Brauner und roter Faschismus?: Otto Rühles rätekommunistische Totalitarismustheorie
In: Totalitarismuskritik von links: deutsche Diskurse im 20. Jahrhundert, S. 205-227
Den braunen und roten Faschismus hielt der Rätekommunist Otto Rühle (1874-1943) auf den Weg zur klassenlosen Gesellschaft für "notwendig", da dieser aus seiner Sicht für "einen bestimmten Fortschritt der Geschichte" stehe: nämlich für die Enteignung der Produktionsmittel und für die Abschaffung der Parteien, des Parlamentarismus, der Gewerkschaften und der "ganzen kleinbürgerlichen Politik". Der Faschismus, so Rühle, nehme der proletarischen Klasse die "gröbste, härteste und undankbarste Arbeit der ersten Epoche sozialistischer Entwicklung ab. Er muss heute ohne alle Erfahrung und marxistische Schulung die Tätigkeit der Übergangsphase auf sich nehmen, die auch bei uns ohne Zwang, Rücksichtslosigkeit, Gewalt und Diktatur nicht abgegangen wäre." Rühles totalitarismustheoretische Position veränderte sich auch nach dem 22. Juni 1941 nicht. Für Rühle, der für das Aufkommen der totalitären Regime in Deutschland und der Sowjetunion die staatskapitalistische Entwicklung verantwortlich machte, blieb die bolschewistische Herrschaft das "Muster", an dem sich Hitler und Mussolini ausgerichtet hätten. In seinen späten Exilveröffentlichungen erarbeitete der Trotzki-Freund sogar einen Katalog, der die gemeinsamen Merkmale der bolschewistischen und nationalsozialistischen Diktatur umfasste. (ICA2)