Marx ' "Kapital" ist eines der welthistorisch wirkungsmächtigsten Bücher. Die darin entfaltete Untersuchung des kapitalistischen Wirtschaftssystems hat wieder an Aktualität gewonnen, seit die verheerenden Auswirkungen der ungebremsten ökonomischen Globalisierung erkennbar werden. Michael Bergers Einführung leitet die Leser behutsam durch alle drei Bände des Werks. Wissenschaftliche Gegenpositionen zu Marx und der gegenwärtige Diskussionsstand einer an Marx orientierten Ökonomie werden erörtert. Auch die Erfolge und Misserfolge der sozialistischen Systeme, die zwischen 1917 und 1989 existierten, finden Berücksichtigung.
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Jüdische und nicht-jüdische Jugendliche, Schulen und Organisationen sowie Bundeswehrsoldaten standen für diesen Band im Dialog. Die Ergebnisse eines bundesweiten Bildungsprojekts aus den Jahren 2008/2009 zum Thema "Jüdische Soldaten in deutschen Armeen" sind in dieses Buch eingeflossen. Erstmals wird in einer Gesamtschau aus unterschiedlichsten Perspektiven die Vergangenheit sowie Gegenwart betrachtet als auch ein Ausblick in die Zukunft gewagt. Der Band bietet religionsphilosophische Betrachtungen des Judentums, Beschreibungen jüdischer Identität, Betrachtungen zum Konflikt um das oft ausgrenzende deutsche Nationalbewusstsein, kulturhistorische Betrachtungen, medienpolitische Analysen, kultursoziologische Untersuchungen sowie eine Befragung jüdischer Jugendlicher. Die vielfältigen Beiträge verdichten sich zu einem Gesamtbild: Die gemeinsame Zukunft kann nach dem Holocaust nur in einem multiethnischen und multireligiösen Nationalstaatsverständnis liegen. Die Bundeswehr, selber Ziel antisemitischer Angriffe, bietet mit ihrer Organisationsphilosophie der "Inneren Führung" Lösungsansätze in einer zunehmend multireligiöseren und -ethnischeren Welt
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Nachdem Michael Berger mit "Karl Marx" (Reihe "Absolute", BA 3/06) vor einiger Zeit schon einen gut handhabbaren Auswahlband aus den Werken des vor 190 Jahren geborenen revolutionären Denkers herausgebracht hat, legt er nun eine sehr knappe Einführung in seine Werke vor. Die wesentlichen Themen sind zu kurzen Kapiteln konzentriert: von der "materialistischen Geschichtsauffassung" über die "politische Ökonomie" letztlich zu "Marx und Marxismus". Trotz hoher Verdichtung des Stoffes schafft es der Autor tatsächlich, auch noch die inhärenten Probleme, sowie die Wirkungsgeschichte Marx'scher Analysen griffig darzustellen. Mit klug ausgewählten Zitaten, gut auch für die Oberstufe geeignet. (2 S)
Dieses Buch zeichnet die Geschichte der jüdischen deutschen Soldaten von der Zeit der Emanzipation bis zur Gegenwart nach. Es zeigt, dass Juden den Militärdienst im 19. Jahrhundert und im 1.Weltkrieg auch als Mittel zur Erlangung der Gleichstellung ansahen. Im 2. Weltkrieg waren sie vom Wehrdienst ausgeschlossen, Soldaten teilweise jüdischer Abstammung wurden nach und nach aus der Wehrmacht herausgedrängt. Die Darstellung, die auch ausführliche Quellenzitate enthält, richtet sich an ein allgemeines Publikum. Thematisch vergleichbar ist der Begleitband zur Ausstellung "Deutsche Jüdische Soldaten" (Hamburg 1996, nicht angezeigt, noch lieferbar).
Die Böden unserer Erde sind die Lebensgrundlage allen terrestrischen Lebens. Die Böden regulieren den Wasserhaushalt, versorgen Pflanzen und Tiere mit Nährstoffen, speichern Kohlenstoff, filtern Wasser und sind selbst voller Leben. Mit all den Organismen erfüllen die Böden elementar wichtige Funktionen. Doch das Leben unter der Erde ist ebenso bedroht wie das darüber. Ähnliches gilt für die Wälder dieser Erde. Sie sind ähnlich vielfältig wie die Böden und erfüllen ähnliche Funktionen. So werden Böden und Wälder klimapolitisch im sogenannten LULUCF-Sektor (Land Use, Land-Use Change and Forestry – Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft) als mögliche Senken für CO2 zusammengefasst. Und auch in Hinblick auf Biodiversität sind beide Lebensräume wahre »Quellen«. So kann die vielzitierte Handvoll Boden mehr Lebewesen aufweisen, als Menschen auf der Erde leben. Intensive Landnutzung, Flächenversiegelungen, Bodenerosionen, Übernutzung und übermäßiger Einsatz von Chemie setzen den Böden wie den Wäldern gleichermaßen zu. Das bleibt häufig unbemerkt. Was auch daran liegt, dass diese Bedrohung in Politik und Gesellschaft noch zu wenig Beachtung findet. Um der Dringlichkeit des Schutzes der Böden gerecht zu werden, ist schnelles politisches Handeln notwendig und verbindliche Rechtsrahmen gefragt. Ein größerer Anteil der Gelder, die für die gemeinsame europäische Agrarpolitik zur Verfügung stehen, müssen gezielter für bodenschützende Maßnahmen verwendet werden. Soil degradation and forest destruction - two causes for the threat to biodiversity: The soils of our earth are the basis of all terrestrial life. Soils regulate the water balance, supply plants and animals with nutrients, store carbon, filter water and are themselves full of life. With all the organisms, soils fulfil elementarily important functions. But life below ground is just as threatened as above. The same applies to the forests of this earth. They are similarly diverse as the soils and fulfil similar functions. Soils