"Die Irak-Krise hat das Projekt einer europäischen Außen- und Sicherheitspolitik einer erheblichen Belastung ausgesetzt. Die Kontroverse entzündet sich an der Rolle der USA in Europa und daran, ob europäische Sicherheitsstrukturen die Führungsrolle der USA und die NATO stärken und ergänzen sollen oder eine Alternative darstellen können. Auch wenn Deutschland in europäischen Strukturen mittlerweile stärker eine Alternative zur amerikanischen Führungsrolle sieht, kann sich Washington im Kreis der alten und neuen Mitglieder weiterhin auf eine große Anzahl von Partnern verlassen. Das Engagement der Bundesregierung für eine vertiefte europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik auch im kleineren Kreis einer Pioniergruppe erscheint vor diesem Hintergrund zwar verständlich, ist aber europapolitisch wenig sinnvoll. Solange eine umfassende Reform der Bundeswehr ausbleibt, klafft zwischen Anspruch und Möglichkeiten militärischer Eigenständigkeit ohnehin eine immer größere Lücke." (Autorenreferat)
'Die vom russischen Präsidenten Wladimir Putin im April 2007 verkündete Aussetzung des Vertrags über konventionelle Streitkräfte (KSE) wegen des geplanten US-Raketenschilds in Osteuropa ist nur die Spitze des Eisbergs der Verwerfungen zwischen der NATO und Russland. Der schon seit einigen Jahren andauernde Wandel der NATO, vor allem die Beitritte weiterer osteuropäischer Mitgliedsstaaten und die Ausweitung ihres Aufgaben- und Tätigkeitsbereichs, beunruhigen Moskau. Eine übermächtige, geeinte NATO unmittelbar an seinen Grenzen erscheint Russland überaus bedrohlich. Doch herrscht in der NATO so viel Einigkeit? Zwar gibt es den Anspruch, sie solle eine Allianz sein, die über ein Verteidigungsbündnis hinausgeht. Vielmehr sollen geteilte Werte Grundlage gemeinsamer Strategien und Entscheidungen über globale Ordnungspolitik sein. Selbst die USA scheinen den Multilateralismus neu entdeckt zu haben und laden die Mitglieder zu einer intensiveren Zusammenarbeit ein. Der Verdacht liegt allerdings nahe, dass die USA vor allem an einer Lastenteilung bei ihren aktuellen Einsätzen interessiert sind. Insofern muss sich Europa überlegen, ob eine engere Bindung nicht die nationale Entscheidungsfreiheit einschränkt oder ob sich umgekehrt auf diesem Wege größere Einflussmöglichkeiten auf die USA eröffnen. Der Autor beleuchtet die Vorstellung einer einigen NATO mit erweiterten Aufgaben und Mitgliedern und gelangt zu dem Schluss, dass eine solche Allianz überfordert wäre. Aussichtsreicher wäre eine andere Entwicklung, die die NATO nehmen könnte: Sie würde eine Art 'Dach' bilden, unter dem sich die Mitglieder 'lose' zusammenfinden. Diese Option würde einerseits die nationalen Entscheidungsspielräume bewahren, aber anderseits gemeinsame Strategien erschweren. Darum wäre es notwendig, die Zusammenarbeit der EU-Staaten zu stärken und zu intensivieren. Welchen Weg die NATO auch nehmen mag, in jedem Fall ist der EU zu raten, ihre gemeinsame Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) weiterzuentwickeln und auszubauen, damit die EU-Staaten innerhalb der NATO eine aufeinander abgestimmte Strategie verfolgen können.' (Autorenreferat)
'Internationale Organisationen genießen als Friedensstifter einen guten Ruf. Ihnen wird nachgesagt, dass sie ihre Mitgliedsstaaten davon abhalten, gegeneinander Kriege zu führen, und dass sie bei Konflikten deeskalierend auf sie einwirken. Nun sind Griechenland und die Türkei beide seit 1952 Mitglieder der NATO. In der EU ist Griechenland Vollmitglied und die Türkei assoziiertes Mitglied mit Perspektive auf einen Beitritt. Dennoch konnte der griechisch-türkische Konflikt nicht beigelegt werden und in den 1990er Jahren eskalierte er mehrmals gefährlich. Erst nach 1999 gelang eine Entspannung im Verhältnis zwischen Griechenland und der Türkei. Vor diesem Hintergrund muss die Annahme, internationale Organisationen wirkten friedensstiftend, neu überprüft werden. Weshalb haben