Die Funktionseinheitsstörung als Grundstein des Insiderstrafrechts : Zurechnungsstruktur und Unrechtsbegründung bei Informationsdelikten im deutschen und chilenischen Kapitalmarktrecht ; The deficit of functional units as the corner stone of insidertrading : structure of imputation and the basis of ...
In: https://freidok.uni-freiburg.de/data/9502
Ziel dieser Arbeit sind die Bestimmung der Grenzen des Strafrechts bei der Regulierung des Kapitalmarkts und die Erarbeitung von Legitimationskriterien für das Insiderstrafrecht. Der Kapitalmarkt bildet eine der wichtigsten Institutionen des modernen wirtschaftlichen Lebens sowohl in Deutschland als auch in Chile, weil von seiner Entwicklung, Effizienz und Funktionsfähigkeit großenteils das Niveau der Investitionen in diesen Volkswirtschaften abhängt. Durch seine Institution soll daher ein System mit geeigneten und stabilen Instanzen und Mechanismen (Interaktionsprozessen) geschaffen werden, die durch Umwandlung der Ersparnisse privater Haushalte in für unternehmerische Investitionen benötigtes Kapital der Befriedigung des Kapitalbe-darfs der Wirtschaft und des Staates dienen. Obwohl die zentrale Aufgabe der Kapitalmarktregulierung grundsätzlich vom Zivil- sowie Wirtschaftsrecht übernommen werden soll, spielt auch das Strafrecht zunehmend eine aktive Rolle in der Regulierung und Sanktionierung von missbilligten Verhaltensweisen auf dem Wirtschaftsmarkt. Mittlerweile kriminalisieren verschiedene Rechtsordnungen Verhaltensweisen auf dem Kapitalmarkt neben Tatbeständen, die den Schutz des Vermögens gewährleisten – wie Betrug oder Untreue –, und schützen dabei allgemeine oder kollektive Interessen: die Funktiosnfähigkeit oder das Vertrauen des Kapitalmarkts. Diese Kriminalisierung wird von einem Teil der strafrechtlichen Literatur (intensiv und) heftig kritisiert, weil diese die anerkannten strafrechtlichen Legitimationsvoraussetzungen nicht erfülle, so dass eine kritische Auffassung In Deutschland eine "Inkompatibilität des Strafrechts mit der Notwendigkeit der Regulierung des Kapitalmarktes" konstatiert. Nach den Ergebnissen der Untersuchung lässt sich feststellen, dass der Grund dafür teilweise die Legitimationsdefizite der chilenischen sowie die Orientierung der deutschen Modelle an der Verallgemeinerung und Idealisierung der Institution "Kapitalmarkt" als Schutzgegenstand sind. Das hat gegenüber der normativen Natur dieser Gegenstände die Konsequenz, dass die reine "Vermeidung" der Sozialschädlichkeit sowohl zur Legitimations- und Limitierungskriterium als auch zur Begründung, Bestimmung und Qualifizierung des strafwürdigen und -bedürftigen Unrechts herange-zogen wird. Der erste Teil hat jedoch gezeigt, dass die Rechtsgutstheorie als Konkretisierungs-kriterium für Sozialschädlichkeit verlangt, einerseits die Schutzgegenstände in der Sozialwirklichkeit zu finden, d. h. Sozialinteraktionen sowie die Beziehungen und Positionen der Individuen in Verbindung mit der Sache und menschlichen Interaktionen. Da die Sozialschädlichkeit als Verletzung bzw. Gefährdung des Rechtsguts ein Kriterium für die Prüfung der Strafwürdigkeit und -bedürftigkeit ist – d. h. bei der Verhältnis-mäßigkeit des strafrechtlichen Staatseingriffs, bei der Kriminalisierung, der Be-gründung und Qualifizierung des Unrechts –, verlangt man beim Schutz von kollektiven Rechtsgütern die Suche nach Kriterien, durch die personelles Unrecht begründet und diese Sozialschädlichkeit individuellen Verhaltensweisen zugerechnet werden kann. Ein angemessenes Beeinträchtigungsmodell zur Erfüllung dieser Voraussetzungen soll zum Schutz von institutionell-kollektiven Rechtsgütern (insbesondere beim Kapitalmarkt) aus der Konkretisierung seiner konstitutiven Systeme und Funktionseinheiten in Verbindung mit dem konkreten menschlichen Interesse am Interaktions-prozess entnommen werden. Das zweite Kapitel hat gezeigt, dass es tatsächlich nur eine solche Orientierung ermöglicht, nicht nur die unterschiedliche Schutzwürdigkeit der verschiedenen Submärkte und Subsysteme zu evaluieren, sondern auch die unterschiedliche Natur der Systeme des sog. "Kapitalmarkts", die unterschiedlichen menschlichen Interaktionen und Interessen zu identifizieren. Damit wird ein Modell vorgeschlagen, das auf dem restriktiven Vertrauensmodell als Bindeglied zwischen Institution und Individuum basiert, mit einer doppelten Relevanz für die Beeinträch-tigung des Rechtsguts, wodurch eine Lösung für die Legitimationsproblematik ge-funden wird: der Kumulationsgedanke als materielles Äquivalent sowie die Informationsstörung in konkreten Subsystemen als Funktionsäquivalent für das Fehlen eines Kausalzusammenhanges zwischen Tathandlung und Rechtsgut. Solche Modelle