and forests are grouped together in the so-called LULUCF sector (Land Use, Land-Use Change and Forestry) as potential sinks for CO2. And both habitats are also true »sources« in terms of biodiversity. For example, the much-cited handful of soil can contain more living organisms than there are people on earth. Intensive land use, land sealing, soil erosion and the excessive use of chemicals are affecting soils and forests alike. This often goes unnoticed. This is also due to the fact that this threat still receives too little attention in politics and society. In order to meet the urgency of soil protection, rapid political action is necessary and binding legal frameworks are required. A larger share of the funds available for the common European agricultural policy must be used more specifically for soil protecting measures. Degradación del suelo y destrucción de bosques - dos causas de la amenaza a la biodiversidad: Los suelos de nuestra tierra son la base de toda la vida terrestre. Los suelos regulan el equilibrio hídrico, suministran nutrientes a las plantas y animales, almacenan carbono, filtran el agua y están llenos de vida. Con todos esos organismos, los suelos cumplen funciones fundamentalmente importantes. Pero la vida debajo de la superficie está tan amenazada como la de sobre la superficie. Lo mismo sucede con los bosques terrestres. Son tan diversos como los suelos y cumplen funciones similares. En términos de política climática, los suelos y los bosques son tratados en el area llamada LULUCF (Uso de la tierra, Cambio de uso de la tierra y Silvicultura) y considerados como sumideros potenciales de CO2. Ambos hábitats son »fuentes« reales de biodiversidad. De modo que el muy citado puñado de tierra puede contener más organismos vivos que seres viviente sobre la tierra. El uso intensivo de la tierra, el sellado de superficies, la erosión del suelo, la sobreexplotación y el uso excesivo de productos químicos afectan tanto a los suelos como a los bosques. Esto a menudo pasa desapercibido. Lo cual también se debe al hecho de que la política y la sociedad aún prestan muy poca atención a esta amenaza. Para hacer justicia a la urgencia de proteger el suelo, es necesaria una acción política rápida y un marco legal vinculante. Un mayor apoyo financiero debe estar disponible para la política agrícola europea - específicamente para más medidas de protección del suelo.
Durch unsere Kenntnis der Gattungskonventionen der Oper haben wir uns mittlerweile an das Grunddilemma dieser Form gewöhnt, nämlich dass die Bühnenfiguren singen, anstatt zu sprechen. Ob die Musik nun lediglich für das Publikum bestimmt oder für die Figuren selbst wahrnehmbar ist, ist für uns nicht nachvollziehbar; eben deshalb gibt es dazu verschiedene Ansichten in der Musiktheatertheorie. Die bloße Anwesenheit der Musik zeugt davon, dass sie einen Zweck, eine gewisse Funktion für das Drama haben muss. Bemerkenswerterweise fehlte aber bislang eine systematische Erforschung; nur "am Wegesrand" (S.13) konnte man in der Fachliteratur immer wieder einzelne Funktionsbeschreibungen von Musik finden. Dana Pflüger, studierte Musikdramaturgin und promovierte Musikwissenschaftlerin, versucht im vorliegenden Band diese Funktionen der Musik in der Oper zu bestimmen, in einem eigenen System zu klassifizieren und dieses anschließend am Beispiel ausgewählter Szenen aus Albert Lortzings Opern anzuwenden. Musik und Handlung verbirgt den systematischen Duktus einer wissenschaftlichen Arbeit – Pflüger dissertierte 2016 mit dieser Abhandlung – nicht. So beginnt der Text mit der Etablierung der Forschungsfrage, was denn eigentlich 'Funktionen der Musik' seien und welchen Mehrwert die Musik für theatrale Darstellungsformen biete. Dabei arbeitet Pflüger mit einem weiten Opernbegriff, entwickelt sie doch ein Funktionssystem, dass für alle Gattungen gelten soll, in denen "Handlung mit Musik verbunden ist" (S. 11). Die von Pflüger fokussierte Musiktheatralität umfasst unter gewissen Umständen etwa auch den Film. Der Theorieteil beginnt mit der Beobachtung, dass bislang nur einige wenige musikalische Funktionen in der Oper systematisch untersucht wurden. Im Kapitel "Opernmusik" wird also zum einen die zweifellos meistdiskutierte musikalische Funktion des Leitmotivs in mehrere Unterfunktionen aufgeschlüsselt, zum anderen die drameninhärente Musik auf ihre Funktionalität hin untersucht. Pflüger stützt sich hierbei vor allem auf die Forschung ihres Dissertationsbetreuers Thomas Betzwieser zur Dialogoper: Durch die Abwechslung von gesungener und gesprochener Sprache wird die Drameninhärenz der Musik deutlich; Pflüger geht konsequenterweise noch einen Schritt weiter, indem sie auch die deutliche Trennung von Musik in der Handlung und Musik außerhalb der Handlung ("vermittelnde Musik", S.26) herausstreicht. Im selben Kapitel wird der Leser auch mit zwei Theoretikern konfrontiert, welche für diese Arbeit essentiell sind. Zunächst präsentiert Pflüger die Ergebnisse von Peter Petersens Untersuchung Funktionen der Musik in der Oper, die eine "Vorstufe zu einem grundlegenden Funktionssystem" (S.30) darstelle. Anschließend werden noch zwei sich widersprechende Denkmodelle Edward T. Cones verhandelt, welche sich mit der Frage