Die von der amtlichen Statistik kürzlich vorgelegte Revision der bisherigen Angaben zum Bruttoinlandsprodukt, der Wertschöpfung und der Beschäftigung betrifft die Wirtschaftsbereiche, Bundesländer und Großräume in höchst unterschiedlichem Maße. Das Bruttoinlandsprodukt der ostdeutschen Bundesländer war über-, das eingesetzte Arbeitsvolumen dagegen unterschätzt worden. So geriet die Produktivitätsmessung in den Zangengriff von Produktionskürzung und gestiegenem Arbeitseinsatz. Im Vergleich zum Westen fällt die Korrektur bei der Produktivität je Stunde höher aus als bei der Produktion je Einwohner. Der Osten erreichte im Vorkrisenjahr 2008 beim Bruttoinlandsprodukt je Einwohner nur 66% des Westniveaus statt der bisher gehandelten 69% und bei der Produktivität je Arbeitsstunde 70% statt 75%. Bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt ist zusammen mit dem Produktionsausfall durch die Wirtschaftskrise ein Rückschlag im Aufholprozess von mindestens fünf Jahren eingetreten. Dies hat Implikationen für Politik und Forschung.
Das Bruttoinlandsprodukt in Sachsen-Anhalt hat nach indikatorgestützten Schätzungen im dritten Quartal 2014 in etwa stagniert, nachdem es in den beiden ersten Quartalen zu einem kräftigen Auf und Ab gekommen war. Dem wegen des ungewöhnlich milden Winterwetters überzeichneten Produktionsanstieg im ersten Quartal war erwartungsgemäß eine Korrektur im Sommerhalbjahr gefolgt, die sich auch in Deutschland zeigte. Allerdings ist die Rückbildung kräftiger ausgefallen als in Deutschland. Neben dem witterungsbedingten Effekt hat sich in Sachsen-Anhalt ein technischer Sondereffekt niedergeschlagen: Im umsatzstärksten Industriezweig, der Mineralölverarbeitung, ist es aufgrund von Wartungsarbeiten zu einem planmäßigen Produktionsausfall im zweiten Quartal gekommen, der im Folgequartal noch nicht vollständig aufgearbeitet werden konnte. Gleichzeitig hatte die deutsche Wirtschaft im Sommerhalbjahr vor dem Hintergrund der nur schleppenden weltwirtschaftlichen Erholung und zunehmender geopolitischer Risiken vor allem im Zusammenhang mit dem russisch-ukrainischen Konflikt deutlich an Schwung verloren. Dies hat sich auch in Sachsen-Anhalt niedergeschlagen. Die konjunkturbedingten Rückgänge ziehen sich durch alle Wirtschaftsbereiche. Generell nimmt die Wertschöpfung demographisch bedingt in den Bereichen, die absatzseitig stark von den privaten Haushalten abhängen wie das Baugewerbe und der Handel, langsamer zu als in Westdeutschland. Aus gleichen Gründen unterliegen die öffentlichen Dienstleister einem scharfen Konsolidierungskurs.
Für das Jahr 2016 prognostiziert das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) einen Anstieg des ost-deutschen Bruttoinlandsprodukts um 1,7% (Deutschland insgesamt: 1,8%). Maßgeblicher Treiber ist wie in Deutschland insgesamt die Binnennachfrage. Insbesondere profitiert die Wirtschaft von der hohen Dynamik des Dienstleistungssektors in Berlin. Der Zuwachs in den ostdeutschen Flächenländern bleibt dagegen mit 1,3% wieder hinter dem in Westdeutschland zurück. Um wirtschaftlich aufzuholen, sollten Bildung und Forschung im Mittel-punkt der Wachstumspolitik stehen; mit traditioneller Förderpolitik lassen sich keine weiteren Aufholerfolge mehr erzielen.
