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In: Sozialtheorie
Ist in der soziologischen Systemtheorie von Inklusion und Exklusion die Rede, wird ein kontroverser Theoriebereich berührt. Besonders umstritten ist der Begriff der Exklusion als Kern einer Systemtheorie sozialer Ungleichheit. Häufig übersehen wird dabei der theorieinterne Rahmen der Unterscheidung, ohne dessen Kenntnis die Widersprüche einer Systemtheorie sozialer Exklusion nicht gelöst werden können. Die Studie von Sina Farzin rekonstruiert systematisch die Ausarbeitung der Differenz Inklusion/Exklusion im Werk Niklas Luhmanns. Dabei treten deutlich die Begriffsverschiebungen hervor, die zur Problematisierung der Unterscheidung in der jüngeren Forschung geführt haben
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ich hoffe, Sie sind gut in das Jahr 2021 gestartet. Mit allzu viel Wehmut haben Sie 2020 vermutlich nicht verabschiedet. Oder etwa doch? Denn während man sich alltagsweltlich zunehmend nach weniger Verunsicherung und mehr ›alter‹ statt ›neuer‹ Normalität sehnte, kam und kommt man soziologisch aus dem Staunen kaum heraus: darüber, wie entschieden nationale Politik das soziale Leben in allen Facetten pandemiebedingt regulierte (oder anderenorts eben nicht), wie schnell Alltagsroutinen neu definiert werden können – Händeschütteln wird durch fist bumps und Ellenbogengrüße ersetzt – oder wie tief von Knappheitsphantasmen angetriebene, sehr spezifische Konsumwünsche eigentlich kollektiv blicken lassen. Nicht zuletzt für die soziologische Beschäftigung mit der Wissenschaftskommunikation lieferte das vergangene Jahr Material für gleich mehrere zukünftige Forschungsverbünde. Das vielgescholtene »Defizitmodell«, also die Vorstellung, dass wissenschaftliche Erkenntnisse monologisch aus der Wissenschaft heraus in die Öffentlichkeit vermittelt werden, erschien auf einmal nicht mehr ganz so angestaubt angesichts der Begeisterung, mit der Viele zum Beispiel virologischen Podcasts folgten. Und auch die Unvereinbarkeiten der Funktion und Form wissenschaftlichen und medial inszenierten Streitens, die in der öffentlichen Diskussion immer wieder für Zündstoff sorgten, dürften noch einiges an kommender sozialwissenschaftlicher Beschäftigung nach sich ziehen. Jenseits der interessierten Beobachtung und wissenschaftlichen Analyse pandemiebedingter Wissenschaftskommunikation betreffen die tieferliegenden Fragen aber auch die Soziologie selbst. Wie und in welcher Form wissenschaftliche Erkenntnisse jenseits der eigenen scientific community kommuniziert werden sollen oder können und an wen sich solche Kommunikationsangebote überhaupt konkret richten, sind zentrale aktuelle Fragen, die nicht zuletzt durch politische Aufforderungen und neue Vorgaben bei der Verteilung von Drittmitteln an Dringlichkeit ...