beschäftigen, wie die Opernfiguren selbst Musik wahrnehmen. Die Grenze zwischen drameninhärenter und vermittelnder Musik, so geht aus der Diskussion dieser Modelle klar hervor, ist unscharf; bereits an diesem Punkt wird deutlich, dass diese Unterscheidung wesentlich für die Systematisierung von musikalischen Funktionen sein wird. Im Kapitel "Theaterwissenschaft" geht es dann in erster Linie um verschiedene Adaptionen von Pfisters narratologischem Kommunikationsmodell für die Oper durch Petersen, Betzwieser und Gostomzyk. Pflüger geht hierbei immer nach demselben Muster vor: Die Ansätze werden einzeln präsentiert, anschließend kritisch bewertet und auf ihre Tauglichkeit für ein neues Funktionsmodell geprüft. Ausführlich behandelt der Band auch den theatersemiotischen Ansatz Erika Fischer-Lichtes und dessen Potential für die Oper. Dabei steht die Frage im Mittelpunkt, ob Musik ohne außermusikalischen Bezug überhaupt ein Zeichen sein kann. In der Bewertung dieses Ansatzes und Julia Liebschers Adaption desselben für die Oper scheinen zwei Kritikpunkte zentral: Erstens rücke im Operngesang die Verständlichkeit oft in den Hintergrund, sodass er nicht mehr primär als sprachliches Zeichen bewertet werden könne; zweitens sei die Funktion des Orchesters als außerdramatische Erzählinstanz inkompatibel mit dem semiotischen Modell. Dabei wird deutlich, wie sehr Dana Pflüger im 'literary-review'-Teil auf Vollständigkeit setzt, auch wenn die verschiedenen präsentierten Ansätze zwar nicht verworfen, so doch auf einzelne Punkte reduziert werden und dadurch nicht immer unmittelbar relevant für die eigene Theoriebildung wirken. Nach einem kurzen Kapitel über die Funktion der Schauspielmusik widmet sich Pflüger der Filmmusikwissenschaft, welche bereits mehrere Funktionssysteme ausgearbeitet hat. Nun gelte es, diese Systeme und ihre Kompatibilität mit musiktheatralen Formen zu erproben und sie im Anschluss in ein allgemeineres Funktionssystem zu überführen. Zu Beginn charakterisiert Pflüger anhand mehrerer theoretischer Modelle die Funktionalität von Filmmusik: Hervorzuheben ist hierbei Hansjörg Paulis Unterscheidung zwischen Bildton und Fremdton, die hier zum spezielleren Gegensatzpaar diegetisch/extradiegetisch weitergedacht wird, wobei es nicht mehr um die Quelle der Musik, sondern um die Wahrnehmung derselben durch die Figuren geht. Im nächsten Unterkapitel, "Filmmusik und Narratologie", wird der Film dann auch narratologisch in die Nähe der Oper gerückt. Genauso wie das Orchester als Erzählinstanz des Musiktheaters und als Kommunikationsmedium des Komponisten gedeutet wurde, so fragt man sich auch im Film, ob die zu hörende Musik zum impliziten Filmemacher oder zum filmischen Erzähler gehört. Auch wird der Film als Kunstform geschildert, der durch seine Erzählinstanzen Kameraführung bzw. Schnitt und Musik in größerer Nähe zum Roman steht als zum Theater. Indem Pflüger den Film mit der Oper ontologisch engführt, gelingt es ihr überzeugend, den Transfer von filmmusikwissenschaftlichen Funktionssystemen in die allgemeinere Musiktheaterwissenschaft zu rechtfertigen. Um die narratologische Nähe der beiden Kunstmedien herauszustreichen, präsentiert die Autorin im Anschluss exemplarisch sechs bedeutende Funktionssysteme für Filmmusik. Diese Verwandtschaft von Film und Oper fordere "eine Zusammenführung der Ergebnisse geradezu heraus" (S.118). Pflüger baut ihr Funktionssystem im nun folgenden Hauptteil nach dem Vorbild der Filmmusikforschung tabellarisch auf, was einen Kontrast zur verschachtelten Struktur der Kommunikationsmodelle darstellt, die vorher oft zur Erläuterung der Funktionalität von Opernmusik verwendet wurden. Auch wird aufgrund der potentiellen Multifunktionalität der Musik das Streben nach einem möglichst einfachen Modell verworfen, "denn bei einer so komplexen Kunstgattung wie der Oper schiene es eher als unzulässige Vereinfachung, wenn das erklärende System ihr in seiner Komplexität nicht mindestens ebenbürtig wäre" (S.119). Ob dieser Umkehrschluss sinnvoll ist oder nicht, sei dahingestellt; ihr Versprechen löst die Autorin jedenfalls ein. Pflügers Modell basiert auf der grundlegenden Unterscheidung zwischen Metafunktionen und dramatischen Funktionen. Als Metafunktionen werden in Anlehnung an Pauli Faktoren bezeichnet, die ihre Funktion außerhalb des jeweiligen Werkes finden – nämlich genre- und zeitspezifische Konventionen, Inter- und Binnentextualität, sinnlich-persuasive und ökonomische Faktoren. Dramatische Funktionen jedoch stehen im Bezug zum jeweiligen Werk. Die Autorin unterteilt sie zunächst in extradiegetische (Musik als Kommentar) und diegetische (Musik als Bericht) Funktionen; erstere werden nochmals in strukturelle und inhaltliche Funktionen unterteilt, letztere in Unhörbares als Musik, Geräusche als Musik und drameninhärente Musik. Dana Pflügers Funktionssystem kann also als Resümee der vor ihr entwickelten musikalischen Funktionssysteme gesehen werden, wobei sie neben filmmusikwissenschaftlichen Modellen auch Erkenntnisse aus narratologischen Kommunikationsmodellen und opernwissenschaftlich bereits diskutierten Funktionen übernimmt. Das neu erarbeitete Konzept wird nun exemplarisch an Albert Lortzings speziellem Umgang mit Musik in seinen Opern