Der Angriff Russlands auf die Ukraine hat die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Europa drastisch verschlechtert. Die Preise für Rohstoffe und Energie und hier besonders für Erdgas sind stark gestiegen, die Sanktionen bringen den Handel mit Russland, der über Energielieferungen hinausgeht, nahezu zum Erliegen, und die Finanzmärkte werden von den eingetrübten Aussichten und der Möglichkeit russischer Zahlungsausfälle belastet. Im Fall eines Stopps der Gaslieferungen wäre für Deutschland mit einer Bewirtschaftung des Rohstoffs und einer scharfen Rezession vor allem im Verarbeitenden Gewerbe zu rechnen. Wenn, wie hier unterstellt, Gas weiter geliefert wird, ist der konjunkturelle Haupteffekt der Krise der Energiepreisanstieg, der zu Realeinkommenseinbußen der privaten Haushalte und zum Verlust an Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen führt, insbesondere wegen des in Europa besonders teuren Erdgases. Auch werden Wertschöpfungsketten, die durch die Ukraine oder Russland führten, zerrissen. Der in den meisten Weltregionen schon vor Kriegsbeginn hohe Inflationsdruck verstärkt sich weiter. In den USA werden die geldpolitischen Zügel gestrafft, damit geht das Risiko eines Konjunkturabschwungs im Land selbst, aber auch weltweit einher. Die deutsche Konjunktur trifft der Krieg in einer Erholungsphase, nachdem die Winterwelle der Pandemie den privaten Konsum und die wirtschaftliche Aktivität im Schlussquartal 2021 noch hatte schrumpfen lassen. Auch wenn die Pandemie noch keineswegs vorbei ist, dürfte die Erholung mit der Aufhebung vieler zur Pandemiebekämpfung erlassener Restriktionen im März an Schwung gewinnen. Denn die privaten Haushalte werden einen Teil ihrer während der Pandemie angesammelten Ersparnis in den kommenden Quartalen wohl zusätzlich verausgaben, was insbesondere den Dienstleistern zu Gute kommt. Die Produktion dürfte im zweiten Quartal deshalb recht kräftig expandieren. Freilich muss das Geld auch verwendet werden, um die höheren Lebenshaltungskosten zu bestreiten. Die Teuerung, Ausfälle von Exporten nach Osteuropa und eine allgemeine Verunsicherung sind Kanäle, über die der Ukrainekrieg den gesamtwirtschaftlichen Zuwachs in der zweiten Jahreshälfte deutlich dämpfen wird.
Zum Ende des Jahres 2021 belastet eine neue Infektionswelle die wirtschaftliche Aktivität in Europa. Zudem hat das Auftauchen der neuen Omikron-Virusvariante die konjunkturellen Aussichten eingetrübt. In den meisten anderen Weltregionen ist die Zahl der Todesfälle seit dem Sommer rückläufig, und entsprechend ist im Herbst die Stimmung im Dienstleistungsbereich global sogar gestiegen. Das Verarbeitende Gewerbe leidet allerdings weiter überall unter Knappheiten bei der Güterproduktion und hohen Rohstoffpreisen. Die hohen Inflationsraten werden die US-Zentralbank, vorerst aber nicht die EZB zu einer deutlichen Straffung der Geldpolitik veranlassen, auch weil sich in den USA anders als im Euroraum der Lohnauftrieb stark beschleunigt hat. Im Sommerhalbjahr 2022 dürfte die Weltkonjunktur im Zuge rückläufiger Lieferengpässe etwas an Schwung gewinnen. Jedoch ist nach wie vor der ungewisse Fortgang der Pandemie ein großes Risiko für die Weltwirtschaft im Jahr 2022. Während des Corona-Zwischentiefs im Sommer ließ die Erholung der privaten Konsumnachfrage die Produktion in Deutschland kräftig expandieren. Die gegenwärtige Pandemiewelle führt im Winter zu einem Rückschlag für das Gastgewerbe und in geringerem Maße auch für den Einzelhandel. Weil aber die Eindämmungsmaßnahmen vonseiten der Politik vermutlich nicht das Ausmaß des Lockdowns vom vorigen Winter erreichen werden, dürfte der Dämpfer für die Konjunktur geringer ausfallen als vor einem Jahr. Auch deutet sich für das Schlussquartal 2021 ein Ende des Produktionsrückgangs im Verarbeitende Gewerbe an. Insgesamt dürfte das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland im Jahr 2021 um 2,7% steigen. Ab dem Frühjahr dürften die Infektionszahlen jahreszeitlich bedingt weiter zurückgehen und der private Konsum wird wieder deutlich expandieren. Die Produktion dürfte im Jahr 2022 um 3,5% zulegen. Die Verbraucherpreisinflation ebbt nach dem Jahreswechsel etwas ab, bleibt aber deutlich höher als vor der Pandemie, weil die Unternehmen im Produzierenden Gewerbe weiter Preissetzungsspielräume haben und die Lohndynamik anziehen wird, auch wegen der geplanten deutlichen Erhöhungen des Mindestlohns.
