Nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 nahm Russland eine israelkritische Haltung ein. Damit wurde eine neue Phase der russisch-israelischen Beziehungen eingeläutet. Weder Putins persönliche Sympathien gegenüber Israel, die in den 2000er Jahren die Beziehungen prägten, noch die israelische Neutralität im russischen Krieg in der Ukraine, die den Bemühungen westlicher Verbündeter zuwiderlief, konnten den Bruch verhindern. Russland ordnete den Krieg im Nahen Osten der übergreifenden außenpolitischen Logik unter, die den Westen und die USA dafür verantwortlich macht. Als Reaktion verschärfte Israel den Ton gegenüber Russland. In der politischen Praxis lassen sich jedoch nur wenige Veränderungen ausmachen.
In the run-up to the 2021 elections to the Knesset, Jewish parties are actively courting the votes of Israeli Arabs, who constitute 17 per cent of all Israelis eligible to vote. At the same time, Israeli Arabs are increasingly emphasizing the need for a politics that will help improve their living circumstances and allow them greater political participation. While the Joint List alliance of Arab parties continues to follow its traditional oppositionist course and has come to terms with the decision of one of its members, the Islamic Movement (Ra'am), to split away, the election campaign has seen the emergence of new Arab politics, whose actors advocate a more pragmatic approach and are looking to cooperate with Jewish parties. The Israeli-Palestinian conflict and the identity of the Jewish state of Israel are playing a secondary role. The situation is similar in Israeli local politics, where Jews and Arabs are already engaged in interest-based cooperation.
Das politische System Israels ist durch den Anspruch gekennzeichnet, zwei Staatsprinzipien, nämlich "jüdisch und demokratisch", in sich vereinen zu wollen. Deren Verhältnis zueinander ist Gegenstand permanenter politischer Auseinandersetzung. In Bezug auf die rechtliche Organisation der israelischen Bevölkerung zeigt sich das Versprechen des Staates "jüdisch und demokratisch" zu sein, als ein immanenter Widerspruch, verlangt es doch einen partikularen Fokus auf jüdische Staatsbürger und universale Rechtsbehandlung von allen Israelis zugleich. Die Fragen, denen in der Dissertation nachgegangen wird, lauten, wie sich die beiden Prinzipien "jüdisch und demokratisch" rechtlich manifestieren und wie sich, die darin enthaltenen partikularen und universalen Zugänge zu einander verhalten. Auf der Grundlage von Rechtsdokumenten zu zentralen Themenbereichen wie Einwanderung, Einbürgerung, Bildung, Sprache und dem Verhältnis von Staat und Religion wird die Kodifizierung von Gruppen bzw. Individuen im israelischen Rechtssystem analysiert. Es geht darum, die starke Differenzierung zwischen Gruppen (v.a. jüdische Israelis auf der einen Seite und nicht-jüdische Israelis auf der anderen Seite, was vor allem arabische/palästinensischen Israelis bedeutet) mit Blick auf die Aufrechterhaltung dieser Gruppenunterschiede systematisch zu untersuchen. Die Arbeit verortet sich im Forschungsfeld der Israel-Studien. Als theoretisches Gerüst dient insbesondere die Theorie des liberalen Multikulturalismus von Will Kymlicka. Das Ergebnis der Dissertation ist die Erkenntnis, dass innerhalb des israelischen Rechtssystems hinsichtlich der Verwaltung der Bevölkerung, zwei eigenständige Gruppenrechtssysteme bestehen. Durch diese werden zwei voneinander unabhängige Rechtsstränge etabliert, welche die Bevölkerung zu zwei Gruppen formen, die rechtlich unterschiedlich adressiert werden. Die jüdischen Staatsbürger treten im israelischen Recht als eine zusammenhängende Gruppe mit gleichen Merkmalen und einem klaren politischen Willen auf, während nicht-jüdische Staatbürger rechtlich zu losen Einzelnen