ZusammenfassungDer Beitrag berichtet Ergebnisse zu 2 schweizweit repräsentativen Befragungsstudien. Im Jahr 2018 und erneut im Jahr 2021 wurden Erwachsene, die zum Befragungszeitpunkt mit einem Partner bzw. einer Partnerin zusammenlebten, nach dem Erleben verschiedener partnerschaftlicher Übergriffe in den letzten 12 Monaten gefragt. Die Ergebnisse zeigen, dass es im Zeitvergleich nicht zu einem Anstieg partnerschaftlicher Gewalt gekommen ist. Der Anteil an Befragten, die psychische Gewalt erlebt haben, beträgt 13,8 (Befragung 2018) bzw. 11,7 % (Befragung 2021), der Anteil an Befragten, die physische Gewalt erlebt haben, 2,9 bzw. 3,1 %. Die Stabilität der Prävalenzraten zeigt sich allerdings nicht für alle demografischen Gruppen: Bei jüngeren Befragten findet sich ein Anstieg physischer Gewalterfahrungen.
Wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse zu sexueller Belästigung sind in der Schweiz noch selten. Zwar gab es in den letzten 20 Jahren einige sozialwissenschaftliche Befragungen zu diesem Thema; diese erlauben es aber noch nicht, ein umfassendes Gesamtbild zu zeichnen. Das Wissen darüber, wo und in welchem Rahmen sich sexuelle Belästigungen ereignen, wie die Verhältnisse zwischen Tatpersonen und Opfer sind und wie sich die Delikte in den letzten Jahren entwickelt haben, ist noch unzureichend. Erschwert wird der gesellschaftliche, politische und juristische Diskurs durch die Verwendung von uneinheitlichen rechtlichen und sozialwissenschaftlichen Definitionen. Im Auftrag des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann (EBG) und dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) wurde deshalb eine wissenschaftliche Studie durchgeführt, welche folgende Ziele hatte: - Aufarbeitung der vorhandenen rechtlichen und sozialwissenschaftlichen Definitionen und Aufzeigen der Unterschiede und Gemeinsamkeiten - Erarbeitung eines verlässlicheren empirischen Bildes zur Verbreitung von sexueller Belästigung anhand der folgenden Quellen: Polizei- und Strafvollzugsstatistiken (Hellfeld); Befragungsstudien in der Schweiz und im Ausland (Dunkelfeld) - Aufzeigen von Lücken und best practices bei bestehenden Datenerhebungen - Durchführung von Expert:inneninterviews u.a. zum Thema Rechtsdurchsetzung sowie von Explorativ-Gesprächen zur Wissenserweiterung in Bezug auf verschiedene Betroffenengruppen und Formen von sexueller Belästigung Die Komplexität der Thematik zeigt sich anhand der weiten Fassung der sozialwissenschaftlichen Definitionen exemplarisch: Die gebrauchten Definitionen reichen von nicht körperlicher verbaler Belästigung und anzüglichen Blicken bis zu schwerer sexualisierter Gewalt. Auf der juristischen Seite findet sich im Strafgesetzbuch (Art. 198 StGB) eine relativ enge Definition, welche eingeschränkt ist auf niederschwellige sexuelle Handlungen von geringerer Intensität. Die zivilrechtliche Definition im Gleichstellungsgesetz (Art. 4 GlG) umfasst dagegen nicht nur geringfügige Verstösse, sondern auch gravierende Delikte bis hin zur Vergewaltigung, ist jedoch auf den Kontext der Arbeitstätigkeit beschränkt. Aus der Polizeilichen Kriminalstatistik geht hervor, dass im Jahr 2020 1'477 Geschädigte sexueller Belästigungen gezählt wurden und dass die Anzeigen seit 2014 eine ansteigende Tendenz zeigen. Die häufigsten erlittenen Belästigungen sind Berührungen oder verbale Belästigungen. Ergänzt man die Kriminalstatistik mit Zahlen aus den Befragungsstudien, kommt man zum Schluss, dass zwischen 20 % und 60 % der Frauen in der Schweiz in ihrem Leben schon einmal eine sexuelle Belästigung erlebt haben und zwischen 2 % und 10 % dies in den letzten 12 Monaten erlebt haben. Ein Grossteil dieser Taten dürfte sich am Arbeitsplatz ereignet haben und primär von Männern als Tatperson verübt worden sein, während die Opfer meistens weiblich sind. Frauen haben entsprechend eine rund fünf bis zehn Mal höhere Wahrscheinlichkeit als Männer, eine sexuelle Belästigung zu erleben. Ein spezielles Augenmerk sollte zudem Menschen mit Behinderungen und queeren Personen gelten, die aufgrund hoher Vulnerabilität und Intersektionalität besonders gefährdet sind. Diesbezüglich gilt insbesondere auch innerhalb dieser Betroffenengruppen zu differenzieren und beispielsweise je nach Form der Behinderung zu unterscheiden, da unterschiedliche Vulnerabilitäten, Viktimisierungsrisiken und Hürden in den Zugängen zu Strafverfolgung und Schutz bestehen. Bezüglich der Rechtsdurchsetzung hat sich in den Expert:inneninterviews gezeigt, dass die Strafverfolgung mit einigen Schwierigkeiten konfrontiert ist