In: Bildungspolitik in Föderalstaaten und der Europäischen Union: Does federalism matter? Tagungsband zum Jahrbuch-Autorenworkshop in Tübingen vom 13. bis 15. Oktober 2011., S. 78-94
Österreich gilt in der international vergleichenden Föderalismusforschung aufgrund der schwachen Stellung seiner Länder und einer schwach ausgeprägten Föderalismuskultur als ein "unechter" Föderalstaat. Nimmt man die Bildungspolitik als Maßstab, dann bestätigt sich diese Charakterisierung. Der Autor beschreibt in seiner Analyse den zentralistischen Zuschnitt der Bildungspolitik in Österreich, der sich etwa in einer Generalklausel zugunsten einer Bundeskompetenz auf dem Gebiet der Schulpolitik manifestiert. Die Folge davon ist, dass die Lehrerausbildung wie auch die Aufstellung von Lehrplänen gänzlich in der Hand des Bundes liegen. Der Autor nennt historische und parteipolitische Gründe für den bildungspolitischen Zentralismus in Österreich. 1962 war ein wichtiges Datum für die österreichische Bildungspolitik, denn in jenem Jahr verständigten sich Bund und Länder auf ein Bildungspaket, das die neue, zentralistisch ausgerichtete Kompetenzverteilung festgeschrieben hat. Die weitgehende Zentralisierung, etwa auch auf dem Gebiet des Personalmanagements, verhindert jedoch länderspezifische Regelungen nicht grundsätzlich. Entsprechende "Schulversuche" sind möglich und werden auch für besondere Bedingungen genutzt. In Tirol etwa wurde Mitte der 1990er Jahre der Typus "Tiroler Landhauptschule" geschaffen, um entsprechende Schulangebote auch in peripheren Regionen zu gewährleisten; dieser Versuch läuft unter dem Motto "Schule kommt zum Schüler". Umfragen zeigen, dass die österreichischen Bürgerinnen und Bürger die Bildungspolitik am ehesten dem Bund (ca. 70 %) anvertrauen und offensichtlich mit der zentralistischen Ausrichtung mehrheitlich zufrieden sind. Externe Einflüsse auf die Bildungspolitik, wie sie etwa durch internationale Vergleichsstudien in anderen OECD-Staaten zu beobachten sind, gibt es in Österreich kaum. (DIPF/Orig.).
In: Bildungspolitik in Föderalstaaten und der Europäischen Union: does federalism matter? ; Tagungsband zum Jahrbuch-Autorenworkshop in Tübingen vom 13. bis 15. Oktober 2011, S. 78-94
Der Beitrag beschreibt zunächst die aktuelle Kompetenzverteilung, die Organisation der Schulbehörden und bestehende Kooperationsformen zwischen Bund und Ländern sowie zentrale historische Wegmarken, die zu deren Ausbildung geführt haben. Dabei geht es vor allem um die Schulpolitik, bei der zumindest Restkompetenzen der Länder (und der Gemeinden) bestehen. Der Bereich der Hochschulpolitik, der zur Gänze beim Bund zentralisiert ist, wird nur am Rande behandelt. Im Folgenden werden die Verteilung der Ressourcen im Schulbereich sowie die parteipolitischen Differenzen in der Bildungspolitik untersucht, die den Bund-Länder-Konflikt zumeist überlagert haben. Externe Einflüsse auf die österreichische Bildungspolitik, insbesondere seitens der OECD sowie Kritikpunkte und Reforminitiativen, die aus föderaler Perspektive interessant scheinen, werden abschließend behandelt. (ICE2)
Inwieweit der Föderalismus bzw. mehr Föderalismus die Zufriedenheit der Bürger und Bürgerinnen mit der Politik und damit die Legitimität des politischen Systems in Österreich befördern kann, lässt sich, so der Verfasser, aus den vorhandenen empirischen Daten nicht eindeutig ableiten. Die Übertragbarkeit der Ergebnisse repräsentativer Umfragen aus Deutschland und Großbritannien auf den österreichischen Fall sollte - aufgrund des unterschiedlichen Status quo an Föderalisierung bzw. Regionalisierung in den drei Staaten und unterschiedlicher politischer Traditionen - auch nicht überschätzt werden. Aufgrund der positiv zu sehenden "Nivellierung" der Heterogenität und damit Angleichung der Lebenschancen zwischen den Bundesländern erfordert, so der Autor, die Behauptung von landesspezifischen Interessen bzw. die Forderung nach mehr Föderalismus im politischen System heute nicht nur "nach oben", also gegenüber dem Bund, sondern auch "nach innen", gegenüber den eigenen Landesbürgern und Landesbürgerinnen, einen verstärkten Argumentationsaufwand und bessere Kommunikationsleistungen, als sie derzeit erfolgen. Das soll auch dann gelten, wenn man die Funktion des Föderalismus als Element vertikaler Gewaltenteilung und Möglichkeit zu erweiterter politischer Partizipation akzeptiert. Regionale politische Gestaltungsfähigkeit wird - so veranschaulichen die empirischen Daten aus Deutschland und Großbritannien - von einer Mehrheit der Bürger und Bürgerinnen geschätzt. Allerdings sinkt die Zustimmung dafür in "Krisenzeiten", in denen der Wunsch nach "effizienter" Aufgabenerfüllung und damit nach einer Rücknahme der Mitwirkung subnationaler Ebenen am politischen Entscheidungsprozess in den Vordergrund rückt. Außerdem wird den lokalen Institutionen und Akteuren generell noch mehr Vertrauen entgegengebracht als den regionalen. Untersucht man noch näher, worauf sich die Wertschätzung regionaler (und lokaler) politischer Gestaltungsfähigkeit bezieht, sieht man, dass sich darin vor allem der Wunsch artikuliert, als Mitentscheidungsinstanz zumindest symbolisch präsent zu sein und an zentralen politischen Entscheidungen zu partizipieren. Hingegen gibt es nur ein gering ausgeprägtes Bedürfnis nach inhaltlicher Politikautonomie und damit nach regionalpolitischer Vielfalt. (ICF2)