen und dynamischen Situation vor Ort und an der Herausforderung, die den 'Neuen Kriegen' (vgl. Hippler 2009, S. 3-8) und das VN-Peacekeeping in der vierten Generation (vgl. Gareis & Varwick 2014, S. 119-127) kennzeichnen. Somit hängt das Engagement Deutschlands im MINUSMA-Einsatz von vielen Faktoren ab, die bspw. die öffentliche Meinung über Auslandseinsätze und die Beschaffenheit und Einsatzfähigkeit der Bundeswehr nach Etatkürzungen einschließen (vgl. Kaim 2021, S. 32). Wie die Einsatzkosten zeigen (s. Kapitel 3), sind das insgesamt beträchtliche Summen, die die Staatengemeinschaft – und anteilig Deutschland – aufbringen müssen.Während die Stiftung Wissenschaft und Politik noch von größeren Hürden diesbezüglich ausgeht (vgl. ebd.), ist durch den Einmarsch Russlands in die Ukraine ein Paradigmenwechsel mit ungeahnter Tragweite in der deutschen Sicherheits- und Außenpolitik möglich (vgl. Mehrheit unterstützt deutschen Ukraine-Kurs: Tagesschau 2022), der die Fortführung des VN-Peacekeepings neu bewerten wird. 6. Zusammenführung und Interpretation Unter dem Aspekt des VN-Peacekeeping wurden zuerst allgemeine Aspekte umrissen und die Forschungsfrage weiter ausgeweitet. Im Kern geht es um die Frage, wie Deutschland sich im 21. Jahrhundert mit seiner Sicherheits- und Außenpolitik im Internationalen System verortet und inwiefern dies als Erfolg angesehen werden kann. Letzteres ist nur unter bestimmten, einschränkenden Aspekten zu beantworten und ist mithilfe des MINUSMA-Einsatzes zu verorten. Deutschland positioniert sich offen und ernst zu den Vereinten Nationen und folgt dabei historisch gewachsenen Paradigmen und Erfahrungswerten (s. Unterkapitel 4.1): Daraus lassen sich die Bemühungen um einen ständigen oder nichtständigen Sitz im Sicherheitsrat und weiteres internationales Engagement wie im VN-Peacekeeping und somit die Beteiligung in Mali (MINUSMA-Mission) folgerichtig begründen.Deutschland hat ein nationales sicherheitspolitisches Interesse an einer Verregelung des anarchischen Grundzustandes, um die eigene Position darin zu stärken – Unsicherheiten also abzubauen (vgl. Gareis 2021, S. 58). Damit folgt die Politik nicht einer uneingeschränkten Idealismus-Denkschule und zeigt auch zweckrationale Positionen auf. Dennoch ist der MINUSMA-Einsatz in diesem Sinne als Misserfolg zu werten und zeigt besonders in den Bemühungen um Multilateralismus und einer Institutionalisierung des Internationalen Systems, hier in Form der Vereinten Nationen zu interpretieren, erwähnenswerte Erfolge auf (s. Kapitel 5).Die deutsch-französischen Beziehungen hingegen könnten insgesamt unter dem Konstruktivismus Betrachtung finden: Obwohl die strategische Ausrichtung beider Länder nicht immer im selben Verständnis verläuft (s. Kapitel 5), ist sehr wohl ein ernstzunehmender Konflikt zwischen den beiden großen europäischen Staaten nicht anzunehmen und die außerordentliche internationale Kooperation als erwähnenswert anzusehen. Aus der Ausarbeitung tritt ein Dilemma zutage, das wie folgt zu charakterisieren ist: Deutschland als Nationalstaat hat nur begrenzt Ressourcen und Möglichkeiten, die auch interessengeleitet begründet werden müssen. Deswegen ist ein Problem für Deutschland darin zu skizzieren und zu fragen, in welche internationale Organisation sie ihren weiteren Fokus legen wird. VN-mandatierte aber von NATO und EU ausgeführte Friedensmissionen werden bspw. bevorzugt, gleichzeitig wird eine Stärkung der Vereinten Nationen als Ziel formuliert (s. Kapitel 4).Investitionen in allen internationalen Organisationen bringen Deutschland in eine prekäre Situation, wie die Motivlage und die Ausgestaltung des MINUSMA-Einsatzes aufzeigt (s. Unterkapitel 5.2.5). Als Fazit ist festzuhalten, dass der MINUSMA-Einsatz einer oftmals bloßen Rhetorik zur Stärkung multilateraler Beteiligung grundsätzlich entgegenläuft und Deutschland zukünftig als ernstzunehmenden internationalen Akteur kennzeichnen könnte (vgl. Gareis 2021, S. 216). Prinzipiell kann zudem bestätigt werden, dass Deutschland am ehesten seine Fähigkeiten einbringen kann, wenn internationale Legitimation besteht (mit Blick auf das Grundgesetz und der eigenen 'Zurückhaltungs-Konstante'), Bündnis- und beteiligte Partner mit ihren Interessen zumindest kollidieren (vgl. ebd., S. 112) und Multilateralismus als Merkmal auftritt. Daraus lässt sich die Intensivierung in internationale Organisationen ableiten, weil es nachhaltig die Souveränität Deutschlands positiv beeinflussen kann (vgl. ebd.). So kann Gareis (2021, S. 93) zugestimmt werden, wenn er schreibt: "Sicherlich kann auch im Jahr 2020 festgestellt werden, dass Deutschland an seinen Bemühungen um eine Zivilisierung der internationalen Politik durch Regime und Institutionen festhält. Auch ist es seiner Bevorzugung von friedlicher Konfliktbeilegung und Kooperation vor der Machtpolitik sowie schließlich auch seiner grundsätzlichen Bereitschaft zur Übertragung von Souveränitätsrechten weitestgehend treu geblieben – wenngleich die mit dem Zivilmachtkonzept gern verbundene 'Kultur der Zurückhaltung' Ergänzungen durch die Verfolgung stärker nationaler Interessen erfahren hat." Der Ausblick ist jedoch unter der aktuellen Prämisse (s. Unterkapitel 5.3) unter Vorbehalt zu stellen und zeigt deutlich die Unsicherheiten auf, die der Grundzustand der Anarchie treffend formuliert und exemplarisch die angerissene Reformbedürftigkeit der Vereinten Nationen sowie die Handlungsunfähigkeit des Sicherheitsrats hervorhebt. Deutschland wird in jeglichem denkbaren Szenario eine größere Rolle in den Internationalen Beziehungen spielen: "Die Anforderungen an die multilaterale deutsche Außen- und Sicherheitspolitik werden also steigen, und neben dem vielbeschworenen Willen zur Übernahme von 'Verantwortung' wird auch die Bereitschaft zum personellen und finanziellen Engagement wie auch zur Übernahme ungewohnter politischer Risiken wachsen müssen" (Gareis 2021, S. 216) 7. Literatur Beckmann, H. (26.02.2022): Russlands Angriff auf die Ukraine. Europa hat einen neuen Feind. Online: https://www.tagesschau.de/ausland/europa/russland-krieg-europa-101.html [09.03.2022]. Bundesministerium der Verteidigung (2016): Weissbuch 2016. Zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr. Online: https://www.bmvg.de/resource/blob/13708/015be272f8c0098f1537a491676bfc31/weissbuch2016-barrierefrei-data.pdf [09.03.2022].Bundeswehr (21.02.2022): Personalzahlen der Bundeswehr. Wie lauten die Einsatzzahlen. Online: https://www.bundeswehr.de/de/ueber-die-bundeswehr/zahlen-daten-fakten/personalzahlen-bundeswehr [09.03.2022].Bundeswehr (0. J.): Mali – MINUSMA. Online: https://www.bundeswehr.de/de/einsaetze-bundeswehr/mali-einsaetze/minusma-bundeswehr-un-einsatz-mali [09.03.2022]. Bundeszentrale für politische Bildung (07.06.2021): Nach 20 Jahren: NATO-Truppenabzug aus Afghanistan. Online: https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/334345/nach-20-jahren-nato-truppenabzug-aus-afghanistan/ [09.03.2022]. Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen e. V. (o. J.): Die Vereinten Nationen im Überblick. Online: https://dgvn.de/un-im-ueberblick [09.03.22].Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen e. V. (22.02.2022): Wie geht es weiter mit dem deutschen Engagement in Mali? Online: https://dgvn.de/meldung/wie-geht-es-weiter-mit-dem-deutschen-engagement-in-mali [09.03.22].Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen e. V. (o. J.): Hauptabteilung Friedenssicherungseinsätze (DPKO). Online: https://frieden-sichern.dgvn.de/friedenssicherung/organe/un-sekretariat-dpko/ [09.03.22].Gareis, S. B. (2021): Deutschlands Außen- und Sicherheitspolitik: eine Einführung. Stuttgart: UTB. Gareis, S. B. & Varwick, J. (2014): Die Vereinten Nationen. Aufgaben, Instrumente und Reformen. 5. Auflage. Bonn: Barbara Budrich, Opladen & Toronto.Hippler, J. (2009): Wie "Neue Kriege" beenden? Aus: APuZ (46/2009): Neue Kriege. Bpb, S. 3-8. Kaim, M. (2021): Die deutsche Politik im VN-Peacekeeping: eine Dienerin vieler Herren. Berlin: SWP. Konopka, T. (22.02.2022): Mali: Rückzug oder mehr Risiko? Online: https://zeitschrift-vereinte-nationen.de/suche/zvn/artikel/mali-rueckzug-oder-mehr-risiko [09.03.22]. Schimmelfennig, F. (2017): Internationale Politik. 5. Auflage. Stuttgart und Paderborn: UTB.Tagesschau (03.03.2022): Mehrheit unterstützt deutschen Ukraine-Kurs. Online: https://www.tagesschau.de/inland/deutschlandtrend/deutschlandtrend-2925.html [09.03.2022].United Nations (2013): Security Council Establishes Peacekeeping Force for Mali Effective 1 July. Unanimously Adopting Resolution 2100 (2013). Online: https://www.un.org/press/en/2013/sc10987.doc.htm [09.03.2022]. United Nations (2014): Security Council. Resolution 2164 (2014). Adopted by the Security Council at its 7210th meeting, on 25 June 2014. Online: https://www.un.org/en/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/RES/2164(2014) [09.03.2022]. United Nations (01.03.2022): MINUSMA Fact Sheet. United Nations Multidimensional Integrated Stabilization Mission in Mali. Online: https://peacekeeping.un.org/en/mission/minusma [09.03.2022].
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"Wenn über das Grundsätzliche keine Einigkeit besteht, ist es sinnlos, miteinander Pläne zu schmieden." – Konfuzius (551-479 v.Chr.).Der grundsätzliche universelle Geltungsanspruch der Menschenrechte besagt, dass die Menschenrechte jedem Menschen auf der Welt zustehen. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte aus dem Jahr 1948 drückt das folgendermaßen aus: "Jeder hat Anspruch auf alle in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten, ohne irgendeinen Unterschied, etwa nach Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Anschauung, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand […]" (UN-Vollversammlung 1948, Artikel 2). Jedoch ist dieser universelle Geltungsanspruch der Menschenrechte in der Realität häufig noch ein Ideal. Mit der Deklaration von Bangkok, die einige südostasiatische Staaten Anfang der 1990er Jahre unterzeichneten, wurde er sogar explizit in Frage gestellt. Was ist die Sichtweise dieser südostasiatischen Staaten auf die Universalität der Menschenrechte und wie begründen sie diese? Wie könnten Perspektiven für einen interkulturellen Menschenrechtsdialog aussehen? In diesem Beitrag werden die Menschenrechte durch eine Definition und einen Abschnitt zur Geschichte kurz vorgestellt. Anschließend wird die Debatte um Universalität und (Kultur-)Relativismus erläutert, welche überleitet zur "asiatischen Perspektive" auf die Menschenrechte und zu den "asiatischen Werten". Abschließend werden die Kritik und Perspektiven für einen interkulturellen Dialog aufgegriffen.Menschenrechte – eine Definition
Zerstörung, Elend, menschliches Leid und der Völkermord an den europäischen Juden führten in "dramatischer Weise die Notwendigkeit eines wirksamen Schutzes grundlegender Menschenrechte durch verbindliche internationale Normen und kollektive Mechanismen" vor Augen (Gareis/Varwick 2014, S. 179).
Die Idee, dass jedem Menschen, "unabhängig seines Geschlechts, Alters, seiner Religion oder seiner ethnischen, nationalen, regionalen oder sozialen Herkunft, angeborene und unveräußerliche Rechte zu eigen sind, die sich aus seinem Menschsein ableiten", verfestigte sich und führte am 10. Dezember 1948 zur Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (Gareis/Varwick 2014, S. 179).
Erstmals wurde in einem internationalen Dokument festgehalten, dass jedem Menschen wegen "grundlegender Aspekte der menschlichen Person" grundlegende Rechte zugesprochen werden. Diese Rechte sind unveräußerlich und vorstaatlich, was bedeutet, dass der Staat sie nicht vergeben kann, denn jeder Mensch hat sie aufgrund der "biologischen Zugehörigkeit zur menschlichen Gattung" inne (Human Rights 2018). Dem Staat obliegt es, diese Rechte zu schützen.
Menschenrechte besitzen demnach vier Merkmale: Sie sind universell (alle Menschen sind Träger dieser Rechte), egalitär (eine ungleiche Verteilung dieser Rechte ist ausgeschlossen), individuell (der Träger der Menschenrechte ist ein individueller Mensch, keine Gruppe) und kategorial (wer der menschlichen Gattung angehört, besitzt sie automatisch) (vgl. Lohmann 2010, S. 36).
Die Erklärung der Menschenrechte aus dem Jahr 1948 ist keine rechtlich bindende Resolution. Doch auch wenn sie rechtlich nicht bindend ist, hat sie "moralische Wichtigkeit bekommen" (Human Rights 2012). Sie wird dem Gewohnheitsrecht zugeordnet, was bedeutet, dass sie sowohl allgemein anerkannt als auch angewendet und deswegen als verbindlich angesehen wird (vgl.: Human Rights 2012). Sie ist das "weltweit am meisten verbreitete und am meisten übersetzte internationale Dokument" (Gareis/Varwick 2014, S. 179) und dient als Grundlage für zahlreiche Abkommen (vgl. Maier 1997, S. 39).
Juristisch können die Menschenrechte wie folgt definiert werden: "Internationale Menschenrechte sind die durch das internationale Recht garantierten Rechtsansprüche von Personen gegen den Staat oder staatsähnliche Gebilde, die dem Schutz grundlegender Aspekte der menschlichen Person und ihrer Würde in Friedenszeiten und im Krieg dienen" (Human Rights 2012).
Seit 1948 haben sich die Menschenrechte weiterentwickelt, und es hat sich etabliert, von den Menschenrechten in drei Generationen zu sprechen. Zur ersten Generation gehören "die klassischen bürgerlichen und politischen Freiheits- und Beteiligungsrechte" wie das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit oder das Verbot von Folter (Krennerich 2009). Die zweite Generation der Menschenrechte umfasst wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte, so beispielsweise das Recht auf Bildung, Teilhabe, aber auch auf Freizeit und Erholung. Die dritte Generation der Menschenrechte "bezeichnen allgemeine, noch kaum in Vertragswerken konkretisierte Rechte wie etwa das Recht auf Entwicklung, Frieden oder saubere Umwelt" (Krennerich 2009). Alle drei Generationen "sollten gleichberechtigt nebeneinander bestehen" (Barthel, zitiert nach Hamm 1999, S. 23).
Der Gedanke der angeborenen Rechte, die ein Mensch qua Menschsein besitzt, ist jedoch älter als die Erklärung der Menschenrechte aus dem Jahr 1948 und die Vereinten Nationen selbst.
Eine kurze Geschichte der Menschenrechte
Der Ursprung der Menschenrechte geht auf das antike Griechenland zurück. Der "revolutionäre Gedanke der Stoiker, der beschreibt, dass alle Menschen gleich sind", wurde durch die im 18. Jahrhundert entstandene Naturrechtslehre weiter gefestigt (vgl.: Müller 2017, 03:06-03:20). Die "überlieferten konkreten Freiheiten der Ständegesellschaft wurden dort in eine allgemeine Freiheit des Menschen umgedacht" (Maier 1997, S. 11). Wegweisend war, dass diese Rechte nun allen Menschen zugesprochen wurden und diese Rechte Ansprüche an den Staat stellten (vgl. Maier, 1997 S. 11f). Denn "[er sollte] nicht tun dürfen, was ihm beliebt, [und] in substantielle Bezirke individueller Freiheit nicht […] eingreifen dürfen" (Maier 1997, S. 12). Als vorstaatliche Rechte kann der Staat diese nur akzeptieren, nicht aber verleihen.
Die Idee der unveräußerlichen Menschenrechte kulminierte schließlich in der Unabhängigkeitserklärung der 13 britischen Kolonien 1776 in Nordamerika (zentrales Dokument: Virginia Bill of Rights) und fand schließlich 1789 in der Französischen Revolution (zentrales Dokument: Déclaration des Droits de l'Homme et du Citoyen) in Europa ihren Durchbruch. Diese Dokumente legten den Grundstein für die modernen Menschenrechte, die nun als Grundrechte in zahlreichen Verfassungen verankert sind. Schließlich, im Jahr 1966, wurden die ersten völkerrechtlich bindenden Menschenrechtsabkommen durch die Vereinten Nationen verabschiedet (vgl.: Wagner 2016).
Besonders eindrücklich zeigt die Geschichte der Menschenrechte, dass ihre Idee auf "konkrete Unrechtserfahrungen der Menschen des Okzidents zurückgehen" (Tetzlaff 1998, S. 60). Darauf, nämlich dass die Menschenrechte 'im Westen' ihren Ursprung haben und individualistisch geprägt seien, bezieht sich im Wesentlichen die Kritik an ihnen. Diese Kritik zieht auch in Zweifel, ob die Menschenrechte universell sind. (Kultur-)Relativismus vs. Universalismus
Verfechter des Universalismus verstehen die Menschenrechte als unveräußerliche, angeborene Rechte eines jeden Menschen. "Niemand kann, mit Bezug auf welche Eigenschaft auch immer, von der Trägerschaft ausgeschlossen werden" (Lohmann 2010, S. 37). Ausgeschlossen ist hierbei auch die "ungleiche Verteilung" der Rechte (vgl. Lohmann 2010, S. 37). So muss der Staat seinen Pflichten nachkommen und für die Einhaltung, Wahrung und Durchsetzung der Menschenrechte sorgen.
Jedoch werden die Menschenrechte, wie sie 1948 verabschiedet wurden, in ihrem universellen Gültigkeitsanspruch von vielen Ländern und Kulturen auf der Welt nicht akzeptiert. Der (Kultur-) Relativismus in seiner extremen Form sieht die Menschenrechte als nicht vollständig übertragbar und "nur relativ zu einem bestimmten Kultursystem 'begründbar'" (Lohmann 2009). Manche Staaten gehen sogar so weit und verstehen die Menschenrechte als ein westliches Produkt, das "dem Osten" aufoktroyiert wurde. Auch seien die Menschenrechte nicht, wie der universalistische Anspruch behauptet, unabhängig von Zeit, Raum und kulturellem Hintergrund gültig. Sie seien aus der europäisch-nordamerikanischen Aufklärung entstanden, abendländisch geprägt und somit nicht in dieser Form in anderen Kulturkreisen anwendbar. Zudem sei ihre "weltweite Propagierung Ausdruck einer Mentalität der Einmischung, welche die Tradition des Kolonialismus mit anderen Mitteln fortsetze" (Hilpert 2019, S. 230). Tatsächlich sei "das Menschenrechtsverständnis in erster Linie abhängig von dem Menschenbild in einer spezifischen Kultur […], wonach es keinen Standard gibt, der unabhängig von bestimmten sozialen Lebensformen wäre" (Pohl 2002, S. 7).