erprobt. In der Singschul-Szene von Zar und Zimmermann wird etwa neben als Stilprinzip eingesetzten Motiven das Hin- und Herspringen zwischen drameninhärenter und nicht-drameninhärenter Musik thematisiert: So wie der Chor scheint auch das Orchester für sich an einer Kantate 'herumzuprobieren', sodass erst zum Schluss der Probe ein harmonisches Zusammenspiel in C-Dur erreicht werden kann. Ein ähnlicher Wechsel kann in der Metaoper Die Opernprobe beobachtet werden, in welcher der Kontrast zwischen drameninhärenter und nicht-drameninhärenter Musik immer undurchsichtiger wird. Ein weiteres Beispiel aus Zar und Zimmermann, das Sextett, zeigt auf, wie durch den Wechsel von kontemplativen und handlungstreibenden Teilen zwei getrennte Handlungsstränge parallel fortgesponnen werden können. Am Beispiel des Freiheits- und des Rocco-Motivs in Casanova wird dann eine metafunktionale Verwendung von Musik beschrieben, eine politische Kommentierung durch die Musik nämlich, die nicht zensierbar ist. In einer scharfen Analyse legt Pflüger überzeugend dar, wie "das Streben nach Freiheit [durch starke musikalische Repräsentation] zum zentralen Thema der Oper erhoben" (S.210) wird. Abschließend wird noch die gesellschaftskritische Metafunktion der Fünftausendtaler-Arie aus dem Wildschütz aufgearbeitet. Dana Pflügers erklärtes Ziel ist es, "ein System zu erstellen, das Gültigkeit für alle Kombinationen von Musik und Handlung beanspruchen kann" (S.119) – dass der Fokus auf der Oper liegt, solle lediglich unterstreichen, dass dieses das erste musikalische Funktionssystem sei, das auch für die Oper gelte. Zu diesem Zweck hat Pflüger ein tabellarisches System erstellt, dem zahlreiche ältere musikfunktionale Modelle zugrunde liegen. Der Leser erhält durch die intensive Beschäftigung mit diesen Vorgängermodellen einen guten Überblick über den aktuellen Forschungsstand, sodass der erste Teil von Musik und Handlung auch eine detaillierte Zusammenfassung für eine Beschäftigung mit dem Thema 'Funktionen der Musik' bietet, die aber im Kontext der eigenen Theoriebildung vielleicht etwas zu ausführlich ausgefallen ist. Ob dem neuen System wirklich Allgemeingültigkeit zukommen kann, bleibt abzuwarten. Der letzte, praktische Teil des Buches jedoch legt eindrücklich dar, dass Pflügers musikalisches Funktionssystem zumindest für Lortzings Opern ein fruchtbares Analyseinstrument darstellt.
In der Romantik wurden Shakespeares Dramen vielfach als Werk eines so rezipierten 'Genies' verstanden, das dazu in der Lage war, die rigide Enge des klassischen Regeldramas zu überwinden. Vielerorts galten Shakespeares Stücke als Ideal des 'neuen' romantischen Dramas; in seinem Œuvre suchte man nach neuen Vorbildern. Die Shakespeare-Begeisterung des 19. Jahrhunderts ist auch an der Frequenz und der (bis heute andauernden) Beliebtheit von laufend erscheinenden Opernadaptionen seiner Werke ablesbar. Viele dieser Stücke stammen aus der Feder der erfolgreichsten und profiliertesten Komponisten und Librettisten dieses Jahrhunderts; nicht zuletzt deshalb gilt Shakespeare als einer der fruchtbarsten Vorlagengeber für das Musiktheater dieser Zeit. Anhand einiger ausgewählter Opernadaptionen von Shakespeares Werken versucht Alina Borkowska-Rychlewska die Verknüpfung zwischen der typischen Opernsprache des 19. Jahrhunderts und der romantischen Shakespeare-Rezeption aufzuzeigen: Musiktheater spiegle nämlich – oftmals auch unbewusst – die zeitgenössische, romantische Auffassung von Shakespeares Werken wieder. Die Autorin, assoziierte Professorin am Institut für Romantik des Institutes für Polnische Philologie an der Adam-Mickiewicz-Universität in Posen, teilt ihre Arbeit zu diesem Zweck in zwei große Abschnitte. Im ersten Teil werden einzelne Opern in ihrem Verhältnis zur jeweiligen Vorlage untersucht, während im zweiten Teil die Aufführungsgeschichte von Shakespeares Werken und deren musiktheatrale Adaption in Polen, die sich vor allem auf die Warschauer Bühne konzentrierten, vorgestellt wird. Im ersten Teil, "Towards Drama", begutachtet Borkowska-Rychlewska acht Opernadaptionen. Bereits in der einleitenden Analyse von Shakespeares A Midsummer Night's Dream wird die inhärente Musikalität von Shakespeares Werken betont, die später auch auf die Oper angewandt werden soll. Die Musik sei bei ihm ein kompositorisches, strukturelles Element, welches in diesem Fall die übernatürliche von der natürlichen Welt trenne. Die Autorin bezieht sich hierbei auf Ludwig Tieck, der Musik für eines der Hauptmittel zur Erzeugung des Wunderbaren hielt; neben Tieck werden auch Schlegel, Hugo und Madame de Staël in der Publikation noch häufiger angeführt, auf deren theoretischen Überlegungen zur Romantik die analytischen Teile der Arbeit hauptsächlich fußen. Musikalische Mittel, so die Autorin weiter, können sowohl Chaos als auch Ordnung schaffen – und gliedern in diesem Sinn auch die Sphären im Midsummer Night's Dream. Die 'reale Welt' des Stücks werde durch eine "disharmony which is harmonious" (S. 27) geprägt, worin sich bereits ein wichtiges ästhetisches Credo der Romantik offenbart: die Schönheit des natürlichen Chaos. Nebenbei werde im antithetischen Charakter der Stückstruktur, in der etwa die übernatürliche und die natürliche Welt, aber auch