sich NATO und EU vor 1999 als so wenig konfliktreduzierend gezeigt? Wovon hängt es ab, dass sich seitdem eine friedensfördernde Wirkung entfaltet? Besonders die Antwort auf die letzte Frage ist aktuell wichtig. Der Autor kommt in seiner Studie zu dem Ergebnis, dass beide Institutionen, gekoppelt mit der Demokratisierung Griechenlands und der Türkei, eine stabile Friedensordnung stiften können. Dieser Prozess ist aber noch nicht selbsttragend. Sein Fortgang hängt von Anreizen ab - wie im Fall der Türkei von einem möglichen EU-Beitritt. Versuche einiger EU-Mitglieder, diese Beitrittsperspektive wieder zu schließen oder sie an kaum erfüllbare Bedingungen zu knüpfen, sieht der Autor daher kritisch. Er warnt davor, den Anreiz eines EU-Beitritts für die Türkei vorschnell zurückzunehmen und den Konflikt langfristig erneut anzufachen.' (Autorenreferat)
Der vorliegende Report entwickelt Empfehlungen zur deutschen Außenpolitik nach dem Irakkrieg. Der Autor wirft dabei aus vier theoretischen Perspektiven Schlaglichter auf das transatlantische und europäische Verhältnis. Theorien hegemonialer Stabilität, Theorien (demokratischer) Sicherheitsgemeinschaften, Interdependenztheorien und liberalinstitutionalistische Kooperationstheorien werden daraufhin befragt, wie sich a) die langjährigen Kooperationsstrukturen sowohl innerhalb Europas als auch in der transatlantischen Region erklären, b) die aktuellen Krisensymptome interpretieren, und c) auf dieser Grundlage die Zukunft der transatlantischen und europäischen Beziehungen einschätzen lassen. Abschließend erfolgen einige Überlegungen zur Zukunft der europäisch-amerikanischen Beziehungen. (ICD)
'Die derzeitigen Meinungsverschiedenheiten über die richtige Strategie gegenüber dem Irak sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich der Charakter der Europäischen Union (EU) mit der Herausbildung der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik grundlegend verändern wird. Diesen bedeutsamen Prozess nimmt die HSFK zum Anlass für ein Experiment: Zeitgleich werden zwei Reports veröffentlicht, die sich mit dem Spannungsverhältnis zwischen der oft gewählten Selbstcharakterisierung der EU als 'Zivilmacht' und ihren militärischen Ambitionen auseinandersetzen. Annette Jünemann und Niklas Schörnig betonen in ihrem Report den bisherigen zivilmachtlichen Charakter der Union, verweisen aber auf potenzielle Eigendynamiken, die - durch nationale Interessenpolitik oder den Einfluss von industriellen Interessengruppen - diese Orientierung Europas in Frage stellen könnten. Matthias Dembinski hingegen nähert sich dem Thema durch eine Diskussion der Gründe, warum die EU als Zivilmacht charakterisiert wird. Er argumentiert, dass diese Ausrichtung das Ergebnis ihrer institutionellen Struktur ist und der Zivilmachtcharakter solange nicht gefährdet ist, wie die europäische Außen- und Sicherheitspolitik im Wesentlichen in der möglichst effizienten Koordinierung der mitgliedsstaatlichen Politiken besteht.' (Autorenreferat)
'Seit Mitte der neunziger Jahre irritiert ein Phänomen die akademische und die politische Welt gleichermaßen: die amerikanische Tendenz zum Unilateralismus. Warum, so lautet die zweifache Frage, unterscheidet sich erstens das Verhalten der USA zu multilateralen Arrangements nach dem Ende des Ost-West-Konflikts so auffällig von dem nach dem Zweiten Weltkrieg? Warum demontieren die USA in den neunziger Jahren sogar die Internationalen Organisationen, die sie nach 1945 selbst geschaffen haben? Und warum unterscheidet es sich zweiten so dramatisch von dem der westeuropäischen Staaten? Warum torpedieren die USA regelmäßig Initiativen für neue multilaterale Arrangements, seien es die Klimakonvention, der Internationale Strafgerichtshof oder die diversen Vorschläge zur schärferen Kontrolle von Massenvernichtungswaffen, die allesamt (mit) von Westeuropa ausgingen? Der amerikanische Widerstand gegen multilaterale Kooperation ist um so irritierender, als