Von (Kultur-)Relativisten konkret kritisiert werden häufig die "individuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, das Vorrangverhältnis zwischen Individuum zur Gemeinschaft, die Gleichheit von Männern und Frauen, die religiöse Toleranz und die Einschätzung demokratischer Mitbestimmung" (Lohmann 2010, S. 41).
Zum anderen wird bemängelt, dass bei der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte im Jahr 1948 die westlichen Länder dominierten, während die meisten Länder des Globalen Südens noch unter kolonialer Herrschaft standen. Viele Staaten werfen dem Westen sogar "moralischen Chauvinismus" (Pollis/Schwab 2006, S. 68), "Ideologismus" und eine "quasi-religiöse" Auslegung der Menschenrechte vor (Pohl 2002, S. 7).
Genau an diese Dichotomie, Universalismus und (Kultur-)Relativismus, knüpfte die 1993 vorgelegte Deklaration von Bangkok an, welche von vielen (süd-)ostasiatischen Ländern unterzeichnet wurde. Bevor die Wiener Menschenrechtskonferenz im Jahr 1993 begann, zweifelten diese Länder die Universalität der Menschenrechte an und legten eine "asiatische Perspektive" auf die Menschenrechte und sogenannte "asiatische Werte" vor.
Die asiatische Perspektive auf die (Universalität der) Menschenrechte und 'asiatische Werte'
Die ,asiatische Sicht' auf die Menschenrechte und die 'asiatischen Werte' werden im Grunde kulturrelativistisch begründet. Im folgenden Abschnitt werden die 'asiatischen Werte' zeitgeschichtlich eingeordnet und näher erläutert.
Die zeitgeschichtliche Einordnung der 'asiatischen Werte'
Die Kontroverse, dass sich die Menschenrechte in (Südost-)Asien anders entwickelt hätten, spitzte sich Anfang der 1990er Jahre zu und erlangte mit der Verabschiedung der Deklaration von Bangkok weltumspannende Beachtung. Die Gründe für den Ausbruch dieser Debatte sind vielfältig. Zum einen genoss 'der Westen', vor allem die Europäische Union und die Vereinigten Staaten, zu dieser Zeit beispielloses politisches und ökonomisches Selbstbewusstsein. Der Ost-West-Konflikt war beendet, die Demokratie und der Kapitalismus schienen 'die' Erfolgsmodelle zu sein, die "das Ende der Geschichte" einläuteten (Fukuyama 1992). Die Globalisierung schritt unaufhaltsam voran, während der Kommunismus in vielen osteuropäischen Ländern in sich zusammenbrach. Zudem gewann die Idee des politischen und wirtschaftlichen Liberalismus mehr und mehr an Bedeutung.
In dieser Zeit gingen die Vereinigten Staaten und viele Mitgliedsstaaten der EU auf die Forderung vieler Menschenrechtsorganisationen ein, die Menschenrechte und die Demokratie in anderen Ländern zu verbreiten. Die Regierung unter Präsident Bill Clinton ging sogar so weit und erklärte sowohl die Verbreitung der Menschenrechte als auch der Demokratie zu einer der drei Säulen der US-amerikanischen Außenpolitik (vgl.: Barr 2000, S. 313). Allerdings missbilligte insbesondere China den menschenrechtlichen Druck vieler westlicher Staaten, der durch das Massaker von Tiananmen im Jahr 1989 und Chinas Tibet-Politik stetig zunahm.
Hinzu kam, dass viele ostasiatische Staaten, allen voran China, Malaysia, Japan, Hongkong, Taiwan, Singapur und Südkorea, als 'ostasiatische Wirtschaftswunder' bezeichnet wurden (vgl.: Ernst 2009). Diese wirtschaftliche Prosperität ließ ein "neues Selbstbewusstsein und eine neue politische Elite entstehen, die vom 'Westen' das Recht auf einen eigenen entwicklungspolitischen Weg einforderte und die Vormachtstellung der alten Industriestaaten Europas und Nordamerikas herausforderte" (Ernst 2009). Darüber hinaus sahen sie in der Rolle des starken Staates eine wichtige "Erklärungsvariable" für den wirtschaftlichen Erfolg (Heinz 1995, S. 11).
Die Bestimmtheit, mit der die Europäische Union und die Vereinigten Staaten um die Durchsetzung der Menschenrechte in Asien rangen, wurde von (ost-)asiatischen Ländern als Versuch verstanden, ,Asien' ,dem Westen' unterwürfig zu halten. Zudem wurde die Kritik als "Einmischung, irrelevant und kulturfremd abgewehrt" (Heinz 1995, S. 12).Schließlich, im Vorfeld der Wiener Menschenrechtskonferenz im Jahr 1993, "bestritten [unter anderem] die Regierungen Indonesiens, Singapurs und Chinas die Universalität der Menschenrechte" (Heinz 1995, S. 16). Stattdessen müssten die jeweiligen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Bedingungen betrachtet werden, weil sie nur anhand derer verwirklicht werden könnten (vgl.: Heinz 1995, S. 15f). Deshalb wurden sogenannte 'asiatische Werte' vorgestellt. Was sind 'asiatische Werte'?
'Asiatische Werte' beschreiben eine (kultur-)relative Sicht auf die Menschenrechte, die in den frühen 1990er Jahren von asiatischen Politiker*innen und Wissenschaftler*innen vorgestellt und von 34 Staaten verabschiedet wurden. Sie umfassen im Groben die Bereiche Politik, Wirtschaft und Kultur (vgl.: Tai 2005, S. 34). Federführend bei der Debatte waren Lee Kuan Yew, der damalige Premierminister von Singapur, und Mahathir bin Mohamad, der damalige Premierminister von Malaysia. Sie, die 'asiatischen Werte', sollen eine Anpassung zum aus asiatischer Sicht "westlichen Modell der Menschenrechte" darstellen (Henders 2017). Die regionale Bezeichnung 'Asien/asiatisch' bezieht sich in diesem Zusammenhang eher auf (Süd-) Ostasien beziehungsweise pazifisch-Asien als auf den Nahen oder Mittleren Osten. Das bedeutet auch, dass sich die 'asiatischen Werte' hauptsächlich auf die "konfuzianische Kultur" stützen und weniger vom Islam oder dem Hinduismus geprägt sind (Ernst 2009).
Allerdings lehnen die ostasiatischen Länder die Menschenrechte nicht grundsätzlich ab. Schließlich haben einige dieser Länder, darunter China, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte 1948 verabschiedet und bekräftigten 1993 in Wien nochmals ihren Einsatz für Prinzipien, die in der Erklärung enthalten sind (vgl.: Tay 1996, S. 751). Sie plädierten mit der Deklaration von Bangkok stattdessen für nationale und regionale Unterschiede in der Schwerpunktsetzung und auch in der praktischen Umsetzung der Menschenrechte (vgl.: Tay 1996 S. 751f).
Befürworter der 'asiatischen Werte' bestanden zudem darauf, dass sie nicht nur durch den wirtschaftlichen Erfolg, den die ostasiatischen Staaten in den Jahrzehnten vor der Wiener Menschenrechtskonvention 1993 erlebt hatten, legitimiert würden, sondern auch maßgeblich für diesen Erfolg verantwortlich seien. Darüber hinaus müsse die wirtschaftliche Entwicklung bei ökonomisch aufstrebenden Ländern über allem stehen; bürgerliche und politische Rechte sollten den ökonomischen und sozialen Rechten deswegen untergeordnet sein (vgl.: Henders 2017).
Bisher wurde keine offizielle "umfassende, verbindliche Liste" vorgestellt (Heinz 1995, S. 25), aber häufig genannte 'asiatische Werte', die bei der Wiener Menschenrechtskonvention 1993 vorgelegt wurden, waren: "Disziplin, harte Arbeit, eine starke Führungskraft" (Tai 2005, S. 34ff), "Sparsamkeit, akademischer Erfolg, die Balance zwischen individuellen und gemeinschaftlichen Bedürfnissen, Respekt vor Autorität" (Henders 2017) und ein starker, stabiler Staat (Barr 2000, S. 310). Darüber hinaus wird "nationales Teamwork", die Erhaltung einer "moralisch sauberen Umwelt" (das Magazin 'Playboy' wird in Singapur beispielsweise nicht verkauft) und keine absolute Pressefreiheit für zentral erachtet (Heinz 1995, S. 26).
Die asiatische Perspektive auf die Universalität der Menschenrechte
Im Diskurs um die ,asiatische Perspektive' haben sich mehrere häufig genannte Argumente herausgebildet. Einige davon sollen näher beschrieben werden, nämlich die Behauptungen, dass Rechte kulturspezifisch seien, die Gemeinschaft in Asien über dem Individuum stehe, dass Rechte ausschließlich den jeweiligen Staaten oblägen und dass soziale und ökonomische Rechte über zivilen und politischen Rechten ständen.
Rechte sind kulturspezifisch
Die Idee der Menschenrechte entstand bereits in der Antike auf dem europäischen Kontinent und entwickelte sich schließlich unter bestimmten sozialen, ökonomischen, kulturellen und politischen Bedingungen ebendort und in Nordamerika (vgl.: Li 1996, S. 19). Die Umstände, die die Umsetzung der Menschenrechte voranbrachten, könnten aber nicht auf diese Art auf Südostasien übertragen werden. So beschreibt China in seinem 1991 veröffentlichten Weißbuch, dass sich aufgrund des eigenen historischen Hintergrunds, des Sozialsystems und der jeweiligen ökonomischen Entwicklung die Länder in ihrem Verständnis und ihrer Auslegung der Menschenrechte unterscheiden würden (vgl.: Weißbuch 1991, Vorwort). Das ist eine Haltung, welche auch 1993 auf der Menschenrechtskonferenz in Wien nochmals bekräftigt wurde (vgl.: Li 1996, S.19).
Die Gemeinschaft steht über dem Individuum
Die südostasiatischen Länder insistierten, dass die Bedeutung der Gemeinschaft in asiatischen Ländern nicht mit dem Primat des Individuums vereinbar sei, worauf die Vorstellung der Menschenrechte beruht (Li 1996, S. 19). Zudem stünden Pflichten über Rechten (vgl.: Nghia 2009, S. 21). Dies seien auch die entscheidenden Faktoren, die 'Asien' fundamental vom 'Westen' unterschieden. Die Menschenrechte seien von Natur aus individualistisch geprägt, was nach (süd-)ostasiatischer Auffassung eine Bedrohung für den (süd-)ostasiatischen sozial-gemeinschaftlichen Gesellschaftsmechanismus darstellen könnte. Als Begründung für diese Behauptung führten die (süd-)ostasiatischen Staaten den Zusammenbruch vieler Familien, die Drogenabhängigkeit und die hohe Zahl an Obdachlosen im 'Westen' an (vgl.: Li 1996, S. 20).
Soziale und ökonomische Rechte stehen über zivilen und politischen Rechten
Zentral bei der ,asiatischen Auslegung' der Menschenrechte waren die Priorisierung der Gemeinschaft gegenüber der Individuen und die Suche nach dem Konsens im Gegensatz zum Konflikt. Dominanz und Autorität würden nicht limitiert oder gar als suspekt betrachtet, sondern gälten im Gegenteil als vertrauens- und förderungswürdig (vgl.: Tay 1996, S. 753ff). Die asiatische Auslegung, so wurde argumentiert, lege den Fokus auf ökonomische und soziale Rechte, die durch ein starkes wirtschaftliches Wachstum und Wohlstand legitimiert würden, worauf Asiat*innen Wert legten und was ihnen wichtig sei. So proklamiert das Weißbuch der chinesischen Regierung aus dem Jahr 1991, dass "sich sattessen und warm kleiden die fundamentalen Bedürfnisse der chinesischen Bevölkerung seien, die lange unter Hunger und Kälte leiden mussten" (Weißbuch 1991, Kapitel I). Wohlstand könne nur effizient erreicht werden, wenn die Regierenden autorisiert seien, die politischen Rechte ihrer Bürger*innen zu limitieren, um wirtschaftlichen Wohlstand zu garantieren (Li 1996, S. 20). Die wirtschaftliche Entwicklung müsse deswegen bei ökonomisch aufstrebenden Ländern über allem stehen; zivile und politische Rechte sollten den ökonomischen und sozialen Rechten untergeordnet sein (vgl.: Henders, 2017). Implizit schwingt bei dieser Behauptung mit, dass erst alle basalen Bedürfnisse und eine stabile politische Ordnung sichergestellt werden müssten, um politische und bürgerliche Rechte zu implementieren (vgl.: Li 1996, S. 20f). Befürworter der Idee der asiatischen Perspektive erachten es somit für wichtig, den Staat als Oberhoheit zu sehen (vgl.: Henders 2017).
Rechte sind die Angelegenheit der jeweiligen Staaten
Das Recht eines Staates zur Selbstbestimmung schließe den Zuständigkeitsbereich der Menschenrechte mit ein. So seien Menschenrechte innenpolitische Angelegenheiten, in die sich andere Staaten oder Organisationen nicht einzumischen hätten (vgl.: Li 1996, S. 20). "Die Bestrebung des Westens, auch bei Entwicklungsländern einen universellen Geltungsanspruch der Menschenrechte durchzusetzen, sei versteckter kultureller Imperialismus und ein Versuch, die Entwicklung [wirtschaftlich aufstrebender Länder] zu behindern" (Li 1996, S. 20).
Kritik an der asiatischen Perspektive Generell wurde bemängelt, dass nicht einfach über 'asiatische' Werte geredet werden könne, weil es die einzelnen asiatischen Länder simplifiziere, stereotypisiere und sie um ihre Vielfalt bringe (vgl.: Henders 2017). Des Weiteren seien die genannten Werte nicht alleinig in Asien zu finden, sondern hätten auch in anderen Teilen der Welt Gültigkeit (vgl.: Tai 2005, S. 35). Tatsächlich, so wurde argumentiert, gebe es keine ,asiatischen Werte', denn der Begriff sei mit "seiner Allgemeinheit und Undifferenziertheit ein Konstrukt, das ganz bestimmten Zielen dienen soll" (Schreiner 1996, S. 57). Außerdem seien nur mächtige Politiker*innen leitender Teil der Debatte gewesen; die Argumente seien weder in die Gesellschaft getragen noch philosophisch (fort-)geführt worden. Die einzelnen 'asiatischen' Argumente gegen die Universalität der Menschenrechte wurden jedoch auch einzeln kritisiert. Einige Kritiker*innen stellten die Ansicht der Kulturspezifizität in Frage. Das Argument impliziere, dass soziale Normen, die in anderen Ländern und Kulturkreisen ihren Ursprung hatten, in der asiatischen Kultur keine Anwendung finden sollten oder könnten. Kapitalistische Märkte und die Konsumkultur, welche ebenfalls außerhalb der asiatischen Länder entstanden sind, konnten jedoch sehr wohl von asiatischen Kulturen aufgenommen werden (vgl.: Li 1996, S. 20). Die schwerfällige Akzeptanz und Umsetzung der Universalität der Menschenrechte könne somit nicht ausschließlich auf ihre kulturelle Herkunft zurückgeführt werden.
Die zweite Behauptung, dass Asiat*innen die Gemeinschaft über das Individuum stellten, würde als kulturelles Argument missbraucht werden, um aufzuzeigen, dass unveräußerliche Rechte eines Einzelnen sich nicht mit der Idee von asiatischen Gesellschaften verstünden. Kritiker*innen der ,asiatischen Perspektive' sahen hier die Gefahr der generellen Verdammung der Rechte des Einzelnen. Dabei würden individuelle Freiheiten den asiatischen Gemeinschaftswerten nicht generell oppositionell gegenüberstehen. Vielmehr seien grundlegende Rechte, wie eine Versammlungs- und Meinungsfreiheit sowie Toleranz, wichtig für eine Gemeinschaft (vgl.: Li 1996, S. 21).
Beim dritten Argument, welches die südostasiatischen Länder vorlegten, kritisierten viele Verfechter*innen der Universalität der Menschenrechte, dass die nationale ökonomische Entwicklung nicht gleichzusetzen sei mit der ökonomischen Absicherung (sozio-)ökonomisch benachteiligter Gruppen einer Gesellschaft. Nationales ökonomisches Wachstum garantiere schließlich nicht automatisch Rechte für ökonomisch benachteiligte Mitglieder einer Gesellschaft. Stattdessen würden sich politisch-zivile und sozial-ökonomische Rechte bedingen und nur effektiv wirken, wenn alle vier Ebenen garantiert werden könnten (vgl.: Li 1996, S. 22).
Abschließend wurde kritisiert, dass die vorgebrachten Argumente, insbesondere die Forderung der Nichteinmischung in innerstaatliche Angelegenheiten, als Vorwand für einen illiberalen und autoritären Regierungsstil verwendet werden würden. Zudem sollten diese Argumente die Schwäche des wirtschaftlichen Entwicklungsmodells der asiatischen Länder verschleiern (vgl.: Henders 2017). Das sind beides Kritikpunkte, die während der asiatischen Wirtschaftskrise 1997/1998 weitgehend bestätigt wurden und zur Verabschiedung der asiatischen Erklärung der Menschenrechte im Jahr 1998 führten.
Was ist mit 'asiatischen Werten' passiert?
Der Dialog über die in der Deklaration von Bangkok vorgestellten 'asiatischen Werte' begleitete staatliche und nicht-staatliche Akteure sowie Wissenschaftler*innen bis in die 1990er Jahre hinein. Als im Jahr 1997 eine Wirtschafts- und Finanzkrise Asien ereilte, wurde es jedoch nicht nur still um die 'asiatischen Werte', sie wurden nun sogar "als Ursache der Krise gedeutet" (Ernst 2009). Insbesondere die staatliche Intervention und die starken Familienwerte wurden als Verursacher genannt (vgl.: Ernst 2009). Um den wirtschaftlichen Anschluss an den industriellen 'Westen' nicht zu verlieren, waren Menschenrechtsorganisationen in Südostasien bemüht, den Menschenrechtsschutz bottom-up durchzusetzen. Die Asiatische Menschenrechtscharta, die die 'asiatischen Werte' ablehnt, wurde 1998 von Menschenrechtsorganisationen in Kwangju, Südkorea, verabschiedet. Sie ist auch ein Versuch, asiatische Regierungen bei Menschenrechtsverstößen zukünftig in die Verantwortung nehmen zu können.
Seit dem Ausbruch der asiatischen Wirtschaftskrise ist die Debatte um 'asiatische Werte' nahezu versiegt. Gleichwohl werden interkulturelle Dialoge über die Menschenrechte weiter geführt. Zwischen Kulturrelativismus und Universalismus – Perspektiven für einen Dialog
Eine globale Durchsetzung der Menschenrechte bleibt nach wie vor ein Ideal, ebenso wie deren uneingeschränkte Einhaltung. Die ostasiatischen Länder sind nur ein Beispiel von vielen, denn Kritik an der Universalität der Menschenrechte kommt auch aus anderen Ländern und von anderen Religionen. Dabei hat die Forderung nach weltweiter Umsetzung der Menschenrechte nicht an Dringlichkeit verloren. Wie kann aber ein Dialog über die Menschenrechte oder gar ein Konsens vorangebracht werden?