ohne gemeinsame Merkmale und Geschichte individualisiert oder in eine Vielzahl unpolitischer religiöser Denominationen unterteilt werden. Die beiden Gruppenrechtssysteme verlaufen parallel zu einander ohne rechtlich mit einander zu konkurrieren. Betrachtet man das politische Gesamtsystem, wird ersichtlich, dass das Staatsprinzip "jüdisch" vor dem "demokratischen" Staatsprinzip Vorrang hat. Auch der universale Zugang allen Israelis gegenüber kann angesichts des starken Partikularismus zugunsten der jüdischen Gruppe, lediglich prozedural sein. Israel's political system is characterized by its claim to unite two state principles, namely "Jewish and democratic". Their relationship to one another is the subject of permanent political debate. With regard to the legal organization of the Israeli population, the state's promise to be "Jewish and democratic" appears to be an immanent contradiction, since it demands a particular focus on Jewish citizens and universal legal treatment of all Israelis at the same time. The questions addressed in the dissertation are how the two principles of "Jewish and democratic" are manifested in law and how the particular and universal approaches contained therein relate to each other. On the basis of legal documents on central topics such as immigration, naturalization, education, language and the relationship between state and religion, the codification of groups or individuals in the Israeli legal system is analysed. The aim is to systematically examine the strong differentiation between groups (mainly Jewish Israelis on the one hand and non-Jewish Israelis on the other, which means mainly Arab/Palestinian Israelis) with regard to the maintenance of these group differences. The work is situated in the research field of Israel studies. Will Kymlicka's theory of liberal multiculturalism serves as the theoretical framework. The result of the dissertation is the finding that within the Israeli legal system, with regard to the administration of the population, two independent legal systems exist. Through these, two independent strands of law are established, which form the population into two groups that are legally addressed differently. Jewish citizens appear in Israeli law as a cohesive group with common characteristics and a clear political will, while non-Jewish citizens are legally individualized into loose individuals with no common characteristics or history, or divided into a variety of apolitical religious denominations. The two legal systems run parallel to each other without legally competing with each other. Looking at the overall political system, it is evident that the "Jewish" principle of the state takes precedence over the "democratic" principle of the state. And the universal access to all Israelis can only be procedural, given the strong particularism in favour of the Jewish group.
Im Vorfeld zur Knesset-Wahl 2021 werben jüdische Parteien aktiv um die Stimmen der israelischen Araber, die 17 Prozent der wahlberechtigten Israelis stellen. Zugleich äußern arabische Israelis verstärkt das Bedürfnis nach einer Politik, die zur Verbesserung ihrer Lebensumstände beiträgt und ihnen mehr politische Beteiligung ermöglicht. Während das arabische Parteienbündnis Vereinte Liste seinen traditionellen Oppositionskurs beibehält und dabei die Abspaltung ihres Mitglieds Islamische Bewegung (Ra'am) in Kauf nahm, treten im Wahlkampf neue Akteure auf, die eine pragmatischere arabische Politik betreiben und auf Zusammenarbeit mit jüdischen Parteien setzen. Der Konflikt und die Identität des jüdischen Staates Israel spielen für sie allenfalls eine Nebenrolle. Ähnlich sieht es in der israelischen Kommunalpolitik aus. Dort wird eine interessensbasierte jüdisch-arabische Kooperation bereits praktiziert.