Im Sommer 2021 dürfte die weltwirtschaftliche Produktion deutlich zugelegt haben, aber Schließungen von Produktionsanlagen und Häfen vergrößern den Stau im globalen Warenaustausch. Ansteigende Rohstoffpreise schlagen sich v. a. in den USA und im Euroraum in hohen Inflationsraten nieder, doch die Notenbanken werden sich mit dem Kurswechsel Zeit lassen. Dadurch erhält die Wirtschaft in den westlichen Industrieländern weiter Rückenwind seitens der Wirtschaftspolitik. Die Erholung der deutschen Wirtschaft kam im Sommerhalbjahr dank der Impfkampagne und des privaten Konsums gut voran. Wegen steigender Corona-Neuinfektionen und Produktionsengpässen ist dennoch nur mit einem recht schwachen Jahresschlussquartal zu rechnen. Das BIP wird 2021 um 2,2% und 2022 um 3,6% zunehmen. Die Erholung der deutschen Wirtschaft ist im Sommerhalbjahr gut vorangekommen, denn dank der Impfkampagne konnten viele Einschränkungen von Dienstleistungsangeboten gelockert werden, und die privaten Haushalte konsumierten im zweiten Quartal wieder deutlich mehr. Dennoch liegt der private Konsum noch weit unter dem Vorkrisenniveau, und ein rasches Aufholen ist nicht in Sicht, denn Neuinfektionen nehmen wieder zu, was die Erwartungen von Unternehmen und Verbrauchern eintrübt. Zudem ist deutlich geworden, dass sich die Produktionsengpässe im Verarbeitenden Gewerbe in den kommenden Monaten kaum auflösen werden. Alles in allem ist mit einem recht schwachen Jahresschlussquartal zu rechnen. Für die Zeit danach stehen die Chancen gut, dass die Wirtschaft ihren Weg in die Normalität wiederaufnimmt, auch weil sich die Situation auf den Arbeitsmärkten stetig bessert. Ende 2022 dürften die Kapazitäten wieder normal ausgelastet sein. Risiken für die Konjunktur in Deutschland ergeben sich daraus, dass das deutsche Verarbeitende Gewerbe in besonderem Maß in internationale Produktionsketten eingebunden und deshalb von den derzeitigen Störungen der Produktionsketten besonders betroffen ist. Ferner ist nicht auszuschließen, dass durch neue Mutationen des Coronavirus Eindämmungsmaßnahmen notwendig werden könnten, die auch den wirtschaftlichen Erholungsprozess erneut verzögern.
Im Herbst 2018 ist die Weltkonjunktur weiterhin recht kräftig. Allerdings haben die regionalen Differenzen seit Jahresbeginn zugenommen. Während der Aufschwung in den USA auch wegen des starken Impulses durch die dortige Steuerreform noch einmal an Kraft gewonnen hat, ist die Konjunktur im Euroraum etwas schwächer geworden. Der Welthandel hat seit Jahresbeginn kaum noch zugelegt. Eine Ursache dieser Stagnation ist die Verschlechterung der handelspolitischen Rahmenbedingungen. Die Handelskonflikte sind allerdings nur einer von mehreren Risikofaktoren für die deutsche Konjunktur. Hinzu kommen die Möglichkeit eines ungeordneten Austritts Großbritanniens aus der EU im Frühjahr 2019 sowie ein weiterer Verlust an Vertrauen der Finanzmärkte in die Solvenz des italienischen Staates, falls die Regierung Italiens ihre finanzpolitischen Vorhaben in großem Stil umsetzt. Die deutsche Wirtschaft ist seit fünf Jahren im Aufschwung. Wichtige Treiber sind die außerordentlich günstigen Finanzierungsbedingungen und eine starke Expansion der Beschäftigung. Zuletzt hat die Nachfrage aus dem Ausland allerdings an Schwung verloren. Dabei spielt auch die Verteuerung deutscher Produkte aufgrund der Aufwertung des Euro seit dem Frühjahr 2017 eine Rolle. Die in diesem Jahr und besonders im Jahr 2019 expansiv ausgerichtete Finanzpolitik verschafft der Konjunktur Rückenwind, aber hohe Kapazitätsauslastungen und Engpässe beim Beschäftigungsaufbau dürften eine weitere kräftige Expansion behindern. Das reale Bruttoinlandsprodukt liegt nach vorliegender Prognose im Jahr 2018 um 1,8% höher als im Vorjahr, im Jahr 2019 beträgt die Rate 1,7%. Die ostdeutsche Wirtschaft expandiert in diesem Jahr um 1,5% und im Jahr 2019 um 1,4%.