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Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, Fühlen Sie sich auch als Krisengewinnler? Zumindest der Disziplin, der Sie angehören, hat der SPIEGEL im letzten Oktober dieses Etikett verliehen. Die Corona-Pandemie, so die nicht ganz charmante Analogie, habe die Nachfrage nach Toilettenpapier und soziologischen Deutungsangeboten in ungekannte Höhen schnellen lassen. Wenn man die Analyse der Tiefenstruktur solcher Parallelisierungen lieber den Kollegen und Kolleginnen in der Psychologie überlässt, kann man sich über das öffentliche Interesse an soziologischem Wissen vielleicht einfach freuen. In diesen Tagen doziert etwa Kanzlerkandidat Olaf Scholz über Politik in einer »Gesellschaft der Singularitäten«, um gleich noch einen Verweis auf den unter SoziologInnen eher vergessenen dystopischen Essay »The Rise of Meritocracy« von Michael Young hinterherzuschieben. Beeindruckend angewachsen ist inzwischen auch die Sammlung der soziologischen Stimmen zur Corona-Pandemie, die seit einem Jahr auf der Homepage der DGS gesammelt und verlinkt werden. Dabei stehen zumeist die sozialen Effekte der Pandemiebekämpfung im Fokus, etwa für die Verteilung von Care-Arbeit, auf die beispielsweise Jutta Allmendinger und andere immer wieder hinweisen. In den USA erklärt derweil Zeynep Tufecki einem wachsenden Publikum unermüdlich nicht nur die absehbaren Folgen der Pandemie, sondern die Bedeutung sozialer Ursachen für die Verbreitung von Ansteckungen und den Grad der Bereitschaft, Verhaltensregeln einzuhalten. Und in diesem Heft sind gleich zwei hochrangige Wissenschaftspreise für Vertreter unserer Disziplin zu vermelden. Das ist doch irgendwie auch eine gute Nachricht inmitten krisenhafter Zeiten, oder nicht? Blickt man in das vorliegende Heft, steht dabei nicht zu befürchten, dass die Disziplin vor lauter erfolgreicher »public sociology« die internen Diskussionen aus dem Blick verliert. Axel T. Paul und Matthias Leanza fügen der Debatte um die Perspektiven einer postkolonialen Soziologie, die 2018 in Heft 4 mit der Emaildiskussion zwischen Manuela ...
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Arbeit in kollaborativen Verbünden und Gruppen stellt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor eine Vielzahl von Herausforderungen, die nur wenig mit den individuellen Forschungsfragen zu tun haben. Dass insbesondere die Steuerung der großen »Forschungstanker« einige Probleme mit sich bringen kann, ist keine neue Erkenntnis. Ein frühes Zeugnis der Tücken projektförmiger Forschung publizierte Apsley Cherry-Garrad 1922 in einem Reisebericht über eine Antarktis-Expedition, wobei der Text in Passagen durchaus auch dem damals noch nicht zu voller Blüte gereiften Genre des wissenschaftlichen Abschlussberichts zugeschlagen werden kann. Der wenig missverständliche Titel – The Worst Journey in the World – offenbart zwar noch Luft nach oben in Bezug auf die inzwischen üblichen Selbstbelobigungsrituale in derlei Texten, schreckt aber wie auch das gesamte Werk nicht vor der klaren Benennung von Fallstricken zurück. So können beispielsweise aufgrund der internen Organisationsstruktur ungünstige soziale Dynamiken entstehen (»Polar exploration is at once the cleanest and most isolated way of having a bad time which has been devised.«). Oder der intrinsisch motivierte Forschungsdrang wird schon im Vorfeld durch Fragen nach Anwendungsbezug und Verwertbarkeit der erwarteten Erkenntnisse ausgebremst (»… nearly all will say, ›What is the use?