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Manche erleben die Präsenz von etwas Göttlichem beim Hören eines Musikstücks. Andere fühlen sich beim Zungenreden wie von einer fremden Macht besessen oder spüren in tiefer Trance und Ekstase eine Verbindung zur jenseitigen Welt. Das Mysteriöse, Unfassbare kann Furcht und Angst auslösen, fasziniert aber gleichwohl. Hinter diesen unerklärlichen Phänomenen vermuten Menschen Geister, Dämonen, Götter oder Wesen aus einer anderen Welt. Diese Erfahrung des Unverfügbaren kennzeichnet für Hans Peter Duerr den Beginn der Religion. Der bekannte Ethnologe geht in seinem neuen Buch der Frage nach, was religiöse Erfahrungen sind. Dazu zieht er zahlreiche ethnologische Studien und moderne neurowissenschaftliche Erkenntnisse heran. Von den Anfängen der menschlichen Kultur in der Steinzeit bis zum New Age untersucht Hans Peter Duerr, wie unerklärliche Phänomene religiös gedeutet wurden. Er erzählt von Nahtod-Erfahrungen, von Marienerscheinungen, von Menschen, die mit den Toten kommunizieren und Liebesbeziehungen zu Geistern haben. Wort- und bildgewaltig entfaltet seine Studie ein opulentes Panorama der Menschheitsgeschichte.

Letzter Teil der Taschenbuchausgabe des 4-bändigen Werkes, in dem der Bremer Ethnologe sich unter aufgefächerten Einzelaspekten kritisch mit der Zivilisationstheorie von Norbert Elias auseinander setzt (Teil 3 vgl. BA 10/95; die Erstausgabe von Band 4, Suhrkamp 1997, wurde hier nicht angezeigt). Das vorliegende Taschenbuch enthält eine immense, vorwiegend aus klein und undeutlich reproduzierten Abbildungen bestehende Materialsammlung zu einer Kulturgeschichte der verhüllten oder enthüllten weiblichen Brust; Duerr kommentiert sie als Beweis, dass eine Domestikation der erotischen Reizwirkung des weiblichen Körpers im Lauf der letzten 1000 Jahre in Europa nicht stattgefunden hat. Auch wer an der Theoriedebatte und dem wissenschaftlichen Apparat, der gut die Hälfte des Buches einnimmt, kein Interesse hat, kann sich auf den unterhaltsamen Streifzug durch die Kulturgeschichte und Ethnologie mitnehmen lassen. (2) (Irmgard Andrae)

"Die wilde Seele". Zur Ethnopsychoanalyse von Georges Devereux. Hrsg. von Hans Peter Duerr, Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M. 1987. 498 S., kt., 28,- DM