Deutsche Staatswissenschaften im 19. Jahrhundert: Disziplinäre Ausdifferenzierung und Spiegelung moderner Staatlichkeit
In: Staatsentwicklung und Policyforschung: politikwissenschaftliche Analysen der Staatstätigkeit, S. 41-67
"Staatswissenschaften" ist die zeitgenössische Bezeichnung für ein den deutschen Universitäten eigentümliches Fächerkonglomerat, das sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ausbildete, im 19. Jahrhundert mit wandernden Lehr- und Forschungsinhalten eine akademische Selbstverständlichkeit war, um sich dann im 20. Jahrhundert nicht nur vollends in autonome Einzeldisziplinen aufzulösen, sondern auch anderen Fachverbünden wie den "Sozialwissenschaften" Platz zu machen. Der vorliegende Beitrag versucht die Disziplingeschichten in groben Strichen unter besonderer Berücksichtigung ihres staatswissenschaftlichen Kontextes für das lange 19. Jahrhundert zu skizzieren. Anschließend wird der Frage nach den wissenschaftsgeschichtlichen Gründen dieses Ausdifferenzierungsprozesses nachgegangen, dem zugrundeliegenden Staatsbegriff und dem Wechselverhältnis zwischen der Entwicklung des staatswissenschaftlichen Fächerkonglomerats und den realen Staatsfunktionen. Abschließend wird exemplarisch auf die Entwicklung der Staatswissenschaften im 19. Jahrhundert an der Hochschule Halle-Wittenberg eingegangen. Insgesamt zeigt der Autor, dass und wie der staatswissenschaftliche Fächerverbund mit fortschreitender Ausdifferenzierung von Disziplinen schließlich "seine inhaltliche Substanz und seinen organisatorischen Zusammenhalt verloren hat". (ICA2)