‹ For we are a nation of shopkeepers …«). Als Antwort auf den Umgang mit all diesen Fährnissen und Unwägbarkeiten empfiehlt Cherry-Garrad einen festen Blick auf das eigentliche Ziel: Erkenntnisgewinn um seiner selbst willen und konkret materialisiert im Gegenstand, den es zu erforschen gilt (»If you march your Winter Journeys you will have your reward, so long as all you want is a penguin's egg«). Die körperlichen Risiken, die Forscher und Forscherinnen in heutigen Sonderforschungsbereichen mit soziologischem Profil eingehen, sind zwar im Vergleich zu den frühen Tagen der Polarforschung überschaubarer. Viele andere der genannten Aspekte haben jedoch wenig an Aktualität eingebüßt oder sich sogar verschärft. Doch bevor wir uns in die Debatte um Praxistransfers und die ökonomische oder politische Nützlichkeit soziologischer Wissensproduktion verstricken, richten wir den Blick noch einmal auf das Pinguinei. Wie, so könnte die Frage lauten, muss ein funktionales Äquivalent beschaffen sein, welches dem Ei gleich das gemeinsame Arbeiten in Gruppen zumindest soweit fokussiert und motiviert, dass nicht alles unverbunden nebeneinander läuft? Zumal, anders als im Fall der Antarktis-Reisegesellschaft, Projektverbünde selbst in Berlin vermutlich nicht vollständig auf das Verstellen von Exitoptionen durch die lebensfeindliche Umwelt setzen können. Der Beitrag von Martina Löw und Hubert Knoblauch in diesem Heft ist ein Erfahrungsbericht aus dem inneren eines laufenden Forschungsverbundes, in dem diese Frage in etwas anderen Worten gestellt und mit Blick auf die eigene Praxis beantwortet wird. Er sei Ihnen wie das gesamte Heft zur Lektüre empfohlen. Ich hoffe, Sie sind gut in 2020 angekommen, vielleicht sehen wir uns ja – zum Beispiel im September in Berlin. Es ist Kongressjahr und Sie finden in diesem Heft unter anderem die Calls für die geplanten Plenen, vielleicht ist ja etwas Passendes dabei. Herzlich, Ihre Sina Farzin
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Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, Haben Sie sich am Abend des 19. Juli auch gefragt, wo die Soziologie eigentlich ist, wenn man sie braucht? Einige Stunden nach der Verkündigung der Ergebnisse der letzten Runde der Exzellenzstrategie stellte sich zumindest für mich ein akuter Bedarf nach Deutungsangeboten ein. Denn während der sogenannte Exzellenzwettbewerb in seinen intendierten und vor allem nicht-intendierten Folgen für die Wissenschaft im Allgemeinen und die Soziologie im Besonderen in den vergangenen Jahren von allen möglichen Seiten beforscht, evaluiert und auch kritisiert wurde, scheint es in Bezug auf das Kommunikationsverhalten soeben exzellenzgekürter Institutionen sowie der zugehörigen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen kaum gesicherte Erkenntnisse zu geben. Das ist schade, denn eine Soziologie der sich selbst feiernden Wissenschaft scheint mir durchaus vielversprechend. Vorbei sind zumindest die Zeiten, in denen es bei ähnlichen Anlässen reichte, dass die Pressestelle der Universität für den Lokalteil der Zeitung ein Foto bereitstellte, auf dem sich die Hochschulleitung im Halbkreis gruppiert mit Sekt zuprostet. Anlässlich des Titelgewinns (denn darum ging es ja) »Exzellenzuniversität« veröffentlichte beispielsweise die Universität Hamburg über ihren Twitter-Account ein animiertes Gif, in dem ein cartoonesk verfremdeter Präsident Dieter Lenzen Konfetti aus einem Umschlag regnen lässt. Auch die von Anna-Lena Scholz auf ZEIT Online vertretene These, dass gerade jene Standorte erfolgreich waren, an denen die Politik erkannt habe, dass Universitäten die Herzkammern der Stadt seien, lässt sich