SPD und Geschichtswissenschaft in der Bundesrepublik Deutschland 1959-1989: Die Kommunikation zwischen einer politischen Partei und professionellen Historikern ; SPD and History in the Federal Republic of Germany 1959-1989: The Communication Between a Political Party and Professional Historians
Seit dem Godesberger Programm 1959 entwickelte sich aus dem Umgang der SPD mit Geschichte und Geschichtswissenschaft eine sozialdemokratische Geschichtskultur. Sie manifestierte sich in zweierlei Hinsicht. Zum einen wurde auf geschichtspolitischer Ebene das national-konservative Geschichtsbild und insbesondere die staats- und kontinuitätszentrierten Vorstellungen von Nation und Nationalstaat kritisiert und die Stellung des Nationalsozialismus in der deutschen Geschichte neu bewertet. Zum anderen wurde auf geschichtswissenschaftlicher Ebene das Forschungsfeld der Geschichte der Arbeiterbewegung und der Sozialdemokratie erfolgreich etabliert. Parallel dazu entstand eine große Gruppe akademischer Historiker, die der SPD angehörten oder ihr nahestanden. Sie beschäftigten sich mit Themen der Partei-, der Arbeiter- und der Sozialgeschichte, unterstützten die Geschichtspolitik der SPD, kümmerten sich um Geschichtsbewusstsein dieser Partei und nahmen - zuweilen auch kritisch - an den Diskussionen ihrer Tagespolitik teil. Aus diesen beiderseitigen Aktivitäten bildeten sich vielfältige Kommunikationswege und personelle Netzwerke zwischen SPD und Historikern. Von 1959 bis 1969 vermied die SPD im Zuge ihrer Strategie der Regierungsbeteiligung eine deutliche Profilierung ihrer eigenen Geschichtspolitik, gleichzeitig lenkte nur eine kleine und fachlich eher marginale Gruppe von Historikern die Aufmerksamkeit auf die sozialdemokratische Geschichtsschreibung und ihre Themen. Aber inzwischen wurden seitens der SPD die organisatorischen Rahmenbedingungen für die Intensivierung der Kommunikation gelegt und wurden Kontakte zu einer wachsenden Zahl jüngerer Historiker geknüpft. Trotzdem waren die damaligen Kommunikationsnetzwerke räumlich und personell beschränkt. Seit 1969 erweiterten sich die Verbindungen zwischen beiden Seiten dank des politischen Aufschwungs der Sozialdemokratie und des Generationswechsels der Historikerschaft. Bis 1982 kommunizierten SPD und Historiker miteinander über viele aktuelle Themen: das Spektrum reichte von den historischen Gedenktagen über den Geschichtsunterricht in den Schulen bis hin zur Neuen Ostpolitik der sozialliberalen Koalition. Parallel dazu erlebte die sozialdemokratische Historiographie eine Konjunktur der Arbeiterbewegungsgeschichte, eine sozialgeschichtliche Neuorientierung und einen Erfolg der Sonderwegsthese. Die Kommunikationsnetzwerke umfassten immer mehr jüngere Fachhistoriker. In den Jahren 1983 bis 1989 wurden die Verbindungen der Sozialdemokratie mit den ihr nahestehenden Historikern auf politischer Ebene wegen ihrer geschichtspolitischen Auseinandersetzung mit der Christdemokratie immer enger, während die sozialdemokratische Geschichtsschreibung vor allem von der Strömung der Alltagsgeschichte und -»Geschichte von unten-« gefördert wurde. Haupttendenzen der dreißigjährigen Entwicklung der Kommunikation zwischen SPD und Geschichtswissenschaft waren wechselseitiger Austausch und Zusammenarbeit. Dabei darf jedoch nicht vernachlässigt werden, dass nicht nur die Historiker, die der Sozialdemokratie nahestanden, sondern auch die, die sich von ihr entfremdeten bzw. kritisch gegenüberstanden, Einfluss auf die Kommunikationslandschaft ausübten. ; Since the Godesberg Program in 1959 the Social Democratic Party of Germany (SPD) has developed her own historical culture changing her approach to history and historical studies. On the historical-political level, the party critized the national-conservative view of history, especially the state-centered notion of nation and the conservative view of the German nation-state since Bismarck. In particular, the position of National Socialism in German history was re-evaluated. On the historiographical level, the research fields of the history of labor movements and of social democracy were successfully established within the party creating her own research institutions. In parallel, a larger group of academic historians who belonged to the SPD or were close to her emerged. They dealt with topics on party history, labour history and social history, they supported the historical politics of the SPD, and they were concerned with historical consciousness of this party and participated " sometimes critically " in the discussions of her politics of the day. From this interaction various ways of communication and personal networks between the SPD and historians began to take shape. From 1959 to 1969, the SPD avoided a high profile of her own historical politics because of her general political strategy to get participated in a governmental coalition. During the same period, only a small and professionally marginal group of historians was engaged in studying the social democratic history and its themes. But in the meantime the SPD set up the organizational framework for the intensification of communication and established relationships with a growing number of younger historians. Nevertheless, the communication networks at that time were limited in space and personnel. Since 1969 the liaisons between the two sides were extended owing to the political rise of Social Democracy and the generation- change of historians in FRG. Till 1982 the SPD and historians communicated with each other on many current issues: the spectrum ranged from the historical commemoration days, to history teaching in schools, and to the "new eastern policy" of the SPD-FDP coalition. In parallel, the social democratic historiography experienced a boom in labor movement history, in social-history and a success of the Sonderweg thesis. The communication networks included more and more young professional historians. In the years 1983 to 1989, because of the historical-political confrontation between Social and Christian Democracy, the relationship between the SPD and her affiliated historians became still closer on the political level. Meanwhile the social democratic historiography was mainly promoted by the trends of "Alltagsgeschichte" and "history from below". Therefore, the growing of mutual exchange and cooperation can be identified as the main trends during the thirty-years of communication between the SPD and historians. However, it must not be forgotten, that not only the historians who were close to the party, but also those who were estranged from her or critical of her, exerted their influence on the communication landscape.