er der wissenschaftlichen Annahme und der politischen Intuition widerspricht, Demokratien im Allgemeinen und die USA im Besonderen hätten eine Affinität zu Internationalen Organisationen und zu einer Verregelung und Verrechtlichung der internationalen Beziehungen. Es gibt vier Argumente, die auf eine Sonderstellung der USA insbesondere nach 1989 verweisen: 1. ihre Stellung als einziger Supermacht, 2. die widersprüchliche Wirkung ihrer politischen Kultur, 3. die ambivalente Einstellung der amerikanischen Bevölkerung zu internationaler Kooperation und 4. die Selbstblockadetendenzen ihres politischen Systems. Zusätzlich ließe sich argumentieren, dass das Spezifikum der europäischen Integration weniger Folge als Ursache der westeuropäischen Neigung zu multilateralen Lösungen, die westeuropäische Attitüde also nicht die Regel, sondern die erklärungsbedürftige und mit diesem Faktor erklärte Ausnahme ist. Diese Argumente können Beiträge zu einer Erklärung liefern, auch wenn sie jedes für sich eine überzeugende Antwort schuldig bleiben. Der Report führt mit dem widersprüchlichen Verhältnis von Demokratie und multilateraler Kooperation einen weiteren Erklärungsfaktor ein. Einerseits lässt sich zeigen, dass Demokratien in besonderer Weise kooperationsgeneigt und kooperationsfähig sind. Andererseits verweist sowohl der in der integrationspolitischen Debatte mittlerweile fest verankerte Topos eines Demokratiedefizits der EU als auch das neue Phänomen der New Sovereigntists in den USA auf demokratiespezifische Vorbehalte gegen autonomieeinschränkende internationale Kooperation hin.' (Textauszug)
Die Studie zum europäischen Rüstungsexport beschäftigt sich mit der Entwicklung des entsprechenden Verhaltenskodex sowie der Europäisierung der Rüstungsindustrie und damit zusammenhängend der Entkernung nationaler Exportkontrollen. Am Beispiel des mit Abstand größten europäischen Rüstungsexporteurs Frankreich wird gezeigt, wie die nationale Politik auf den von der europäischen Ebene ausgehenden Anpassungsdruck reagiert. In einem ersten Abschnitt werden Tendenzen der De-Regulierung der nationalen Rüstungsexportpolitiken in der Folge der zunehmenden Marktliberalisierung untersucht. Im Zentrum steht dabei die Gefahr einer Aufweichung der vergleichsweise hohen deutschen Standards. Im zweiten Abschnitt werden am Beispiel des Code-of-Conduct theoretisch erwartbare Hürden erörtert, die jedem Versuch der Re-Regulierung auf europäischer Ebene entgegen stehen. In beiden Abschnitten richtet sich der Blick von den Nationalstaaten auf die EU und wird europäische Politik als abhängige Variable der nationalstaatlichen Interessen gefasst. Im dritten Abschnitt werden die Entwicklungen seit dem Inkrafttreten des Code-of-Conduct beschrieben und es wird gefragt, warum sich eine derartige Dynamik entfalten kann. Dabei geraten zum einen Kontrollverluste der Regierungen in den Blick, zum anderen Akteure wie Nichtregierungsorganisationen (NRO) und Parlamente, die im Zusammenwirken mit befreundeten Regierungen die durch die Kontrollverluste entstandenen Lücken ausnutzen, erweitern und so das intergouvernementale System 'Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik' in ein transparenteres, komplexeres Regierungssystem mit vielfältigen Mitsprachewünschen und Rechenschaftspflichten verwandeln. Die Rückwirkungen dieses europäischen Systems auf die Ausgestaltung der nationalen Exportkontrollsysteme wird dabei am 'harten Fall' Frankreich aufgezeigt. Schließlich wird abschließend eine Prognose über die Qualität und Substanz der sich entwickelnden europäischen Rüstungsexportpolitik gewagt und es werden politische Empfehlungen entwickelt. (ICG2)
Schmierer, J.: Eine erweiterte Europäische Union in einer globalisierten Welt. - 10 S. Dembinski, M.: Die Zukunft der GASP und der ESVP: muß der 2. Pfeiler integriert werden? - 3 S. Münkler, H.: Die neuen Kriege. - 5 S. Plesch, D.: Sheriff and outlaws in the global village. - 25 S