mit Blick auf die Jubeldokumentationen belegen. In Berlin etwa, das sich ja gerne als Partyhauptstadt inszeniert, verbreitete die Universitätsallianz ebenfalls über Twitter Videos der Exzellenzparty mit dem Hinweis, dass an den turntables Staatssekretär Steffen Krach anzutreffen sei. Und bevor man nun reflexhaft kulturpessimistisch-medienkritisch mit den Schultern zuckt und ›das Internet‹ in Pauschalverantwortung stellt, sollte man einen Blick auf die Facebook-Seite der ehrwürdigen WDR-Lokalzeit Bonn werfen. An der Universität Bonn überführte man die wohlverdiente Freude ebenfalls in lokal tradierte Ausdrucksformen und entschied, für alle rheinländischen natives vermutlich kaum begründungsbedürftig, einen aus zwei Karnevalswagen nebst Soundsystem bestehenden Exzellenzumzug zu veranstalten. Ob das Publikum statt mit Kamelle mit Büchern oder Antragskopien beworfen wurde, lässt sich auf dem kurzen Film leider nicht erkennen. Schon diese wenigen Impressionen dürften einige Fragen, zumindest für die Wissenschaftskommunikationsforschung, aufwerfen. Wer sich dem Phänomen des wissenschaftlichen Gewinner- und Gewinnerinnenjubels aber lieber ganz praktisch und teilnehmend annähern möchte, findet dazu, vielleicht angeregt durch die Lektüre dieser Ausgabe der SOZIOLOGIE, schon bald Gelegenheit: Neben dem Themenpapier für den kommenden DGS-Kongress, der unter dem Titel Gesellschaft unter Spannung vom 14. bis 18. September 2020 in Berlin stattfinden wird, veröffentlichen wir in diesem Heft die Ausschreibungen der wissenschaftlichen Preise, die zu diesem Anlass verliehen werden. Und sollten Sie dann im September kommenden Jahres unter den Preisträgerinnen sein, werden wir Jubelvideos nur nach Absprache veröffentlichen versprochen. Herzlich, Ihre Sina Farzin
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Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, im Januar dieses Jahres ist Erik Olin Wright verstorben. Sein Sterben hat der einflussreiche Soziologe in einem eigenen Blog begleitet. Im Tonfall einer stets heiteren Sachlichkeit kommentiert er den Alltag im Krankenhaus, die Herausforderungen der Therapie, die Begegnungen mit Freunden, Freundinnen und Familienangehörigen und immer wieder auch die eigene soziologische Arbeit. Wright, dessen Werke zur Erweiterung des marxistischen Klassenkonzepts, zu sozialen Bewegungen und ›realen Utopien‹ nicht nur in den USA breit rezipiert wurden, richtet den Blick weg von Fragen der methodischen oder theoretischen Ausrichtung hin zu den sozialen Wirkungen soziologischer Praxis. Gerade die Grenzstellung der Soziologie zwischen ›harter‹ erklärender Wissenschaft und künstlerischer Kreativität verschafft ihm, so scheint es, die nötige gedankliche Bewegungsfreiheit um soziologisch informierte und kontrollierte Möglichkeitsräume auszuloten. »So, scientists make discoveries; artists, at their best, create new worlds. What about sociologists? I'll open a can of worms: I think what is wonderful about sociology is the messy way it does both. We make discoveries about the world, reveal how it ›really works‹ as best we can. But we also invent new ways of thinking about the world that shape the way people make meaning in their lives and act in their social world. […] In sociology there is thus a dance between a science of how things work and sociology of the creative possibility: possibility disciplined by a demand for specification of mechanisms.