ermöglichen nicht nur eine angemessene Legitimation der Kriminalisierung, sondern auch die wesentliche Qualifizierung des strafrechtlichen Unrechts. Um die dargestellten Legitimationsprobleme der Insiderdelikte zu lösen und die Legitimationsforderung des Strafrechts erfüllen zu können, schlägt man beim Schutz "institutioneller" kollektiver Rechtsgüter des Kapitalmarkts vor, 1) den Schutz des Vertrauens an konkreten und bestimmten Subsystemen des Ka-pitalmarkts zu orientieren, so dass sie die Freiheitsräume und Handlungspotenziale des Einzelnen in wirtschaftlichen Interaktionsprozessen gewährleisten; und 2) nicht nur nach "materiellen", sondern auch nach "funktionellen" Äquivalenten für das Fehlen einer realen Verletzungskausalität zu suchen. Mit solchen "funktio-nellen" Kriterien ist es möglich, die Bereiche der sozialen Realität abzugrenzen und die Sozialschädlichkeit nicht nur kausal oder materiell, sondern auch "funktionell" mit Handlung und Rechtsgut zu verbinden. ; This work intends to answer the problem on the limits of criminal law in regulating stock markets, developing legitimacy standards for the penal figure on the use of privileged information. The stock market-in Chile and in Germany- has become one of the most important institutions of modern day economy. Of its development, efficiency and effectiveness depends in great measure the level of investment in both economies. This institution can be used to establish a system of instances and mechanisms (processes of interactions) that can help the conversion of family savings in the necessary investment capitals for entrepreneurs, to satisfy the capital requirements of the State and the economy. Thou basically the central role of regulating stock markets must be assumed by civil and commercial law, criminal law in recent years has played a major part . Indeed, beside behaviors that affects the patrimony-as fraud or breach of faith-, behaviors that affects general or collective interests have been subject of recent criminalization : the interoperability of stock markets or the trust in them. This intense criminalization has been the subject of an intense criticism by some penal literature, because it does not meet the conditions of legitimacy that this literature demands, in Germany a stout criticism affirms that there is an incompatibility between criminal legislation and the need to regulate stock markets. According to the results of this investigation it can be stated that the reason of this legitimacy deficits are owed, on part, because of the generalization and idealization of the institution "stock markets", and the "object of protection" in Chilean literature and German orientation. This, added to the normative nature of the object of protection results in dissolving the standard of social harm as a standard of legitimacy, determination and qualification of the criminal offense. The first part of this work has demonstrated, that the principle of harm as a theory of protection of legal interests requires to determinate and to place the object of protection in its social reality, and also in the relations and positions of the individual in their relations with things and people. As this theory needs the principle of harm to be concreted in the direct harm or endangerment of said object of protection by way of making of it a standard for the merit and necessity of imposing a penal punishment-in simple terms, to determinate the proportionality of the state punishment- demands in protection of legal interests to search for standards that allows to establish an individual responsibility, and to personally attribute said social harm. A model of harm that is adequate and that meets the condition before demanded for the protection of institutional legal interests (in particularly for the stock market) must be developed starting from the basis of the system and the functional units that constitute the institution in regards with human interest in interaction process. The second chapter proves that only an orientation of this nature can correctly evaluate the need of criminal protection on determined stock markets subsystems. It is by this that we propose a restricted model of institutionalized trust, but serves as a link between institutions and individual interest. Allowing to evaluate the twofold relevance of the harmful conduct. This model serves as a solution to the lack of classical harm, not just from the "accumulative" effect (as a material equivalent), but specially from the informative disorder or functional unit (as an functional equivalent). Said model presents the capacity to solve legitimacy issues and to specially qualify the criminal offense.