Bei dieser Problematik ist es wichtig zu bedenken, dass die Menschenrechte kein starres System sind, sondern auch nach ihrer Verabschiedung im Jahr 1948 weiterentwickelt wurden. Zudem hat die Idee der Menschenrechte zwar primär in der Zeit der europäisch-amerikanischen Aufklärung ihre Wurzeln, konnte ihre volle Durchsetzungskraft jedoch erst in der Moderne entfalten (vgl.: Bielefeldt 1999, S. 59f). Insbesondere im Hinblick auf das Argument der Nichtumsetzbarkeit der Menschenrechte in kulturell anders geprägten Regionen "wäre es verfehlt, den Begriff der 'Aufklärung' auf eine bestimmte Epoche der europäischen Geschichte zu verkürzen" (Bielefeldt 1999, S. 60). Schließlich muss es auch für andere Kulturen möglich sein, "humane Anliegen der eigenen Tradition in moderner Gestalt in den Menschenrechten wiederzuerkennen" (Bielefeldt 1999, S. 61).
Aufgrund dessen sprechen sich viele Wissenschaftler*innen für eine Adaption der Menschenrechte aus. Die US-amerikanische Politikwissenschaftlerin Alison Dundes Renteln, beispielsweise, "möchte am Begriff universaler Menschenrechte durchaus festhalten, ihn zugleich aber auf interkultureller Basis inhaltlich neu bestimmen […], indem sie nach einem weltweit gemeinsamen Nenner in den Wertorientierungen unterschiedlicher Kulturen sucht" (Bielefeldt 1999, S. 45f). Der kanadische Philosoph Charles Taylor spricht sich für einen "ungezwungenen Konsens" aus, der anderen kulturellen Normen Verständnis entgegenbringt (Taylor 1999, S. 124). Der Dialog über die Menschenrechte zwischen Asien und 'dem Westen' solle sich global ausweiten und eine Auseinandersetzung über eine Übereinstimmung an Normen, die menschliches Verhalten und politisches Handeln leiten sollten, starten. Dieser Grundkonsens auf der Basis der Menschenrechte soll bindend sein, darf sich aber in seiner Begründung unterscheiden (vgl.: Carnegie Council 1996). Der deutsche Philosoph Georg Lohmann vertritt wiederum die Position, dass der "Universalismus" nicht zwingend eine "Einheitskultur darstellt oder in einer solchen resultiert" (Lohmann 2009). Für ihn sind Universalismus und Relativismus auch keine Gegensätze; er sieht im Partikularismus das Gegenteil zum Universalismus. Deshalb ist er der Ansicht, dass ein "verwirklichter und rechtlich wie politisch konkretisierter universeller Menschenrechtsschutz die Möglichkeiten einer kulturellen Vielfalt der Menschen erweitern wird" (Lohmann 2009). Kulturelle Vielfalt ist hier aber nicht mit Willkür gleichzusetzen. Unterscheiden muss man zwischen "Besonderheiten, die mit dem Universalismus der Menschenrechte kompatibel sind und solchen, die ihm widersprechen" (Lohmann 2009). "Strikter" soll der Universalismus bei negativen Pflichten agieren, so zum Beispiel beim Verbot von Folter (Lohmann 2009). Bei positiven Pflichten, wie beispielsweise bei Leistungsrechten, kann der Universalismus lockerer angewendet werden und mehrere, kulturell unterschiedliche Auslegungen zulassen (vgl.: Lohmann 2009). Ein interkultureller Dialog und die Suche nach einem Konsens bedeuten jedoch nicht, dass "die Menschenrechte [völlig neu überdacht und] bereits bestehende international vereinbarte Standards und Konventionen […] abgetan werden sollen. Das wäre gefährlich" (Utrecht 1995, S. 11). Für eine strikte Durchsetzung ideal, so konkludiert Lohmann, "wäre ein gut etabliertes Rechtssystem, in dem die Menschenrechte individuell eingeklagt und mit Hilfe staatlicher Gewalten auch durchgesetzt werden können" (Lohmann 2013, S. 19). Fazit
Viele (süd-)ostasiatische Länder brachten im Jahr 1993 mit der Deklaration von Bangkok kulturrelativistische Argumente hervor, mit denen sie ihre Sichtweise auf die Universalität der Menschenrechte aufzeigten und rechtfertigten. Eine zentrale Begründung war hier, dass das "individualistische Rechtsverständnis" der Menschenrechte nicht mit dem asiatischen Gemeinschaftsverständnis vereinbar sei (Tetzlaff 2002, S. 5). Ebenso waren die Kulturspezifität von Rechten und das Primat des wirtschaftlichen Wohlstands Teil der Begründung. Auseinandersetzungen darüber fanden bis weit in die 1990er Jahre hinein viel Gehör und Gegenrede. Erst mit der asiatischen Wirtschafts- und Finanzkrise 1997/1998 wurde es still um die 'asiatischen Werte'. Was von der Debatte allerdings bleibt, ist die Diskussion über den Universalismus und den (Kultur-) Relativismus, für die der Menschenrechtsrat (MRR) der Vereinten Nationen in Genf eine Plattform bietet.
Bei allen Vorschlägen und Denkanstößen, die eine kulturelle Sensibilität und Variabilität ermöglichen sollen, ist der interkulturelle Dialog zentral. Fraglich bleibt jedoch, wie gut sich eine Diskussion über Normen auf der Basis der Menschenrechte und deren anschließende Durchsetzung in autoritär geführten Staaten durchsetzen lässt (vgl.: Carnegie Council 1996). Denn schließlich sagte schon Konfuzius (551 v. Chr. bis 479 v. Chr.), dass es sinnlos sei, miteinander Pläne zu schmieden, wenn über das Grundsätzliche keine Einigkeit bestehe.
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Es waren Antifaschist:innen, die die italienische Verfassung ausgearbeitet haben. Sie trat 1948 in Kraft und sollte sicherstellen, dass niemand jemals wieder die Kontrolle über die Republik übernehmen konnte, ähnlich wie dies der Diktator Benito Mussolini die Jahre zuvor vollbracht hatte. Seitdem hat Italien bereits 67 Regierungen erlebt, doch die aktuelle Regierung, Nummer 68, ist auch für Italien besonders (Siefert, 2023). Sie wurde mehrfach als "gefährlichste Frau Europas" betitelt (Brandl & Ritter, 2022). Die Rede ist von Giorgia Meloni, die am 22. Oktober 2022 als Vorsitzende der nationalistischen, konservativen und postfaschistischen Partei Fratelli d'Italia (FDI) als Ministerpräsidentin vereidigt wurde.Mit dem Wahlsieg der italienischen Postfaschistin ist ein weiterer Schritt in Richtung einer politischen Entwicklung vollzogen worden, die den autoritären Rechtspopulismus als Regierung zu einem sichtbaren Bestandteil der politischen Realität macht. Ihre politische Gruppierung wird weithin als populistisch, postfaschistisch und weit rechts im politischen Spektrum positioniert, was in weiten Teilen der europäischen Öffentlichkeit zur Kenntnis genommen wurde. Die folgende Seminararbeit versucht nach mehr als einem Jahr an der Macht eine Bilanz zu ziehen, die Auswirkungen der Wahl zu analysieren und die Besonderheiten der italienischen Rechten näher zu beleuchten.Melonis Aufstieg in der politischen Landschaft Italiens: Vom Engagement in der Jugendpolitik über die MSI zur Gründung der Fratelli d'Italia Die am 15. Januar 1977 in Rom geborene Meloni ist nicht nur die erste Frau, die das Amt ausübt, sondern auch die erste Regierungschefin, deren politische Karriere in der postfaschistischen Ära Italiens begann. Sie kandidierte bereits in ihren Jugendjahren für politische Ämter in Italien. Im Jahr 2006 wurde sie zur jüngsten Ministerin Italiens ernannt. Heute ist die Vorsitzende der von ihr mitbegründeten rechtsextremen Partei Fratelli d'Italia (Brüder Italiens, benannt nach der ersten Zeile der Nationalhymne, mit Wurzeln in der postfaschistischen Bewegung) die erste weibliche Premierministerin.Vor 31 Jahren, im Juli 1992, begann Giorgia Meloni ihr politisches Engagement in Rom mit dem Beitritt zur Jugendorganisation des Movimento Sociale Italiano (MSI, Italienische Soziale Bewegung), einer von Faschist:innen gegründeten Partei (Ventura, 2022, S. 8 ). Die italienische Ministerpräsidentin unterstreicht häufig, dass sie aus bescheidenen Verhältnissen stammt und in einer Familie von Angestellten aufgewachsen ist. Dabei verschweigt sie allerdings gerne die Tatsache, dass ihre Mutter, Anna Paratore, der MSI damals angehörte (Feldbauer, 2023, S. 15).Die am 26. Dezember 1946 gegründete Italienische Soziale Bewegung entstand unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkrieges. Die Gründer:innen der Partei waren politisch in der Italienischen Sozialen Republik (Repubblica Sociale Italiana, RSI) aktiv, einem Satellitenstaat, der während der deutschen Besatzung von 1943 bis 1945 von Mussolini regiert wurde. Ideologisch bezog sich die Partei auf den "sozialen Faschismus" der RSI (Ventura, 2022, S. 2). Die MSI zeichnete sich nicht nur durch ihre antikapitalistische und antiliberale Ideologie mit korporatistischer Entscheidungsfindung aus, sondern auch durch ihren ausgeprägten Antikommunismus und ihre scharfe Kritik an den etablierten Parteien. Obwohl es innerhalb der MSI von Anfang an eine konservative und pro-westliche Minderheit gab, blieb die Partei bis Anfang der 1990er Jahre unfähig, sich wesentlich zu reformieren und konnte daher keinen nennenswerten Einfluss auf das politische System Italiens ausüben (ebd.).Im Januar 1995 wurde die Partei kurz nach dem Beitritt Melonis aufgelöst und in die "Alleanza Nazionale" (AN, Nationale Allianz) umgewandelt. Die AN fusionierte 2009 mit der Partei "Forza Italia" (FI, Vorwärts Italien) von Silvio Berlusconi zur Partei "Il Popolo della Libertà (PdL, Das Volk der Freiheit). Der damalige Parteivorsitzende Gianfranco Fini wollte den von der AN eingeleiteten liberal-konservativen Rechtsruck erfolgreich zu Ende führen, was jedoch einigen ehemaligen Aktivist:innen und Führungskräften aus den Reihen der MSI missfiel. Diese Unzufriedenheit machte sich später Meloni zunutze. Im Jahr 2006 wurde Meloni ins Parlament gewählt und zwei Jahre später wurde sie die jüngste Ministerin (Jugend und Sport) in der Geschichte Italiens. Die einzige Regierungserfahrung hat sie auf nationaler Ebene (ebd.).Verhältnis zum (Post)Faschismus Eine Woche vor dem hundertsten Jahrestag von Mussolinis "Marsch auf Rom", der Machtübernahme durch den "Duce", übernahm Meloni ihr Amt. Ihr Kabinett, welches hauptsächlich aus Anhänger:innen Mussolinis besteht, wurde in linken Medien als eine Regierung von "reuelosen Faschisten" beschrieben (Feldbauer, 2023, S. 38f). Meloni war im Jahr 2012 Mitbegründerin der Partei FdI, die in der Tradition des italienischen Faschismus steht, und gehört somit zur dritten Generation des Partito della Fiamma (Livi & Jansen, 2023, S. 173). Das Symbol der faschistischen Flamme, das in der Vergangenheit der MSI vorbehalten war, ist im Parteilogo vertreten (Feldbauer, 2023, S. 16f).Im Jahr 1929 wurde das Wort "Faschismus" zum ersten Mal in den Duden aufgenommen. Dies geschah sieben Jahre, nachdem die italienische Partito Nazionale Fascista (PNF) unter Benito Mussolini 1922 in die Regierung Italiens eingetreten war. 1926 entwickelte sie sich zu einer diktatorischen Staatspartei, bevor sie 1943 aufgelöst wurde. Der Begriff "Faschismus" wurde von der PNF als Selbstbezeichnung verwendet und entstammt dem italienischen Wort "fascio", dessen Bedeutung dem Begriff "Bund" gleichgestellt ist (Schütz, 2022). Im heutigen Sprachgebrauch bezeichnet der Terminus eine nationalistische, antidemokratische und rechtsextreme Ideologie, die nach dem Führerprinzip ausgerichtet ist. Seit den Parlamentswahlen in Italien im vergangenen Jahr sind vermehrt Artikel zum Thema "Postfaschismus" verfügbar. Dies hängt mit dem Sieg bei der Parlamentswahl und der FdI zusammen, welche als "postfaschistisch" bezeichnet wird (ebd.).Gianfranco Fini distanzierte sich 2003 offiziell vom Faschismus und bezeichnete ihn als "absolut böse" (Tagesschau, 2022). Giorgia Meloni hat es jedoch bis heute vermieden, eine so eindeutige Aussage über die Wurzeln ihrer Partei zu tätigen. Meloni erhob sogar Vorwürfe gegen Gianfranco Fini, das Erbe der italienischen Rechten zu zersplittern (Ventura, 2022, S. 6). Im Jahr 2014 wurde Meloni zur Vorsitzenden der FdI gewählt. Sie konnte den harten Kern der Faschist:innen um sich versammeln, indem sie sich auf Mussolini bezog. Aufgrund der möglichen Verluste eines Teils ihrer Wählerschaft an die Lega kann sie die Flamme nicht aus dem Parteilogo entfernen. Sie hob wiederholt hervor, wie stolz sie auf das Wappen mit der italienischen Trikolore sei, bezeichnete Mussolini sogar als einen "guten Politiker" (Feldbauer, 2023, S. 16).Froio (2020) stellt fest, dass die FdI ein "emotionales" Verhältnis zu ihrer faschistischen bzw. postfaschistischen Vergangenheit pflegt, mit der sie sich nie wirklich kritisch auseinandergesetzt hat. Dies wird durch die Statements von Giorgia Meloni sowie durch die Aussagen und Handlungen von Vertreter:innen und Führungskräften der FdI deutlich. So trat Meloni am Tag vor der Wahl 2018 bei einer Wahlkampfveranstaltung in Latina, einer von Mussolini gegründeten Stadt südlich von Rom, in Begleitung seiner Enkelin Rachele Mussolini auf. Dabei kündigte sie die Absicht ihrer Partei an, dem Symbolort den ihm gebührenden Platz in der Geschichte der italienischen Rechten wieder zu verschaffen (Latza Nadeau, 2018). Bei ihrem Versuch, sich in ihrer Ansprache vor der Abgeordnetenkammer am 25. Oktober 2022 trotz ihrer früheren Bekenntnisse zum Faschismus Mussolinis zu distanzieren, stieß Meloni angesichts der genannten Tatsachen auf Widerstand. Mit ihrer Partei verkörpert Meloni nach wie vor die "Kontinuität des Faschismus" (Feldbauer, 2023, S. 16f).Auch Tronconi und Baldini (zit. nach POP, 2023) erkennen die Identitätswurzeln der FdI im Neofaschismus, der in Italien jahrzehntelang durch die MSI verkörpert wurde. Ihrer Meinung nach sei es jedoch falsch, die FdI als neofaschistische Partei zu bezeichnen, da wesentliche Merkmale wie die Akzeptanz von Gewalt als Mittel des politischen Wettbewerbs fehlen würden. In der öffentlichen Debatte und in den offiziellen Dokumenten der Partei würden tatsächlich die für die europäische radikale Rechte typischen Themen wie Islamophobie und eine allgemeine Feindseligkeit gegenüber der Einwanderung betont, die als potenzielle Verwässerung der Identität der italienischen Nation angesehen werden.Der Weg einer "Frau, Mutter, Italienierin und Christin" an die MachtMeloni präsentiert sich gerne als Frau, Mutter, gläubige Christin und als hilfsbereite Vertreterin aller Italiener:innen (Feldbauer, 2023, S.70). Diese Worte passen zum allgemeinen Slogan "Gott, Heimat und Familie" (Dio, patria e famiglia), welcher von Melonis Partei und anderen radikalen Rechtsparteien in der Vergangenheit übernommen wurde (De Giorgi et. al, 2022).Im Jahr 2022 wurden mehr als 70 Prozent der parlamentarischen Parteien in den EU-Mitgliedsstaaten von männlichen Führungskräften geleitet (Openpolis, 2022, zit. nach De Giorgi et. al, 2022). In Italien wurde bis zum Jahr 2013 keine Partei, weder aus dem politischen Establishment noch aus dem rechten Spektrum, von einer Frau geführt (De Giorgi et. al, 2022). Studien, die sich auf das weibliche Führungsverhalten konzentrieren, betonen oft, wie Frauen Führungspositionen erreichen können, wenn sie von einem "Legacy Advantage", also sozusagen von einem Vorteil ihres Erbes profitieren, wie als Ehefrau, Witwe, Tochter oder eine andere enge Verwandte eines Schlüsselakteurs in der Politik (Baker & Palmieri, 2021). Diese Praxis ist auch bei rechtsextremen Parteien üblich. Ein bekanntes Beispiel ist Marine Le Pen, die die Führung des Front National (jetzt Rassemblement National) von ihrem Vater übernommen hat. Auch in Italien gibt es rechtsgerichtete Politikerinnen mit starken familiären Bindungen zu ehemaligen Staatsoberhäuptern und prominenten politischen Persönlichkeiten, wie Alessandra Mussolini, die Enkelin des ehemaligen Diktators, die mehrmals als Abgeordnete für die AN gewählt wurde (De Giorgi et. al, 2022). Giorgia Meloni hebt sich von diesem Weg ab. Ihr politisches Engagement begann 1992, als Meloni der Jugendorganisation der MSI beitrat. Im Unterschied zu anderen Oppositionsführer:innen, welche dazu neigen, ihre politische Außenseiterposition zu betonen, hebt Meloni oft ihren beruflichen Werdegang sowie ihr politisches Know-how hervor und verbindet dies mit der Idee der "Kompetenz". Darüber hinaus gibt es in Italien keine weitere politische Partei, die von einer Frau geführt wird, wodurch Meloni zweifellos eine beachtliche Medienpräsenz in dieser Hinsicht erreicht hat (Feo & Lavizzari, 2021).Angesichts der politischen Geschichte Italiens sei der Erfolg der FdI nicht verwunderlich. Die italienischen Rechten sind mit ihren traditionellen Anliegen seit Jahrzehnten erfolgreich. Der Gesamterfolg der FdI-FI-Lega-Koalition im Jahr 2022 kam daher weder überraschend noch sei er außergewöhnlich (POP, 2023). Der Erfolg kann auf die langjährige Dominanz der wechselnden Mitte-Rechts-Koalitionen um Berlusconi zurückgeführt werden, die in den letzten drei Jahrzehnten die Mehrheit der Wahlen gewinnen konnten. Trotz der langen Präsenz der größten kommunistischen Partei des Westens in Italien seit mehr als 50 Jahren war das Land mit Ausnahme einer kurzen Periode in den 1970er Jahren immer strukturell rechts orientiert (Livi & Jansen, 2023, S. 178f).Die Mehrheit der italienischen Gesellschaft war antikommunistisch, prokapitalistisch, katholisch und von konservativen Vorstellungen über die Familie, Geschlechterrollen und soziale Ordnung geprägt. Die Christlich-Demokratische Partei (DC, Democrazia Cristiana), die in der Ersten Republik dominierte, integrierte eine breite konservative Mittelschicht, die sich als antikommunistisch verstand und einem autoritären traditionellen Katholizismus anhing. Diese Schicht bildete die Grundlage für Berlusconis Aufstieg in den 1990er Jahren. So entstand eine neue konservative Rechte. Berlusconi mobilisierte eine bis dahin politisch unsichtbare konservative Strömung in der Gesellschaft, die im Hintergrund agierte (ebd.).Mit 43 Prozent der Stimmen ist die Koalition nicht weit von ähnlichen Prozentsätzen entfernt, die Mitte-Rechts-Koalitionen in den neunziger Jahren oder bei den Wahlen 2001, 2006 und 2008 erzielt haben. Die konservativen Parteien genießen in Italien mehr Unterstützung als die progressiven, und wenn diese aus allgemeinen Wahlen als Sieger hervorgehen, dann vor allem infolge von Spaltungen innerhalb der rechtsgerichteten Parteien (POP, 2023).Neben ihrer eigenen