Deutsche, Juden und Zion: der Streit um den Antisemitismus
In: Der Monat: Jahrbuch, Heft 297 N.F, S. 32-60
ISSN: 0026-9204
Der Antisemitismus ist ein emotionaler Selbstbedienungsladen. Er erfüllt tiefsitzende Bedürfnisse, die mit Argumenten nicht als "falsche" widerlegt werden können. Er hat nichts mit dem Verhalten von Juden zu tun, weil jedes denkbare jüdische Verhalten nur eine andere Sorte von Antisemiten aktiviert. Der Antisemitismus hat überhaupt nur bedingt etwas mit Juden zu tun. Er kommt, wenn es sein muß, auch ohne den leibhaftigen Gegenstand seiner Leidenschaft aus. Juden dienen nur als Katalysator dieses diffusen Gefühls. Der Antisemitismus ist kein abweichendes, sondern das Normalverhalten, nicht die Ausnahme von der Regel, sondern die Regel selbst. Er ist im übrigen das Problem der Antisemiten. Der Antizionismus hat im Kern dieselbe libidinöse Qualität wie der Antisemitismus. Nur ist anstelle des religiösen oder rassischen Motivs ein scheinbar politisches getreten, das Menschen mit aufgeklärtem Bewußtsein ohne sich zu schämen, vertreten können. (DO)