Der Marsalis-Komplex: Studien zur gesellschaftlichen Relevanz des afroamerikanischen Jazz zwischen 1992 und 2007
In: Creative people book
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Zwölf Jazzmusiker, eine Jazzsängerin und drei Schriftsteller afroamerikanischer Herkunft wurden vom Autor zwischen 1992 und 1996 zu Einstellungen und Verhaltensweisen hinsichtlich ihrer Rassismuserfahrung und deren Bewältigung befragt. Dabei standen Fragen zu Marktzugang, Gesellschaft, Rezeption und kultureller Identität im Mittelpunkt. Die Interviews waren ursprünglich zu journalistischen Zwecken durchgeführt worden, für diese Arbeit wurden sie in der Originalsprache transkribiert und mittels qualitativer Inhaltsanalyse ausgewertet. Hinsichtlich ihrer politischen Intention und Haltung überwiegt der Wunsch, mit der Musik gesellschaftlich Einfluss nehmen zu wollen. Die Verknüpfung mit einer sozialen Bewegung wird vermisst, die Möglichkeit wird geschätzt, auf die Herkunftskultur zurückzugreifen und darüber künstlerische Kompetenz zu begründen. Die Kontroverse um die Bildung eines verbindlichen Kanons von (afro)amerikanischen Jazz-Meisterwerken wird als ökonomischer Verteilungskampf um knappe Ressourcen diskutiert. Während des Untersuchungszeitraumes erschien den Befragten der Ausgang der Auseinandersetzung noch offen. Im darauffolgenden Jahrzehnt sollte es den Neotraditionalisten um Wynton Marsalis gelingen, den Jazz auf der hochkulturellen Ebene zu institutionalisieren und somit durchzusetzen. In den Äußerungen zu gesellschaftlichen und politischen Fragen entwerfen die Befragten ein heterogenes Meinungsgefüge, das nicht mit der Rezeption einer als homogen empfundenen schwarzen Kultur korreliert. Die Erwartung, dass Jazzmusiker sich entsprechend ihrem favorisierten musikalischen Stil politisch positionieren würden, wird von den Ergebnissen dieser Untersuchung nicht gestützt. Die Forschungsfrage, wie die Befragten die Erfahrung von Rassismus und Diskriminierung in ihrer Wirkung auf das künstlerische Werk reflektieren, führt als Ergebnis der Untersuchung zur Bildung von heterogenen Haltungstypen. Eine essentialistische Variante drückt sich in einer Sehnsucht nach einer homogen konstruierten, antiimperialistisch orientierten schwarzen Kultur aus. Ein Blues-idiomatischer Typus symbolisiert den Kampf um die hochkulturelle Anerkennung und Förderung des (afro)amerikanischen Jazz. Eine trans-idiomatische Position zielt auf eine Neubestimmung künstlerischer Artikulation unter den Bedingungen von Globalisierung und internationaler Netzwerkbildung. ; Twelve jazz musicians, a jazz singer, and three writers of Afro-American origin were interviewed by the author between 1992 and 1996 about their attitudes and reactions in regard to their experiences with racism and how they coped with it. Questions regarding market access, society, reception and cultural identity were centered. The interviews were originally undertaken for journalistic purposes; for this study they were transcribed in their original language and evaluated by means of qualitative content analysis. Regarding their political intentions and attitudes, there is a common desire to exercise societal influence through music. While the link with a social movement is missing, the possibility of accessing their ancestral culture as a means of establishing artistic authority is valorized. The controversy over the establishment of an obligatory canon of (Afro)-American jazz masterpieces is framed as an economic struggle over the distribution of scarce resources. During the period of the study, the outcome of this debate still seemed undecided to the interviewees; over the ensuing decade, the neotraditionalists around Wynton Marsalis succeeded in institutionalizing jazz at the level of high culture. In their statements concerning social and political questions, the interviewees project a heterogeneous texture of opinions that does not correlate with the notion of a homogeneous black culture. The expectation that jazz musicians would position themselves politically in accordance with their preferred musical style is not supported by the results of this study. The research question of how the interviewees reflect upon the impact of experiences of racism and discrimination on their artistic work leads to an investigation of diverse kinds of attitudes as a primary result of this study. An essentialist alternative is expressed in a longing for a homogeneously constructed, anti-imperialistically oriented black culture. The blues-idiomatic figure symbolizes the struggle of (Afro)-American jazz for high-cultural recognition and patronage. A trans-idiomatic position aims at a new definition of artistic articulation under the conditions of globalization and international networking.
BASE
In: Rote Revue, Band 82, Heft 4, S. 17-21
In: Jazz: Perspektiven und Kontroversen Band 2
In: Creative people book