« [1 ]Manche würden diese Selbstbeschreibung Wrights vermutlich aus verschiedenen Gründen ablehnen: als zu einseitig politisiert, zu normativ, zu unwissenschaftlich oder auch zu stark verengt auf die klare Benennung von ›Mechanismen‹. Die Liste der Einwände ließe sich fortsetzen, und sie sind es zweifelsohne Wert, diskutiert zu werden. Dass aber jenseits interner Auseinandersetzungen um Paradigmen, Methoden oder Theorie/Empirie Verhältnisse auch ein Blick auf die eigene Praxis des Soziologisierens, die sozialen Wirkungen der Wissensproduktion und ihre Einbettung nicht nur in disziplinäre sondern auch interdisziplinäre, institutionelle, politische und vielfältige andere Kontexte lohnen könnte, wäre als mögliche Akzentverschiebung vielleicht ein Ausweg aus einigen festgefahrenen aktuellen Debatten. Thomas Scheffer und Robert Schmidt zumindest formulieren einen solchen Vorschlag in ihrem Beitrag in diesem Heft, in dem sie die Diskussion um das Selbstverständnis der Soziologie als plurale Disziplin aus den vergangenen Heften aufgreifen und fortsetzen. Herzlich, Ihre Sina Farzin
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Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, Im SPIEGEL Nr. 34/2018 lernte ich unlängst über den Spitzenkandidaten der hessischen SPD Thorsten Schäfer-Gümbel, dass er die Probleme der »sogenannten kleinen Leute« auf Soziologendeutsch beschreibt. Das könnte eine gute Nachricht sein, legt sie doch nahe, dass Herr Gümbel empirisch begründete Vorstellungen von der Beschaffenheit dieser Probleme und trennschärfere Begriffe als den der »kleinen Leute« zur Verfügung hat, um den inhaltlichen Herausforderungen zu begegnen, die politische Spitzenämter mit sich bringen. Es war aber wohl anders gemeint. Die beiden Autoren des Portraits sahen gerade in diesem Soziologendeutsch ein eher bedauernswertes Problem des Kandidaten, das – gänzlich unabhängig vom konkreten Fall – ein Ärgernis für die Soziologie sein könnte. Denn, so entnehme ich der einzigen zitierfähigen Definition, die ich finden konnte: Soziologendeutsch ist »Jargon, oft kombiniert mit Bandwurmsätzen und Hauptwörterei, vertuscht die Plattheit eines Arguments, verhindert, dass man dieses überhaupt versteht, lähmt so die mögliche Kritik und verspricht zugleich eine geistige Tiefe, die nicht vorhanden ist.« Keine Auskunft gibt der Text zu der Frage, warum ausgerechnet der Soziologie die Ehre zuteilwurde, Namensgeberin für ein derart scharfes rhetorisches Schwert zu sein. Der Vorwurf, einen »Jargon« zu pflegen, traf ja zunächst vor allem das philosophische Schreiben und wurde im »Jargon der Eigentlichkeit« von Theodor W. Adorno zu einer umfassenden ideologie- und sprachkritischen Auseinandersetzung verdichtet. Noch weniger einleuchten will mir die Schlussfolgerung, andere Disziplinen, denken wir an die Physik oder die Medizin, kämen mit weniger Substantivierungen zur Erfassung und Beschreibung ihrer Gegenstände aus. Oder per se mit weniger Kommata. Anders als im Fall der Soziologie scheint man hier aber gewillt zu sein, die für Nicht-Eingeweihte ebenfalls kaum verständliche Fachsprache als notwendiges, weil exakteres Ausdrucksmittel hinzunehmen. Das alles soll nicht heißen, dass in einigen soziologischen Texten nicht manchmal einfacher oder klarer formuliert werden könnte – aber auch das halte ich nicht für ein Alleinstellungsmerkmal soziologischen, sondern letztendlich jeglichen wissenschaftlichen Schreibens. Das Soziologendeutsch zumindest, das ich kenne und schätze, gewinnt ja grade aus der Differenz zur Alltagssprache seine begriffliche Klarheit – nicht nur aber eben auch bei der Thematisierung vorgeblich alltäglicher Phänomene. Nun ja, ich fürchte, die wenig schmeichelhafte Fremdzuschreibung werden wir als Disziplin nicht so