Mangel an Beweisen, Herausforderung der Abgrenzung zu anderen Deliktformen und bei der Bestimmung des «Schweregrades»). Die Datenlage in der Schweiz ist derzeit noch unzureichend: Die Kriminalstatistik (Hellfeld) bildet nur einen geringen Teil der sexuellen Belästigungen ab (tendenziell eher die gravierenderen Fälle zwischen fremden Personen). Die Dunkelfeldbefragungen wurden zudem nicht immer regelmässig erhoben (Ausnahme: Schweizerische Gesundheitsbefragung, die sexuelle Belästigung allerdings nur oberflächlich abbildet) und unterscheiden sich stark bezüglich methodischer Herangehensweise, Erhebungsgebieten, thematischen Schwerpunkten (Arbeitsort vs. öffentlicher Raum) und Erhebungsinstrumenten. Dadurch lassen sich die gefundenen Opferraten mit ihren Unterschieden nur vorsichtig interpretieren. Eine Definition von sexueller Belästigung muss deren Komplexität gerecht werden. Es wird deshalb die folgende Definition vorgeschlagen: Ein Verhalten, das unerwünscht ist, einen sexuellen Bezug hat oder einen Bezug auf das Geschlecht resp. die Geschlechtszugehörigkeit aufweist und das von der belästigten Person als solches empfunden wird sowie das eine Person in ihrer Würde verletzt. Mit einer umfassenden Definition soll auch die Abgrenzung gegenüber anderen Delikten (Stalking, Cybergrooming, sexuelle Gewalt etc.) erleichtert werden. Der politische Diskurs ist auf eine solide empirische Grundlage angewiesen. Dafür braucht es regelmässig wiederkehrende Befragungen, welche die Polizeiliche Kriminalstatistik ergänzen. Solche Befragungen benötigen eine genügend grosse Stichprobe (Minimum 3'000 Befragte), welche auf einer Zufallsbasis (idealerweise basierend auf dem Adressregister des Bundesamtes für Statistik) gezogen wird. Der Fragebogen muss eine saubere Definition von sexueller Belästigung mit mehreren Items aufweisen (keine Beschränkung auf sexuelle Belästigung, sondern auch Einbezug von gravierenderen sexuellen Delikten) und neben grundlegenden Prävalenzfragen auch Zusatzfragen zu den Tatumständen und weiteren relevanten Punkten beinhalten. Idealerweise wäre eine solche regelmässige Befragung institutionalisiert, wodurch eine regelmässige Finanzierung und Durchführung garantiert wäre. Eine Unterscheidung zwischen Jugendlichen und Erwachsenen, zwischen verschiedenen Deliktorten (Arbeitsplatz oder anderswo) und verschiedenen Betroffenengruppen wird als sinnvoll erachtet, wobei jeweils darauf zu achten ist, dass über Befragungen keine Stigmatisierungen reproduziert werden.
´"Parteien sind das Abbild von in der Gesellschaft vorherrschenden sozialen Konflikten. So üben Cleavages bereits seit der Demokratisierung der Europäischen Staaten Einfluss auf die vorherrschenden Parteiensysteme aus. Lipset und Rokkan haben 1967 vier historische Konfliktlinien unterschieden, welche die verschiedenen Europäischen Parteiensysteme unterschiedlich beeinflusst haben: Zentrum-Peripherie, Staat-Kirche, Stadt-Land und Arbeit-Kapital. Gleichzeitig stellten sie die These auf, dass das Muster der Parteiensysteme immer noch die Cleavages der 1920er Jahren repräsentiere, dass sich das System also 'eingefroren' habe. Die vier genannten Cleavages kommen auch in der Schweiz immer noch zum Ausdruck, wenn auch ihr Einfluss auf die heutige Politik mehr und mehr umstritten ist. In dieser Arbeit wird deshalb das Schweizer Parteiensystem im Hinblick auf diese vier Spaltungen in drei Richtungen untersucht: 1. Wie wirkten sich die Cleavages bei der Bildung von neuen Parteien aus? 2. Welche Cleavages üben heute noch Einfluss aus? 3. Haben sich neue Cleavages entwickelt, wo können soziale Konfliktlinien zukünftig Einfluss auf das Schweizer Parteiensystem ausüben? Es wird hier die Meinung vertreten, dass zwar die einflussreicheren Cleavages (speziell die Religion) auch heute noch einen Einfluss ausüben, dieser aber kontinuierlich abnimmt. Dies wird von einer ideologischen Neuorientierung der Parteien begleitet; so ist die SVP längst nicht mehr eine reine Bauern- und Gewerbepartei, und die SP vertritt nicht mehr klassische Arbeiterthemen, sondern verstärkt Wertkonflikte und Ziele des Postmaterialismus. Speziell können hier der Wert-Cleavage in der neuen Mittelschicht und die Spaltung zwischen den Gewinnern und den Verlierern der Globalisierung genannt werden. Ob es sich dabei tatsächlich um neue Cleavages handelt, muss die Forschung erst noch empirisch schlüssig belegen, klar ist aber, dass heute die Parteien in der Schweiz nicht mehr von den Konfliktstrukturen bewegt werden, welche einst zu ihrer Gründung führten." (Autorenreferat)