etwa Titania und Oberon diametral gegenüberstellt werden, auch der Einfluss der masque auf Shakespeares Bühnenkonzeption deutlich. Auch Carl Maria von Webers Oberon, dessen Singspielform indirekt auf die Tradition der masque zurückgeht, zeichne sich durch die für Shakespeare typische und in der Romantik gefeierte Tendenz aus, starke Widersprüche miteinander zu vermengen; was bei Shakespeare im Text deutlich wird, spiegle sich im Oberon vor allem in der Musiksprache Webers. Diese Charakteristika werden in den nächsten Kapiteln immer wieder aufgegriffen und variiert. Im Anschluss folgt ein Kapitel über Jacques Fromental Halévys und Eugène Scribes Oper La Tempesta. Bereits in Shakespeares Stück sei die Musik – wie für ihn üblich – handlungstreibend und berge eine harmonisierende Wirkung, die in diesem Fall eine "spiritual transformation" (S. 41) der Figuren bewirke. In der Opernbearbeitung sei jedoch laut der Autorin deutlich der Einfluss des Melodramas zu spüren: Die Handlung werde monosemiert, der Fokus des Plots liege hier auf der Liebesgeschichte und am Schluss der Oper stehe nunmehr der eindeutige Triumph des Guten über das Böse. Diese Melodramatisierung mache sich auch Verdi in Macbeth zu eigen: In der Hyperbolisierung der Figur der Lady Macbeth, die bei Shakespeare noch nicht so eindeutig die Rolle der Drahtzieherin innehatte, zeige sich eine für das Melodrama charakteristische Typisierung. Generell sei auch hier eine Faszination mit dem Übernatürlichen zu beobachten, was sich vor allem in den Hexen niederschlage. Bereits Schlegel beobachtet, dass diese auch in ihrer Abwesenheit immer in irgendeiner Form anwesend seien – ein Eindruck, den Verdi durch den auf die Sphäre des Übernatürlichen beschränkten Gebrauch von a-moll und A-Dur sowie e-moll und E-Dur aufrechterhält. Verdi verstehe es aber ebenso gut, die romantische Auslegung der Shakespeare'schen 'Dramaturgie der Gegensätze' in seine Oper einzubeziehen, was vor allem in den gemischten Stilebenen des Hexenchors und dem heiteren Mörderchor vor dem Anschlag auf Banco zum Ausdruck komme. Die mittlerweile ausführlich diskutierten Standardelemente der "Operisierung" Shakespeares im 19. Jahrhundert – Typisierung, Harmoniestreben, Gegensätzlichkeit – tauchen auch in Gounods, Barbiers und Carrés Roméo et Juliette auf. Hierbei rückt mit der Liebesthematik ein weiteres romantisches Element in den Vordergrund: Ab dem Zeitpunkt, in welchem sich Romeo und Julia verlieben, wandle sich die zunächst recht konventionelle Musiksprache zu einem individuelleren Stil, der das romantische Postulat der subjektiven Wahrheit widerspiegle; das Paar werde von nun an musikalisch als eine einzelne Figur behandelt, was ebenfalls dem romantischen Ideal der Ganzheit entspreche. Ambroise Thomas' Hamlet hingegen zeichne sich vor allem durch die Vereindeutigung seiner Charaktere aus. Ophelias Wahnsinn werde klar durch die enttäuschte Liebe zu Hamlet ausgelöst, während letzterer im Vergleich zur Vorlage konkrete Gründe habe, Ophelia zu verstoßen. Auch hier zeige sich wieder das Schwarz-Weiß-Denken des Melodramas, welches die französische Hamlet-Tradition bereits vor Thomas' Vertonung entscheidend mitgeprägt habe. Abschließend widmet sich Borkowska-Rychlewska den beiden Alterswerken Verdis. In Otello erkennt sie die romantische Idee wieder, nach der die spontane, ungezügelte Emotion die Essenz des Universums bilde. Bereits Rossinis Otello-Adaption, welche bezeichnenderweise die Konvention des lieto fine ignoriert und damit die Schönheit des Furchtbaren betone, zeichne sich durch ihre stereotype Emotionalität und Geschlechterordnung dezidiert als romantische Oper aus. Die Charaktere Iagos und Desdemonas werden von Verdi und Boito aber noch weiter ins Extreme gerückt, was die romantische Antinomie von Gut und Böse ins dramatis personae übersetze. Die innovative Musiksprache und die thematische Variation der Oper mache jedoch deutlich, dass es sich hier nur noch um einen Nachhall der romantischen Epoche handele. Auch wenn Verdis und Boitos Falstaff – ganz im Sinne Hugos – Erhabenheit und Groteske, Pathos und Gewöhnlichkeit vermische, so markiere sich die Oper durch ihren stark parodistischen Charakter, der den Weltschmerz des romantischen Helden ebenso aufs Korn nehme wie die Stereotypien des Melodramas, als Werk, das die Romantik bereits überwunden zu haben scheint. Gleichzeitig hätten Verdi und Boito aber – zumindest aus der Sicht des 19. Jahrhunderts – "a work more Shakespearean than the original" (S. 170) geschaffen. Im zweiten Hauptkapitel des Buchs, "Towards Theatre", gibt die Autorin einen Überblick über die polnische Rezeptionsgeschichte einiger dieser Opern. Dieser Teil, der gut ein Drittel der Arbeit ausmacht, kommt einigermaßen überraschend, wird er doch weder im Titel der Publikation noch im Klappentext thematisiert. Dabei ist Borkowska-Rychlewskas Ansatz stark polenzentriert, auch was die benutzte Literatur anbelangt. In Bezug auf die Geschichte der Opernrezeption im Polen des 19. Jahrhunderts, die in der englischsprachigen Community noch kaum behandelt wurde, schafft die vorliegende Publikation, selbst eine Übersetzung der polnischen Erstausgabe von 2013, hierdurch tatsächlich einen guten Überblick und einen geeigneten Startpunkt