schnell wieder los. Da hilft im Zweifelsfall nur Selbstaufklärung: Beiträge zur Semantik oder Begriffsgeschichte des unerfreulichen Terminus nehmen wir gerne für unsere Rubrik »Soziologie in der Öffentlichkeit« entgegen. Und wer sein aktives Soziologendeutsch im besten Sinne intensiv pflegen möchte, ist sicher Ende September in Göttingen auf dem DGS Kongress am richtigen Ort. Zur Einstimmung finden Sie im vorliegenden Heft einen Beitrag zur Geschichte der Soziologie in Göttingen von Ina Alber-Armenat und Oliver Römer. Vielleicht sehen wir uns dann ja dort auf ein paar Sätze SoziologInnendeutsch? Das wäre schön! Herzlich, Ihre Sina Farzin
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Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, als im vergangenen Herbst direkt nach der Wahl Donald Trumps die professionellen Expertinnen und Analysten kurz ratlos (wenn auch wortreich) ob der eigenen falschen Prognosen verstummten, kletterten leicht angestaubte Romane an die Spitze der us-amerikanischen Bestsellerlisten, die zuvor allenfalls noch als Pflichtlektüre in Schulcurricula zu finden waren: George Orwells 1984 wurde zum Kassenschlager, ebenso Sinclair Lewis' »It can't happen here« und einige andere mehr. Aber nicht nur teilweise jahrzehntealte Dystopien schienen auf einmal den Bedarf an Orientierungswissen in einer Gegenwart zu erfüllen, deren gesellschaftliche Fliehkräfte den professionellen medialen und teilweise auch wissenschaftlichen Beobachtungsroutiniers anscheinend entwischt waren. Auch realistische, häufig autobiographisch gefärbte Erzählungen rückten in den Fokus, wenn es darum ging, die populistischen, nationalistischen und autoritären Verschiebungen in der Politik zu deuten: J.D. Vances Aufstiegs- und Familiengeschichte aus dem amerikanischen rust-belt »Hillbilly Elegy – A Memoir of a Family and Culture in Crisis« wurde mindestens so intensiv rezipiert wie Arlie Russel Hochschilds Studie »Strangers in Their Own Land«. Edouard Louis' Roman »Das Ende von Eddy« wurde neben Didier Eribons ebenfalls stark autobiographischer Zeitdiagnose »Rückkehr nach Reims« zum Buch der Stunde, wenn es (vermutlich vorschnell) darum ging den Erfolg der französischen Rechten mit dem Anerkennungs- und Identitätsverlust der französischen Arbeiterklasse zu erklären. Dass diese enge Verbindung zwischen literarischen und soziologischen Gesellschaftsbeobachtungen in Krisenzeiten vielleicht besonders auffällt aber nicht auf diese beschränkt ist, weiß, wer Wolf Lepenies Studie »Die drei Kulturen« gelesen hat. Im Gespräch mit ihm in diesem Heft, das wir im Wissenschaftskolleg Berlin geführt haben und mit dem ich die Reihe der Interviews mit FachkollegInnen in der SOZIOLOGIE fortsetze, geht es daher neben vielem mehr auch um seinen Blick auf Literatur und Soziologie. Da wir in der Redaktion in den kommenden Jahren nicht nur die Ihnen bekannten Rubriken, Formate und Themen weiterführen wollen, sondern auch Neues und Anderes probieren möchten, würden wir uns freuen, wenn Sie uns einige Minuten Ihrer Zeit schenken: Unten auf dieser Seite finden Sie den Hinweis für eine Befragung, die wir in den kommenden Wochen durchführen, um mehr darüber zu erfahren, was Sie in unseren Heften lesen, überblättern, interessant, gelungen oder auch ärgerlich oder überflüssig finden: Sagen Sie es uns! Herzlich, Ihre Sina Farzin
