Sozialdemokratie und nationale Frage in Nordschleswig um die Jahrhundertwende
In: Archiv für Sozialgeschichte, Band 1969, Heft Bd. 9, S. 267-320
ISSN: 0066-6505
Callessen widmet in seiner Untersuchung des Verhältnisses der Sozialdemokratie zur nationalen Frage in Nordschleswig um die Jahrhundertwende insbesondere den Beziehungen zwischen den deutschen und den dänischen Sozialdemokraten größere Aufmerksameit. Der Autor stützt sich dabei auf deutsche und dänische Archivmaterialien, Reichstags- und Parteiprotokolle, Zeitungsartikeln und Sekundärliteratur. Nicht das Beharren der dänischen Bevölkerung auf ihren sprachlichen Rechten und ihr Wunsch nach nationaler Selbstbestimmung waren für die Verschärfung der Lage in Norschleswig um die Jahrhundertwende verantwortlich, sondern der deutsche Nationalismus, der Wunsch nach "Germanisierung" aller nichtdeutschen Bevölkerungsteile ("Köllerpolitik"). Die deutsche und die dänische Sozialdemokratie vertraten in der dieses Gebiet betreffenden nationalen Frage eine im wesentlichen gemeinsame Linie. Obwohl die SPD die dänische Bevölkerung weitgehend unterstützte, mußte ihre Tätigkeit auf die Dauer doch "germanisierend" wirken, da sie durch die Betonung der sozialen Frage notwendigerweise von der für eine nationale Minderheitengruppe im Vordergrund stehende Frage der nationalen Selbstbestimmung ablenkte. Die Vorstellungen der deutschen Sozialdemokratie zur nationalen Frage in Nordschleswig sind nicht sonderlich konkret gewesen; im wesentlichen liefen sie darauf hinaus, daß nach der Revolution die Frage der Grenzziehung inaktuell werden würde, da das sozialistische System alle Probleme lösen könne. Der Darstellung Callesens ist ein aus zwei Gruppen bestehender, umfangreicher Briefwechsel angefügt, wobei der Geschäftsführer der dänischen Sozialdemokratie, Peter Knudsen, und der Reichstagsabgeordnete Gustav Johannsen die jeweiligen Andressaten bilden. Wichtigster Korrespondent ist jeweils Wilhelm Liebknecht. (STR)