Die in Israel geführte Debatte über die Verurteilung eines israelischen Soldaten, der im März 2016 in Hebron einen am Boden liegenden Palästinenser erschossen hatte, hat neben der ethischen auch eine identitäre Dimension. Da der Täter ein »orientalischer« Jude ist, ein sogenannter Mizrachi, steht sie im Kontext des innerjüdischen Konflikts zwischen Mizrachim und Aschkenasim, den europäischstämmigen Jüdinnen und Juden. In den letzten Jahren haben sich die Machtverhältnisse zugunsten der ursprünglich stark marginalisierten Mizrachim verschoben. Diese beanspruchen politische wie kulturelle Führung und stellen Israels »westliche« Identität in Frage. Einige von ihnen, wie die neugegründete Aktivistengruppe Tor HaZahav, fordern sogar offen die Verortung Israels im Nahen Osten, ohne allerdings zu erläutern, was dies konkret heißen soll. Der mit diesen Entwicklungen einhergehende Paradigmenwechsel bleibt somit zunächst ein innergesellschaftliches Phänomen. Außenpolitische Implikationen etwa für den Nahostkonflikt oder die Beziehungen zu Europa sind bislang nicht zu erkennen. (SWP-Aktuell)
From spring 2019 until summer 2021, Israel was politically paralysed because no stable government could be formed. Four elections were necessary before a new government took over on 13 June 2021. Not only was Benjamin Netanyahu replaced as prime minister after 12 years. A coalition was formed that covers almost the entire political spectrum. In the meantime, it has stabilised and its direction is becoming clearer. Nationally and internationally, the coalition has broken with the populist rhetoric of the Netanyahu government. At the same time, it is exploring different policies: Domestically, it is for the first time including an independent Arab party and has stopped the attacks on principles of liberal democracy. In its foreign policy, it is promoting rapprochement with the European Union (EU) and the Biden administration as well as more integration into the region. It is also trying to contain the conflict with the Palestinians through social and economic measures. But a political rapprochement is not in sight. A 'point of no return' is looming, making a two-state solution impossible.
Seit Frühjahr 2019 war Israel politisch gelähmt, weil keine stabile Regierung zustande kam. Vier Wahlen waren nötig, bis am 13. Juni 2021 eine neue Regierung die Geschäfte übernahm. Nicht nur wurde Benjamin Netanjahu nach zwölf Jahren als Premier abgelöst. Es wurde eine Koalition gebildet, die fast das ganze politische Spektrum abdeckt. Mittlerweile hat sie sich stabilisiert, und die Ausrichtung wird klarer. National und international hat die Koalition mit der populistischen Rhetorik der Netanjahu-Regierung gebrochen. Zugleich sucht sie nach anderen Politiken: Innenpolitisch integriert sie erstmals eine unabhängige arabische Partei und hat die Angriffe auf Prinzipien liberaler Demokratie gestoppt. Außenpolitisch wirbt sie für Annäherung an die EU und an die Biden-Regierung, aber auch um mehr Integration in die Region. Zudem bemüht sie sich, den Konflikt mit den Palästinensern durch soziale und wirtschaftliche Maßnahmen einzudämmen. Doch eine politische Annäherung ist nicht in Sicht. Es droht ein 'point of no return', der eine Zweistaatenlösung unmöglich macht. ; Am 4.1.2022 korrigierte Version
In den letzten Monaten lässt sich eine Annäherung zwischen Russland und Israel beobachten. Ein Beleg für die Intensivierung des Verhältnisses ist die dichte Frequenz hochrangiger Treffen. Den zeremoniellen Höhepunkt bildete die Teilnahme Premierminister Netanjahus – als einziger westlicher Staatsgast – an der Militärparade auf dem Roten Platz am 9. Mai. Ein wichtiger Treiber dieser Annäherung ist neben den gesellschaftlichen Verbindungen und der ökonomischen Kooperation die Aussicht auf eine Neujustierung der russischen Syrien-Politik, in der israelische Sicherheitsinteressen stärker berücksichtigt werden. Die Zukunft des Verhältnisses wird davon abhängen, ob Russland zur Zurückdrängung iranischer Kräfte aus den syrischen Gebieten an der Grenze zu Israel beitragen kann bzw. will. Trotzdem bleiben die russisch-israelischen Beziehungen begrenzt und volatil. Für Moskau stellen sie primär ein Element seiner multivektoralen Politik im Nahen Osten dar.
Recent months have witnessed a warming of relations between Russia and Israel. One indicator of the trend is the frequency of high-level meetings, culminating in Prime Minister Netanyahu's participation - as the only Western state guest - in the military parade on Red square on 9 May. Alongside existing social ties and economic cooperation, the prospect of a recalibration of Russian policy in Syria to take greater account of Israeli security interests has been another important driver. Nevertheless, the Russian-Israeli relationship remains constrained and volatile. For Moscow it is just one element of a multivectoral Middle East policy.