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Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, alle zwei Jahre entscheiden Sie als Mitglieder der DGS, wer im Vorstand und zu Teilen im Konzil unseres Fachverbandes sitzt und wer als Vorsitzende oder Vorsitzender die kommenden zwei Jahre bestreitet. Soweit ›Business as usual‹ auch in diesem Jahr, so dass sich in diesem Heft Nicole Burzan als neue Vorsitzende vorstellt und gleich einen ersten Überblick über die Zuständigkeiten des neuen Vorstands und kommende Themen und Projekte gibt. Für die Redaktion der SOZIOLOGIE markierten die vergangenen Wahlen jedoch zugleich einen außerordentlichen Umbruch: Vor 14 Jahren, in Heft 3/2003 begrüßte Sie an dieser Stelle erstmals Georg Vobruba als Herausgeber. Im letzten Heft verabschiedete er sich ganz im Geiste der Neuen Frankfurter Schule, der auch das ein oder andere Editorial durchwehte. Nun ist die Herausgabe an mich übergegangen und ich bedanke mich bei Georg Vobruba herzlich für seinen nicht nur langjährigen, sondern auch unermüdlichen Einsatz für diese Zeitschrift. Sylke Nissen und Karin Lange bleiben als Redakteurinnen in Leipzig auch weiterhin tätig, und ich freue mich auf die Zusammenarbeit in den kommenden Jahren genauso wie darüber, durch diese Kontinuität nicht jedes Rad neu erfinden zu müssen. Wir werden Sie hier auch weiterhin über die Arbeit und Themen informieren, welche die DGS nach außen und innen beschäftigen. Dass die SOZIOLOGIE jedoch auch weit mehr ist (und bleiben soll) als ein rein verbandsinternes ›Mitteilungsblatt‹ dürfte Ihnen als hoffentlich regelmäßige Leserinnen und Leser bekannt sein. Wir werden auch in Zukunft daran arbeiten, die SOZIOLOGIE als Forum für Debatten zu nutzen, die häufig in der ansonsten gut sortierten Landschaft der soziologischen Fachjournale keinen Raum haben: beispielsweise wenn sie neue Perspektiven auf die andauernde und immer krisenhafte (und wahrscheinlich nicht zuletzt deswegen so produktive) disziplinäre Identitätsfrage wagen oder vermeintlich randständige oder experimentelle Themen einer breiten Leserschaft zugänglich machen wollen. Auch die Auseinandersetzung mit den Formen und (manchmal auch ausbleibenden) Folgen öffentlicher Soziologie dürfte uns in den kommenden Jahren (soviel tagespolitische Prognostik sei erlaubt) immer wieder beschäftigen. Dabei ist es mir ein Anliegen, ungewöhnliche diskursive Formate wie beispielsweise das in Heft 1/2017 neu eingeführte Symposion weiterzuentwickeln und auszuprobieren. Nicht zuletzt auch mit Blick auf internationale Debattenkontexte, Themen und Veranstaltungen halte ich solche dialogischen Textformen für eine der großen Stärken unserer Zeitschrift, die nicht völlig den Gravitationskräften der traditionellen Journalkultur unterliegt und dennoch viele Leserinnen und Leser erreicht. Voraussetzung hierfür ist dann jedoch nicht nur die Bereitschaft, sondern auch Freude daran, sich auf andere Perspektiven als die Eigene einzulassen. Bei all dem gilt: Wir zählen auf Sie. Senden Sie uns Ihre Texte, Formatvorschläge und Ideen; seien Sie eingeladen zu kommentieren, zu kritisieren und vor allen Dingen auch beizutragen. Herzlich, Ihre Sina Farzin
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In: Soziopolis: Gesellschaft beobachten
In: Vorgänge: Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik, Band 45, Heft 4, S. 23-31
ISSN: 0507-4150
