Rationierung als Ausflucht vor rationaler Allokation: die Umdeutung von Rationierung in mangelnden Bedarf
In: Baustelle Sozialstaat: Umbauten und veränderte Grundrisse ; Jahrestagung der Sektion "Sozialpolitik" der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 4./ 5. Mai 2001 Hannover, S. 101-131
Der Autor setzt sich mit den grundsätzlichen Dimensionen und den daraus folgenden strategischen Optionen für eine Politik der Rationierung gesundheitspolitischer Güter im Rahmen gegenwärtiger Reformbestrebungen des Gesundheitswesens kritisch auseinander. Er identifiziert zunächst vier Merkmale einer Strategie der Rationierung bzw. vier "Einfallstore" für die Umdeutung von Rationierung in mangelnden Bedarf: (1) Nur Bereitstellbares kann rationiert werden; (2) Rationierung ist kein Verzicht auf bestimmte Dienstleistungen; (3) Rationierung setzt einen objektiven oder latenten Bedarf, d.h. einen erreichbaren Netto-Nutzen voraus; (4) der objektiv Bedürftige muss auch subjektiv nachfragen. Der Autor diskutiert vor diesem Hintergrund professionsgesteuerte Rationierungsstrategien am Beispiel der Schweizer Ärztenetze und zieht daraus allgemeine Schlussfolgerungen für eine an den Bedürfnissen und Anforderungen der Patienten orientierte Rationierungspolitik. Da es bei den Schweizer Ärztenetze vor allem um eine gleichzeitige Qualitätssteigerung und Kostensenkung geht, hebt der Autor hier einige Aspekte von professioneller Bedarfsfeststellung und Steuerung hervor. Seine abschließenden Anmerkungen beziehen sich auf das Verhältnis von Wettbewerb im Gesundheitswesen, auf die Agenturen des Verbraucherschutzes sowie auf Entscheidungen im individuellen Arbeitsbündnis zwischen Klienten und Professionen. (ICI2)