Partei, die bei den Wahlen 26 Prozent der Stimmen erhielt, gehören zur Regierungskoalition der Premierministerin zum einen die Lega, Matteo Salvinis Partei, die mit fremdenfeindlichen und separatistischen Ansichten bis 2018 als Lega Nord bekannt war. Zum anderen die liberal-populistische Partei von Ex-Premier Silvio Berlusconi, Forza Italia. Die Lega kam auf 8,8 Prozent, gefolgt von der Forza Italia mit 8,1 Prozent (Feldbauer, 2023, S.7). Aufgrund der besonderen Regeln des italienischen Wahlrechts verfügen diese drei Regierungsparteien über breite Mehrheiten in beiden Kammern des Parlaments, der Camera und dem Senato (Livi & Jansen, 2023, S.169). Neben der Berufung ihres Schwagers hat die italienische Ministerpräsidentin auch ihre Schwester in die Führungsebene ihrer Partei geholt. Melonis ältere Schwester, Arianna, ist nun verantwortlich für das politische Sekretariat. Ihr Ehemann, Francesco Lollobrigida, Landwirtschaftsminister und Mitglied der FdI, gilt als enger Vertrauter von Meloni (Ventura, 2022, S. 3).Laut Tronconi und Baldini (zit. nach POP, 2023) liegt der interessante Aspekt darin, dass sich die FdI innerhalb der rechten Parteien durchsetzte. Dies könnte vor allem damit begründet werden, dass die Forza Italia eine schon lange schwindende Partei sei, während die Positionen von FdI und Lega in den wesentlichen Punkten übereinstimmen. Dazu gehören feindselige Haltungen gegenüber Migration, die Verteidigung traditioneller Werte, die Unterstützung der wirtschaftlichen Interessen zahlreicher italienischer Kleinunternehmen, der Schutz der traditionellen Familie vor einer angeblichen "Gender-Theorie", die darauf abziele, die Unterschiede zwischen den Geschlechtern zu verwischen oder auszulöschen, und die vertikale Abgrenzung zur EU in Form von Skepsis bzw. offener Feindseligkeit gegenüber dem europäischen Integrationsprojekt. Allerdings habe die Persönlichkeit von Giorgia Meloni im Vergleich zu Matteo Salvinis abnehmender Führungsstärke sowie die Glaubhaftigkeit und Beständigkeit der Partei der FdI 2022 den entscheidenden Vorteil gebracht. Salvini habe sich im Vergleich zu Meloni in der Vergangenheit auf Koalitionen, wie zum Beispiel mit der Fünf-Sterne-Bewegung eingelassen, die nicht besonders gut bei den rechten italienischen Wähler:innen ankamen. Meloni war und ist jedoch innerhalb des Rechts-Bündnisses eine überzeugte Hardlinerin (Feldbauer, 2023).WählerschaftDie Partei von Giorgia Meloni übte vor allem eine Anziehungskraft auf ehemalige Lega-Wähler:innen aus, aber auch Wähler:innen der Forza Italia bekundeten Interesse an der FdI. In soziodemografischer Hinsicht ist festzustellen, dass FdI-Anhänger:innen in der Altersgruppe von 50-64 Jahren überrepräsentiert, in der jüngsten Altersgruppe (18-34 Jahre) unterrepräsentiert waren. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass jüngere Wähler:innen ihre Proteststimme eher der Fünf-Sterne-Bewegung ohne postfaschistische Vergangenheit gaben. Die Partei erhielt Unterstützung von verschiedenen Berufsgruppen wie Handwerker:innen, Händler:innen, Selbstständigen sowie Angestellten und Lehrkräften, also weitgehend der (unteren) Mittelschicht.Die geografische Verteilung der Wählerschaft der FdI zeigt nicht nur - wie anfangs in der Parteigeschichte - eine starke Präsenz im Süden Italiens, sondern auch eine landesweite Verbreitung. Die Wählerschaft weist migrationsfeindliche und europaskeptische Tendenzen auf, insbesondere bei langjährigen Anhänger:innen. Neu gewonnene Wähler:innen zeigen eine populistische und anti-elitäre Haltung, bei der die Ablehnung von Migration eine große Rolle spielt (Ventura, 2022, S. 5).Migrationspolitik als Kernthema Bei den Parlamentswahlen stand die Migrationspolitik im Fokus. Es bestanden Bedenken, die neue Regierung unter der Führung der FdI könne in der Asyl- und Migrationspolitik einen äußerst restriktiven und sogar illegalen Weg einschlagen. So hatte Meloni für ihr Amt mit dem Ziel kandidiert, der "illegalen" Einwanderung nach Italien Einhalt zu gebieten. Es wurde auch über die mögliche Errichtung einer Seeblockade vor Nordafrika sowie die Einrichtung von Hotspots auf afrikanischem Territorium diskutiert (Angeli, 2023, S. 4f). Durch ihre Forderungen in der Opposition konnte sie das Thema Migration für sich gewinnen. Dennoch ist die Verwirklichung politischer Versprechen im Wahlkampf und ihre Umsetzung in konkrete Politik keineswegs als selbstverständlich anzusehen. Im Zuge der sogenannten "Flüchtlingskrise" bestimmten nativistische und souveränistische Motive die Haltung der Partei zur Migration. Die auf dem Parteitag 2017 verabschiedeten programmatischen "Thesen von Triest für die patriotische Bewegung" stellten die Migration als existenzielle Bedrohung für den Fortbestand der europäischen Nationalstaaten dar. In diesem Zusammenhang fand auch die Verschwörungstheorie vom "großen Austausch" Eingang in das Parteiprogramm (Baldini et. al, zit. nach Angeli, 2023, S. 6). Die Partei warf der EU vor, aus demografischen Gründen ein "multikulturelles Prinzip" zu verfolgen, woraus angeblich eine Zustimmung zur unkontrollierten Einreise von Menschen aus anderen Kontinenten abgeleitet wurde (FdI, 2017, zit. nach Angeli, 2023, S. 6). Die Partei befürwortete restriktive Maßnahmen im Zusammenhang mit legaler Zuwanderung. Diese sollten nur für Staatsangehörige möglich sein, die sich problemlos integrieren könnten, ohne Sicherheitsprobleme zu verursachen. Dabei wurde die Bedeutung des Grenzschutzes besonders betont, der mit dem Schutz des "Vaterlandes" gleichgesetzt wurde. Die FdI schlugen drastische Maßnahmen, wie eine internationale "Landmission" vor, die Kontrolle über die Häfen übernehmen sollte, sowie die Möglichkeit einer Seeblockade. Der Schwerpunkt lag dabei auf Nationalitäten, die weniger bereit seien, die Gesetze und die Kultur zu akzeptieren, insbesondere wurden damit Muslim:innen gemeint. Darüber hinaus wurde zum ersten Mal die Einrichtung von Hotspots in Nordafrika zur Prüfung von Asylanträgen vorgeschlagen, verbunden mit der Absicht, das Recht auf "humanitären Schutz" abzuschaffen. Die programmatische Entwicklung der Partei im Bereich der Migrationspolitik war von zwei konträren Tendenzen geprägt. Einerseits stand die Partei unter dem Druck, sich dem Mitte-Rechts-Bündnis anzupassen, was zu einem einheitlichen Programm für die Parlamentswahlen 2018 führte, welches jedoch nicht die radikalsten migrationspolitischen Positionen enthielt. Andererseits sorgte die Konkurrenz innerhalb des Rechtsbündnisses für einen Differenzierungsbedarf insbesondere in der Migrationspolitik. Hier konkurrierten die FdI und die Lega darum, sich als die restriktivere und migrationsfeindlichere Partei zu präsentieren (Angeli, 2023, S. 6f).Die FdI hob zunehmend ihr Alleinstellungsmerkmal durch die kompromisslose Verteidigung der italienischen Interessen hervor, insbesondere durch die häufige Verwendung von "Italians first". Dieser Slogan implizierte einen Wettbewerb zwischen Italiener:innen und Menschen mit Migrationshintergrund und wurde zur Rechtfertigung diskriminierender Maßnahmen verwendet (Ventura, 2022). Im Wahlprogramm für die Europawahl 2019 wurde der Vorrang der italienischen Bevölkerung hervorgehoben und normativ untermauert (ebd.). Das Wahlprogramm für die Parlamentswahlen 2022 markierte eine Abkehr von der Radikalisierung der Partei in der Migrationspolitik, die in den vergangenen Jahren zu beobachten war. Stattdessen kehrte die FdI zu einer sicherheitspolitisch motivierten Migrationsskepsis zurück, ähnlich wie im Wahlmanifest von 2013. Im Gegensatz zu früheren Positionen betonte das Manifest nicht mehr den Grundsatz "Italians first", der das Primat der italienischen Identität und Interessen in der Migrationspolitik hervorhob. Stattdessen verfolgte das Programm einen nüchternen Ansatz zur Migration, ohne aggressive oder aufrührerische Sprache. Dies deutet darauf hin, dass die Partei realistische und machbare Ansätze für eine geregelte Einwanderung und soziale Integration formulieren wollte (Angeli, 2023, S. 6f). In ihrer ersten Regierungserklärung schlug Meloni einen versöhnlichen Ton an, auch in Bezug auf das Thema Migration. Es gab kaum nativistische Elemente. Zwar betonte sie die strategische Rolle Italiens im Mittelmeerraum, doch die Verhinderung irregulärer Einwanderung wurde vor allem mit juristischen oder humanitären Gründen gerechtfertigt, etwa um Schiffbrüche oder Menschenhandel zu verhindern (ebd.).Melonis migrationspolitische Maßnahmen und Entscheidungen in den letzten 12 Monaten könnten auf einen pragmatischen Umschwung hindeuten. Diese Annahme ist jedoch mit Vorbehalten behaftet. Die Entwicklung des migrationspolitischen Programms der FdI zeigte bereits vor den letzten Parlamentswahlen eine Mäßigung bzw. "Entradikalisierung" (Angeli, 2023, S. 9). Das Wahlprogramm 2022 betonte die Förderung der legalen Migration und verstärkte diplomatische Bemühungen mit Herkunfts- und Transitländern irregulärer Migranten. Dennoch hat Meloni wenig getan, um der Kriminalisierung von NGOs entgegenzuwirken, die Rettungsschiffe für Asylsuchende betreiben. Sie argumentiert, diese Schiffe seien ein "Pull-Faktor", der die illegale Migration begünstige. Meloni hat sogar strenge Bedingungen für Rettungsaktionen von NGOs eingeführt, um die Ressentiments ihrer Anti-Migrations-Wählerschaft zu befriedigen. Es bleibt abzuwarten, ob die steigende Zahl von Geflüchteten, die das Mittelmeer überqueren, Meloni dazu veranlassen werden, radikalere Maßnahmen zu ergreifen, um sich die Unterstützung ihrer Anti-Migrations-Wählerschaft zu sichern. Erste Anzeichen für einen Umschwung gab es Mitte September, als Melonis Kabinett unter dem Druck negativer Schlagzeilen eine Verschärfung der Maßnahmen beschloss, darunter die Erhöhung der Höchstdauer der Abschiebehaft und die Einrichtung spezieller Abschiebegefängnisse durch das Militär in dünn besiedelten Regionen des Landes (Angeli, 2023, S. 10).Die politikwissenschaftliche Forschung hat in jüngerer Zeit wiederholt die Diskrepanz zwischen rechtspopulistischen Migrationsdiskursen und der tatsächlichen Migrationspolitik untersucht (Lutz, 2021). Demnach komme es öfters zu Mäßigungen, sobald Rechtspopulisten an der Regierung beteiligt seien. Die Ausprägung dieser Mäßigung kann jedoch stark variieren und von vielen Faktoren beeinflusst werden. Unter anderem sind sie als Regierungspartei institutionellen Zwänge unterworfen, die ihr politisches Agieren limitieren. Aber auch die Notwendigkeit, die bestehenden Verfassungsorgane zu bewahren, veranlasst sie oft dazu, sich von ihren radikalsten Ansätzen im Bereich der Migrationspolitik zu distanzieren. Darüber hinaus stehen rechtspopulistische Parteien vor der Aufgabe, neben ihren eigenen Anhänger:innen auch breitere Gesellschaftsschichten und die Eliten für ihre Ziele zu gewinnen. Aus diesem Grund könnten sie ihre Migrationspolitik entsprechend umgestalten, um weitere wichtige Interessengruppen zu erreichen. Schließlich kann auch internationaler Druck zu einer Kursänderung rechtspopulistischer Parteien führen. Bei der italienischen Regierung betrifft dies vor allem die EU, die finanzielle Hilfe als Druckmittel zur politischen Einflussnahme nutzen kann (Angeli, 2023, S. 4). Das Thema Migration war für die FdI von Anfang an ein zentrales Wahlkampfthema. Allerdings ist diesem Thema nur einer von insgesamt 25 Abschnitten im Wahlprogramm von 2022 gewidmet. Dennoch sollte die Bedeutung dieses Abschnitts keineswegs unterschätzt werden. Die "Gefahr" der irregulären Migration hat der Partei zu politischer Sichtbarkeit verholfen, insbesondere aufgrund des gestiegenen Interesses der italienischen Öffentlichkeit am Thema Migration seit 2013. Der Umgang der Partei mit dem Thema spiegelt somit die Radikalisierungs- und Mäßigungstendenzen wider, welche sie während der letzten zehn Jahre erfahren hat (Angeli, 2023, S. 5f). In einem Artikel mit dem Titel " Das schwarze Jahr " kritisierte die Zeitung "La Repubblica" die Migrationspolitik von Giorgia Meloni als gescheitert. Meloni selbst gab in einem Interview mit der RAI zu, dass die erzielten Ergebnisse nicht den Erwartungen entsprechen. Daraufhin kündigte sie erneut härtere Maßnahmen an, darunter die Verlängerung der möglichen Abschiebehaft auf die EU-Höchstdauer von 18 Monaten und den Bau weiterer Abschiebezentren. Sie forderte die Vereinten Nationen auf, den Menschenhändler:innen einen "globalen Krieg" zu erklären (ZEIT ONLINE, 2023).Wirtschafts- und SozialpolitikBesonders frauenpolitische Themen spielten eine wichtige Rolle in und für Melonis Partei. Es wird davon ausgegangen, dass die Parteivorsitzende Meloni eine wichtige Rolle für die weibliche Wählerschaft spielt. Sie setzt sich für einen Imagewandel der männerdominierten Partei ein und engagiert sich insbesondere für Frauen und Mütter, zumindest im Hinblick auf den Schutz vor potenziellen "Bedrohungen", wie dem Zuwachs an Migration, der Islamisierung und sozialer Unsicherheit, wie von der Kommilitonin Schmidt bereits beschrieben wurden (Feo & Lavizzari, 2021, S. 13). Zusätzlich engagiert sie sich entschlossen in der Verteidigung der Frauenrechte, wobei der Fokus jedoch auf anti-immigrationspolitischen Zielen liegt. In Bezug auf frauenrelevante Themen hat Giorgia Meloni niemals ihre anti-abtreibungsorientierten Überzeugungen verschleiert. Diese basieren auf ihrem katholischen Glauben sowie persönlichen Erfahrungen. In ihrer Biografie wird dargelegt, dass ihre Mutter in Erwägung zog, die Schwangerschaft abzubrechen (Meloni, 2021, zit. nach De Giorgi et. al, 2022). Meloni strebt vor allem eine breite Unterstützung in katholischen Kreisen an, indem sie sich gegen Abtreibung und Leihmutterschaft aussprach. Nachdem sie dort jedoch auf erheblichen Widerstand stieß, versuchte sie ihre Position zu mildern, indem sie betonte, das Recht auf Abtreibung nicht abschaffen zu wollen. Im Unterschied dazu blieb sie gegenüber Homosexuellen und sexuellen Minderheiten unverändert kompromisslos (Feldbauer, 2023, S. 70)."Wir wollen eine Nation, in der es kein Skandal mehr ist, zu sagen, dass – unabhängig von legitimen Entscheidungen und Neigungen jedes einzelnen – wir alle geboren sind durch einen Mann und eine Frau. Eine Nation, in der es kein Tabu mehr gibt. Es heißt, dass es die Mutterschaft nicht zu kaufen gibt, dass die Gebärmutter nicht zu mieten ist, dass Kinder keine Produkte sind, die man aus dem Regal kauft, als wäre man im Supermarkt. Wir wollen neu beginnen beim Respekt der Würde." (Meloni, 2022, zit. nach Seisselberg, 2023)Wie aus dem Zitat hervorgeht, betont die Politikerin ausdrücklich ihre Unterstützung der sogenannten natürlichen Familie, um die traditionellen Werte zu bewahren. Mit der Verteidigung dieser Werte und dem klassischen Vater-Mutter-Kind-Bild erfolgt eine Ablehnung der LGBTQ+-Gemeinschaft, die von Meloni als "LGBT-Lobby" bezeichnet wird (De Giorgi et. al, 2022). Die Ministerpräsidentin zeigt kein Interesse an einer feministischen Agenda, sondern strebt weiterhin ein traditionelles Familienmodell an (POP, 2023). Frauenrechte und Geschlechtergleichheit wurden von Meloni und ihrer Partei mehr für femonationalistische Argumente instrumentalisiert (De Giorgi et. al, 2022).In wirtschaftspolitischer Hinsicht herrscht in Italien eine Unzufriedenheit, da verschiedene Wahlversprechen nicht umgesetzt wurden. Dies ist auf das Schrumpfen der italienischen Wirtschaft im zweiten Quartal sowie der hohen Inflation zurückzuführen. Zudem wurde noch kein Mindestlohn eingeführt. Die Regierung unter Giorgia Meloni wurde auch dafür kritisiert, dass knapp 170.000 Menschen per SMS darüber informiert wurden, dass sie ab sofort keinen Anspruch mehr auf die Sozialleistung reddito di cittadinanza, auch Bürgergeld genannt, haben. Dies wurde von Gewerkschaften als "soziale Bombe" bezeichnet (ZEIT ONLINE, 2023). Es sei jedoch absehbar gewesen, dass die Umstrukturierung des Staatshaushalts wesentlich auf Kosten der ärmeren Bevölkerung erfolgen würde. Dennoch glaubten die meisten Menschen, dass die postfaschistische Regierung in den Augen der Weltöffentlichkeit nicht so weit gehen würde, wie ihre Rhetorik des "Runter vom Sofa" suggerierte, mit der sie ihren Geldgebern in Industrie, Landwirtschaft und Tourismus billige Arbeitskräfte zur Verfügung stellen wollten (Seeßlen, 2023).EU und Außenpolitik Der Zuwachs an Migration wurde von Meloni vor allem dazu genutzt, um das Thema der irregulären Migration auf die europäische Tagesordnung zu setzen. Sie war auch maßgeblich am Zustandekommen des Europäischen Migrationspaktes beteiligt, gegen den Widerstand ihrer einstigen Verbündeten aus Polen und Ungarn. Durch diese diplomatischen Bemühungen wird Meloni nun nicht mehr als internationale Außenseiterin in Bezug auf die europäische Migrationspolitik betrachtet. Im Gegensatz zu einigen früheren Verbündeten, wie Viktor Orbán, steht sie nicht mehr auf der Seite der Visegrád-Staaten (Angeli, 2023, S. 8f). Melonis Wandlung zu einer gemäßigten Politikerin findet nicht nur national, sondern auch im internationalen Kontext innerhalb und außerhalb der EU statt. Trotz ihrer Position als Präsidentin der EU-Parlamentsgruppe der Europäischen Konservativen und Reformer (ECR) hat Meloni ihre frühere euroskeptische Haltung zurückgefahren. Die Entscheidung, von der Leyen in Rom zu empfangen, wird als Versuch der Anbahnung einer Zusammenarbeit zwischen der ECR (unter Melonis Führung) und der Europäischen Volkspartei (EVP) bewertet. Die FdI hat einen moderaten Kurswechsel von radikalen Positionen gegenüber der EU hin zur Mitte vor den Wahlen 2022 vollzogen. Ziel dieses Kurswechsels sei der Aufbau eines guten Rufs im Ausland und die Sicherung vorteilhafter internationaler Abkommen (Griffini, 2023). Giorgia Meloni hat ihre gemäßigte politische Ausrichtung durch das Einhalten ihres Wahlversprechens im Hinblick auf Atlantizismus und Unterstützung für die Ukraine gegenüber dem russischen Eindringling weiter gestärkt. Ihre diplomatischen