zur Untersuchung des polnischen Opernsystems im europäischen Kontext. Wieso dieser Umstand sowohl in der Verlagsinformation als auch im Paratext verschwiegen wird, bleibt jedoch schleierhaft. Anhand von fünf Werken wird hierbei nun der Versuch unternommen, am Beispiel der Warschauer Bühne nachzuzeichnen, wie die Shakespeare'schen Originalwerke im 19. Jahrhundert durch den Geist der Romantik langsam die Bearbeitungen im klassizistisch-konventionellen Stil wieder ablösten und die Bühne zurückeroberten. An dieser Entwicklung, so die These, habe auch die Oper ihren Anteil gehabt: Erst durch die quasi-shakespearianische Dramaturgie der romantischen Oper und die enthusiastische Aufnahme durch die Kritik sei eine Rehabilitierung des Dramatikers auf der Theaterbühne möglich geworden. Rossinis Otello wurde beispielsweise als Werk der universalen Romantik aufgefasst, das eben durch seine dezidiert kosmopolitische Tendenz auch ein Substitut für die sich erst langsam etablierende polnische Nationaloper darstellen konnte. Verdis Macbeth punktete trotz einiger Kritik durch den Einfluss des Übernatürlichen, die konsistente Psychologisierung der Figuren und das Übernatürliche – durch Qualitäten also, welche frühere Bearbeitungen konsequent zurückgeschraubt hatten. Gounods Roméo et Juliette wurde aufgrund der getilgten Widersprüchlichkeit kritisiert, obwohl das Werk selbst sozusagen auf einer Antithetik beruhe, wenn auch auf jener der melodramatischen Konventionalität; auch Thomas' Hamlet stand aus denselben Gründen in der Kritik. Verdis Otello hingegen drücke durch seine Verbindung von Melodik und Harmonik das romantische Konzept der Ganzheitlichkeit aus und könne somit getrost als "a musical Schlegel" (S. 256) bezeichnet werden kann. Shakespeares Werke, so kommt die Autorin zum Schluss, seien ideale Vorlagen für Opernadaptionen, da sie Gefühle direkt adressieren; besonders der "Romantic anthropocentrism" (S. 277) und sein Streben nach Ganzheit füge sich perfekt in die Dramaturgie des englischen Dramatikers ein. Shakespeare-Opern seien aber vor allem auch als Symptom der romantischen Musiklandschaft bewertbar, die per se bereits extrem homogen und vielfältig sei. Alina Borkowska-Rychlewska schafft es, uns einen guten Überblick über dieses weite Feld zu geben, der durch die Konzentration auf einige wenige Beispiele an manchen Stellen leider etwas zusammenhanglos wirkt, aber dennoch durchwegs fundierte Analysen bietet. Auch ein genaueres Lektorat, vor allem bei musikalischen Fachbegriffen und Personennamen, wäre wünschenswert gewesen. Dennoch bietet die Autorin vor allem im ersten Teil einige interessante Interpretationen und Adaptionsanalysen: besonders die Kapitel über Macbeth, Otello und Falstaff sollen an dieser Stelle hervorgehoben werden. Und auch für Recherchen über die Warschauer Oper des 19. Jahrhunderts und deren Rezeption ist die Publikation gewinnbringend – deshalb ist es allerdings verwunderlich, dass man erst vom inhaltlichen Fokus auf polnische Operngeschichte erfährt, wenn man das Buch bereits aufgeschlagen hat.
Die Frage nach dem Verhältnis von Wort und Ton, Libretto und Komposition durchzieht die gesamte 400-jährige Operngeschichte; sie wurde bereits ausgiebig diskutiert und je verschiedentlich beantwortet. Hanjo Kesting legt mit seinem Buch Bis der reitende Bote des Königs erscheint gewissermaßen eine Einführung in das Thema vor. Anstatt jedoch historische Entwicklungen linear aufzuzeigen, setzt der Autor auf lebendig erzählte Episoden, die einen Eindruck vermitteln sollen von der Entstehung bedeutender Kunstwerke und von der Schwierigkeit künstlerischer Zusammenarbeit. Kesting, langjähriger Kulturredakteur und Verfasser zahlreicher Schriften zu literarischen und musikalischen Themen, liefert in seinem Buch 19 essayistische Portraits, welche Wechselwirkungen zwischen Literatur und Musik in ihrer jeweiligen Zeit beispielhaft darstellen. Das Buch wird von einer kurzen Skizze der Problematik eingeleitet. Der anschließende Hauptteil ist in vier Abschnitte gegliedert; der erste Teil behandelt das 18. Jahrhundert in beispielhaften Episoden. Die drei darauffolgenden Teile beschäftigen sich mit dem 19. Jahrhundert, der Operette und dem 20. Jahrhundert. Bezeichnenderweise beginnt Kesting seine 'Geschichte' nicht etwa mit einem Librettisten der frühen höfischen Oper wie Ottavio Rinuccini, sondern mit Pietro Metastasio. Dieser hatte mit seiner metrischen Exaktheit die Standardisierung der Form ermöglicht und verlieh ihr "eine bis dahin unbekannte Ordnung" (S. 36); er prägte die Opernlibrettistik somit noch bis weit ins 19. Jahrhundert entscheidend mit. Seinen Libretti bescheinigt Kesting einen derart hohen künstlerischen Anspruch, dass er vom "Dichterfürst Metastasio" (S. 38) schreibt; für Kesting präsentiert sich Oper hier erstmals als 'literarisch wertvolles' Phänomen. Lorenzo Da Pontes Zusammenarbeit mit Mozart beschreibt er im Folgenden vor allem in Hinblick auf die politisch-sittlich brisante Dimension in Le nozze di Figaro, Don Giovanni und Così fan tutte, welche der Librettist als geschickter Bearbeiter sogar dem Kaiser schmackhaft machen konnte. In seiner Abhandlung zur Zauberflöte ist Kesting insbesondere daran gelegen, Emanuel Schikaneder zu verteidigen, der "eine Textvorlage schuf, an der Mozarts Genie sich entzünden konnte" (S. 78), "wenn es auch Mozart war, der die bunte Theaterwelt erst zu wirklichem Leben erweckte" (S.87). Hier sei kein klassisches literarisches Genie am Werk, jedoch ein Theatermann, der es verstanden habe, "ein[en] Flickenteppich von bunter, ja chaotischer Vielfalt" (S. 81) in ein "einfaches, planes Handlungsgerüst" (S. 81) zu verpacken; Kesting will dieses "– angebliche oder wirkliche – Missverhältnis von Text und Musik" (S. 78) untersuchen. Dabei wählt er wiederum einzelne, illustrierende Beispiele aus, anstatt seine Verteidigung systematisch zu argumentieren. Die geschickte Planung des Buches verdeutlicht Kestings Standpunkt dennoch, oft auch implizit. Etwa, wenn der Autor – mehr zwischen den Zeilen – aufzeigt, dass die Oper in der Zeit des späten Mozart ein gutes Libretto genauso benötigte wie gute Musik. In seiner Apologie Schikaneders, dessen Libretto vielfach aufgrund seiner "läppische[n] Handlung" und seines "triviale[n] Text[es]" (S. 78) kritisiert wurde, blitzt bereits die recht subjektive Färbung durch, welche sich durch den ganzen Band ziehen wird. Ein weiteres Problem des Buchs zeigt sich im ersten Kapitel des zweiten Teils, der dem 19. Jahrhundert gewidmet ist: Zwar wird die Entstehung von Carl Maria von Webers und Friedrich Kinds Freischütz aus einer Volkssage heraus beschrieben, doch geht es hier überwiegend um die Musik und die Wirkung von Oper anstelle des literarisch-musikalischen Verhältnisses. Besser gelungen sind die Portraits von Felice Romani und Eugène Scribe. Während ersterer die Komprimierung der Szene anstrebte, machte letzterer als berühmtester Librettist Frankreichs die Praxis der Arbeitsteilung zu einem oft nachgeahmten Modell. Doch auch im Scribe-Kapitel lässt sich Kesting mit einer Diskussion der Wagnerschen Kritik an Giacomo Meyerbeer zu einem Exkurs hinreißen, der – wenn auch aufschlussreich – etwas vom eigentlichen Thema wegführt. Giuseppe Verdis Kollaboration mit Francesco Maria Piave, geprägt nicht nur durch immense Produktivität, sondern auch durch die chronische Unzufriedenheit des Maestros mit seinem Librettisten, zeigt dem Leser wiederum ein spezifisches Wort-Ton-Verhältnis auf: Piave wurde von Verdi zunehmend zum "bloßen Versifizierer vorgegebener Prosaentwürfe" (S. 147) degradiert; freilich ist diese Zusammenarbeit "weit entfernt von dem imperialen Diktat, mit dem hundert Jahre zuvor ein Dichter dem Komponisten huldvoll die Vertonung seiner wertvollen Texte erlaubt hatte" (S. 158). Auch wenn diese Gegenüberstellungen vielleicht etwas simplifiziert wirken, zeigt sich hier Kestings roter Faden in der Betrachtung der dynamischen Wechselwirkungen von Musik und Text in der Operngeschichte. Verdi bildet aber durch seine beiden letzten Arbeiten, nunmehr mit Arrigo Boito als Librettisten, sozusagen eine doppelte Übergangsfigur: Ihre Opern erhalten Kesting zufolge durch die unerhörte Verskunst des "Librettist[en] Boito, der keiner sein wollte, und de[s] Komponist[en] Boito, der sich oft keiner zu sein getraute" (S. 164) und die Feinarbeit in dramaturgischen Fragen erneut einen höheren künstlerischen Anspruch. Deutlich wird Boitos spielerische Raffinesse am besten in der übersichtlich präsentierten Gegenüberstellung von Strophen, etwa aus dem Falstaff und aus Nicolais Die lustigen Weiber vom Windsor, welche sich demselben Sujet bedienen. Eine Sonderstellung nimmt das nächste Kapitel ein. Ging es bis hierhin hauptsächlich um jeweils eine bedeutende künstlerische Zusammenarbeit, so werden nun konkret Goethes Faust und seine operatischen Bearbeitungen thematisiert. Bis hierhin wurden fast ausschließlich die 'opernimmanenten' Dynamiken beleuchtet; nun illustriert Kesting den Einfluss, welche Literatur als eigenständige Form auf die Oper hatte; anhand der Vertonungen von Gounod, Boito und Busoni wird der Faust in verschiedenen kulturellen Kontexten skizziert. Sehr gelungen ist auch die Untersuchung Richard Wagners als 'Dichter', in welcher Kesting der "bis ans Verlachen grenzende[n] Kritik" (S. 188) an seinen Operntexten entgegenhält und sowohl die Entwicklung des Wagnerschen Dramas von Anfang an nachzeichnen als auch Wagners Ansichten zur 'Möglichkeit' der Oper als Gesamtkunstwerk anreißen will. Der Vergleich von George Bizets Carmen mit der gleichnamigen Novelle von Prosper Mérimée führt dem Leser wiederum anschaulich die strukturellen und konventionellen Divergenzen von Literatur und Oper sowie die Bedingungen der Vertonung vor. Dem relativ langen Teil über die Oper des 19. Jahrhundert schließt sich ein Abschnitt über die Operette an. Der Erfolg von Offenbachs gesellschaftskritischen, aber immer publikumsorientierten Arbeiten – so zeigt Kesting – habe dem Librettistenduo Meilhac und Halévy viel zu verdanken; dennoch wurden seine Operetten stark kritisiert – auch in der Literatur, wie das Beispiel Émile Zolas zeigt. Im Portrait von Johann Strauß Sohn argumentiert Kesting, dass das Musiktheater mittlerweile ohne gute Textgrundlagen keine Aussichten auf Erfolg mehr hätte haben können. "Viel spricht dafür", meint Kesting, "dass ihm für seine Operetten nur Textautoren vom Schlage des Pariser Librettisten-Gespanns Meilhac und Halévy fehlten" (S. 278); sein