Kaum eine Unterscheidung der soziologischen Theorie ist in den letzten Jahren mehr diskutiert worden, als diejenige der sozialen Inklusion und Exklusion. Es ist besonders die Vokabel der Exklusion, die zunehmend prominent in einer sowohl wissenschaftlichen als auch öffentlichen Debatte um Fragen neuer sozialer Ungleichheit, Armut und Ausgrenzung Verwendung findet. Umstritten ist dabei in der sozialwissenschaftlichen Diskussion der analytische Gewinn der neuen Kategorie gegenüber etablierten Ansätzen der Ungleichheits- oder Ausgrenzungsforschung. Wird mit dem Begriff der Exklusion unbesehen eine Dramatisierungsvokabel aus dem öffentlich-politischen Diskurs kopiert? Oder entspricht die scheinbar auf eine eindeutige Grenze verweisende Unterscheidung von Inklusion und Exklusion einer zunehmenden gesellschaftlichen Spaltung, die in eine vertikale oben/ unten Ordnung der gesellschaftlichen Positionen sprengt? Die Diskussionen um diese Fragen sind, wie man an der Vielzahl der aktuellen Publikationen zur Thematik leicht ablesen kann (zuletzt Bude/ Willisch 2006), in vollem Gange und werden immer wieder durch aktuelle tagespolitische Debatten - zuletzt über die Frage nach der Existenz einer 'neuen Unterschicht' - eingeholt. Der vorliegende Beitrag möchte die zentralen Herausforderungen dieser Debatte verdeutlichen, die zwischen theoretischem und sozialpolitischem Anspruch schwankt. Für eine (noch immer eingeforderte, vgl. Steinert 2006) sozialtheoretische Ausarbeitung sozialer Exklusion ist dabei entscheidend, inwiefern es gelingt, Exklusion als einen stets über die ihn konstituierende inklusive Ordnung der Gesellschaft verlaufenden Prozess zu theoretisieren. Denn nur in dieser konsequent paradoxen Anwendung kann vermieden werden, Exklusion als einen außergesellschaftlichen Sachverhalt auszuweisen und damit die soziologisch kaum zu rechtfertigende Rede von Parallelgesellschaften oder Exklusionszonen jenseits von Gesellschaft zu reproduzieren. Im Folgenden soll daher zunächst kurz in die diese Spannungen begründende Begriffsgeschichte der Unterscheidung von sozialer Inklusion und Exklusion eingeführt werden, um dann die gesellschaftstheoretischen Ansätze zu einer Ausarbeitung der Exklusionskategorie vorzustellen. Kritisch zu bewerten ist dabei besonders die aktuelle Tendenz der Debatte, die prozessorientierte Kategorie der Exklusion mit einer sozialen Gruppe der 'Überflüssigen' kurzzuschließen und zu personalisieren, wie abschließend gezeigt wird." (Textauszug)
Nacktes Leben und Lebens-Form. Homo Sacer Trilogie von Giorgio Agamben -- Liebe und Ökonomie. Der Konsum der Romantik: Liebe und die kulturellen Widersprüche des Kapitalismus von Eva Illouz -- Die Rechtfertigung des Kapitalismus und die Kritik. Der neue Geist des Kapitalismus von Luc Boltanski und Ève Chiapello -- Verlust des sozialen Bandes? Bowling Alone von Robert D. Putnam -- Die Macht der Eliten und die Ohnmacht des 'common man'. Postdemokratie von Colin Crouch -- Das Gespür für die (Spät-)Moderne. Beschleunigung und Resonanz von Hartmut Rosa -- Die Subjektivierungsform der Gegenwart. Das unternehmerische Selbst von Ulrich Bröckling -- Religion in einer entzauberten Welt. Ein säkulares Zeitalter von Charles Taylor -- Biographie als Gegenwartsdiagnose. Rückkehr nach Reims von Didier Eribon -- Black Lives Matter. On the Run von Alice Goffman -- Chthuluzän – Gegenwartsdiagnose jenseits der Großtheorie. Unruhig bleiben von Donna Haraway -- Der steile Aufstieg des Rechtspopulismus. Fremd in ihrem Land von Arlie Russell Hochschild -- Weltdiagnose mit westlichem Publikum. Neben uns die Sintflut: Die Externalisierungsgesellschaft und ihr Preis von Stephan Lessenich -- Die Wiederkehr der Ungleichheit. Die Abstiegsgesellschaft von Oliver Nachtwey -- Flucht in die Vergangenheit. Retrotopia von Zygmunt Bauman -- Zahlen machen Leute. Das metrische Wir. Über die Quantifizierung des Sozialen von Steffen Mau -- Die Kulturalisierung der Gegenwart. Die Gesellschaft der Singularitäten von Andreas Reckwitz.
In: Reclams Universal-Bobliothek Nr. 19297