Beziehungen zur Ukraine und das Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Kiew untermauern dies. Im Gegensatz zu Salvini, der im Bezug auf die russische Invasion in der Ukraine uneindeutige Standpunkte vertrat, zeigte sich Meloni klar positioniert. Der Unterschied in ihrer Haltung zum Krieg in der Ukraine führte zu Spannungen innerhalb der Regierungskoalition und betonte Melonis gemäßigte Position in dieser Angelegenheit (ebd.). Manche sagten für Italien einen heißen Herbst voraus, aber nicht in Hinblick auf die außenpolitische Lage. Meloni verfolgte in diesem Bereich einen äußerst pragmatischen Ansatz. Der schrille Ton des Wahlkampfes, in dem sie die EU für fast alle Probleme verantwortlich gemacht hat, ist vorbei. Das hat auch mit der prekären Finanzlage des Staates zu tun, denn Italien braucht dringend die fast 200 Milliarden Euro, die ihr von der EU zur Bewältigung der Folgen des Coronavirus versprochen wurden (ZEIT ONLINE, 2023).Meloni in den Medien"Melonis Politik, anders als die einiger ihrer Vasallen, besteht auch darin, die innere Faschisierung nicht allzu sehr als ein internationales lesbares Bild zu präsentieren. Die Giorgia Meloni, die erscheint, wo man unter sich ist, und die Giorgia Meloni, die vor internationalen Kameras spricht, unterscheiden sich gewaltig" (Seeßlen, 2023).Durch die Stärkung des Kerns der Partei ist es Meloni gelungen, mit einem breiteren Publikum zu interagieren, wobei ihr geschickter Einsatz von Social-Media-Plattformen eine Schlüsselrolle spielte. Dies führte dazu, dass sie als das neue Gesicht der italienischen Politik wahrgenommen wird. Ihre einzigartige Position als erste weibliche Ministerpräsidentin in Italien hat zweifellos dazu beigetragen. Außerdem hat sie bewiesen, dass sie in der Lage ist, die Herausforderungen zu meistern, mit denen populistische Politiker:innen konfrontiert sind (POP, 2023).Der Erfolg der FdI wäre ohne die entschlossene und konsequente Führungsperson, die dem Volk sehr nahe steht, unvorstellbar. Durch ihre Ansprachen an das Volk im römischen Dialekt kommt sie den Italiener:innen sehr nahe. Schon kurz nach der Gründung und dem Vorsitz der FdI war die charismatische Führerin ein gern gesehener Gast in den wichtigsten Talkshows. Sie zeichnete sich durch Jugend, Attraktivität, Selbstbewusstsein, außergewöhnliche Eloquenz und eine kompromisslose Haltung aus und scheute keine Konfrontation. Man kann behaupten, Meloni brachte frischen Wind ins Fernsehen und erfreut sich auch heute noch großer Beliebtheit in diesem Medium (Ventura, 2022, S.6).Im Laufe der Zeit hat ihre Medienpräsenz stetig zugenommen, insbesondere in den letzten Jahren, als sie eine immer bedeutendere Funktion im Mitte-Rechts-Lager einnahm. Meloni macht ausgiebigen Gebrauch von sozialen Medien wie Facebook, Twitter und Instagram, in denen sie ihre politischen Inhalte darstellt und gleichzeitig ihr öffentliches Image zu pflegen versucht. Unter den italienischen Politiker:innen war sie Vorreiterin bei der Einrichtung eines Instagram-Profils. Darauf veröffentlichte sie in erster Linie Bilder, die Botschaften von Stärke und Entschlossenheit vermitteln und in der Popkultur verwurzelt sind. Parallel dazu zieht sie informative, institutionelle und ereignisbezogene Nachrichten vor (Moroni, 2019).Bis vor wenigen Jahren versuchte Meloni, ihr Privatleben aus der Öffentlichkeit weitestgehend herauszuhalten. Doch in letzter Zeit begann sie damit, ihr Privatleben zu inszenieren und sehr persönliche Einblicke zu gewähren, was auch als "intimate politics" beschrieben werden kann. Vor allem in ihrer 2021 erschienenen Autobiografie präsentiert sie sich als Tochter, Mutter und Partnerin. Diese Inszenierung wird von den Medien in zahlreichen Interviews und im Fernsehen aufgegriffen, wobei vor allem Infotainment- und Unterhaltungssendungen erneut die Aufmerksamkeit auf Melonis Pop- und Privatseite lenken. Dabei geraten viele der eigentlichen politischen Botschaften des Buches in den Hintergrund (Ventura, 2022, S. 6).Auf ihrem Popkanal präsentiert Giorgia Meloni ein attraktives Bild von sich selbst, das ihre kulturellen und politischen Ansichten in den Hintergrund drängt. Diese Ansichten spiegeln u.a. ein ambivalentes Verhältnis zum italienischen Faschismus und Postfaschismus wider. Laut Ventura (2022, S. 6) propagiert sie die Idee einer illiberalen und organisierten Gesellschaft, die auf einer reaktionären Auslegung der individuellen Rechte beruht, wobei das Individuum stets der Familie und der Gemeinschaft verpflichtet ist. Sie vertritt auch einen essentialistischen und ethnozentrischen Nationalismus und relativiert die Werte, die nach dem Sieg über den nationalsozialistischen Totalitarismus entstanden sind. Trotz ihres reaktionären Weltbildes, welches einen stark vereinfachenden Gegensatz zwischen Volk und Elite sowie eine verschwörungstheoretische Interpretation der Realität beinhaltet, kann ihre Kommunikation als erfolgreich bewertet werden (ebd.).Die laufende Legislaturperiode erstreckt sich über weitere vier Jahre, was normalerweise keine typische Amtszeit für italienische Regierungschefs ist. Diese Ausdauer wird der Rechtsnationalistin jedoch zugute gehalten. Berichte über die verschiedenen Angriffe der Regierung auf die Pressefreiheit zeigen auf, dass es Verleumdungsklagen und Versuche gibt, die öffentliche Rundfunkanstalt RAI auf Linie zu bringen, indem sie ihre eigenen Leute in der Leitung beruft und kritische Programme streicht (Braun, 2023). Sie habe den staatlichen Fernsehsender RAI weitgehend unter ihre Kontrolle gebracht. Einige Leute würden bereits über "Tele-Meloni" spotten, allerdings stellen Privatsender keine große Bedrohung dar, da viele von ihnen der Familie von Silvio Berlusconi gehören (ZEIT ONLINE, 2023). Ein weiteres Beispiel dafür ist die Streichung des Programms des prominenten Anti-Mafia-Journalisten und Aktivisten Roberto Saviano (Braun, 2023).Melonis Umgestaltung hat für die Frage nach der Kontinuität, Mäßigung oder Radikalisierung der Partei in der Regierung eine doppelte Bedeutung. Einerseits zeigt Meloni ihre "Nähe zum Volk", was ein typisches Merkmal populistischer Parteien ist. Auf diese Weise betont sie ihre anti-elitäre und volkszentrierte Haltung, die seit der Gründung der FdI besteht. Auf der anderen Seite zeichnet sich ihre Rhetorik durch eine bürgerliche Aura aus, die durch Werte wie den Respekt vor der EU, der Rechtsstaatlichkeit, der nationalen Sicherheit und den Rechten der Frauen unterstrichen wird. Diese Betonung von Gewöhnlichkeit und Bürgersinn verbirgt jedoch radikalere ideologische Aspekte der neuen Regierung unter Meloni. Es handelt sich um eine Strategie, die darauf abzielt, eine bürgerliche Fassade zu schaffen. Diese Strategie ist von radikalen populistischen Rechtsparteien in Europa als Versuch bekannt, Ideologie und Politik zu mäßigen und sich selbst in führende Machtpositionen zu bringen (Griffini, 2023).Deutlicher Rechtsruck?"Es hätte schlimmer kommen können" – so lautete nicht nur der Titel eines Beitrags im Deutschlandfunk Kultur über das erste Jahr von Giorgia Meloni als Regierungschefin in Italien. Dieser Tenor stand im Mittelpunkt vieler Analysen zu ihrem Jahrestag als Ministerpräsidentin. In zahlreichen Medien wurde bezeugt, dass sie sich in ihrem ersten Amtsjahr weitaus gemäßigter verhalten hat als erwartet. "Die gefährlichste Frau Europas" sei sie keinesfalls (Seisselberg & Kolar, 2023, zit. nach Galetti, 20230). Die Grundaussage war, dass die Faschisten nicht so besorgniserregend seien wie befürchtet. Es scheint, als hätte Giorgia Meloni den inneren Frieden in Italien bisher nicht gefährdet und als bleibe das Land eine "stabile" parlamentarische Demokratie mit intakten Institutionen. Insbesondere in grundlegenden Bereichen wie der Außenpolitik und der Wirtschaft wird betont, dass Melonis Regierung nicht als Bedrohung für die Europäische Union gesehen wird. Die bisherige Amtszeit Melonis wird als eher konventionelles Regieren bezeichnet (Reisin, 2023). Sie sei "gekommen, um zu bleiben" und innerhalb weniger Monate zu einer "festen Größe" geworden (ZEIT ONLINE, 2023).Andere Journalist:innen sind jedoch der Meinung, dass die Gefahr in den Details liege. Sie argumentieren, dass Meloni sehr geschickt agiere und es fraglich sei, ob sich ihre politische Haltung überhaupt geändert habe (Reisin, 2023). Seeßlen (2023) warnt davor, Italien als eine Demokratie mit einer rechten Regierung zu betrachten. Stattdessen beschreibt er das Land als einen Ort, an dem die Verbindung von neoliberaler Postdemokratie und funktionalem Postfaschismus exemplarisch erprobt werde. Die Gesamtheit dieser Transformation könnte übersehen werden, da es der Regierung unter Meloni noch gelingt, nicht alle Aspekte ihrer Machtübernahme deutlich erkennbar zu machen. Die Rhetorik von Populisten ist bekanntermaßen darauf ausgerichtet, extreme Positionen vor der allgemeinen Öffentlichkeit zu verbergen. Auch das kommunistische Online-Portal Contropiano (zit. nach Feldbauer, 2023, S. 81) hat vor der Gefahr gewarnt, Meloni zu unterschätzen, da sie ihr reaktionäres Weltbild mit rechtsextremen, nationalistischen, fremdenfeindlichen und homophoben Positionen gegenüber der EU mit der Inszenierung als vernünftige und verantwortungsbewusste Politikerin kaschiere. Die Frage nach einem möglichen Rechtsruck in Italien wird kontrovers diskutiert. Auf der einen Seite wird der Wahlsieg Melonis als Teil einer allgemeinen europäischen Tendenz hin zum rechten Spektrum gedeutet. Auf der anderen Seite wird betont, dass die Regierung unter Meloni eine gewisse Kontinuität mit den politischen Entwicklungen der letzten 30 Jahre in Italien aufweist und somit nicht als radikaler Neuanfang zu interpretieren ist. Melonis Erfolg wurde vor allem auch durch die Enttäuschung über etablierte politische Figuren begünstigt (Livi & Jansen, 2023).FazitAls Giorgia Meloni mit ihrer postfaschistischen Partei Fratelli d'Italia die Wahlen gewann, stellte sich in ganz Europa die Frage, wie mit ihr umgegangen werden sollte. Ob diese Frage nun vollständig geklärt ist, erscheint ungewiss. Für viele macht Meloni bisher jedoch einen relativ gemäßigten Eindruck. Die Zusammenarbeit mit der EU wirkt jedoch eher zweckorientiert als von tiefer Überzeugung getragen. Obwohl Meloni eine pro-europäische Haltung einnimmt, kann man sie nicht uneingeschränkt als überzeugte Verfechterin der EU bezeichnen. Während sie eine gemäßigte Außenpolitik verfolgt, engt sie im Inneren die Freiheit der Medien ein, limitiert die Rechte von Minderheiten und stellt die Elternschaft gleichgeschlechtlicher Eltern in Frage. Trotz der Befürchtungen über eine mögliche Radikalisierung der FdI deuten die gegenwärtigen Anhaltspunkte in eine andere Richtung. Angesichts dieser Erkenntnisse lässt sich ableiten, dass die FdI zweifellos als populistisch-radikale Rechtspartei agiert, die zur Mäßigung tendiert. Weite Teile zeigen die Kontinuität der Partei mit den Wahlaussagen von 2022, obwohl einige Schwankungen in Richtung Radikalisierung erkennbar sind. Es bleibt abzuwarten, ob sie diesen gemäßigten Ansatz in der Migrationsdebatte langfristig beibehalten wird, oder ob sie angesichts der steigenden Zahlen von Geflüchteten zu einer aggressiveren Rhetorik und Politik zurückkehrt. Obwohl eine Legislatur auf dem Papier fünf Jahre dauert, liegt die durchschnittliche Dauer italienischer Regierungen bei 18 Monaten (Siefert, 2023). Die Prognosen bezüglich Melonis politischer Zukunft sind vorsichtig optimistisch, wobei einige spekulieren, dass sie eine längere Amtszeit haben und sogar zur Galionsfigur der "neuen Rechten" in Europa werden könnte. Die Vergangenheit hat jedoch gezeigt, dass sich solche Vorhersagen als irreführend erweisen können (ZEIT ONLINE, 2023).Insgesamt scheint es, als fehle es in Italien an Diskursen und Ideen sowie Kraft für Widerstand. Die italienische Gesellschaft, die aus widersprüchlichen Lagern der Linken und der katholischen Gemeinschaft sowie aus den nördlichen, mittleren und südlichen Teilen besteht, ist zersplittert. Von der Opposition kommt wenig Kritik an der aktuellen Regierung und es scheint, als ob ihr die Herausforderungen, vor denen Italien steht, noch weniger zugetraut werden. Bei vielen sozialen Fortschritten der letzten Jahre, einschließlich der Errungenschaften im Kampf gegen die Mafia, der Bekämpfung von Steuerhinterziehung oder auch Maßnahmen gegen Verfall von Bildung und Infrastruktur deutet sich ein Rückschritt an. Der Weg in Richtung einer offenen und toleranten Gesellschaft wird unter Melonis Führung stark gehemmt. Mit der Postfaschistin an der Macht wird in Italien eine rückwärtsgerichtete Umkehr angestrebt, ganz im Sinne eines reaktionären Katholizismus. Literatur Angeli, O. 2023: Giorgia Meloni und die Migrationsfrage. Rückblick auf ein Jahr Regierung, MIDEM-Policy Paper 2023-4, Dresden. Baker, K. & Palmieri, S. (2023). Können weibliche Politiker die gesellschaftlichen Normen der politischen Führung stören? Eine vorgeschlagene Typologie des normativen Wandels. International Political Science Review, 44(1), 122–136. https://doi.org/10.1177/01925121211048298 Brandl, L. & Ritter, A. (2022). Wenn Italien wackelt, schwankt die EU: Darum ist Giorgia Meloni die gefährlichste Frau Europas. https://www.stern.de/politik/ausland/wahlen-in-italien--ist-giorgia-meloni-die-gefaehrlichste-frau-europas--32742572.html De Giorgi, E., Cavalieri, A. & Feo, F. (2023). Vom Oppositionsführer zum Premierminister: Giorgia Meloni und Frauenfragen in der italienischen radikalen Rechten. Politik und Governance, 11(1). https://doi.org/10.17645/pag.v11i1.6042 Feo, F. & Lavizzari, A. (2021): Fallstudie Italien; in: Triumph der Frauen? Das weibliche Antlitz des Rechtspopulismus und -extremismus in ausgewählten Ländern, Heft 06, Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) - Forum Politik und Gesellschaft, online unter: https://www.fes.de/themenportal-gender-jugend-senioren/ gender-matters/artikelseite/fallstudie-italien. Finchelstein, F. (2017). Populismus als Postfaschismus – Essay. BPB.de. https://www.bpb.de /shop/zeitschriften/apuz/257672/populismus-als-postfaschismus-essay/ Griffini, M. (2023). Auf dem Grat zwischen Mäßigung und Radikalisierung: Die ersten 100 Tage der Meloni-Regierung. Quaderni dell Osservatorio elettorale QOE - IJES. https://doi.org/10.36253/qoe-14413 Latza Nadeau, B. (2018): Femme Fascista: Wie Giorgia Meloni zum Star der extremen Rechten Italiens wurde, in: World Policy Journal, 35, 2, 2018. Livi, M. & Jansen, C. (2023). Giorgia Meloni und der Rechtsruck in Italien: Eine Analyse fünf Monate nach der Wahl. Leviathan, 51(2), 169–185. https://doi.org/10.5771 /0340-0425-2023-2-169 Lutz, Philip (2021): Neubewertung der Gap-Hypothese: Hartes Reden und schwaches Handeln in der Migrationspolitik? In: Party Politics, 27(1), S. 174–186. Verfügbar unter: https://doi. org/10.1177/1354068819840776Moroni, C. (2019): La politica si fa immagine: la narrazione visual del Leader politico, in: H-ermes. Zeitschrift für Kommunikation, 15. 2019.Oliviero, A. (2023). Giorgia Meloni und die Migrationsfrage. Rückblick auf ein Jahr Regierung (MIDEM-Policy Paper 2023-4). https://www.stiftung-mercator.de/content/uploads/2023/10 /TUD_MIDEM_PolicyPaper_2023-4_Giorgia-Meloni-und-Migrationsfrage.pdf (POP) Politisches Observatorium für Populismus. (2023). Brüder und Schwestern Italiens: Von den faschistischen Wurzeln zur Normalisierung – ein Doppelinterview. https://populismobserver.com/2023/07/11/brothers-and-sisters-of-italy-a-double-interview/ Reisin, A. (2023). Italien.Medien schreiben sich das erste Amtsjahr von Giorgia Meloni schön. https://uebermedien.de/89003/wie-sich-medien-das-erste-amtsjahr-von-giorgia-meloni-schoenschreiben/ Roio, C. (2020). Prefazione. La grande trasformazione dell'ultradestra, in: C. Mudde: Ultradestra. Rom: Luiss University Press. Schütz, D. (2022). Begriff "Postfaschismus". Italienischer Sonderweg. TAZ.de. https://taz.de/Begriff-Postfaschismus/!5880112/ Seeßlen, G. (2023, 17. August). Giorgia Melonis Kürzung der Sozialhilfe als faschistischer Krieg gegen die Armen Italiens. Gesellschaft als Beute Italien: Ein Lehrstück der Faschisierung in Europa. Jungle.World, Hintergrund (2023/33). Seisselberg, J. (2023). Ein Jahr Meloni in Italien – Neue Schale, rechter Kern (04.10.2023; NDR Info Hintergrund). https://www.ndr.de/nachrichten/info/epg/Ein-Jahr-Meloni-neue-Schale-rechter-Kern,sendung1384714.html Siefert, A. (2023). Italien. Meloni und ihre "Mutter aller Reformen". https://www.zeit.de/politik/ausland/2023-11/italien-giorgia-meloni-verfassungsreform Tagesschau. (2022). Porträt. Giorgia Meloni. "Zuallererst Italienerin". Tagesschau.de https://www.tagesschau.de/ausland/italien-meloni-107.html ZEIT ONLINE. (2023, 25. September). Gekommen um zu bleiben: Ein Jahr Giorgia Meloni. https://www.zeit.de/news/2023-09/25/gekommen-um-zu-bleiben-ein-jahr-giorgia-meloni
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Robert Wade on Zombie Ideas, Being inside the World Bank, and the Death of Ethics in Economics after the Marginal Revolution
The global economy is at the core of some of the main issues in contemporary International Relations. But how do we understand the global economy and what impact does that have on how we deal with the power politics around it? A fault line seems to have emerged between those who take economic theory seriously and those who denounce it for being part of the problem. Informed by his training as an anthropologist, Robert H. Wade—professor at the LSE—takes a different tack: he bases his engagement with the way in which Adam Smith has been appropriated to advocate for a dominant view of 'free markets' on real-world economics and in-depth accounts of insiders. In this Talk, Wade—among others—discusses experimentation in international economic regimes, why the International Financial Institutions don't fight economic crises, and the powers and perils of being inside the World Bank.
