Spracherwerb und Einreisealter: Die schwierigen Bedingungen der Bilingualität.
In: Migration und Integration., S. 202-229
Der Beitrag behandelt die theoretische Erklärung und empirisch feststellbare Bedeutung des Einreisealters für die Entstehung einer (kompetenten) Bilingualität. Im Hintergrund steht die theoretisch nahe liegende, aber umstrittene Hypothese, dass bestimmte soziale Bedingungen, die den Erwerb der einen Sprache fördern, den der anderen behindern, etwa weil sich im Alltag die entsprechenden Sprachumwelten räumlich, zeitlich und sozial meist deutlich verteilen. Beim Einreisealter kommt die - ebenfall umstrittene - Hypothese hinzu, dass es eine "kritische Periode" des Spracherwerbs gebe. In dem Beitrag wird ein theoretisches Modell für den Zweit- und Erstspracherwerb entwickelt und anhand von Daten des Sozio-Ökonomischen Panels empirisch untersucht. Die beiden wichtigsten Ergebnisse sind, dass es zum einen in der Tat einige Bedingungen des Spracherwerbs gibt, die den Erwerb beider Sprachen gegenseitig behindern, und dass das für das Einreisealter in einem besonderen Maße zutrifft, und zum anderen, dass es eine deutlich erkennbare "kritische Periode" beim Zweitspracherwerb gibt (etwa ab 13 Jahre). Die Entstehung der (kompetenten) Bilingualität wird damit von zwei Seiten her erschwert: Ein zu niedriges Einreisealter behindert den Erstspracherwerb, ein zu hohes den Zweitspracherwerb. Die praktische Schlussfolgerung für die Förderung der Bilingualität ist damit die möglichst frühzeitige Ermöglichung interethnischer Kontakte für den simultanen Zugang zu verschiedenen Sprachumgebungen in der Periode der höchsten Lernfähigkeit. (DIPF/Orig.).;;;"This contribution deals with the theoretical explanation and empirically observable impact of the age at immigration on the development of (competent) bilingualism. What is behind this, is the obvious, however also controversial, hypothesis that certain social conditions that foster the acquisition of one language impede the acquisition of the other one. This may be due to the fact that the respective day-to-day language environments often differ in terms of space, time and also socially. In addition, with regard to the age at immigration the - also controversial - hypothesis becomes important that there is a 'critical period' in language acquisition. In this article the author develop a theoretical model of second and first language acquisition and investigate it empirically with data of the socio-economic panel. The two most important results are that, first there are indeed certain conditions that mutually impede the acquisition of both languages and that this is especially true for age at immigration as one of these conditions, and second, that there is a clearly identifiable 'critical period' in second language acquisition (starting at about the age of 13). The development of (competent) bilingualism is thus hindered from two sides: a too low age at immigration obstructs first language acquisition whereas a too high age obstructs second language acquisition. The practical conclusion for enhancing bilingualism is then to allow for interethnic contacts at an early stage in order to provide simultaneous exposure to different language environments during the period when learning aptitude is highest." (author's abstract).