erfolgreichstes Werk, die Fledermaus, fußt bezeichnenderweise auf der Vorlage der beiden. Leider krankt das darauffolgende Kapitel über Ralph Benatzky am selben Problem wie zuvor bereits die Ausführungen über den Freischütz, sogar in noch stärkerer Ausprägung: Ist mit dem präzisen, anschaulichen Stil, den Benatzky in seinen Tagebüchern pflegt, der Bezug zur Literatur bereits zur Genüge gegeben? Leider scheint Kesting hier das Thema etwas zu verfehlen, auch wenn die Biographie des Komponisten lebendig gezeichnet ist. Ein weiterer Höhepunkt des Bands, die Beschreibung der Zusammenarbeit zwischen Strauss und Hofmannsthal, leitet den abschließenden vierten Teil über das 20. Jahrhundert ein. Kesting konzentriert sich hier auf den Briefwechsel der beiden, welcher sowohl die persönlichen als auch die künstlerischen Verschiedenheiten, aber auch ihren hohen Anspruch dokumentiert. Das knappe Kapitel über Strauss und Zweig wirkt im Gegensatz dazu eher wie ein kurzer Nachtrag, wenn auch der politische Opportunismus Strauss' hier im Mittelpunkt steht. Der Band wird mit Kapiteln zu Strawinskys 'Rekonstruktion' der 'alten' Oper, Brechts 'epischer Oper', die "Stellung nehme und den Text auslege statt ihn bloß zu steigern" (S. 348) – der Titel der Monographie stammt übrigens aus der Dreigroschenoper – und Wystan Hugh Auden, dem 'letzten Operndichter', und seiner Arbeit mit Strawinsky und Henze abgeschlossen. Kesting deutet durch diese Rückbesinnung an die Größe des Textes in der Oper des 18. Jahrhunderts eine Art Kreislauf im künstlerischen Formbewusstsein an und rundet damit sein Buch gekonnt und logisch nachvollziehbar ab. Die immer wieder aufblitzende Subjektivität und die relativ kleine Anzahl von zitierter wissenschaftlicher Literatur soll hier kein Kritikpunkt sein – um bahnbrechende wissenschaftliche Erkenntnisse geht es Hanjo Kesting in Bis der reitende Bote des Königs erscheint auch nicht. Auffällig ist jedoch die nur selten aufblitzende Thematisierung der theatralen und aufführungspraktischen Dimensionen der Oper, die ja wesentliche Faktoren dieser Kunstform sind. An manchen Stellen wird der Leser den Eindruck nicht los, dass Kesting die Oper 'nur' als Text-Musik-Gefüge betrachtet. Dabei skizziert er eine recht linear gedachte Operngeschichte, die durch beispielhafte Kollaborationen präsentiert wird; in den meisten Fällen sind die gewählten Punkte jedoch aussagekräftig, sodass das jeweils unterschiedliche Wort-Ton-Verhältnis für den Leser greifbar wird. In diesem Kontext ist die Konzentration auf und der starke Einsatz von zeitgenössischen Quellen ein Pluspunkt: Dies macht die Schilderungen lebendig, auch wenn ein übersichtlicherer Literaturnachweis wünschenswert wäre. Sehr wohl ein Kritikpunkt sind hingegen die bereits angesprochenen Exkurse; dazu zählen auch die wiederholten Seitenhiebe auf das 'Regietheater', die selbst dann wie ein 'ceterum censeo' klingen müssen, wenn der Leser derselben Meinung sein sollte wie der Autor. Diese Mängel schmälern die Qualität des Bandes aber nur unwesentlich: Kesting liefert eine anschauliche Einführung in das Thema, die nicht nur für Quereinsteiger und operninteressierte Laien lesenswert ist.
Unterlassen die Vorstände deutscher Unternehmen wirtschaftlich sinnvolle Investitionen, um einer auf Quartalszahlen fokussierten Financial Community befriedigende Ergebnisse präsentieren zu können? In der vorliegenden Arbeit wird die Frage nach der Existenz von solch kurzfristigem Verhalten, bezeichnet als Managermyopie bzw. Managerial Myopia, sowie den Einflussfaktoren auf dieses Verhalten gestellt. Zur Beantwortung wurden eine postalische, anonymisierte Fragebogenumfrage unter den Finanzvorständen der CDAX-Unternehmen mit einer Rücklaufquote von 21% sowie teilstrukturierte Interviews durchgeführt. Die Ergebnisse liefern deutliche Hinweise auf die Existenz von kurzfristigem Verhalten. Die Faktoren Kapitalmarktdruck, Unternehmensgröße und Fremdkapitalquote besitzen einen statistisch messbaren Einfluss auf kurzfristiges Verhalten. Die Untersuchung liefert direkte Erkenntnisse über Kapitalmarktdruck, das tatsächlich ausgeübte Maß von kurzfristigem Verhalten und die aktuelle Debatte über die verpflichtende Einführung von Quartalsberichterstattung.:INHALTSVERZEICHNIS I ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS IV ABBILDUNGSVERZEICHNIS VI TABELLENVERZEICHNIS VII I. EINLEITUNG 1 1. HINTERGRUND 1 2. PROBLEMSTELLUNG, RELEVANZ UND NEUIGKEITSGRAD DER ARBEIT 3 3. AUFBAU DER ARBEIT 5 II. GRUNDLAGEN 7 1. MANAGERMYOPIE: BEGRIFFSBESTIMMUNG 7 2. AUSPRÄGUNGSFORMEN VON MANAGERMYOPIE 11 2.1. Aufwendungsmyopie 12 2.1.1. Forschung und Entwicklung 13 2.1.2. Werbung 14 2.1.3. Personalentwicklung 16 2.1.4. Sonstige Ausprägungsformen von Aufwendungsmyopie 17 2.2. Ertragsmyopie 17 2.2.1. Preiserhöhungen 18 2.2.2. Preissenkungen 19 2.2.3. Markenerweiterungen 22 2.2.4. Nutzung neuer Distributionskanäle 23 III. LITERATURÜBERBLICK 26 1. EINORDNUNG DER MANAGERMYOPIE-LITERATUR INNERHALB DER CORPORATE-FINANCE-LITERATUR 26 2. EINORDNUNG DER MANAGERMYOPIE-LITERATUR INNERHALB DER ACCOUNTING-LITERATUR 33 2.1. Einordnung der Managermyopie-Literatur innerhalb der angloamerikanischen Accounting-Literatur 33 2.2. Einordnung der Managermyopie-Literatur innerhalb der ...