Print version of this Talk (pdf)
What is, according to you, the biggest challenge / principal debate in current International Relations? What is your position or answer to this challenge / in this debate?
If we'd reframe your question as being more broadly about global studies, I think that one of the really fundamental questions is how and why it is that the precepts of neoliberalism have penetrated into every nook and cranny of Western societies, and have penetrated to a very large extent many non-Western countries.
This has happened especially, but not only, through the agency of the IMF and the World bank, which have imbued these neoliberal principles; through the mechanism of graduate education: children of the elites in developing countries go out to American, British, other Western universities, and they learn that this is 'true' economics, or 'true' IPE, or 'true' Political Science, and then they come back and implement these same principles and make them a reality back home. But across the globe, this even holds for the Nordic countries. In Iceland and other Nordic countries, from the 1980s, networks of people sharing a belief in neo-liberal precepts, began to form and sort of place each other in key positions within the state, and in politics, and built a momentum in this direction. These precepts have become understood as just natural, as in Margaret Thatcher's 'there is no alternative'.
I live in the UK, and the great bulk of the British public really does believe that the government is just like a household writ large, and the same rules of budgeting that apply to the household should apply to the state. That when times are tough the household has to tighten its belt, cut back on spending, and it is only fair that the government does the same, and if the government does not, if the government runs a deficit in hard times, then the government is being irresponsible. And this is a completely mistaken and pre-Keynesian idea, but it is a 'zombie idea'—that is, however much arguments and evidence may be mounted against it, it just keeps coming up and up and up, and governments come to power riding on this zombie idea and a flotilla of related ideas.
The persistence of this zombie idea is all the more amazing as we just had a global financial crisis in 2007/8, which would prompt a rethinking of these ideas. But these neoliberal precepts have been, if anything, more strongly reinforced. In previous hard times—and obviously the 1930s depression is the exemplary case—there has been a stronger move towards, what you could call, social democratic precepts. But not this time! Indeed, even after the crisis, the whole of the European Union with 500 million people is even more thoroughly structured on the basis of these ideas. I am thinking of what is popularly known as the Fiscal Compact signed by the EU Member States in 2012, which commits all governments to balance budgets all the time—that is, first, the structural deficit may not rise above 0.5 percent of GDP. Second, the public debt may not rise above 60 percent of GDP. Third, automatic financial sanctions are levied on governments that exceed these two thresholds. Fourth, the whole procedure is supervised by the European Commission, and this is presented as in the name of sound budgeting. This package is presented as justified by the proposition that government is a household writ large. The most elementary principles of Keynesian macroeconomics show why this is not simply mistaken, but a disaster, and will keep generating recessionary pressures. It is sold as a kind of excuse for avoiding to put in place the essential conditions for the monetary union, namely, a common budget and a sizable transfer mechanism to the regions just as exists in the United States. But they do not want to do that, but still they call this agreement 'cooperation', which is all about not cooperation, but about writing these dictates around this zombie idea written into the very basic architecture of the EU. Beyond EU politics, it materializes all the way down to, I don't know, the function of the privatization of the Post Office, it goes all the way down to the sort of capillaries of how universities are run, and the incentive systems that have placed upon academics, and there is very little pushback. The one reason, why I am almost completely delighted about Jeremy Corbyn's election as the leader of the Labour party, is that this is one small case of where there seems to be some concerted pushback against these zombie ideas. The point being that the established Labour party basically bought into this whole set of neo-liberal ideas. It combined maintaining the overall structure of inequality in society with more emphasis on providing some help to the poor, but they had to be hardworking poor.
Yet, one knows that there can be dramatic changes in the prevailing zeitgeist of norms. One knows that there can be big changes in the space of a few decades and the question is can one imagine a scenario in which they might be a big change in norms back to a more kind of social-democratic direction. So where will this take place? Because of technological change in the labor market, there is a real big crisis of employment with many middle-class jobs cut out and polarization in the labor market. This might then induce a political movement to have a much bigger change in income distribution than anybody with power is now talking about. Talk of re-distribution these days is really almost entirely around redistribution through the state, but the point I would make is that if there is to be any significant reduction of inequality, especially inequality at the top, there has to be more attention to changes in market-income distribution.
Let me explain. The share of profits in national income has been going up and the share of labor income has been going down. So we should harness the shareholder structure of the market to affect a more equal income distribution by enabling a much wider section of the population to buy into the profit share. At the moment the profit share goes to senior executives and equity holders, but equity holders are highly concentrating at the top of the income and wealth distribution. If equity earners could be spread much more equally, then a much wider section of the population would get income, while they sleep so to speak. We could institute something like trusts, whose members could be the employees of a company, the customers, the neighbors of the company, and the trust would borrow on capital markets and take out insurance against the repayment of the lending of loan and then it would buy shares, it would use that borrowed money to buy shares in the company, and the company would pay out dividends on the shares and then that dividend income coming out of profits would be distributed to the members of the trust. That would be a way of getting the rising share of profits in national income distributed out to the population at large. I particularly like this metaphor of "earning income while you sleep", since at the moment it is only the rich people, who are earning income while they sleep. Somehow that facility of earning income while you sleep has to be made much more widely and available—by using the market against itself, so to speak.
How did you arrive at where you currently are in your thinking about International Relations?
I suppose the starting point was really this; my father was a New Zealand diplomat, so we moved quite often. By that time I was twelve my parents were posted to Colombo, Ceylon as it was called then. After having lived just in Western countries, I suddenly encountered at this very formative age Colombo and Sri Lanka. I was just amazed by that experience; by the color, the taste, the exoticness, but I was also very struck by how the many boys at the same age as me, were walking around with no shoes. I particular remember this boy carrying a baby on his shoulder, the baby looked half-dead and covered in scabs, and I think it was then I got the idea of just how unequal the world was. Then at university I studied economics, but I also visited my parents in Kuala Lumpur, Malaysia and I got another sense of that great disparity in wealth and living standards. At this time I had come across Adam Smith and the wealth of nations question and that helped to encapsulate or to crystalize my interests. So I wanted to go the Institute of Development Studies in Sussex and got enrolled for a PhD in economics, but en route I spent several weeks in India and during that time I began to dwell upon just how boring and how useless everything I studied under the name of microeconomics. I kept thinking of these dreadfully dry textbooks of marginal cost curves and marginal revenue curves and utility function and difference curves etc., which I had forced myself to sit exams in. By this time I had done a little bit of fieldwork, living on Pitcairn Island in the middle of the Pacific.
When I got back to Sussex after fieldwork I announced that I wished to not do a PhD in economics, but to do one in anthropology thinking all the time, that this would actually be more use for understanding why for example India, where I had been, was so very poor. So that's what I did: a PhD in anthropology… In some ways I regard that as having been a mistake, because the sort of mainstream of anthropology is very far away from the Adam Smith questions. Having done the degree in anthropology, pretty soon I began to change direction and pay much more attention to the state, to the state bureaucracy. I went to India and I studied the Irrigation Department and other related departments. I went to South Korea and I studied state irrigation agencies and I went to Taiwan and I studied the state more broadly. So I was kind of moving up from my Italian village, moving kind of up the scale in terms of state agencies and then the state as a whole.
Then I went to work for the World Bank in the 1980s and my main reason for doing that was not to do the research the World Bank wanted me to do, but rather to study the World Bank from the inside as fieldwork. If in some ways switching to anthropology was a mistake, in other ways it was not, because I approached those kind of Wealth-of-Nations-questions in a way very different from how economists approached them. For example when I went to Taiwan and studied the trade regime, the first thing I did was to go and talk to people who operated through the trade regime, whereas I noticed that the published works by economists celebrating Taiwan's free trade regime was based on what the rules said and what certain government officials told them was the case. They had never actually talked to people who traded through the trade regime. If they would have, they would have learned about all the covert controls that went on such that there was quite a distinction between the liberal face of the trade regime and the reality of the trade regime. The reality was that the government was managing trade in line with industrial policy, but the government absolutely did not want the world to know that. So all this was kept hidden and I was really regarded as rather unwelcome visitor—and in fact to this day my book Governing the Market (1990, read the introduction here) is not well received in Taiwan. It says the government of Taiwan did a good job of managing the market, but they want the world to believe that Taiwan is a free trade country. So that is the kind of intellectual trajectory that I have been on.
So I think that the value of the anthropology PhD was that it really taught me, in practical terms, the meaning of the anthropological maxim, which is 'soaking and poking'. To put it another way—I love this—anthropologists are social scientists, who believe that the plural of anecdote is evidence. And indeed I place a lot of weight on anecdotes, on gossip, on the stories people tell, whereas economists would be much happier reducing, let us say, South Korea's trade regime to one data point in a matrix, and then compare that data point with, let us say, Malaysia's data point to see how the trade regimes are correlated with growth, or something like that, and that is really not my interest.
What would a student need to become a specialist in IR or understand the world in a global way?
Despite what I've just said, I do think that a graduate training in economics is very useful, provided one does not believe it. And that is really difficult, because the socialization pressures are intense: if you do not say the right things—which are neoliberal type things on the whole—then you will likely not get a high grade. But I have noticed that economists tend to know how to think, how to make arguments, they tend to understand the idea of causality, and that may seem an astonishing thing to say on my part, because it implies that students coming from other disciplines are often weak in understanding the very basic ideas of causality, but that is my experience. I had many students coming from, who knows, IR or Political Science or Sociology or Anthropology, who clearly do not have much idea of causality; they can describe things, but they find thinking in terms of cause and effect, in terms of independent and dependent variables, in terms of left and right side, they just find it difficult. So I do think that there is a lot to be said for studying economics, and mastering the maths, provided that the critical facility is not lost. That is point number one.
Point number two is that I think that there is a huge premium on doing fieldwork, and the field work maybe in developing countries, but when I say field work, I don't just mean going out to villages, going out to see poor people 'over there'. I am talking of fieldwork inside bureaucracies: to try and understand the culture, the incentive systems that people are working under—fieldwork at home so to speak, in the countries one comes from. From the students' point of view, it is clearly much easier to sit in the LSE library to do the research. So in my marking I give quite a premium to a student actually doing fieldwork, going out and interviewing, and having the experience of writing up and interpreting the interviews and somehow fitting it back into a larger argument—but really few students actually do that, and I think that that is a real, real big mistake. Mind you, the same risk holds for fieldwork in economics as it does for studying economics: I encourage students to work for (do fieldwork in, experience) the World Bank; and several have—but to the best of my knowledge almost none of them has kept their critical perspective. They really come to buy into it.
The relations between states are settled either through diplomacy or warfare. Why would we have to focus on economics to understand IR?
Because economics—such as for example balances of payment, surpluses and deficits—set the constraints and incentives on countries in terms of their relationships with each other. A great deal of diplomacy is driven by economic pressures: diplomacy to get other countries to for example open their markets, or to cut deals with countries—'if you do this, we will do that'—deals that may relate to areas that are rather different, for instance if you buy more of these of our exports, we will help you fight such and such country, because the manufactures are in my constituency.
So, in a way, the way you framed the question is part of the reason why I react against the discipline of IR: because it tends to treat diplomacy, war, and so on, as somehow rather separate from economic pressures, and I see these economic pressures as very powerful drivers of both of the other two things. As another example, one of the drivers of the Syrian conflict was that there was an acute drought (like Weizman observed in Theory Talk #69, red), which meant that many people were rendered destitute; rural areas flooded into the cities, and the Assad regime just was—understandably—unable to cope; and large numbers of young men, concentrated in cities, rootless and with no jobs, just were recruiting fodder for the Wahhabi sect. I have always thought of economics—not so much as in the making choices in conditions of scarcity, that is sort of Lionel Robin's definition—in the sense of Alfred Marshal, about how people make a living, as a very fundamental driver of a lot of what happens in International Relations.
Pikkety recently published Capital in the 21st Century, causing quite the stir. But why would inequality between people matter for IR?
Let me comment by invoking a very contemporary exhibit—the migration crisis in Europe now. Maybe a decade ago I looked at the figures and if you took the average income of the EU-15 prior to latest extensions and then expressed the average income of countries outside of the EU—including sub-Sahara Africa—as a percentage, then there was a really dramatic falling away of income levels relative to the EU, in countries all around the EU and whether you took market exchange rates or purchasing power parity. If you went round to sub-Sahara Africa and took the average, it was more like two percent in market exchange rates and seven percent in purchasing power parity; and the 'problem' is that there is certainly here a rather thin slither of sea between Africa and the promised land of Europe and to the east there are these great open planes, where armies can go up and down to the speed of light, so to speak, but people can also move pretty quickly across these planes.
So all one has to do—and this might just be only a bit of an exaggeration—if one is on the poor end of this poverty pyramid is hop across the border and you have a chance at least of getting a very appreciable increase in living conditions and income, with which you can then get savings to remit back to home. So the migrations pressures are just huge. So that is one reason for linking inequality to issues in International Relations—really fundamental issues, and very very difficult to dissolve.
You've done anthropological fieldwork inside the World Bank—an institution drawing a lot of criticism from its detractors in IR. Can you shed some kind of light about what kind of 'animal' the World Bank is?
First of all, let me say that at the micro-level—the level of the people you know and the people I know inside the World Bank—I agree that there are people doing a lot of good work. But if you look at the organization more generally—the World Bank and also the IMF—they are clearly instruments mainly of US foreign policy—and any number of US senators, members of the House, have basically said that. When they are defending the International Financial Institutions (they often criticize them), they do so by saying they are important for US foreign policy. And you have to look at the governance structures to see how it is that the US in particular—but Western states more generally—have from the beginning, through the very Articles of Agreement, created a structure which locks in their power, and has made it very difficult for other countries (including Japan) to significantly increase their shareholdings. The US has kept the presidency of the Bank and the much less recognized Number Two position of the IMF, and has used these positions to have a very strong influence.
Just to illustrate what the Bank and the Fund do: at the time of the East-Asian crisis—specifically the Korean crisis in 1997-1998—the IMF mission was in Seoul. The negotiations were in a hotel there. David Lipton from the US Treasury (and a former student of Larry Summers who was by then Deputy Secretary) was just down the corridor of where the negotiations took place, and every so often the IMF people would walk out of the negotiations and consult with David Lipton, then come back in and—as Paul Blustein reports in his book called The Chastening—often said something rather different from what they had been saying before they consulted with David Lipton.
Just to take another example, the US being able to appoint the president of the Bank—to appoint a person known personally to the Treasury Secretary or to the Secretary of the State, or both—is really of great value: when there is a 'trustful relationship'—or a relationship of dependency, the president being dependent on those who appointed him in the Administration—it is possible for those people in the Administration, or people close to them, to just ring up the president of the Bank, and talk in a very informal, confidential, trustful way about what is happening in Latin America, or what is happening in the Middle East, and what the US thinks the Bank should or should not be doing in those places. Larry Summers appointed a protégé of his to one of the regional development banks, and this person—who is very senior in the bank—told me that Larry would frequently ring him, while he is being driven home in the evening from the Treasury, just to have a chat about how things were going in her region, and to pass on suggestions about what the Bank should be doing there, and to get intelligence from her about what was happening in the region, and so on. The point is that, making these personal connections is of immense value, but at the same time, the US Congress, in particular, is very much against having a big Bank against allowing a capital increase for the World Bank—so that the bank could, as it should be doing, increase its lending for infrastructure investment ten times. It is just a complete scandal how little the Bank has been lending for the past 20 years or more for infrastructure, for roads and power stations and so on. The US does not want the Bank providing socialistic competition with the private sector: it says these things are for the private sector to do, and the Bank has to take care of poverty, because the private sector is not interested in poverty.
So the US wants to keep the presidency of the Bank, it wants to keep, secondly, its unique veto right on the big decisions, such as decisions on whether to increase the capital base—but provided those two things are met it does not care that much about the Bank. In the case of the Fund, the US is also very powerful, but of course the Europeans have a bit more relative power. Right now I think the world is in an even more dangerous sort if financial condition than might appear, because the IMF is acutely short of secure or guaranteed lending resources, so if there is to be another round of crisis—as I think is entirely likely within the next five years—the Fund depends upon borrowing short-term from member countries, like on six months terms, but member countries can say 'no', and that means that the Fund's ability to fight crises is quite constrained. The Fund should implement what was agreed in 2010 by all the member countries represented on the board of the IMF: to roughly double the quote of the guaranteed lending resources, that is, resources the countries actually hand over to the Fund, over which they actually give up country control. All the relevant capitals ratified it with one exception—the US—because Congress refused because the individual barons, who are not under that much party discipline, each said to the Treasury: 'look, the question of the IMF is of zero significance to my electorate, so if you want my vote on the IMF, you have to give me things that I want like projects in my constituency and so on'. The Treasury added up the demands of the people, whose vote had to be won, and it considered those demands were just way, way, way over the top. As long as a Democrat is in the presidency, while the House is controlled by Republicans the world is sort of held hostage to this. Beyond this example, this actually entails a structural problem: the US blocking or producing a gridlock in international organizations, because the Congress is hostile to international organizations, because Congress sees it to imply a loss of US sovereignty. The only way to end this gridlock is to end the US veto in the Fund and the Bank, but the problem is that the US can veto any measures.
One response of the big developing countries is to create bypass organizations—such as the Asian Infrastructure Investment Banks, such as the new Development Bank, such as the Contingent Reserve arrangement the BRICs have established, and then a growing number of sort of regional development banks. And I think that that is a good thing, but it does raise questions about coordination, about who is looking after, if you will, the global interests, global issues such as climate change. In short, we need a genuine World Bank, rather than the American-Bank-in-the-World we have today.
You engage thoroughly with economics and economic theory. Now there seem to be two kinds of critical approaches to economics in IPE: one criticizes its rationality as flawed, and another buys into its rationality but attempts to point out where actual policy gets it wrong. Where do you stand in this?
If you take the example of how the EU attempted to impose fiscal rules on Greece, you see a notion of rationality which draws upon these very primitive notions that I referred to right at the beginning, where the government is just a household writ large, and the same set of rules that apply to the budgeting of the household must apply to the government as well. Here, the assumption is that any macroeconomic proposition must have microeconomic foundations, that it must be derivable from propositions about microeconomic agents acting in this sort of self-maximizing way, and if you cannot derive macroeconomic propositions from those micro foundations, then there is something unreliable, un-rigorous about your macroeconomics. So what are then the sources of these micro-economic assumptions?