Am Unabhängigkeitstag im Mai 2016 verkündete das Israelische Zentralbüro für Statistik, dass sich die israelische Bevölkerung seit der Staatsgründung 1948 verzehnfacht hat. Führende Zeitungen des Landes bejubelten die Tatsache, dass die Bevölkerungszahl von ursprünglich 800.000 auf nahezu 8,5 Millionen gestiegen ist. Der Grund dafür ist die höchste Geburtenrate in der westlichen Welt. Diese wiederum ist darauf zurückzuführen, dass der Staat die jüdische Mehrheit im Land bewahren und fördern will. Die Kehrseite davon ist die Diskriminierung in Israel lebender Minderheiten, denn sie werden als demographische Bedrohung empfunden. Das gilt nicht nur für Palästinenser, sondern auch für die wachsende Zahl von Gastarbeitern, die Arbeitskräfte aus den palästinensischen Autonomiegebieten ersetzen, und von Flüchtlingen aus Afrika, deren rechtliche Eingliederung in das israelische Staatsbürgerschaftssystem nicht vorgesehen ist. Ein weniger exklusiver Zugang zur Staatsbürgerschaft und ein gesicherter Rechtsstatus nichtjüdischer Bevölkerungsgruppen dürften erst dann möglich werden, wenn sie nicht mehr als Bedrohung angesehen werden. (SWP-Aktuell)
Im Fokus der Studie steht die Frage, wie der israelisch-palästinensische Konflikt angesichts des Scheiterns von Friedensverhandlungen und der anhaltenden Besatzung des Westjordanlands Interessenlagen, Narrative und Spielräume unterschiedlicher Akteure prägt und verändert. Mit Blick auf den israelischen Diskurs, den der erste Beitrag beleuchtet, wird gezeigt, wie das Ausbleiben einer Konfliktlösung zu einer paradoxen Situation führt, in der sich Mehrheiten sowohl für eine Zweistaatenlösung als auch gegen einen palästinensischen Staat finden. Dies übersetzt sich politisch in eine zunehmende Paralyse in Bezug auf mögliche Friedensverhandlungen. Der zweite Beitrag analysiert den Umgang der palästinensischen Führungen in Ramallah und Gaza-Stadt mit der israelischen Besatzungsmacht, der sich in einem Spannungsfeld von Verhandlungen, Widerstandsrhetorik und direkter oder indirekter Kooperation bewegt. Es wird erläutert, wie die Führungen wider Willen zu Erfüllungsgehilfen der Besatzungsmacht wurden. Der dritte Beitrag zeigt auf, dass es bei dem Engagement der EU eine Diskrepanz zwischen gesetzten Zielen (Zweistaatenlösung, palästinensische Entwicklung) und erreichten Ergebnissen gibt. Er schlägt konkrete Maßnahmen vor, wie dieser Diskrepanz beizukommen ist. Der vierte Beitrag befasst sich mit der humanitären Organisation UNRWA, die unter den Bedingungen der Besatzung operiert und gegen ihren Willen Partei in der Auseinandersetzung zwischen Israelis und Palästinensern wird. Der letzte Beitrag befasst sich mit der Israel-Lobby in den USA. Er zeigt, dass die Ansichten darüber, ob die Besatzung des Westjordanlands im Interesse Israels ist, unter amerikanischen Juden zunehmend kontrovers ist und zu Spaltungen innerhalb der Lobby führt. Die Studie entstand im Rahmen des Projekts »Israel in einem konfliktreichen regionalen und globalen Umfeld: Innere Entwicklungen, Sicherheitspolitik und Außenbeziehungen«. Das Projekt ist in der SWP-Forschungsgruppe Naher / Mittlerer Osten und Afrika angesiedelt und wird vom Auswärtigen Amt gefördert.