Kroatien vollzog am 1. Juli 2013 als erster Staat des Westlichen Balkans seinen Beitritt zur Europäischen Union. Seit 1991 hatte das Land einen weitreichenden und mitunter traumatischen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Transformationsprozess durchlaufen. Die Erlangung der nationalen Unabhängigkeit, die verlustreichen Bürgerkriegsjahre, die verspätete Demokratisierung des politischen Systems, der Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess der EU inklusive der langwierigen Beitrittsverhandlungen sowie die Folgen der europäischen Wirtschafts- und Finanzkrise - angesichts dieser Ereigniss
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Der Beitrag analysiert das kroatische Referendum über den EU-Beitritt. Zunächst werden der Ablauf und die Ergebnisse des kroatischen Beitrittsreferendums dargestellt. Anschließend erfolgt, aufbauend auf einer Studie der kroatischen Bürgerinitiative GONG, eine Typologisierung der kroatischen Euroskeptiker und ihrer Argumente gegen die Aufnahme des Landes in die EU. Auf dieser Grundlage wird die Informationskampagne der kroatischen Regierung zur Europäischen Union qualitativ inhaltsanalytisch untersucht und beurteilt, inwieweit diese den Beitrittsgegnern und deren Bedenken gerecht wird. Dabei beschränkt sich die Analyse auf zwei Hauptkomponenten: Einerseits auf die vom kroatischen Außenministerium im Auftrag gegebenen und ab Juni 2011 ausgestrahlten TV-Spots zum EU-Beitritt, andererseits auf die von Regierungsvertretern in den drei Wochen unmittelbar vor dem Referendumstermin getätigten öffentlichen Aussagen in Presse, Fernsehen und auf Informationsveranstaltungen. Im Rahmen dieser Fallstudie soll nicht nur erarbeitet werden, wie die Informationsstrategie der kroatischen Regierung auf konkrete, mit dem EU-Beitritt verbundene Sachfragen Bezug nimmt. Vielmehr ist auch zu ermitteln, welche Rolle nicht issue-orientierte Faktoren spielen. Hierbei ist in erster Linie an die Perzeption und das Vertrauen der Bevölkerung gegenüber der Regierung sowie den politischen Eliten des Landes zu denken. Auf der Grundlage dieser Inhaltsanalyse werden die Ergebnisse des Referendums und die Wirkungen der Kommunikationsstrategien des kroatischen Außenministeriums detailliert erklärt. Hieraus lassen sich abschließend theoretische Schlussfolgerungen für die Ansätze der politikwissenschaftlichen Kommunikationsforschung zum Wahlverhalten insbesondere bei Referenden zu europapolitischen Themen ableiten. (ICA2)
Betrachtet man die Entwicklung der Beziehungen zwischen Kroatien und der Europäischen Union (EU) seit der Erlangung der staatlichen Unabhängigkeit, so stellt sich die Frage, warum es dem Land nicht gelang, seine Ende der 1980er-Jahre im Vergleich zu anderen Transformationsstaaten viel versprechende Ausgangslage zu nutzen und der EU bereits zu einem früheren Zeitpunkt, womöglich bereits 2004, beizutreten. Denn der "Bertelsmann Transformation Index 2003" ordnete Kroatien zusammen mit Bulgarien und Rumänien in die Gruppe jener Länder ein, in denen eine "gute Chance für die Konsolidierung marktwirtschaftlicher Demokratie" bestehe, wohingegen andere Staaten wie Ungarn, Slowenien oder Polen besser abschnitten und bereits als "marktwirtschaftliche Demokratien im Konsolidierungsprozess" klassifiziert wurden. Dementsprechend wäre zu erwarten gewesen, dass der kroatische EU-Beitritt im Jahr 2007 gemeinsam mit Bulgarien und Rumänien erfolgen sollte - mit Ländern also, in denen die Transformation oft äußerst kontraproduktiv verlief. Dies wirft die Frage auf, warum es auch diesen beiden Ländern gelang, Kroatien auf dem Weg in die EU abzuhängen. Ziel des vorliegenden Beitrags ist es zu zeigen, wie die Kombination aus einem durch den Bürgerkrieg verspäteten Transformationsprozess sowie Problemen der Vergangenheitsbewältigung zu einer schweren Hypothek für die Annäherung Kroatiens an die EU wurde und somit verantwortlich ist für den Rückstand des Landes in der EU-Integration. (ICI2)