This leads us to one fundamental and almost completely unaddressed weaknesses of economics can be traced back to the Marginal Revolution in the late 19th century. From that moment onwards, there has been an attempt to model economics on physics, and that was very explicit on the part of people like Pareto and Walras, and Jevons, early Marginalist thinkers. They even drew up tables with terms of physics, like velocity, on one side, and then corresponding terms in economics on the other. That had a huge benefit in terms of the 'science' of economics, because it cut economics loose from Adam Smith's and other classical economists' preoccupations with issues of morality and ethics. Adam Smith thought his most important book was not the Wealth of Nations but his Theory of Moral Sentiments, on which he was working, revising yet again, when he died. For Smith, economics and morals were never separate worlds, but intimately related. So for him, the Theory of Moral Sentiments and the Wealth of Nations were just twins. The point about the marginalist revolution, and the embrace of physics as the model, was that it cut economics free of all that sort of subjective stuff about values. So economics after the marginalist revolution set off with the assumption that not production, but the movement of individuals in markets engaged in trading with each other became the center of gravity of economics. Making the study of exchange rather than the study of production central was analogous to, say, Boyle's Law in physics. Boyle's Law in physics explained the movement of molecules in gasses, as a function of the pressure applied to the gas. So why did they make that analogy?
The point of likening of individuals in microeconomic actions with molecules in gasses was the following. Everybody knows that we do not apply any consideration of ethics or moral sentiments to the movement of the molecules in gas, so neither should we apply any notions of ethics or moral sentiments to the movements of individuals in market exchanges. And that was the way that all considerations of ethics, of morality were just removed from economics. I for instance asked the question to well-known American growth theorist, as we were walking down the street in Providence at Brown University: 'is it moral for people to freeride?' And he said, 'yes of course, provided they do not break the law'. So ethics and questions of morality have been almost completely expunged from economics in a way that would horrify classical economists including Smith; and a particular idea of rationality has been an important part of cleansing economics from those moral considerations. George DeMartino, editor of the Oxford Handbook of Professional Economics Ethics which just appeared has a wonderful phrase to capture this—'econogenic harm': the harm built into the way that economics, professional economists work.
Haven't specific fields, like development economics—a field you engage with yourself—advanced to overcome these weaknesses in economic theory?
Let me root my answer again in observations about the linkages between theory and practice, for it is in practice that economic theory really does its work and its politics becomes visible. It always amazes me we have had a development industry in place for roughly the past 70 years with vast numbers of people, organizations, money all orchestrated underneath this umbrella of development; yet if you go back and read what the early writers about development and economic growth said—I am thinking of people like Paul Rosenstein-Rodan, Myrdal, Hirschman, Prebisch, but also Moses Abramovitz. If you go back and look at what they were saying, it seems to me that we have not advanced all that much. Sure, we have advanced a lot in terms of econometric techniques, but in terms of substance we have not. One conclusion I draw from that is that it is really important that international regimes—for example, World Bank and IMF loan conditions, but also WTO regimes—give room for experimentation, because it is really not the case that 'there is no alternative'. This Washington Consensus agenda has clearly not been effective in accelerating production, upgrading it, and production diversification, or export upgrading, or export diversification. So, there should be written into the regimes a lot of room for experimentation. But this isn't there because of the political origin of these regimes; because of what western countries want for the rest world, namely, to open the rest of the world to their markets.
In the 80s there were a lot of experts in industrial development in the World Bank and they did good work, promoting industrial growth and investment in productive infrastructure. But then Anne Krueger came in as chief economist, and brought in a whole lot of people with her—who, like here, were arch-neoliberals. The industrial growth people were invited to find employment elsewhere, or to rebrand themselves as experts in who knows what, environmental assessment, primary education, or good governance. There was no room for them. This also fitted well with some bad experiences the Bank had had with investing in infrastructure. It had gotten into a lot of trouble with large-scale infrastructural interventions such as roads and dams and the like from, especially, US NGOs mobilizing Congress—which then put pressure on the Treasury and so on. My lament throughout this whole conversation has been that we seem to have become just locked into this direction that was set in the 1980s, and it is very difficult to see what kind of economic catastrophe would be necessary to give a sufficient shock to reroute the global system of economic governance.
So after the 1980s, the Bank sort of backed off and began saying that development, economic development, was about poverty reduction—the slogan of the Bank became, 'our dream is a world free of poverty'. You can understand that shift partly in terms of pulling out of the concern with production to get into safe territory, but also because poverty reduction seemed to sort of take care of inequality, because you reduced inequality to poverty—to the poor 'over there', and we can feel good about helping them; but we do not want talk about inequality, which involves us, because then there is the question of justice of our income.
But then the most recent turn is that we're seeing a renewed push for infrastructure in the World Bank and western development agencies. I think that you can link this recent infrastructure push to uncertainty about the sources of economic growth. In the West there is a real question about sustaining economic growth without housing bubbles and stock market bubbles—in other words, without endogenously building financial instability. There may well be a similar sort of issue in terms of the growth of developing countries.
Last question. Adam Smith seems to be constantly present in your work as a critical interlocutor. How come?
I kind of engage in a critical debate with Adam Smith, but especially with people today, who believe his ideas. I often start to frame arguments in terms of his famous 40 word summary of the causes of the relative wealth of nations, which he actually wrote in 1755, which is to say long before the first edition of the Wealth of Nations. I will just tell you what these 40 words say, and then I will tell you the significance of them. He said:
'Little else is requisite to carry a state to the highest degree of opulence from the lowest barbarism than peace, easy taxes, and tolerable administration of justice; all the rest being brought about by the natural course of things.'
So I am struck by how today many economists say or imply that this is essentially right; you need some qualifications of course, but essentially that is the nub of it. You might have to translate peace, easy taxes, tolerable administration of justice into more modern terms, but that is the essence of it. For example, Gregory Mankiw—Professor of economics at Harvard, former chair of the National Council of Economic Advisers during the Bush administration, and author of a very popular textbook in economics—said in the Wall Street Journal in 2006: Adam Smith was right to say that – and then he gave the 40 word quote. The renowned economists Timothy Besley and Torsten Persson wrote Pillars of Prosperity, which also begins with Smith's 40 words, and they even see the book as a kind of elaboration, but in that same kind of spirit, of Smith's basic idea. So my point is that these ideas are still current; they are still the sort of front of a lot of neoliberal thinking. I am just astonished these ideas all these centuries later remain so powerful. I have had at the back of my mind the idea of organizing an international competition to provide a contemporary 40 word statement, which is sort of equivalent to Smith's, which would obviously have to be of a more global character, encompassing the globalized world economy.
Robert Hunter Wade worked at the Institute of Development Studies, Sussex, 1972-95, World Bank, 1984-88, Princeton Woodrow Wilson School 1989/90, MIT Sloan School 1992, Brown University 1996-2000. Fellow of Institute for Advanced Study, Princeton 1992/93, Russell Sage Foundation 1997/98, Institute for Advanced Study, Berlin 2000/01. Fieldwork in Pitcairn Is., Italy, India, Korea, Taiwan. Research on World Bank 1995-continuing. Author of Irrigation and Politics in South Korea (1982), Village Republics: The Economic Conditions of Collective Action in India (1988, 1994), Governing the Market: Economic Theory and the Role of Government in East Asia's Industrialization (1990, 2003). Latter won American Political Science Association's award of Best Book in Political Economy, 1992.
Related links
Faculty profile at LSE Read Wade's The Piketty phenomenon and the future of inequality (2014, real-world economics review) here (pdf) Read Wade's Capitalism and Democracy at Cross-Purposes (2013, Challenge) here (pdf) Read Wade's Rethinking Industrial Policy for Low Income Countries (2007 ADB Conference paper) here (pdf) Read Wade's Bringing the State Back In (2005, IPG) here (pdf) Read Wade's Is Globalization Reducing Poverty and Inequality? (2004, World Development) here (pdf) Read Wade's Creating Capitalisms (Introduction to 2003 book 'Governing the Market') here (pdf)
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Kimberly Hutchings on Quiet as a Research Strategy, the Essence of Critique, and the Narcissism of Minor Differences
As a job, International Relations requires carving out one's position by being vocal. Being vocal entails making oneself heard, forwarding identifiable 'contributions'. But what if the biggest contribution one might make would actually consist of quieting down?
In a provocative and wide-ranging Talk, Kimberly Hutchings—amongst others—challenges us to take postcolonialism seriously as an invitation to hush, and provides compelling suggestions as to what critique means in a time of proliferating criticality.
Print version of this Talk (pdf)
What is (or should be), according to you, the biggest challenge / principal debate in current International Relations? What is your position or answer to this challenge / in this debate?
In my view, the main challenge for IR right now is to deal with postcolonialism and decoloniality, which would entail a kind of decentering of the standpoint of judgment within the study of international politics. Essentially, we should move away from the kind of common-sense starting points of Western theory, Western history and all the rest of it. To be sure, this does not necessarily mean disregarding them. Instead, we should avoid always seeing them as the authoritative, and find a way to keep them at a distance in order to make space for the inclusion of other voices. Practicing this inclusion, answering 'what would you do about it', or 'where do you stand' I find more difficult; I have discussed questions of decoloniality and postcolonialism with my colleagues and we all find it very tough to do something different or to suggest alternatives. Especially since we are—or at least I am—educated and structured within a particular (eg. Western) realm of understanding. Because it is so difficult for 'us' to do so, our starting point should therefore exactly be to start from the empirical and theoretical engagement of the political actors on the periphery. By doing so we can begin to decenter our work and the debates. There is an enormous amount of really brilliant decolonial and postcolonial work our there. Here, I think the work of people like Arlene Tickner has been great in attempting to do carve out this space. This goes to prove that scholars are suggesting alternative ways and that it can be done differently.
So perhaps paradoxically, I would summarize my central contribution as a hush—scholars like I have to dampen down our voices in order to allow other voices to be heard. Keeping this is mind can prove to be a really important lesson for theorists. At least I attempt to do so within my particular subfields of theory.
How did you arrive at where you currently are in your thinking about International Relations?
During my route through academia I have been inspired by a number of theorists, books and historical events and I continue to be. However, there are two or three specific points of inspiration that I can draw out; some more philosophical or theoretical ones and others almost accidental to how my thinking has progressed.
Largely, I have arrived at where I am today because I started my PhD on the philosophies of Kant and Hegel. This has set up certain parameters for my way of thinking; for thinking about ethics and about critique, and this has influenced my way of thinking and ultimately my work ever since. Another factor was my time as a young scholar working at the Wolverhampton Polytechnic where I met Steve Gill. He suggested I attended the BISA conference to present a paper on war in relation to Kant and Hegel. He knew this was my field of interest and in the end I accepted. The first panel I attended was okay, though only two people participated. The second panel was far more interesting and featured amongst others Rob Walker. Walker talked about bringing Foucault's insights and ideas about critique to bear on thinking about international politics. This made me realize that my purely philosophical way of thinking in relation to Kantian critique and the problems of Kantian critique were already being worked through within the domain of International Relations as a field of study. It spurred my initial interest as I came to think of IR as a kind of case study of applied political philosophy more generally. In some ways, you could say that the questions I was asking from a political philosophy perspective were being addressed more progressively in IR. Certainly, I caught on to IR when they were being very consciously addressed. The timing and shift in IR spoke directly to me and, in my view, pushed me to think about questions of judgment and argument shifts. Here, one should attempt to genuinely relate to an international or global frame of reference rather that simply taking for granted a kind of methodological nationalism, which, I suspect, up till then had been. In this sense IR pushed my thinking.
It is interesting how it often is the texts you read early on that shape you as a scholar. To me it was the texts I read in the late 1980s, early 1990s, when critical IR was really getting off the ground, which were formative for me. Initially, it has been Kant's political thought and Hegel's philosophy of rights. Additionally, there has been a range of theorists within critical writing; retrospectively the work of Hannah Arendt and The Origins of Totalitarianism in particular. Moreover, Foucault has also been essential to my work; particularly Discipline and Punish and The History of Sexuality have been really crucial in terms of me looking at a kind of 'fate of critique', if you like, in Western thought in the 20th century. Within IR Andrew Linklater's work is really important, especially his book on Men and Citizens, and afterwards his postcolonial community book from the late 1990s. They are important as a sort of interlocutors, which I in fact reacting against, because I saw them as carrying through this very Habermasian line of thought, with which I did not agree. Obviously also the work of feminists scholars amongst others Cynthia Enloe (TheoryTalk #48) and Christine Sylvester, whose books were very important to me. Again, they enabled me to widen my scope and see how broader themes of feminist philosophy were being addressed in IR.
What would a student need to become a specialist in International Relations or understand the world in a global way?
In order to become a specialist in IR a student's main qualities should be intellectual curiosity, openness, and willingness to engage with ideas. However, it is importing not to insist on 'you must know your Foucault backwards' or 'you must know your Hegel backwards'. To me this is not essential; instead, the focus should be on one's interests and curiosity, and to locate yourself in terms of where you are 'thinking from'. In this way, you are able to relate your ideas and arguments to a specific problematique—perhaps one concerning the political contexts you derived from yourself, and maybe because of the particular intellectual trajectory that you have taken.
Then again, knowing your classic theorists as Foucault and Hegel is definitely beneficial when engaging with IR. When I entered the field of IR, it meant I was already loaded with a set of intellectual parameters, interests and political commitments. Ultimately, this enabled my participation and outcome of conversations with different trajectories within IR. Therefore, what are most important to me are intellectual curiosity, openness, willingness to listen, and a sense of where you are coming from to the conversation. Yet, the great thing about IR is that you do not have to be trained in IR, in any straightforward way. In my view IR is a cross-disciplinary field, where many disciplines and arguments merge; students from law, political science, sociology, who all can have lots to say to IR, and IR can in return have lots to say to you.
The key to combining academia with your own starting point lies to me in education; if you get a good education, there should be space for the individual engagement. Particularly if you are interested in antiracism or in feminism, I would assume, an IR scholar speaking to those areas would encourage you to make space for independent thought. However, all academic work is at the same time a discipline, which at times can be painful to adjust to and actually take on board. Academia is not for everyone; to some it ends up being a waste of time and they long for something different, which is completely fine as well. But in my view it is sign of a poor university education if it closes things down to an extent where you cannot find the space to articulate your views or relate them to the things that you are learning. And that is a fault of the education, not of the student.
You fall squarely among 'critical' IR scholarship. What does it mean, for you, to be critical?
First of all, the term 'critical' is highly contested and in a way it can become a useless label. In my view one of the problems with critical IR is you tend to get into the sort of narcissism of minor differences, which also involves getting into a kind of competition for philosophical antecedence, in which scholars argue either through Marx, through Heidegger or through Foucault. The second problem of critical IR, which I have discussed in my work at various points, is the suspension of judgment forever. Since you can never find the ground, the sort of desire to find the authority in some sense ends up paralyzing judgments. I would argue that when there is a kind of risk that comes with people's willingness to make claims that it can ultimately suspend judgment. Yet, there is still dynamism, and the fact that your claim-making can be precisely deconstructed as in fact a reinforcement of what you are trying to undermine is part of the excitement and the interest of doing critique. The neverendingness of it is challenging in itself. In a sense we would like to be sort of God and in a sense we say 'well, I know that this is right and it just is'. Critique stops you doing it. That is why it is healthy, even though it at the same time can be quite frustrating.
My own personal understanding of what 'critique' and 'critical' means, comes out of my engagement with ideas of Kantian critique. The Kantian critique represent a foundational moment in the sense that both Marxist critique and post-Marxist critique refer back to Kant. In this way, the Kantian critique becomes a very rich starting point, as it has been able to branch out in all kinds of directions, from the sort of Hegelian/Marxist direction to other very different ones. The sort of typical critique is about questioning the assumptions or the authoritative basis of any kinds of claims. In doing so, critique is largely about disturbing the conditions or possibility of a claim that is made, and this is basically what Kant's transcendental move is about. This means that critique can go in lots of directions, some of them more helpful than others. Critique can also end up as a claim to a new authority and in my view, certain forms of post-Kantian critique have done that. I would also argue that there are aspects of Kant's work, where he did the same; in particular in how he moves from one possible ground to another to attempt to underpin some kind of authority for his claims. This might be contentious, but this is my reading of Kant, whereas others probably would argue he construes the space of critique very openly. Put simply, my reading of Kant is in line with Foucault's: critique is the admission that you are always in a tentative position in which any claim to authority is going to be questionable. Within any argument, you are always going to be holding something steady in order to question other parts, which mean you cannot ever escape from having to claim some sort of authority in the arguments you make. However, this does not mean that arguments become an overweening or foundational kind of ground. In a sense it is about keeping things moving, and I quite like the Foucauldian expression of it being an ethos, an attitude, a way of being, rather than a set of techniques or a claim to a moral high ground, which then enables you to show how everybody else is wrong. That is how I think of the concept of 'critical'.
Classical theory plays a big part in your work. If bygone thinkers spoke to the issues they saw in their times, then what do the minds of bygone eras have to say to contemporary issues?
I am never quite sure what the answer to that is. There is a tradition of thinking about canonic thought in the UK, Quentin Skinner is one of them, that is really dubious about talking about Kant or Heidegger in relation to contemporary problems or trying to suggest you can have a philosophical conversation across time and space. I have spent some time on this argument and in my view they are to a great extent right, at least if you think of a conversation with the 'real Hobbes' or someone else. However, there is a sense in which I start from a position in which there is no 'real' whoever. Instead, it should be viewed as a text with arguments and ideas, which you read and interpret in the light both of your time and place, but also the course of a whole set of secondary engagements with that. When reading such texts you are dealing with two hundred years of interpretation of Kant and Hegel. In this sense one must note that the voices of those philosophers as highly mediated in many different ways. If you can still engage with them and find useful insights, then sort of 'why not' seems reasonable. A second argument in terms of philosophers as Kant and Hegel is, the time they wrote in was obviously radically different. Meanwhile, it also had features in terms of the shape the state were taking, the beginnings of what we would now recognize as the modern capitalist market state. They were there, they were before that, and they were looking at the beginnings. They were around during the Napoleonic wars, mostly Hegel but also Kant was at point when the European colonialism or imperialism took off in particular ways. Here, a lot of the categories of race, culture etc. took shape under their noses. In this sense we are still within a frame that they were a part of, rather than excluded from. If you look at Machiavelli, he was speaking in a radically different time and space. There is an argument there about occupying a world that in some sense we still recognize or perhaps of Kant and Hegel trying to construct ways of understanding and judging a world that still has links to the world we inhabit today. That is another reason why they are still useful today. We all get our ideas from somewhere; as long as we do no argue that referring to Kant, Hegel, Foucault or Arendt makes it right. Instead, use ideas as they come and mix and match them, it is reasonable to be eclectic, depending on what kinds of claims you are making. If you attempt to do a solid reading of Kant, then you must know both the texts and the context, but if you wish to discuss critique in IR you can, in my view, take some elements of Kant or the post-Kantian legacy and use them to illuminate a contemporary debate.
The encounter between the West and the non-West is an important theme running through your work, and you liberally engage with post-colonial theory. So how does that work in practice?
The problem to someone who is trying to critique Eurocentrism or get away from it is that you cannot do it in an isolated way. One of the ways in which people try to think about the inclusion of other voices was in terms of the notion of dialogue. This was actually why I ended up writing about dialogue. My problem here was that some of the ways of thinking about dialogue seemed to me to simply confirm the centrality of the West and the position of the non-West as other. The big question is then how do you articulate the non-West? In my view the thing is that you simply do not; instead one must think constructively about how you quiet down, how you moderate dominant voices and create spaces for others. Sometimes it may just be a question of just being quiet, it may be about encouraging other work, it may be about encouraging theoretical investment in other places.
I am talking to you now, but in some sense what I am doing is enforcing the position of the privileged white, Western, middle-class woman. In my position talking about Eurocentrism and critique is merely by the fact of doing it, I am reinforcing a certain privilege and a certain sense of it. And this is not to say that you therefore you do not do it. Sometimes it is not useful to have someone like me on a panel; it is a much better thing to have somebody else, somebody younger or somebody from a different part of the world. To me this is what you have to think about, and as a scholar you have think about how you can contribute to creating spaces within which other voices can be included. To be honest, I do not think I have done a very good job of doing that. To quiet yourself down is really difficult; especially since there is so many institutional and other incentives for you to try and occupy the center stage. In my view it is something that maybe feminist scholarship has been better at.
In this sense it relates to a much bigger set of issues that social science is about; social sciences were and are kind of an imperialist project in their foundation. Whether or not you can ever make them to anything else, I doubt. It might be that you cannot, in which case the move to aesthetics, for example, which you see in some bits of IR, is understandable. It is difficult in the sense that we cannot do what we want to do by staying within the vocabularies of social science. We have to move to another kind of discourse in order to do what we think we need to do.
So here we navigate the space between scholarship and activism. I remember this picture of you delivering a lecture on a road blocking an arms convoy.
Yes, my very minor piece of activism, except it was the people that were being handcuffed on the road who were the real activists, not me. I think it is really important to be clear that doing critical theory as an IR scholar does not make you a political activist, and I think it is important, because it can sometimes feel really good to make a gesture of whatever, you know, 'being critical'. And that's all great, but actually it's all within an incredibly privileged forum and you're not really making any difference to anything. So, I'm a bit I think Hegelian in the sense that I think that philosophy or academic work is about understanding more, trying to understand and to think, and it may well generate frameworks and ideas that make it useful in various ways, and it may well not, but if you want to have revolution, go out and start organizing. You know, don't think that you can somehow do it by being on ISA panels. Marx was a political activist, he didn't just sit around writing, he was part of the movement, part of an organization, and that's the only way you really can help bring fundamental change, and quite often it'll go wrong. Being a political activist is much more scary and difficult than being a critical IR thinker.
Kimberly Hutchings is Professor of Politics and International Relations at Queen Mary University of London. She is a leading scholar in international relations theory. She has extensively researched and published on international political theory in respect to Kantian and Hegelian philosophy, international and global ethics, Feminist theory and philosophy, and politics and violence. Her work is influenced by the scholarly tradition that produced the Frankfurt School and Critical Theory. She is the author of Kant, Critique and Politics, International Political Theory: rethinking ethics in a global era, Hegel and Feminist Philosophy and Time and World Politics: thinking the present. Her current focus is on the areas of global ethics, assumptions about time and history in theories of international relations, and the conceptual relationship between politics and violence in Western political thought.
Related links
Faculty Profile at Queen Mary's
Read Hutchings' Ethics, Feminism and International Affairs (2013) here (pdf) Read Hutching's What is Orientation in Thinking? On the Question of Time and Timeliness in Cosmopolitical Thought (2011) here (pdf) Read Hutching's World Politics and the Question of Progress (2004) here (pdf)
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Pınar Bilgin on Non-Western IR, Hybridity, and the One-Toothed Monster called Civilization
Questions of civilization underpin much of IR scholarship—whether explicitly (in terms of the construction of non-Western 'others') or implicitly (in the assumption that provincial institutions from Europe constitute a universal model of how we ought to relate to one another in international politics). While this topic surfaces frequently in debates about postcolonial international politics, few scholars are able to tackle this conundrum with the same sense of acuteness as Pınar Bilgin. In this Talk, she—amongst others—elaborates on not doing Turkish IR, what postsecular IR comprises, and discusses her own position in regards to that one-toothed monster called civilization.
Print version of this Talk (pdf)
What is, according to you, the biggest challenge / principal debate in current IR? What is your position or answer to this challenge / in this debate?
What I think is the biggest challenge in current IR is not so much a debate, but the difficulty for students of IR to come up with ways of making sense of the world in a way that appreciates different experiences and sensibilities and others' contributions and contestations. International Relations as we know it at the moment and as offered in the standard textbooks, portrays a world that they really don't recognize as the world that they live in. And I should point out that I am not just speaking of Non-Western experiences and sensibilities—there is in any case a growing body of literature on Non-Western IR, and you have spoken to Amitav Acharya (Theory Talk #42), Siba Grovogui (Theory Talk #57) and others—but I am also referring to all those perspectives in which international knowledge are presented and which the textbooks do not usually reflect, including feminist perspectives for instance (such as Ann Tickner, Theory Talk #54), or perspectives from the Global South some of which actually fall into the definition of 'the West'. So when I speak of ways of making sense of the world in a way that appreciates different experiences and sensibilities, I am referring to the agenda of Critical Theory of IR. I do think we have come a long way since the early 1990s when I was a student of IR and Critical Theory was beginning to make its mark then, but we still have a long way to go. For instance, critical approaches to security have come a long way in terms of considering insecurities of specific social groups that mainstream approaches overlook, but it has a long way to go still in terms of actually incorporating insecurities as viewed by those people, instead of just explaining them away.
As for the principal debate in IR, the debate that goes on in my mind is how to study IR in a way that appreciates different experiences and sensibilities and acknowledges other contributions as well as contestations. This is not the principal debate in the field, but the field that comes closest is the one that I try and contribute to, and that is the field of non-Western approaches to IR. It is not exactly a debate, of course, in the sense that the very mainstream Western approaches that it targets are not paying any attention. So it's the critics themselves who have their disagreements, and on the one hand there are those who point to other ways of thinking about the international, Stephen Chan comes to mind as the producer of one of the early examples of that. I can think of Robbie Shilliam's more recent book on the subject, thinking about the international from non-Western perspectives. On the other hand are those who survey IR in different parts of the world, to see how it is done, what their concerns and debates are. Ole Waever, Arlene Tickner and David Blaney's three-volume series 'Worlding Beyond the West' contains materials from both these directions.
My own approach is slightly different in that while acknowledging the limits of our approaches to IR as any critical IR person would, I don't necessarily think that turning to others' 'authentic' perspectives to look for different ways of thinking about the international is the way forward for students of IR. That brings me to back the way I set up the challenge to IR today: it is about incorporating others' perspectives, as well as acknowledging their contributions and contestations. I think I would like to take a more historical approach to this. It's not just about contemporary differences—studies on these are very valuable and I learn a lot from them—but what I've also found very valuable are connections: how much give and take has already taken place over the years, how for instance the roots of human rights can be found in multiple places in our history and in different parts of the world, how the Human Rights Convention was penned by multiple actors, how human rights norms don't go deep enough and how calls for deepening them have in fact emerged from different parts of the world, not just the West. So these contributions can actually point to our history and to different perspectives across the globe, but these are often referred to as non-Western IR, whereas they're actually pointing to our conversations, our communication, the give and take between us. That is what I am mainly interested in at the moment: the multiple authorship of ideas, and pointing to them you actually face the biggest challenge. It builds on Edward Said's legacy, so it's a critical IR project, the way I see it: Said built on multiple beginnings and engaged in contrapuntal reading. I should add that when I am talking about 'sensibilities', I am not necessarily talking about it with reference to other parts of the world, although it may seem this way. The more reflexive approaches to IR have taught us that we are all shaped by and all respond to our contexts—in one way or another.
One interesting result of Arlene Tickner's and Ole Waever's book, International Relations Scholarship around the World, was that IR in different parts of the world is not in fact that different: it is still state-centric, it talks about security in the way that most mainstream textbooks would talk about it, and IR courses are structured in such a way that you would be able to recognize in most parts of the world. Such surveys, therefore, tell us that IR works quite similarly in other parts of the world. Hence the need to look for difference in alternative sources and the need to look beyond IR—towards anthropology, sociology, linguistics, etc.—there is growing interest in conceptions of the international beyond what IR allows us. This is not confined to looking beyond the West, but is equally emerging in Western scholarship: there is now emerging literature on postsecularism and IR, and bringing religion back into the study of IR. However, I am not so much interested in studying differences (without underestimating the significance of such studies) but studying to our conversations, our communication, the give and take between us.
How did you arrive at where you currently are in IR?
My journey to this point has been through critical security studies. I studied international relations at Middle East Technical University in Ankara and did a Master's Degree Bilkent University in Ankara where I currently work. I was not entirely comfortable with IR as an undergraduate student, thought I could not quite put my finger on the reason why—though I was able to make sense of during my later studies. At the undergraduate level, I received an interdisciplinary training, not so much by design but rather by accident: I picked courses on political theory, economic history and political anthropology, simply because our curriculum allowed such a design. I was lucky to have interesting people teaching interesting courses. And again by sheer coincidence we had a visiting professor who introduced me to philosophy of science and the work of Thomas Kuhn and I began to question the standard IR training I had been receiving. So then I went on to an MA degree at Bilkent University which became consequential for me in two ways: for one, that University has the best IR library in Turkey, so there are no limits to what you can learn even when you are left to your own devices, and secondly, Hollis and Smith's Explaining and Understanding International Relations (1991) was on our reading list. So when I began reading that against the background of Thomas Kuhn, I began to make sense of IR in a very different way. Mind you, I was still not able to see my future in IR at that time.
Then I began writing my MA dissertation and was also working at Turkey's then very powerful semi-military institution the MGK, the National Security Council, at the General Secretariat: I was hired as a junior researcher and lasted for about four-and-a-half months, and then I went abroad for further studies, but those months were what set me on my path to Critical Security Studies. Working there, I began to appreciate the need for reflexivity, and the difficult role of the researcher, and the relationship between theory and practice. At that point I received a Chevening scholarship from the British Council, and the condition attached was that I could not use it towards PhD studies but had to use it for a one-year degree. I decided to study something that I could not study at home, and came across Ken Booth's work ('Security and Emancipation,' 1991) and knew of course Barry Buzan's oeuvre (Theory Talk #35), and found that Aberystwyth University offered a one-year degree in Strategic Studies, which is what I decided to do. That happened to be the first year they offered an Master's degree in Critical Security Studies, and I became one of the first five students to take that course, taught jointly by Ken Booth, Richard Wyn Jones and Nicholas Wheeler. Together with Steve Smith, who was Head of Department at the time, they were committed to giving us an excellent education, so it was a great place to be and I stayed on to do my PhD there as well. It's a small Welsh town with only 13,000 people and the University has about the same number of students. During that time I read important examples of critical IR scholarship, as well as the newly emerging literature on Security Studies, and it was around that time that Michael Williams (Theory Talk #39) joined the Department and he was a great influence on my work, as was of course my dissertation advisor Ken Booth: I learned a lot from him in terms of substance and style.
After receiving my PhD in the year 2000 I joined the IR department at Bilkent University as the only critical theorist there. Bilkent was at the time one of the few universities in Turkey committed to excellence in research—now there are more—and that allowed me the academic freedom to pursue my research interests in Critical Security Studies: I was able to focus on my work without having to spread out into other fields. It helped that I became part of research networks as well: I've already mentioned Arlene Tickner's and Ole Waever's work, their project on geocultural epistemologies in IR and 'Worlding beyong the West'. Ole Waever invited me to join, thus opening up my second research agenda since my PhD, enriched by workshops and conversations with scholars in the group. It is not far removed from my core work, but it is an added dimension. And this helped me over time to overcome my earlier doubts about IR, for I began to see just how multidisciplinary it was. It was only through Critical IR that I learned how parallel perspectives in other disciplines, and alternative ideas could be brought to bear on IR—something you also find nowadays in international political sociology or different aspects of anthropology in constructivism.
What would a student need to become a specialist in IR or understand the world in a global way?
In terms of skills, I think that studying at different institutions if possible, different settings with different academic traditions helps a lot. Institutions vary widely in their emphasis—Bilkent for instance believes that the best teachers are those who do cutting-edge research. Others may disagree and say that small teaching colleges are the best, because they pass on what they specialise in. I think therefore that studying at different institutions is very good for students, whether it be within formal exchange frameworks or acquiring fellowships for study away, not to mention of course fieldwork, which offers new settings: every new environment is an important learning experience, even if the substance is not so useful and what you learn is not necessarily so significant. Secondly, some would suggest learning a different language is important, along with acquiring a foothold in area studies and comparative studies, and I agree with that. Thirdly, Stefano Guzzini talks about IR theory being what a student needs in terms of disposition and skills: he has this piece in the Journal of International Relations and Development (2001), where he makes the case specifically for would-be diplomats in Central and Eastern European countries that by learning theory, students would be equipped to communicate across cultural boundaries—it's like learning a new language. They would learn to watch out against ethnocentrism, he argues, and this is one of the pieces I use when I teach IR theory. In this spirit, I think it important to use theory as a new language, as one of the tools that every student should have in their toolkit. And finally, I think I'd follow Cynthia Enloe's (Theory Talk #48) recommendation that it's useful to have a foot both in IR theory and in comparative studies. I feel that one without the other is less rewarding, though one will not know what one is missing until one goes to explore.
In my PhD work I focused on the Middle East, since then I have looked more in depth at Europe's relationship with the Euro-Mediterranean relations and Turkey-EU relations as empirical points of reference. This has been enriching and has benefited my research. In sum, it is essential to read as broadly as possible, and I give the same advice to my M.A. and to my PhD students. You can't read everything, and it can happen that the more we read the more confused we get, but in this Theory Talks is doing a great job by allowing students to learn from the experience of others. Learning happens also at conferences: you may find subjects that are of no interest to you, but that is helpful also, and on the other hand new subjects will broaden horizons. The wealth of cultural references in each part of the world can be baffling and may make it difficult to delve deep. The only way we make sense of the unknown through what we know.
What regional or perhaps even global protagonism can you envisage for IR studies emerging from Turkey? Turkey is often perceived to bridge Europe and the Middle East, Europe and Asia, but we have the problem that Asia itself is a Western idea, then a 'bridge' is in danger of belonging to neither.
As I made clear in what I said above, I don't think of IR in terms of contributions emerging from this part of the world or that part of the world. And although I grew up in Turkey and began my academic career there, I don't consider my own work to be in any way a 'Turkish perspective' on IR. What can be said to be Turkish about my perspective is that I have to travel to Aberystwyth and Copenhagen and all those ISA conference locations to discover that I can have (and some say I should) have a Turkish perspective. My undergraduate education was about learning IR as a 'universally undisputed'. I now know the limitations of that universalism, but I cannot offer a specifically located perspective, for it is a complicated picture that emerges in front of us. I am not in favour of replacing one parochialism with another one, in terms of those who speak of X School of IR versus Y School of IR.
Having said that, I consider that my contribution as being comfortable with what Orhan Pamuk has called the 'in-between world', though I prefer to use the term 'hybridity', not in-between-ness. That Turkish policy-makers have always claimed a bridge status for their country, but these ideas are rooted in Turkey's hybridity and belonging to multiple worlds (as opposed to being in between multiple worlds). Policy-makers can talk about being a bridge between Europe and Asia, or Europe and the Middle East, because Turkey in fact belongs to all these worlds. So in some ways being at ease with this hybridity does allow me to have a particular perspective in IR that I may not have had if I had come from a different background. But then again, it's difficult to know. I have taken courses in political anthropology, learning about the Ottoman Empire and modern Turkey as an imagined community, but all my introductions to geocultural studies and epistemology came from Critical IR settings, so looking for geographically or culturally specific roots simply doesn't work. As Said put it, it is 'beginnings' that we should be looking for, not 'origins.'
When Europeans and North Americans speak of 'state building' and 'development', Turkey is often taken as a model example of conversion to Western models—largely by its own choice. Should Turkey's path and modern reality be understood differently?
I am not comfortable with the word 'model', but 'example' may be a preferable term. So what is Turkey an example of? That has become a particular research question for me and I have written on this—Turkey's choice to locate itself in the West and what that means. Turkey is interesting for having decided to locate itself in the West, and this is where language and culture come in the picture. More often than not, the literature tends to assume that elites in places like Turkey would make the decision to adopt the 'Western model', and the rationale for adopting that model is not questioned, but instead taken to be 'obvious' from development theory and its teleological outlook: 'it just happened'. It is those that do not adopt the dominant model, those that decide against Westernization, that need explaining. Perhaps I would not have asked myself that question, had I not—and here my biography comes into the picture—been puzzled by references to 'civilization' in Turkish texts. If you look into Turkish literature or historical documents you will find references to 'civilization' everywhere—the national anthem refers to civilization as a 'one-toothed monster called civilization'. As a young student, I just couldn't make sense of this and wondered why is everyone talking about civilization and why is it a good and a difficult thing at the same time?
I began to make sense of this as I was researching Turkey's choices about secularism in the late 19th and early 20th century, and was looking at some of those documents once again, but this time with insights provided by postcolonial IR. The language commonly used was 'joining' the West, and secularisation was a part of the package, but it was not necessarily a question of mere emulation but search for security, being a part of the 'international society'. These were not easy decisions, so here I look at Turkey's choice to locate itself in the West within the security context. There was a notion of a 'standard of civilization' in Europe and the West more broadly which others were expected to 'live up to', and this gives you some sense of the ubiquity of the references to civilization in the discourses of Turkish policy makers at the time. I am not suggesting that this is the whole answer, and I do not reject distinct answers, but I do think it helps understand Turkey's decision to locate itself in the West in the early 20th century. So this is where my security aspects of my work and Critical IR together. My starting point is to identify the ubiquity of one notion and then locate that within critical IR theory. Turkey becomes an example of postcolonial insecurities. Though never having been colonized it nonetheless exhibits those 'postcolonial anxieties' in Sankaran Krishna's words.
I am keenly aware of the reality that even when we as academics are doing our most theoretical and abstract work, we are never removed from the roles of the 'real world', for we are teachers at the same time: by the time we put our ideas to paper we have already disseminated them through our teaching. Some of us are more committed to teaching than others, of course, but some critical theorists see the most important part of their job as being good educators and training the new generation, as opposed to being more public intellectuals and writing op-ed pieces and talking to bigger audiences. We are therefore never far removed from the world of practice and from disseminating our ideas about security and international relations, because we are teachers, and some of our students will go on to work in the real world institutions, like government or the media.
Beyond that, there is a growing vitality in the literature on the privatisation of security: on private armies and how security is being privatised and fielded out to professionals. The new literature that is emerging on this is more and more interesting, I am thinking for instance of Anna Leander's work here: she talks about privatization of security not only in terms of the involvement of private professionals going off to do what government or other actors tell them to do, but also in terms of the setting up of security agendas and shaping security, determining what threats are, and determining what risks are and quite literally how we should be leading our lives. In this sense theory and critical security studies have become very real for all of us, because no one group of people owns the definitions.
Currently I am working on a manuscript that brings together two of my research interests, conceptions of the international beyond the West and Critical Security Studies. I use the case of Turkey for purposes of illustration but also for insight. I am trying to think of ways of studying security that are attentive to the periphery's conceptions of the international as a source of (non-material) insecurity.
Pınar Bilgin is the author of Regional Security in the Middle East: a Critical Perspective (Routledge, 2005) and over 50 papers. She is an Associate Member of the Turkish Academy of Sciences. She received the Young Scientists Incentive Award of the Scientific and Technical Research Council of Turkey (TÜBITAK) in 2009 and 'Young Scientist' (GEBIP) award of Turkish Academy of Sciences (TÜBA, 2008). She served as the President of Central and East European International Studies Association (CEEISA), and chair of International Political Sociology Section of ISA. She is a Member of the Steering Committee of Standing Group on International Relations (SGIR) and an Associate Editor of International Political Sociology.
Related links
Faculty Profile at Bilkent University Read Bilgin's Thinking Past 'Western' IR? (2008) here (pdf) Read Bilgin's A Return to 'Civilisational Geopolitics' in the Mediterranean? Changing Geopolitical Images of the European Union and Turkey in the Post-Cold War Era (2004) here (pdf) Read Bilgin's Whose 'Middle East'? Geopolitical Inventions and Practices of Security (2004) here (pdf) Read Bilgin's and A.D. Morton's Historicising representations of 'Failed States': beyong the cold-war annexation of the social sciences? (2002) here (pdf)